LAG Hessen, 05.06.2015 – 14 Sa 802/14

April 28, 2019

LAG Hessen, 05.06.2015 – 14 Sa 802/14

1.

Eine tarifliche Regelung, die die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung für die Dauer von bis zu vier Jahren eröffnet (§ 14 Abs. 2 Satz 3, 4 TzBfG) begegnet weder unionsrechtlichen noch verfassungsrechtlichen Bedenken
2.

Die in § 2 Ziffer 3 des Manteltarifvertrags für die bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH beschäftigten Mitarbeiter getroffene Regelung hat rein schuldrechtlichen Charakter. Ihr kommt auch keine Rechtswirkung zugunsten Dritter zu. Die Frage der Einhaltung der dort geregelten Quote betreffend befristete Arbeitsverhältnisse wirkt sich auf die Wirksamkeit vereinbarter Befristungen daher nicht aus.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2014 – 19 Ca 9365/13 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte ist ein bundeseigenes Unternehmen, welches in den Bereichen der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung und internationale Bildungsarbeit insbesondere für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung tätig ist. Sie ist in der Rechtsform der GmbH organisiert.

Die Klägerin war bei der Beklagten auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 14. September 2010/16. September 2010 (Bl. 9 – 11 d.A.) ab dem 8. November 2010 als Personalreferentin mit einem Bruttojahresgehalt von zuletzt 65.607,37 EUR beschäftigt. Es handelt sich um eine Stelle, die zu Lasten der Verwaltungsgemeinkosten finanziert ist.

§ 1 des Arbeitsvertrags lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Frau A wird für die Zeit vom 08.11.2010 bis zum 30.11.2013 beschäftigt.

(2) Frau A übernimmt die Tätigkeit als Personalreferentin in der Organisationseinheit Personalentwicklung am Einsatzort B.

(3) Die Möglichkeit einer Versetzung gemäß § 4 “Versetzung” des Manteltarifvertrags (MTV) bleibt daneben unberührt.

(4) Das Arbeitsverhältnis endet durch Fristablauf, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

§ 7 des Arbeitsvertrags lautet:

Auf das Arbeitsverhältnis sind die jeweils für den Betrieb oder Betriebsteil geltenden Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung im Rahmen ihres Geltungsbereichs anzuwenden.

Unter dem 17./ 19. Dezember 2008 schloss die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der Gewerkschaft C einen zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV) der unter anderem folgende Regelungen enthält:

§ 1 Geltungsbereich

1. Dieser Tarifvertrag gilt für

– aufgrund eines am Sitz der Gesellschaft abgeschlossenen Arbeitsvertrags in Deutschland eingesetzte Mitarbeiterinnen der Gesellschaft;

(…)

§ 2 Befristung von Arbeitsverträgen

1. Arbeitsverträge, die überwiegend Tätigkeiten im Rahmen zeitlich begrenzter entwicklungspolitischer Maßnahmen zum Gegenstand haben, werden in der Regel befristet abgeschlossen. Solche befristeten Tätigkeiten finden auch im Inland, schwerpunktmäßig jedoch im Ausland statt, wo sie den Großteil der Einsätze ausmachen. Sonstige rechtlich zulässige Befristungsmöglichkeiten bleiben unberührt.

2. Die Gesellschaft kann gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz Arbeitsverträge ohne das Vorliegen eines sachlichen Grundes auf die Dauer von bis zu vier Jahren kalendermäßig befristen; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung von kalendermäßig befristeten Arbeitsverträgen zulässig.

3. Die Gesellschaft wird nicht mehr als 15 % der Mitarbeiterinnen, deren monatliche Vergütung ganz oder teilweise zu Lasten der Verwaltungsgemeinkosten finanziert wird, aufgrund der Regelung in Ziffer 2 befristet beschäftigen. Sonstige rechtliche zulässige Befristungsmöglichkeiten werden dadurch nicht berührt.

Protokollnotiz zu § 2 Ziffer 2 und 3:

Die Parteien betrachten diese Regelungen vor dem Hintergrund des geltenden Gesetzesrechts zur Befristung von Arbeitsverträgen insgesamt als angemessenen Ausgleich. Sollten sich die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen künftig ändern, werden die Parteien unverzüglich in Tarifgespräche eintreten mit dem Ziel, gemeinsam die Angemessenheit der tariflichen Regelungen im Hinblick auf die gesetzliche Neuerung zu überprüfen und ggf. im Sinne einer weiterhin ausgewogenen und interessengerechten Lösung anzupassen.

