Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 60/89

Dezember 1, 2020

Unwirksame Anordnung der Testamentsvollstreckung für Gesamtnachlaß – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 60/89

RA und Notar Krau

Auslegungsfähigkeit testamentarischer Erbeinsetzung – Aussage von Zeugen mit Verschwiegenheitsverpflichtung

1. Ist eine Testamentsvollstreckung für den gesamten Nachlaß angeordnet, hierfür nicht zulässig und deshalb unwirksam, so kann darin die Anordnung der Testamentsvollstreckung für einen Erbteil liegen.

2. Zur Auslegungsfähigkeit und zur Auslegung einer testamentarischen Erbeinsetzung für zwei Abkömmlinge „zu gleichen Teilen“, wenn der Erblasser in einem vorangegangenen Erbvertrag einen

dieser Abkömmlinge bereits hinsichtlich der Hälfte seines Nachlasses als Erben eingesetzt und sich für die andere Hälfte Verfügungsfreiheit vorbehalten hat.

3. Ob ein Testament auslegungsfähig und -bedürftig ist, kann auch nach Umständen beurteilt werden, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen.

4. Zur Verwertung der Aussage von Zeugen, die einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen können.

1. Bei der Ermittlung des Erblasserwillens können auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände (zB Äußerungen des Erblassers gegenüber Zeugen) herangezogen werden,

sofern der Erblasserwille im Testament wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck gekommen ist.

Unwirksame Anordnung der Testamentsvollstreckung für Gesamtnachlaß – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 60/89

2. Verstößt ein zur Verschwiegenheit Verpflichteter als Zeuge gegen seine Verschwiegenheitspflicht, ist es dem Tatrichter nicht verboten, seine Aussagen zu verwerten.

Der Verstoß gegen eine Schweigepflicht ist lediglich bei der Beweiswürdigung als wesentlicher Umstand zu berücksichtigen.

Die Auslegung von Testamenten ist im deutschen Erbrecht von großer Bedeutung, da der letzte Wille des Erblassers möglichst genau respektiert werden soll. Dabei gelten folgende Grundsätze:

1. Ermittlung des wirklichen Willens:

  • Vorrang des subjektiven Willens: Oberstes Ziel ist es, den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln. Nicht der Wortlaut allein ist entscheidend, sondern was der Erblasser damit tatsächlich aussagen wollte (§§ 133, 2084 BGB).
  • Umfassende Würdigung: Zur Ermittlung des Willens müssen alle relevanten Umstände berücksichtigt werden, z.B.:
    • Inhalt des Testaments
    • Persönliche Lebensumstände des Erblassers
    • Weitere Verfügungen von Todes wegen
    • Äußerungen des Erblassers zu seinen testamentarischen Absichten

2. Auslegungsregeln:

  • Subsidiäre Anwendung: Die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 2087 ff. BGB) kommen nur dann zur Anwendung, wenn der wirkliche Wille des Erblassers nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann.
  • Beispiele:
    • § 2087 Abs. 2 BGB: Bei unklaren Bezeichnungen wird im Zweifel eine Vermächtnisanordnung angenommen.
    • § 2069 BGB: Im Zweifel gilt eine Erbeinsetzung auch für die Abkömmlinge des Erben.

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3. Grenzen der Auslegung:

  • Keine freie Erfindung: Der Wille des Erblassers darf nicht frei erfunden werden. Die Auslegung muss im Testament eine Grundlage haben.
  • Vermutung gegen Teilunwirksamkeit: Im Zweifel ist anzunehmen, dass der Erblasser eine wirksame Verfügung treffen wollte.

4. Zeitlicher Bezug:

  • Testamentserrichtung: Maßgeblich ist der Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Spätere Änderungen der Verhältnisse sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

5. Ergänzende Testamentsauslegung:

  • Lückenfüllung: Haben sich die Verhältnisse nach der Testamentserrichtung geändert, kann eine ergänzende Testamentsauslegung erforderlich sein, um den mutmaßlichen Willen des Erblassers zu ermitteln.

6. Anfechtung:

  • Letztes Mittel: Ist der Wille des Erblassers trotz Auslegung nicht zu ermitteln oder verstösst die Verfügung gegen zwingendes Recht, kann das Testament angefochten werden.

Zusammenfassend: Die Testamentsauslegung dient dazu, den letzten Willen des Erblassers möglichst genau zu respektieren. Hierfür ist eine umfassende Würdigung aller Umstände erforderlich.

RA und Notar Krau

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