LG Berlin 22 O 377/13
Auskunft über den Bestand der Erbschaft und den Verbleib der Erbschaftsgegenstände: Anforderungen an die Form des Bestandsverzeichnisses, und an die Übersichtlichkeit eines aus mehreren Teilverzeichnissen bestehenden Gesamtverzeichnisses
Leitsatz
Zu den Anforderungen an eine Auskunft über den Bestand der Erbschaft und den Verbleib der Erbschaftsgegenstände in der Form eines Bestandsverzeichnisses
Tenor
Tatbestand
Die Klägerin – als Erbin – nimmt die Beklagte – als Erbschaftsbesitzerin – im Wege der Stufenklage zunächst auf Auskunft über den Bestand und den Verbleib des Nachlasses ihres Vaters in Anspruch.
Die Klägerin ist die Tochter und Alleinerbin des am 29.7.2012 in Berlin verstorbenen … … (im Folgenden: Erblasser), zuletzt wohnhaft in der … in Berlin-Charlottenburg. Der Erblasser war seit dem 13.7.1990 und auch zum Zeitpunkt seines Todes in zweiter Ehe verheiratet mit der Beklagten. Die Beklagte hat seinerzeit mit dem Erblasser zusammengelebt und dessen Nachlaß in Besitz genommen. Nach dessen Tod hat sie Barabhebungen von dem Konto des Erblassers vorgenommen und eine eigene Zahnarztrechnung durch Überweisung von diesem Konto beglichen. Inzwischen ist die heute 80-jährige Beklagte in ein Heim verzogen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.10.2012 (Bl. 7 d.A.) machte die Klägerin gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 12.684,02 € geltend und begehrte Auskunft über den Bestand der Erbschaft und den Verbleib der Erbschaftsgegenstände. Daraufhin überreichte die Beklagte ein kleines Oktavheft (Kopie der beschriebenen Seiten Bl. 8 d.A.), das teilweise von ihr ausgefüllt worden war und teilweise von der Klägerin handschriftlich ergänzt worden ist.. Darüber hinaus erteilte sie Auskunft mit Schreiben der Rechtsanwältin … vom 27.3.2013 (Bl. 11 d.A.) und auch im Rahmen dieses Rechtsstreits.
Im Wege der Stufenklage macht die Klägerin zunächst einen Anspruch auf Auskunftserteilung über den Bestand und den Verbleib der Erbschaft durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses geltend. Derzeit geht die Klägerin davon aus, daß ein Anspruch auf Rückzahlung der von der Beklagten nach dem Tod des Erblassers von dessen Konto abgehobenen oder überwiesenen Beträge, sowie ein Anspruch auf Zahlung eines weiteren Geldbetrages sowie auf Herausgabe von Erbschaftsgegenständen besteht.
Die Beklagte hat Widerklage erhoben und begehrt die Auszahlung ihres 1/8 Pflichtteilanspruchs und eines Zugewinnausgleichs in Höhe von insgesamt 8.925,11 €.
Die Klägerin behauptet, die bisher erteilten Auskünfte der Beklagten seien unvollständig, da insbesondere keinerlei Angaben über den Verbleib des persönlichen Hab und Guts des Erblassers und seiner Dokumente gemacht worden seien. So sei z.B. keine Auskunft über einen Ordner mit persönlichen Dokumenten des Erblassers gemacht worden, in dem sich unter anderem Beförderungsurkunden des Erblassers, Urkunden über den Verkauf der Grundstücke und Gutachten über die Grundstücke befunden hätten. Auch sei keine Auskunft über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände nach dem Umzug der Beklagten aus der gemeinsamen Wohnung mit dem Erblasser in ein Heim gemacht worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft über den Bestand der Erbschaft nach dem am 29.07.2012 verstorbenen … , zuletzt wohnhaft: … in … Berlin, und den Verbleib der Erbschaftsgegenstände durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie habe die begehrte Auskunft bereits erteilt. Der Bestand der Nachlaßgegenstände ergebe sich aus dem Oktavheft. Zudem seien die mit Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 27.2.2013 (Bl. 9 d.A.) herausverlangten Gegenstände vollständig herausgegeben worden. Auf weitere Gegenstände habe die Klägerin verzichtet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist auf der ersten Stufe begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 2027 Abs. 1, 260 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände in der Form eines Bestandsverzeichnisses; denn die Klägerin ist Erbin und die Beklagte ist Erbschaftsbesitzerin.
Dieser Anspruch ist durch die bisherigen Auskünfte der Beklagten inhaltlich nicht erfüllt, denn die Auskunft der Beklagten weist derart große Auslassungen auf, daß auch nicht von einer – wenn auch unvollständigen – Erfüllung der Auskunftspflicht ausgegangen werden kann, an die sich dann lediglich noch ein Verfahren über die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung anschließen könnte. Eine solche Situation der „unvollständigen Erfüllung“ läge vor, wenn in einer äußerlich ordnungsgemäßen Aufstellung einzelne Posten falsch wären oder überhaupt fehlen würden (BGH, Urteil vom 29.6.1983 – IVb ZR 391/81 -, Juris Rdnr. 21). Auch eine solche formell ordnungsgemäße Aufstellung liegt nicht vor.
