von Todes wegen erfolgter Erwerb durch Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an Familienheim – BFH II R 14/16

April 13, 2021

von Todes wegen erfolgter Erwerb durch Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an Familienheim – BFH II R 14/16

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in dem Urteil II R 14/16 entschieden, dass der von Todes wegen erfolgte Erwerb eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an einem Familienheim nicht von der Erbschaftsteuer befreit ist.

Die Entscheidung basiert darauf, dass die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG voraussetzt, dass der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt.

Das Gericht stellte fest, dass der Kläger lediglich einen durch das Testament der Erblasserin begründeten Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an der Eigentumswohnung erworben hatte, der durch eine Auflassungsvormerkung gesichert war.

Dieser Anspruch entsprach nicht den Anforderungen des Erbschaftsteuergesetzes für die Steuerbefreiung eines Familienheims.

Daher wurde die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen, und er wurde zur Tragung der Kosten des Revisionsverfahrens verpflichtet.

von Todes wegen erfolgter Erwerb durch Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an Familienheim – BFH II R 14/16 – Inhaltsverzeichnis:

I. Sachverhalt

A. Erwerb der Eigentumswohnung durch die Erblasserin

B. Testamentarische Verfügung der Erblasserin

C. Einigung zwischen dem Kläger und seinen Töchtern

D. Erbschaftsteuererklärung und Steuerfestsetzung durch das Finanzamt

II. Streitfrage und Entscheidung des Finanzgerichts

A. Antrag des Klägers auf Steuerbefreiung

B. Festsetzung der Erbschaftsteuer durch das Finanzamt

C. Klage des Klägers und Urteil des Finanzgerichts

III. Revision und Entscheidung des Bundesfinanzhofs

A. Rüge des Klägers und Antrag auf Änderung des Erbschaftsteuerbescheids

B. Begründung der Revision und Urteil des Bundesfinanzhofs

1. Anforderungen an die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG

2. Erwerb eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs

3. Bewertung des Anspruchs auf Verschaffung von Eigentum an einem Familienheim

C. Kostenentscheidung

IV. Fazit und Ausblick

Zum Entscheidungstext:

1. Der von Todes wegen erfolgte Erwerb eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten ist nicht von der Erbschaftsteuer befreit.

2. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG setzt voraus, dass der verstorbene Ehegatte zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt.

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 6. April 2016 4 K 1868/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

von Todes wegen erfolgter Erwerb durch Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an Familienheim – BFH II R 14/16 – Gründe

I.

Die verstorbene Ehefrau (Erblasserin) des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 16. März 2007 von einem Bauträgerunternehmen eine noch zu errichtende Eigentumswohnung und vier Tiefgaragenstellplätze. Der Kaufpreis betrug 3.671.000 € zuzüglich 1.147.480 € für Sonderwünsche. Die Vertragsparteien erklärten zugleich die Auflassung. Am 28. Januar 2008 wurde zugunsten der Erblasserin eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.

Im Dezember 2008 zogen der Kläger, die Erblasserin und die beiden gemeinsamen Töchter in die Wohnung ein. Der Kaufpreis war zu diesem Zeitpunkt bis auf eine zunächst noch zurückbehaltene restliche Kaufpreisrate gezahlt.

Mit privatschriftlichem Testament vom 9. Juli 2009 verfügte die Erblasserin, der Kläger solle bei ihrem Ableben die Eigentumswohnung allein erhalten. Für das restliche Vermögen bestimmte sie die gesetzliche Erbfolge.

Die Erblasserin verstarb am 16. Juli 2009. Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht als Eigentümerin der Eigentumswohnung im Grundbuch eingetragen. Das Amtsgericht wies in einem gemeinsamen Erbschein den Kläger zu 1/2 und die Töchter jeweils zu 1/4 als Erben aus. Bezüglich der Eigentumswohnung gingen der Kläger und seine Töchter davon aus, dass das Testament insoweit ein Vermächtnis zugunsten des Klägers beinhalte.

