OLG Frankfurt am Main, 09.10.2014 – 3 U 124/13

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 09.10.2014 – 3 U 124/13
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 23. Zivilkammer – vom 17.05.2013 (2/23 O 354/12) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Streithelferin trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin aus dem Berufungsurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des nach dem Berufungsurteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungsleistung aus einer Kapitallebensversicherung in Anspruch. Sie ist die Witwe des am …04.2012 verstorbenen Herrn A. Dessen damaliger Arbeitgeber hatte die Lebensversicherung als sogenannte Direktversicherung für Herrn A als Versicherungsnehmer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten im April 1987 abgeschlossen. Nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen war für die Versicherungsleistung bezugsberechtigt Herr A,

„… mit der Maßgabe, dass im Todesfall ihr Anspruch in nachfolgender Rangfolge übergeht:
a) auf den verwitweten Ehegatten,
b) …“.

Im November 1987 heiratete Herr A in erster Ehe Frau … A, die Streitverkündete.

Im Jahre 1989 wurde die Versicherungssumme unter Beibehaltung der Versicherungsbedingungen erhöht. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1997 setzte Herr A das Versicherungsverhältnis selbst beitragsfrei fort. Unter dem 25.06.1997 (Anlage K 6, Bl. 13 d. A.) bat die Beklagte Herrn A um Übersendung einer ausgefüllten Begünstigungserklärung, damit es im Leistungsfall nicht zu Unklarheiten komme. Durch Erklärung vom 09.07.1997 (Anlage K 7, Bl. 14 d. A.) bestimmte Herr A daraufhin, bezugsberechtigt nach seinem Tode solle „der verwitwete Ehegatte“ sein, was ihm die Beklagte unter dem 22.08.1997 bestätigte. Ab März 2000 lebten Herr A und die Streitverkündete getrennt und wurden am …04.2002 rechtskräftig geschieden. In der hierzu getroffenen Scheidungsfolgenvereinbarung wurde die Lebensversicherung Herrn A zugeteilt.

Im Oktober 2002 heirateten Herr A und die Klägerin. Im März 2003 erhielt Herr A auf die Frage nach der Bezugsberechtigung aus der streitigen Versicherung von der Beklagten die Auskunft, dass im Todesfall „ihre verwitwete Ehegattin“ begünstigt sei.

Nachdem Herr A am 18.04.2012 verstorben war, zahlte die Beklagte die Versicherungssumme in Höhe von 34.530,51 € an die Streitverkündete aus.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der Versicherungssumme an sich.

Sie hat behauptet, Herr A habe als bezugsberechtigt jeweils denjenigen Ehegatten angesehen, mit dem er im Zeitpunkt des Todes verheiratet sein würde. Auf Nachfrage im Jahre 2007 sei ihm von der Sachbearbeiterin der Beklagten versichert worden, dies sei die aktuell mit ihm verheiratete Ehefrau.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 34.530,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Standpunkt vertreten, sie habe mit Recht die Versicherungssumme an die Streitverkündete ausgezahlt.

Das Landgericht, auf dessen Urteil zur Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes verwiesen wird, hat der Klage entsprochen, weil Herr A bereits zu Beginn des Versicherungsverhältnisses als Bezugsberechtigte die Ehegattin bestimmt habe, die Zeitpunkt des Todes mit ihm verheiratet sei. Die Klägerin sei Witwe im Sinne des Rechts der Hinterbliebenenversorgung.

