LG Bielefeld 3 O 21/20
Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche
Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses
Das Landgericht Bielefeld hatte in dem Teilurteil vom 30.09.2020 (Az.: 3 O 21/20) über die Klage eines Sohnes gegen seine Mutter zu entscheiden.
Der Sohn, der von seinem Vater enterbt worden war, begehrte von seiner Mutter Auskunft über den Nachlass des Vaters.
Sachverhalt:
Der Kläger war der einzige Sohn des Erblassers.
Die Beklagte, die Ehefrau des Erblassers, war Alleinerbin.
Der Kläger machte gegen seine Mutter Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.
Er forderte die Beklagte zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses auf.
Die Beklagte erteilte zunächst eine unvollständige Auskunft.
Später erstellte ein Notar im Auftrag der Beklagten ein Nachlassverzeichnis.
Der Kläger hielt das Nachlassverzeichnis für unzureichend und erhob Klage.
Entscheidung des Landgerichts:
Das Landgericht gab der Klage auf der ersten Stufe statt und verurteilte die Beklagte zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses.
Begründung:
Auskunftsanspruch: Der Kläger hat als pflichtteilsberechtigter Sohn gegen die Beklagte als Alleinerbin einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses gemäß § 2314 BGB. Dieser Anspruch umfasst auch die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses.
Unzureichendes Nachlassverzeichnis: Das von der Beklagten vorgelegte Nachlassverzeichnis ist unzureichend. Der Notar hat den Bestand des Nachlasses nicht selbst ermittelt, sondern sich auf die Angaben der Beklagten verlassen. Er hat keine eigenen Ermittlungen angestellt, obwohl dies erforderlich gewesen wäre.
Ermittlungspflicht des Notars: Der Notar ist verpflichtet, den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig zu ermitteln. Er darf sich nicht auf die Angaben des Erben beschränken. Im vorliegenden Fall hätte der Notar beispielsweise Ermittlungen zum Grundbesitz, zu Bankkonten, Wertpapierdepots, Forderungen und Nachlassverbindlichkeiten anstellen müssen.
Fiktiver Nachlass: Auch die Auskunft zum fiktiven Nachlass, d.h. zu Schenkungen des Erblassers, ist unzureichend. Der Notar hat nicht den gesamten Zeitraum berücksichtigt, für den Auskunft zu erteilen war. Er hat auch keine Ermittlungen zu den Umständen der Verwendung des Kaufpreises aus einem Immobilienverkauf des Erblassers angestellt.
Offensichtliche Unvollständigkeit: Das Nachlassverzeichnis ist offensichtlich unvollständig, da es die konkreten Zuwendungsbeziehungen nicht ausreichend darstellt und der Kläger daher nicht beurteilen kann, ob ihm ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zusteht.
Fazit:
Das Landgericht Bielefeld hat entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine vollständige Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen.
Das vorgelegte Nachlassverzeichnis ist unzureichend, da der Notar keine eigenen Ermittlungen angestellt hat.
Die Beklagte muss daher ein neues Nachlassverzeichnis erstellen lassen, das den Anforderungen des § 2314 BGB entspricht.
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