Der Auskunftsberechtigte, dem in der Form eines Bestandsverzeichnisses gemäß § 260 Abs. 1 BGB Auskunft zu erteilen ist, hat Anspruch auf eine systematische Zusammenstellung der erforderlichen Angaben, die ihm ohne übermäßigen Arbeitsaufwand die Darlegung seines Anspruchs ermöglicht (BGH, a.a.O., Juris Rdnr. 21). Sinn und Zweck der Regelung des § 260 BGB ist es, zur Befriedigung gesetzlicher Auskunftsansprüche eine klare und übersichtliche Form zur Verfügung zu stellen. Dabei wird die Klarheit und Übersichtlichkeit, die das Gesetz durch die Form des Verzeichnisses sicherstellen will, durch die Zusammenfassung aller den Gegenstand der Auskunftspflicht bildenden Aktiv- und Passivwerte in einem einzigen Verzeichnis naturgemäß weit besser erreicht als durch die Aufstellung einer Mehrheit von Verzeichnissen, die jeweils nur einen Teil jener Werte enthalten. Die praktische Notwendigkeit, die Auskunft grundsätzlich in einem einzigen umfassenden Gesamtverzeichnis und nicht aufgesplittert in eine Mehrheit von Teilverzeichnissen zu geben, wird besonders deutlich, wenn die Richtigkeit der Verzeichnung nach § 260 Abs. 2 BGB an Eides statt versichert werden soll (BGH, Urteil vom 2.11.1960 – V ZR 124/59 -, Juris Rdnr. 13 und 17). Nur wenn diese erforderliche Übersichtlichkeit gewahrt wird, kann das Verzeichnis aus mehreren Teilverzeichnissen bestehen.
Diesem Formerfordernis genügen die Angaben der Beklagten nicht. Das Oktavheft (Bl. 8 d.A.) enthält Einrichtungsgegenstände, die teils mit dem Zusatz „aus erster Ehe“, teils mit dem Zusatz „neu“ und teils mit keinem Zusatz versehen sind. Es erschließt sich schon nicht eindeutig, bei welchen der dort genannten Gegenstände es sich nun um Erbschaftsgegenstände aus dem Nachlaß des Erblassers handeln soll und bei welchen nicht. Auch dem Schreiben der Rechtsanwältin … vom 27.3.2014 (Bl. 11 d.A.) ist keine geordnete und eindeutige Darstellung der zum Nachlaß gehörenden Erbschaftsgegenstände zu entnehmen. Dort wird ab Seite 3 des Schreibens aufgeführt, welche Gegenstände die Beklagte bereit ist, herauszugeben. Ob dies nun eine abschließende Darstellung der Erbschaftsgegenstände sein soll, ist nicht zweifelsfrei ersichtlich. Dies auch deshalb, weil im Laufe dieses Rechtsstreit, dann weitere Angaben gemacht werden und z.B. auch eingeräumt wird, daß es weitere Erbschaftsgegenstände gibt, nämlich z.B. eine Bose-Kompaktanlage, ein Keyboard mit Hocker und Lampe, Kleidungsstücke und schriftliche Dokumente – auch wenn diese teilweise nicht mehr vorhanden sein sollen oder von der Klägerin mitgenommen worden sein sollen. Eine irgendwie einheitliche und übersichtliche Darstellung der Erbschaftsgegenstände, deren Vollständigkeit die Beklagte an Eides statt versichern könnte, ist auch in der Gesamtschau der Angaben der Beklagten nicht gegeben. Zudem sollen sämtliche Teilverzeichnisse zum Zeitpunkt ihrer Abgabe für sich genommen ein abschließendes, vollständiges Verzeichnis darstellen. Dies gilt für die Angaben im Oktavheft, für die Angaben im Schreiben der Rechtsanwältin … und für die Angaben im Rahmen dieses Rechtsstreits. Gerade weil aber die Angaben für sich genommen jeweils den Anspruch der Vollständigkeit erheben und sich dennoch inhaltlich nicht decken, sondern teilweise widersprechen, können die einzelnen Angaben – zusammen genommen – kein einheitliches Bestandsverzeichnis darstellen, deren Richtigkeit die Beklagte an Eides statt versichern könnte.
Auch inhaltlich weisen die Angaben der Beklagten derart große Auslassungen auf, daß von einer Erfüllung der Auskunftspflicht nicht ausgegangen werden kann. Nach einer mehr als 20-jährigen Ehezeit müssen sich in der gemeinsamen Wohnung des Erblassers mit der Beklagten persönliche Gegenstände des Erblassers, Kleidungsgegenstände des Erblassers und Dokumente des Erblassers befunden haben. Hierzu fehlt es an konkreten und abschließenden Angaben.
Vollständig fehlt es an jeder Angabe der Beklagten zum Verbleib der Erbschaftsgegenstände – und zwar selbst zum Verbleib der unstreitig vorhandenen Erbschaftsgegenstände beim Umzug der Beklagten aus der Ehewohnung. Zwar hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, daß solche Gegenstände eingelagert worden sein sollen. Unabhängig davon, daß es sich bei solchen Angaben nicht um Angaben in der Form eines Bestandsverzeichnisses handelt, bleibt weiterhin offen, welche konkreten Gegenstände eingelagert worden sein sollen und wo diese eingelagert worden sein sollen.
Die Beklagte ist danach weiterhin verpflichtet, die begehrte Auskunft vollständig und in der Form eines Bestandsverzeichnisses zu erteilen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.