(…)

§ 29 Verlängerung des Arbeitsvertrags

1. Befristete Arbeitsverträge enden grundsätzlich mit Ablauf der vereinbarten Frist, ohne dass es einer besonderen Erklärung der Gesellschaft bedarf.

2. Hat der/die Mitarbeiterin einen befristeten Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von 12 Monaten oder länger, teilt die Gesellschaft in der Regel 5 Monate vor Vertragsende schriftlich mit, ob und für welche Zeitdauer sie eine Verlängerung beabsichtigt.

3. Erfolgt bei einem projektbezogen befristeten Arbeitsvertrag die Mitteilung gemäß Ziffer 2 später als drei Monate vor Vertragsende, verlängert sich der Arbeitsvertrag, falls der/die Mitarbeiterin einverstanden ist, um die Zeit, um die die Dreimonatsfrist zum Vertragsende hin unterschritten ist.

§ 2 des MTV fand sich unverändert bereits in dem im Jahre 2003 geschlossenen Vorgänger Manteltarifvertrag, der im Zusammenhang mit einer Vereinheitlichung des Tarifsystems der Beklagten vereinbart worden war. In dem Protokoll über die seinerzeit zwischen den Tarifvertragsparteien geführten Verhandlungen (Bl. 101 ff d.A.) – in denen einer Rechtsfolge für den Fall der Überschreitung der Befristungsquote nicht diskutiert wurde – heißt es hierzu wie folgt:

“Im Hinblick auf § 2 Abs. 2 vertritt C die Position, dass im Gegenzug zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen bis zu vier Jahren den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Ablauf der vier Jahre ein Anspruch auf unbefristete Beschäftigung einzuräumen ist. Alternativ ist die in § 2 Abs. 3 vorgesehene Höchstquote von 15 % solcher Befristungen weiter zu reduzieren. (K) Die D sieht sich nicht in der Lage, die in dem Entwurf enthaltene Regelung so umzugestalten oder zu ergänzen. Als Alternative kommt für sie ausschließlich der Rückfall auf die gesetzlichen Bestimmung (Teilzeit- und Befristungsgesetz) in Frage. (…)

Im Ergebnis verständigen sich die Tarifvertragsparteien auf die Beibehaltung der im Entwurf vorgesehenen Regelungen unter Vornahme der von C gewünschten sprachlichen Änderungen der Protokollnotiz.”

Im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 20. April 2013 befand sich die Klägerin im Mutterschutz, im Zeitraum vom 21. April 2013 bis zum Befristungsende am 30. November 2013 in Elternzeit. Zwischen den Parteien wurde über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Elternzeit der Klägerin gesprochen, wobei die Einzelheiten streitig sind.

Die Klägerin hat die Befristung für unwirksam gehalten. Sie hat die Ansicht vertreten, § 1 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil es insoweit an einer Bezugnahme auf den MTV fehle. Im Übrigen sei ihr Arbeitsverhältnis aber auch nicht unter § 2 Ziffer 2 des MTV zu subsumieren, da von diesem nur Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 MTV erfasst seien, die jedoch zudem über Verwaltungsgemeinkosten finanziert würden. Auf ihr – nicht projektbezogen und nicht schwerpunktmäßig im Ausland verortetes -Arbeitsverhältnis finde die erweiterte Befristungsmöglichkeit nach § 2 Ziffer 2 MTV dagegen keine Anwendung. Zudem missbrauche die Beklagte die ihr eingeräumte Möglichkeit des erweiterten Abschlusses befristeter Arbeitsverhältnisse, da sie sämtliche Arbeitsverhältnisse befristet beginne, was dem Sinn und Zweck des Teilzeit- und Befristungsgesetzes widerspreche.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte halte die in § 2 Ziffer 3 MTV vereinbarte Quote von 15 % befristeter Arbeitsverhältnisse nicht ein. Zu einer Überschreitung der dort festgelegten Quote sei es auch im Jahre 2010 gekommen. Sie hat die Ansicht vertreten, hieraus resultiere die Unwirksamkeit der Befristungsabrede im Vertrag vom 14. September 2010/16. September 2010. Es sei auch nicht zutreffend, dass sich die Quote des § 2 Ziffer 3 MTV allein auf solche Befristungen beziehe, die in Ziffer 2 genannt seien, nämlich sachgrundlose Befristungen zwischen zwei und vier Jahren.