Mit notarieller Urkunde vom 24. November 2009 vereinbarten der Kläger und seine Töchter, dass er in Erfüllung dieses Vermächtnisses das Alleineigentum an der Eigentumswohnung erhalte. Der Kläger wurde am 2. Februar 2010 als Eigentümer der Eigentumswohnung im Grundbuch eingetragen. Er nutzt die Wohnung seit dem Einzug ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken.

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In der Erbschaftsteuererklärung beantragte der Kläger für den Erwerb der Eigentumswohnung die Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erbschaftsteuer– und Schenkungsteuergesetzes in der für 2009 maßgebenden Fassung (ErbStG).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer in Höhe von zuletzt 340.480 € fest. Die beantragte Steuerbefreiung wurde nicht gewährt. Das FA nahm an, der Kläger habe von der Erblasserin nicht das Eigentum an einem Familienheim, sondern einen mit dem Verkehrswert anzusetzenden Anspruch auf Übereignung des Grundstücks (Eigentumsverschaffungsanspruch) erworben.

Dieser Eigentumsverschaffungsanspruch sei nicht als Erwerb eines Familienheims steuerbefreit. Für den Anspruch setzte das FA als Bemessungsgrundlage den Kaufpreis zuzüglich der Kosten für Sonderwünsche in Höhe von insgesamt 4.818.840 € und abzüglich der aufgenommenen Darlehensschuld in Höhe von 2.085.681 € sowie der noch nicht entrichteten Kaufpreisrate in Höhe von 258.000 € an.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, der Kläger habe von der Erblasserin einen Eigentumsverschaffungsanspruch, verbunden mit einem Anwartschaftsrecht an der Eigentumswohnung, und nicht das Eigentum oder Miteigentum an der Wohnung erworben. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG setze aber den Erwerb von Volleigentum voraus. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1015 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 25. Juni 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2015 dahingehend abzuändern, dass die Erbschaftsteuer auf 0 € festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG nicht gegeben sind.

1. Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes in der ab 2009 geltenden Fassung (BewG) durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim).

Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) oder durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB).

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2. Der von Todes wegen erfolgte Erwerb eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten ist nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG von der Erbschaftsteuer befreit.

a) Nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift ausdrücklich den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Die Begriffe “Eigentum” und “Miteigentum” sind dabei im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen.

Wie sich auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift ergibt, liegt ein Erwerb i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG nur vor, wenn der Erblasser zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 3. Juni 2014 II R 45/12, BFHE 245, 374, BStBl II 2014, 806, Rz 14).

Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechts ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt (§ 873 Abs. 1 BGB). Auch für die Einräumung des Sondereigentums ist die Einigung der Beteiligten über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung in das Grundbuch erforderlich (§ 4 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes).

b) Der Erwerb eines anderen Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die Immobilie, wie z.B. eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs oder eines dinglichen Wohnrechts genügt nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG.

c) Dem Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG entspricht es, seine Anwendung durch eine klare Abgrenzung auf den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten zu beschränken und alle anderen Erwerbe von der Steuerbefreiung auszunehmen. Eine erweiternde Auslegung (teleologische Extension) der Vorschrift auf von ihrem Wortlaut nicht erfasste Sachverhalte kommt nicht in Betracht.

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aa) Eine erweiternde Auslegung setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen.

Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist (“rechtspolitische Fehler”), reicht nicht aus. Die Unvollständigkeit muss sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck ergeben und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen.

Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen. Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2017 II R 13/15, BFHE 259, 361, Rz 31 f.).

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bb) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Zusammenhang nicht erfüllt. Es fehlt an einer Regelungslücke. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG auf den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim ist nicht sinnwidrig (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 374, BStBl II 2014, 806, Rz 17). Sie entspricht vielmehr der Absicht des Gesetzgebers, die Gewährung einer Steuerbefreiung auf den Erwerb von Wohneigentum durch den überlebenden Ehegatten zu begrenzen.

