Prüfung der Wechselbezüglichkeit für jede einzelne Verfügung des Testaments – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 44/84

November 30, 2020

Prüfung der Wechselbezüglichkeit für jede einzelne Verfügung des Testaments – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 44/84

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

Einführung

Die Wechselbezüglichkeit von testamentarischen Verfügungen spielt eine zentrale Rolle, wenn es um die Frage geht, ob eine testamentarische Verfügung nach dem Tod eines Ehegatten bindend bleibt.

Der Fall vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht illustriert die Bedeutung dieser Frage.

Sachverhalt

Die Erblasserin, die zweimal verheiratet war, errichtete mit ihrem zweiten Ehemann 1963 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzten und für den Fall ihres Überlebens die Schwester der Erblasserin und deren Neffen als Schlusserben bestimmten.

Nach dem Tod ihres zweiten Ehemanns erstellte die Erblasserin 1982 ein neues notarielles Testament, das alle vorherigen Verfügungen widerrief und eine andere Person als Alleinerbin bestimmte.

Dies führte zu Streitigkeiten zwischen den Begünstigten des ursprünglichen und des neuen Testaments.

Rechtslage

Gemäß den §§ 2270 Abs. 2 und 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB muss die Wechselbezüglichkeit jeder testamentarischen Verfügung gesondert geprüft werden.

Dies bedeutet, dass eine Verfügung eines Ehegatten als abhängig von der des anderen angesehen wird, wenn anzunehmen ist, dass die eine nicht ohne die andere getroffen worden wäre.

Der Widerruf solcher Verfügungen ist nach dem Tod des anderen Ehegatten nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (§ 2253 Abs. 1 BGB).

Prüfung der Wechselbezüglichkeit

Das Gericht muss feststellen, ob die einzelnen Verfügungen wechselbezüglich sind.

Einseitige Bindungen sind möglich, und eine Wechselbezüglichkeit wird im Zweifel angenommen, wenn eine Verfügung zugunsten einer Person erfolgt, die dem anderen Ehegatten nahe stand.

Prüfung der Wechselbezüglichkeit für jede einzelne Verfügung des Testaments – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 44/84

Auslegung des Testaments

Fehlt eine klare Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss das Testament ausgelegt werden.

Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass die Schlusserbeneinsetzung der Schwester und des Neffen der Erblasserin nicht in Wechselbeziehung zur gegenseitigen Erbeinsetzung stand.

Der zweite Ehemann der Erblasserin hatte keine engen Beziehungen zu diesen Personen.

Rechtsprechung

Vergleichbare Fälle wie der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts von 1982 und die Entscheidung von 1983 wurden herangezogen, um die Rechtmäßigkeit der Auslegung zu bestätigen.

Gerichtliche Entscheidungen

Das Amtsgericht und das Landgericht München II hatten die Einsetzung der neuen Alleinerbin im notariellen Testament bestätigt.

Das Bayerische Oberste Landesgericht wies die Beschwerden der ursprünglichen Schlusserben zurück.

Kostenerstattung und Geschäftswertfestsetzung

Die Entscheidung über die Kosten basierte auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, und der Geschäftswert wurde auf 600.000 DM festgesetzt.

Schlussfolgerungen und Bedeutung des Urteils

Das Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit einer klaren Anordnung zur Wechselbezüglichkeit in gemeinschaftlichen Testamenten.

Es unterstreicht, dass bei Fehlen einer solchen Anordnung eine detaillierte Auslegung erforderlich ist, wobei vermögensrechtliche Verhältnisse der Ehegatten berücksichtigt werden müssen.

Diese Entscheidung hat wesentliche Auswirkungen auf zukünftige Fälle, da sie präzisiert, unter welchen Umständen testamentarische Verfügungen nach dem Tod eines Ehegatten bindend bleiben.

Prüfung der Wechselbezüglichkeit für jede einzelne Verfügung des Testaments – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 44/84

Inhaltsverzeichnis:

  • Einführung
    • Bedeutung der Wechselbezüglichkeit
    • Relevanz des Falls
  • Sachverhalt
    • Tod der Erblasserin
    • Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments
    • Änderungen durch das notarielle Testament
  • Rechtslage
    • Grundsätze der Wechselbezüglichkeit (§§ 2270 Abs. 2, 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB)
    • Widerrufsmöglichkeiten von Testamenten (§ 2253 Abs. 1 BGB)
  • Prüfung der Wechselbezüglichkeit
    • Anforderungen an die Feststellung der Wechselbezüglichkeit
    • Einseitige Bindung eines Ehegatten
  • Auslegung des Testaments
    • Methodik der Auslegung
    • Fallbezogene Auslegungsergebnisse
    • Berücksichtigung der vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten
  • Rechtsprechung
    • Vergleichbare Fälle und Entscheidungen
    • BayObLG München 1982-12-31, BReg 1 Z 98/82
    • BayObLGZ 1983, 213/217
  • Gerichtliche Entscheidungen
    • Beschluss des Amtsgerichts
    • Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts und Bayerischen Obersten Landesgerichts
  • Kostenerstattung und Geschäftswertfestsetzung
    • Kostenentscheidung (§ 13a Abs. 1 Satz 2 FGG)
    • Geschäftswertberechnung (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 KostO)
  • Schlussfolgerungen und Bedeutung des Urteils
    • Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
    • Auswirkungen auf zukünftige Fälle

Prüfung der Wechselbezüglichkeit für jede einzelne Verfügung des Testaments – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 44/84 – Zum Entscheidungstext:

1. Die Wechselbezüglichkeit muß für jede einzelne Verfügung des Testaments gesondert geprüft werden. Möglich ist auch die einseitige Bindung nur eines Ehegatten an die Schlußerbeneinsetzung.

2. Enthält das Testament keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit der einzelnen Verfügungen, so muß diese durch Auslegung festgestellt werden. Hierbei kann die Abhängigkeit der Schlußerbeneinsetzung von der Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten verneint werden, wenn dieser vermögend war, der vorverstorbene Ehegatte jedoch kein oder im Verhältnis zu ihm nur ein geringes Vermögen hatte.

3. Dem verstorbenen Ehegatten im Sinne des BGB § 2270 Abs 2 nahestehend waren Freunde, bewährte Hausgenossen, langjährige Angestellte sowie Personen, zu denen er enge persönliche Beziehungen und innere Bindungen hatte, die mindestens dem üblichen Verhältnis zu Verwandten entsprachen (Vergleiche BayObLG München, 1982-12-31, BReg 1 Z 98/82, BayObLGZ 1982, 474).

Tenor

I. Die weiteren Beschwerden gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 28.März 1984 werden als unbegründet zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 4 und 5 haben die der Beteiligten zu 6 im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 600.000 DM festgesetzt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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