Die Klägerin hat behauptet, ihr sei zugesagt worden, dass sie ab dem 1. Dezember 2013 ihre Tätigkeit auf einer halben Stelle würde fortsetzen können. Insoweit sei geplant gewesen, dass sie eine 50 % Stelle im Bereich Führungsentwicklung erhalte, für den Fall, dass dies nicht umgesetzt werden könne, aber jedenfalls auf einer halben Stelle im Bereich E-Learning eingesetzt werde. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Klägerin zu der von ihr behaupteten Zusage wird auf Seite 3 und 4 ihres Schriftsatzes vom 25. April 2014 (Bl. 109, 110 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen die Befristung des Vertrags vom 14. September 2010/ 16. September 2010 mit am 23. Dezember 2013 eingegangener Klageschrift Entfristungsklage eingereicht, die der Beklagten am 14. Januar 2014 zugestellt worden ist.

Sie hat zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 14. September 2010/ 16. September 2010 zum 30. November 2013 beendet ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Befristung im Arbeitsvertrag der Klägerin für wirksam gehalten. Sie hat die Auffassung vertreten, die sachgrundlose Befristung sei gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG iVm. § 2 Ziffer 2 MTV iVm. §§ 1, 7 des Arbeitsvertrags der Klägerin zulässig. Die im Arbeitsvertrag getroffene Regelung verstoße nicht gegen das Transparenzgebot, da sich aus ihr eindeutig ergebe, dass es sich um eine Befristung für den Zeitraum vom 8. November 2010 bis zum 30. November 2013 handele. § 7 des Arbeitsvertrags enthalte eine eindeutige Bezugnahme auf den MTV, wenn es dort heiße, dass auf das Arbeitsverhältnis die geltenden Tarifverträge anzuwenden seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei deren Arbeitsvertrag unter § 2 Ziffer 2 MTV zu subsumieren, weil die Ziffern 1 und 2 des § 2 MTV unabhängig voneinander bestünden und nicht aufeinander aufbauten. Da die Verträge von Mitarbeitern mit projektbezogener Tätigkeit mit Sachgrund befristet werden könnten, hätten die Tarifvertragsparteien mit § 2 Ziffer 2 MTV die Möglichkeit geschaffen, unabhängig davon Arbeitsverträge von Mitarbeitern sachgrundlos bis zu vier Jahren zu befristen.

Die Beklagte hat behauptet, in keinem der Jahre 2010 bis 2013 sei die in § 2 Ziffer 3 MTV geregelte Quote überschritten worden. Betreffend des diesbezüglichen erstinstanzlichen Vortrags der Beklagten wird auf ihren Schriftsatz vom 1. April 2014 Seite 5 – 7 (Bl. 95 – 97 d.A.) Bezug genommen. Sie hat zudem die Auffassung vertreten, selbst wenn es zu einer Überschreitung der Quote gekommen wäre, habe dies nicht die Unwirksamkeit der mit der Klägerin vereinbarten Befristung zur Folge. Dem Wortlaut des § 2 Ziffer 3 MTV sei eindeutig zu entnehmen, dass die Einhaltung der festgesetzten Quote eine Verpflichtung ihrerseits als Tarifvertragspartei gegenüber ihrem Tarifpartner darstelle. Es werde gerade keine Rechtsfolge für den Fall konstatiert, dass sie ihren Verpflichtungen gegenüber dem Vertragspartner nicht nachkomme. Der letzte Satz des § 2 Ziffer 3 MTV sei von den Tarifvertragsparteien nur zur Klarstellung dessen eingefügt worden, dass sich die Quote von 15% allein auf solche Befristungen beziehe, die in Ziffer 2 genannt seien, nämlich sachgrundlose Befristungen zwischen zwei und vier Jahren. Ein abweichender Wille der Tarifvertragsparteien ergebe sich auch nicht aus der Protokollnotiz zu § 2 MTV.