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/11107, S. 8) dient die Regelung über die Steuerfreistellung von Wohneigentum für Ehegatten und Lebenspartner “neben dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums dem Ziel der Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers” und der krisenfesten Erhaltung des besonders geschützten Familiengebrauchsvermögens in Gestalt des Familienheims von Ehegatten und Lebenspartnern.

cc) Sinn und Zweck der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG werden durch den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum durch den überlebenden Ehegatten als gesicherte Rechtsposition erreicht.

Der Erwerb anderer Rechte und Ansprüche, wie z.B. eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs, steht dem Erwerb von Eigentum oder Miteigentum nicht gleich. Durch die Auflassungsvormerkung entsteht zwar zugunsten des Käufers der Immobilie ein sogenanntes vormerkungsgestütztes Anwartschaftsrecht, wenn die Auflassung mit bindender Wirkung (§ 873 Abs. 2 BGB) erklärt ist

(vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. November 1983 V ZR 211/82, BGHZ 89, 41, unter II.2.a; Palandt/Herrler, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl., § 925 Rz 25).

Das Anwartschaftsrecht begründet aber kein Eigentum im zivilrechtlichen Sinn. Es ist nur ein dem Volleigentum wesensähnliches Recht und wird deshalb in Teilbereichen wie das Vollrecht behandelt; es kann z.B. mit einem Nießbrauch belastet sowie ver– und gepfändet werden

(vgl. Palandt/Herrler, a.a.O., § 925 Rz 23 ff., § 1069 Rz 2; Palandt/Wicke, a.a.O., § 1274 Rz 4).

dd) Eine erweiternde Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist nicht deshalb geboten, weil die Vorschrift auch den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim begünstigt, das in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR belegen ist, und die dort geltenden Vorschriften geringere Anforderungen an den Erwerb des Eigentums an einem Grundstück oder einer Eigentumswohnung vorsehen können als die Regelungen im BGB.

Die Erbschaftsteuer knüpft grundsätzlich an das Zivilrecht an. Wird für den Erwerb eines im Inland belegenen Familienheims die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG begehrt, ist deshalb zur Klärung der Frage, ob Eigentum von Todes wegen erworben wurde, auf die inländischen Vorschriften abzustellen. Eine Einbeziehung ausländischer Vorschriften scheitert schon daran, dass § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG die Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb nicht gesondert benennt und damit nur eine Bestimmung nach den allgemeinen Grundsätzen möglich ist.

d) Der streng am Wortlaut orientierten Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG steht die BFH-Rechtsprechung zur Frage des Zeitpunkts der Ausführung von Grundstücksschenkungen nicht entgegen.

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aa) Danach ist eine Grundstücksschenkung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bereits ausgeführt, wenn die Auflassung (§ 925 BGB) beurkundet worden ist, der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat (§ 19 der Grundbuchordnung) und der Beschenkte nach den getroffenen Vereinbarungen von der Eintragungsbewilligung Gebrauch machen darf (z.B. BFH-Urteile vom 24. Juli 2002 II R 33/01, BFHE 199, 25, BStBl II 2002, 781, unter II.1.a, und vom 2. Februar 2005 II R 26/02, BFHE 208, 438, BStBl II 2005, 312, unter II.1.a).

Die Vorverlegung des Ausführungszeitpunkts einer Grundstücksschenkung vor den Zeitpunkt der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) ist im Hinblick darauf geschehen, dass der Schenker zu diesem Zeitpunkt alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat. Die Rechtsprechung betrifft damit nur den Zeitpunkt für die Entstehung der Schenkungsteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).

bb) Die Rechtsprechungsgrundsätze zum Zeitpunkt der Ausführung einer Grundstücksschenkung sind auf den Erwerb durch Erbanfall nicht übertragbar. Beim Erwerb von Todes wegen entsteht die Steuer grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG); nur die in diesem Zeitpunkt in der Person des Erblassers bestehende Rechtsposition kann auf den Erben übergehen (BFH-Urteil vom 16. Mai 2007 II R 61/99, BFH/NV 2007, 1663, unter II.1.d).

e) Eine erweiternde Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist auch nicht im Hinblick auf die Regelung über die steuerbefreite Schenkung unter Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG geboten.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG sind Zuwendungen unter Lebenden steuerbegünstigt, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim verschafft oder den anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung des Familienheims freistellt. Entsprechendes gilt, wenn ein Ehegatte nachträglichen Herstellungs– oder Erhaltungsaufwand für ein Familienheim trägt, das im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten oder im Eigentum des anderen Ehegatten steht (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 2 ErbStG).