Es habe sich vorliegend um eine Versicherung im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG gehandelt, so dass hinsichtlich des Begriffs der Hinterbliebenenversorgung auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen sei. Demnach sei Witwe bzw. Witwer, wer mit dem versicherten Ehegatten bei dessen Tod verheiratet gewesen sei. Diese Regelung habe Herr A durch seine Erklärung vom 09.07.1997 bei der Weiterführung der Versicherung nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben bestätigt. Zwar gehe die Rechtsprechung davon aus, dass sich bei Benennung des Ehegatten als bezugsberechtigt die Bezugsberechtigung bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte auf den bei Abschluss des Versicherungsvertrages mit dem Versicherungsnehmer verheirateten Ehegatten beziehe; das gelte hier jedoch nicht, weil bei Abschluss der Versicherung die Regelungen des gesetzlichen Rentenversicherungsrechts zwingend anzuwenden gewesen seien, ohne dass Herr A hierauf hätte Einfluss nehmen können. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird ergänzend Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Abweisungsbegehren weiter. Sie rügt, das Landgericht habe es unterlassen, auf die vom Gesetz vorgeschriebene Reihenfolge der Bezugsberechtigten und deren Bindung für den vorliegenden Versicherungsvertrag hinzuweisen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe sich nämlich der Inhalt des Versicherungsverhältnisses entscheidend geändert. Denn Herr A habe nunmehr die Möglichkeit gehabt, die Bezugsberechtigung frei zu bestimmen, was er unter dem 09.07.1997 (Anlage K 14) getan habe. Damit sei bezugsberechtigt die damals mit ihm verheiratete Frau … A gewesen.

Dier Beklagte hat im Berufungsverfahren Frau … A den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Beklagte und Streitverkündete beantragen,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 2/23 O 344/12 vom 17.05.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung bleibt indes in der Sache ohne Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist im Ergebnis zu Recht ergangen. Die Angriffe der Berufung vermögen dies nicht in Frage zu stellen. Denn sofern wenn man darauf abstellt, dass Herr A die Bezugsberechtigung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei bestimmen konnte, ergibt sich kein anderes Ergebnis gegenüber dem angefochtenen Urteil.

Wer in einem solchen Fall bezugsberechtigt ist, wäre nämlich unter Berücksichtigung der Versicherungsbedingungen, bzw. der Erklärung nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB auszulegen und zwar im Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer (Senat, Urteil vom 09.06.2015 – 3 U 176/04 – bestätigt durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05 -).

Vorliegend war in allen Fällen als bezugsberechtigt die “verwitwete Ehefrau“ angegeben worden. Verwitwet ist definitionsgemäß diejenige Person, deren Ehepartner während einer bestehenden Ehe verstirbt. Verwitwet kann also nur die im Zeitpunkt des Todes mit Herrn A verheiratete Klägerin gewesen. Denn die Streitverkündete hatte nach ihrer Scheidung von Herrn A den Familienstand „geschieden“, nicht aber den Familienstand „verwitwet“, weil er A nicht während der mit ihr bestehenden Ehe verstorben war. Sie kann also auch von den Versicherungsbedingungen nicht als bezugsberechtig gemeint sein. Davon muss auch Herr A ausgegangen sein, denn als ihm im März 2003, also nach Eheschließung mit der Klägerin von der Beklagten mitgeteilt wurde, im Todesfall sei „ihre verwitwete Ehegattin“ bezugsberechtigt, hat Herr A keinen Anlass gesehen, diese Bestimmung zu ändern, die sich eindeutig nur auf die Klägerin bezogen haben kann. Wäre Herr A im Übrigen nach der Scheidung der ersten Ehe unverheiratet verstorben, hätte die Streitverkündete ebenfalls keinen Anspruch auf die Versicherungssumme gehabt, weil sie nicht „ verwitwet“ im Sinne der Versicherungsbedingungen gewesen wäre.

Für die Bezugsberechtigung der Klägerin spricht auch, dass die Versicherung durch die erwähnte Scheidungsfolgenvereinbarung Herrn A zugeteilt wurde, ohne dass eine Bezugsberechtigung der Streitverkündeten aufrechterhalten worden wäre. Im Gegenteil wurde der Versicherungswert bei der Berechnung der Vermögensauseinandersetzung voll auf Seiten des Herrn A angesetzt.

Auch ein etwaiges Motiv, die Streitverkündete versorgt zu wissen, kann keine Rolle gespielt haben, weil dieser an Vermögen mehr verblieb als Herrn A (s. Nr. 7 und 8 der Scheidungsfolgenvereinbarung, Bl. 22 d.A.).

Nach alldem konnte die Berufung keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 2. Halbsatz ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 108 ZPO .

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen ihrer Zulassung (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind.

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Warnhinweis:

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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