Die Beklagte hat weiter behauptet, eine Zusage gegenüber der Klägerin, dass diese ab dem 1. Dezember 2013 ihre Tätigkeit auf einer halben Stelle würde fortsetzten können, habe es nicht gegeben. Wegen des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird auf ihren Schriftsatz vom 1. April 2014, Seite 8, 9 (Bl. 98, 99 d.A.) Bezug genommen. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtliche Verfahrens wird ergänzend auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 119 – 121 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit seinem am 8. Mai 2014 verkündeten Urteil – 19 Ca 9365/13 – (Bl. 118 – 126 d.A.) der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Einhaltung der in § 2 Ziffer 3 MTV geregelten Quote sei Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen die für einen Zeitraum von zwischen zwei und vier Jahren abgeschlossen würden. Dass sie diese Quote im maßgeblichen Zeitraum eingehalten habe, habe die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Das Arbeitsgericht geht insofern davon aus, § 2 Ziffer 3 MTV sei nach den Regeln auszulegen, die für die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags gälten. Aus der nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung folge nämlich, dass es sich bei § 2 Ziffer 3 MTV nicht um eine schuldrechtliche Vereinbarung handele, sondern um eine normative Regelung. Die für die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags geltenden Auslegungsregeln ergäben, dass die Einhaltung der in § 2 Ziffer 3 MTV geregelten Quote Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der dieser Ziffer unterfallenden sachgrundlos befristeten Arbeitsverträge sei. Mangels ausreichender Darlegung durch die Beklagtenseite müsse angenommen werden, dass diese die Quote nicht eingehalten habe. Wegen der arbeitsgerichtlichen Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 121 – 125 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. Mai 2014 zugestellte Urteil am 13. Juni 2014 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23. September 2014 mit am 23. September 2014 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangener Berufungsbegründungsschrift begründet.

Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, die Einhaltung der in § 2 Ziffer 3 MTV geregelten Quote sei Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der mit der Klägerin getroffenen Befristungsvereinbarung. § 2 Ziffer 3 MTV habe entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts schuldrechtlichen und keinen normativen Charakter. Dies ergebe sich im Wege der gebotenen Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Entgegen er Annahme des Arbeitsgerichts sei im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen, die zu dem Tarifvertrag aus dem Jahr 2003 geführt hätten, nicht Ziel der Gewerkschaft gewesen, unbefristete Beschäftigungen zu ermöglichen. Vielmehr habe Beschäftigung insgesamt – auch befristeter Art – gesichert werden sollen. Ziel sei aber auch gewesen, es aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten möglich zu machen, dass sowohl Auslandsmitarbeiter als auch Inlandsmitarbeiter befristet beschäftigt werden können. Darüber hinaus sei es auch Ziel der Gewerkschaft gewesen, eine verlängerte Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen zu schaffen, um die Chancen der befristet eingestellten Arbeitnehmer auf den Abschluss eines entfristeten Arbeitsvertrags zu erhöhen. Um andererseits aber ein Ausufern der erweiterten Befristungsmöglichkeiten nach § 2 Ziffer 2 MTV zu verhindern, hätten die Tarifvertragsparteien sodann auf schuldrechtlicher Ebene die Quote des § 2 Ziffer 3 MTV vereinbart. Andernfalls hätte die Gewerkschaft darauf geachtet, die Konsequenzen und Rechtsfolgen eines Verstoßes ausdrücklich im Tarifvertrag festzuhalten, sowie das zum Beispiel bei der Regelung in § 29 Ziffer 3 MTV zur Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags geschehen sei. Abgesehen davon, dass die Tarifvertragsparteien eine klare Regelung getroffen hätten, nämlich gerade keine Rechtsfolgen an die Nichteinhaltung der Quote zu knüpfen, sodass schon keine planwidrige Regelungslücke vorliege, sei das Gericht selbst bei Annahme einer unbewussten Regelungslücke nicht berechtigt, diese durch eigene ergänzende Auslegung zu schließen. Dies stelle einen Verstoß gegen die Tarifautonomie dar.