§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG hat andere Voraussetzungen und eine andere Zielrichtung als § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG. Die Vorschrift wurde durch Art. 24 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250) als Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH eingefügt.

Der BFH hatte mit Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92 (BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366) die Steuerfreiheit von ehebedingten unbenannten Zuwendungen aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte die lebzeitige Zuwendung des Familienheims aus der Besteuerung wieder ausnehmen

(vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG, Rz 38; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/ Gottschalk, ErbStG, § 13 Rz 55).

§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG umfasst daher alle Arten ehebedingter Zuwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb oder Erhalt eines Familienheims zu Lebzeiten der Eheleute. Die Steuerbefreiung ist —anders als § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG— nicht auf den Erwerb des Eigentums beschränkt.

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f) Bei der eng am Wortlaut vorgenommenen Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG unterliegt die Steuerbefreiung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BFH-Urteile in BFHE 245, 374, BStBl II 2014, 806, Rz 26, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG, und vom 5. Oktober 2016 II R 32/15, BFHE 256, 359, BStBl II 2017, 130, Rz 17, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG).

3. Der Anspruch auf Verschaffung von Eigentum an einem Familienheim ist nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten.

Eine Anwendung des § 12 Abs. 3 ErbStG, wonach Grundbesitz i.S. von § 19 BewG mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag festgestellten Grundbesitzwert anzusetzen ist, kommt nicht in Betracht. Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 159 und 176 bis 198 BewG zu ermitteln (§ 157 Abs. 3 Satz 1 BewG).

Wird ein Eigentumsverschaffungsanspruch erworben, handelt es sich nicht um “Grundbesitz” i.S. des § 19 BewG. Nach dem Katalog des § 176 Abs. 1 BewG gehört zum Grundvermögen u.a. das Wohnungseigentum (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 BewG), nicht jedoch ein Anspruch auf Verschaffung des Wohnungseigentums.

Bewertungsrechtlich ist somit für die Anwendung des Grundbesitzwerts allein maßgebend, ob Grundstücks– oder Wohnungseigentum, d.h. das Vollrecht erworben wird

(BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2001 II R 61/99, BFHE 196, 304, BStBl II 2001, 834, unter II.1., und BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1663).

4. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass für den Erwerb des durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs auf das Familienheim durch den Kläger die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG nicht zu gewähren ist.

a) Der Kläger hat von der Erblasserin durch Vorausvermächtnis kein Eigentum an der Wohnung, sondern einen durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruch erworben. Die Erblasserin war zum Zeitpunkt ihres Todes am 16. Juli 2009 mangels Eintragung im Grundbuch noch nicht Eigentümerin der Wohnung.

Sie hatte jedoch aus dem notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 16. März 2007 einen schuldrechtlichen Anspruch nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Übertragung der Miteigentumsanteile und des Sondereigentums an der Eigentumswohnung sowie den Tiefgaragenstellplätzen, der durch eine Auflassungsvormerkung gesichert war. Nur dieser Anspruch konnte auf den Kläger im Wege des Vorausvermächtnisses übergehen.

b) Das FA hat als Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer den Anspruch auf Verschaffung von Eigentum an dem Familienheim zutreffend mit dem Verkehrswert angesetzt. Von dem Gesamtkaufpreis hat es die letzte, beim Tod der Erblasserin noch nicht entrichtete Kaufpreisrate in Abzug gebracht. Gegen die Höhe des Werts wurden auch vom Kläger keine Einwendungen vorgebracht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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