Die Beklagte behauptet, sie habe die Quote des § 2 Ziffer 3 MTV eingehalten. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe sie hierzu bereits erstinstanzlich ausreichend und substantiiert vorgetragen. Wegen des Vortrags der Beklagten zur Einhaltung der Quote im Einzelnen wird auf Bl. 29 ff d.A. auf die Berufungsbegründung vom 23. September 2014 nebst Anlagen sowie auf ihren Berufungsschriftsatz vom 18. Mai 2015 (Bl. 455 ff d.A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2014 – 19 Ca 9365/13 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Der Arbeitsvertrag der Klägerin sei bereits nicht unter § 2 Ziffer 2 MTV zu subsumieren, jedenfalls aber habe § 2 Ziffer 3 MTV normativen Charakter, was sich aus der Systematik des § 2 MTV ergebe. Zutreffend komme das Arbeitsgericht auch zu dem Schluss, dass die Einhaltung der in § 2 Ziffer 3 MTV geregelten Quote Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen sei, die zu Lasten der Verwaltungsgemeinkosten für einen Zeitraum von zwischen zwei und vier Jahren abgeschlossen würden. Abgesehen davon, dass die Ausführungen der Beklagten zur Einhaltung der Quote als verspätet zurückzuweisen seien, träfen die von dieser genannten Prozentzahlen für die jeweiligen Stichtage nicht zu. Schließlich sei es auch nicht zulässig, wesentliche Teile des Vortrags in einer Anlage zum Schriftsatz zu halten. Die von der Beklagten als Anlage zu 2 und 3 vorgelegten Listen seien auch deshalb nicht geeignet, den Nachweis für die Einhaltung der in § 2 Ziffer 3 MTV vereinbarten Quote zu erbringen, weil sämtliche Mitarbeiter, die im Zeitpunkt der Begründung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin und zu Beginn ihrer Tätigkeit bereits ohne Sachgrund befristet eingestellt waren, sich aber noch nicht in einer Verlängerung ihres befristeten Vertrags befinden, überhaupt nicht aufgeführt seien .

Wegen des weiteren beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 2 c ArbGG und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Die Entfristungsklage der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Befristung in § 1 des Vertrages vom 14. September 2010 / 16. September 2010 zum 30. November 2013 aufgelöst worden. Die in § 1 getroffene Befristungsvereinbarung ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3, 4 TzBfG iVm. § 2 Ziffer 2 MTV iVm. § 7 des Arbeitsvertrags der Klägerin wirksam.

1.

Die Befristung erweist sich nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG als wirksam, denn die Befristung zum 30. November 2013 ist mit der am Montag, dem 23. Dezember 2013, bei Gericht eingegangenen Klage rechtzeitig angegriffen worden, § 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB in Verbindung mit § 222 Abs. 2 ZPO.

2.

Das Schriftformgebot des § 14 Abs. 4 TzBfG ist mit § 1 des Arbeitsvertrags der Parteien eingehalten.

3.

Die zwischen den Parteien vereinbarte Befristung ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3, 4 TzBfG iVm. § 2 Ziffer 2 MTV zulässig.

a) Die Tarifvertragsparteien haben mit § 2 Abs. 2 MTV von der Option einer Erweiterung der in § 14 Abs. 2 Satz 1, 2 TzBfG vorgesehen Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung wirksam Gebrauch gemacht, indem dem sie die Höchstdauer der dort vorgesehen Befristung auf vier Jahre erhöht haben.

aa. Die gesetzliche Tariföffnungsklausel des § 14 Abs. 2 Satz 3, 4 TzBfG unterliegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, mit den gebotenen immanenten Einschränkungen keinen unionsrechtlichen Bedenken. Sie verstößt insbesondere nicht gegen das Verschlechterungsverbot des § 8 Nr. 3 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG. Art. 7 und Art. 8 der Richtlinie 2002/14/EG iVm. Art. 27, 28 und 30 der EUGrdRCh gebieten keine Einschränkungen der Bestimmungen des TzBfG zur Befristung von Arbeitsverträgen (BAG 5. Dezember 2012 – 7 AZR 698/11 – BAGE 144, 85).

bb. Obwohl die den Tarifvertragsparteien mit § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung oder beide Umstände abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festzulegen, dem Gesetzeswortlaut nach weder hinsichtlich der Höchstdauer noch hinsichtlich der Anzahl der Verlängerungen eingeschränkt ist, besteht sie nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten systematischer Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck des TzBfG, aber auch verfassungs- und unionsrechtliche Gründe eine immanente Beschränkung der durch die Vorschrift eröffneten Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien (BAG 15. August 2012 – 7 AZR 184/11 – BAGE 143, 10). Eine Erhöhung der Befristungsdauer auf bis zu vier Jahre ist jedoch weder nach dem Sinn und Zweck des TzBfG noch aus verfassungs- oder unionsrechtlichen Gründen bedenklich (die Festsetzung einer zulässigen Höchstdauer von 42 Monaten für die kalendermäßige Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes als “maßvolle Erweiterung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelten Höchstdauer” bezeichnend: BAG 5. Dezember 2012 – 7 AZR 698/11 – BAGE 144, 85; eine Gesamtdauer von fünf Jahren für zulässig erachtend; LAG Düsseldorf 9. Dezember 2014 – 17 Sa 892/14 – ; eine Gesamtdauer von vier Jahren für zulässig erachtend auch Francken NZA 2013, 122. Sie überschreitet nicht die gesetzgeberischen Regelungen, soweit diese selbst Abweichungen von dem Zwei-Jahres-Zeitraum vorsehen. § 14 Abs. 2 a TzBfG bestimmt, dass in den ersten vier Jahren nach Gründung eines Unternehmens die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds bis zur Dauer von vier Jahren zulässig ist. Die Vorschrift enthält darüber hinaus ebenfalls eine tarifvertragliche Öffnungsklausel; durch Regelung der Tarifvertragsparteien ist also hier sogar eine über vier Jahre hinausgehende Gesamtdauer der Befristung zulässig. § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG lässt eine Befristung für die Dauer von fünf Jahren zu, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne der § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gewesen ist.

Die Regelung des § 2 Ziff. 2 MTV entspricht auch noch dem gesetzlichen Leitbild, nach dem der unbefristete Vertrag das “normale” Arbeitsverhältnis und der befristete Vertrag die Ausnahme darstellt. Auch ist nicht ersichtlich, dass der nach Art. 12 Abs. 1 GG staatlich zu garantierende Mindestbestandschutz durch eine Verdopplung der nach § 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 TzBfG unproblematisch zulässigen Befristungsdauer unterschritten würde.

b) Die Beklagte kann die mit der Klägerin vereinbarte Befristung auf § 2 Ziffer 2 MTV stützen. Der MTV findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Zwar ist die Klägerin, wie im Berufungstermin klargestellt, nicht tarifgebunden. Es liegen jedoch die Voraussetzung des § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG vor.

aa. Die Parteien haben in § 7 ihres Arbeitsvertrags die Anwendbarkeit des MTV wirksam vereinbart. Hiernach sind auf das Arbeitsverhältnis die jeweils für den Betrieb oder Betriebsteil geltenden Tarifverträge im Rahmen ihres Geltungsbereichs anzuwenden. § 7 des Arbeitsvertrags ist nicht intransparent im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine dynamische Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerks führt für sich genommen noch nicht zur Intransparenz. Bezugnahmeklauseln, auch dynamische, sind im Arbeitsrecht weit verbreitet und entsprechend einer üblichen Regelungstechnik. Sie dienen dem Interesse beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden, in Bezug genommenen Regelungen sind bestimmbar. Dies ist zur Wahrung des Transparenzgebots ausreichend, sodass eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, die auf die jeweils geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen verweist, zur Wahrung des Transparenzgebots ausreichend ist (BAG 21. November 2012 – 4 AZR 85/11 – ).

bb. Die Parteien unterfielen auch bei angenommener beidseitiger Tarifgebundenheit dem räumlichen, fachlichen, und persönlichen Geltungsbereich des MTV, haben damit also im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG “im Geltungsbereich” des Tarifvertrags dessen Anwendung vereinbart.

cc. Dass § 1 des Arbeitsvertrags nicht hinsichtlich der getroffenen Befristungsvereinbarung speziell auf den MTV verweist, ist unschädlich. Ein Zitiergebot regelt § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG nicht.

c) Entgegen der von der Klägerin erstinstanzlich vertretenen Ansicht regelt § 2 Ziffer 2 MTV die erweiterte sachgrundlose Befristung nicht nur für solche Arbeitsverträge, die zwar Verwaltungsgemeinkosten finanziert sind, im Übrigen aber § 2 Ziffer 1 unterfallen. Eine entsprechende Einschränkung ist dem Wortlaut des § 2 Ziffer 2 MTV nicht zu entnehmen. Die Regelung spricht allgemein von der Befristung von “Arbeitsverträgen” und nicht von “Arbeitsverträgen im Sinne der Ziffer 1”. Hinzu kommt, dass Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 2 Ziffer 1 MTV typischerweise mit Sachgrund befristet werden können, so dass das Bedürfnis für die Option zur erweiterten sachgrundlosen Befristung gerade bei denjenigen Arbeitsverhältnissen besteht, die wie das der Klägerin nicht unter § 2 Ziffer 1 MTV zu subsumieren sind.

d) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde auf eine Dauer von etwas mehr als drei Jahren befristet und hält sich damit im Rahmen der Regelung des § 2 Abs. 2 MTV.

e) Die zwischen den Parteien vereinbarte Befristung ist auch nicht gemäß § 2 Ziffer 3 MTV unwirksam. Es handelt sich hierbei weder um eine normative Regelung, die direkt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien wirkte, noch um eine schuldrechtliche Regelung, der der Charakter eines Vertrags zu Gunsten Dritter zukäme.

aa. Das Arbeitsgericht hat zunächst zutreffend ausgeführt, dass sich die Auslegung, ob es sich bei einer Bestimmung innerhalb eines Tarifvertrags um eine normative oder um eine schuldrechtliche Regelung handelt, ebenso wie die, ob ein Tarifvertrag oder eine sonstige schuldrechtliche Koalitionsvereinbarung vorliegt, nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB richtet (BAG 13. Oktober 2011 – 8 AZR 514/10 – ; 26. Januar 2011 – 4 AZR 159/09 – AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 7; 7. Juni 2006 – 4 AZR 272/05 – AP TVG § 1 Nr. 37). Allerdings stellt das Arbeitsgericht zu Unrecht darauf ab, bereits die Tatsache, dass die tariffähigen Parteien den Begriff “Tarifvertrag” verwendet haben, spräche dagegen, dass sie in dem MTV einzelne Abreden verorten wollten, denen rein schuldrechtliche Wirkung zukomme. Dass die Tarifvertragsparteien mit dem MTV einen Tarifvertrag schließen wollten, steht außer Zweifel. Dies sagt jedoch nichts über die Frage aus, ob § 2 Ziffer 3 MTV eine schuldrechtliche oder eine normative Bestimmung darstellt. Gemäß § 1 TVG enthält ein Tarifvertrag typischerweise nicht nur Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln, sondern auch schuldrechtliche Vereinbarungen. Es sind daher entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts keine “besonderen Umstände” für die Annahme erforderlich, dass die Tarifvertragsparteien in dem MTV auch rein schuldrechtliche Bestimmungen treffen wollten.

bb. Gemäß §§ 133, 157 BGB sind die Erklärungen der Vertragspartner aus der Sicht der jeweiligen Erklärungsempfänger in der Weise auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste (vgl. nur BAG 17. Juli 2007 – 9 AZR 819/06 – EZA § 8 TzBfG Nr. 17). Hierfür ist zunächst der Wortlaut der Erklärung maßgeblich, wobei hierzu auch die Stellung der Formulierung im Gesamtzusammenhang des Textes gehört (Palandt1Ellenberger § 133 BGB Rn. 14). Bei eindeutigem Wortlaut ist für eine Auslegung grundsätzlich kein Raum. Besteht allerdings ein übereinstimmender Parteiwille, ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er im Wortlaut der Erklärung keinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BAG 17. Juli 2007 – 9 AZR 819/06 – a. a. O.). Ist die Erklärung nach ihrem Wortlaut nicht eindeutig, sind zur Ermittlung des Parteiwillens die außerhalb des Erklärungsakt liegenden Begleitumstände, insbesondere die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung und die Äußerungen der Parteien über den Inhalt des Rechtsgeschäfts im Rahmen der Vorverhandlungen einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (Palandt1Ellenberger § 133 BGB Rn. 15 ff). Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (BAG 18. Mai 2010 – 3 AZR 373/08 – ). Im Zweifel ist derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und dem Interesse beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG 18. Mai 2010 – 3 AZR 373/08 – a. a. O.).

cc. Bereits nach dem Wortlaut des § 2 Ziffer 3 MTV handelt es sich hierbei nicht um eine normative Regelung im Sinne des § 1 Abs. 1 TVG. Die Formulierung in Satz 1 des § 2 Ziffer 3 MTV trifft keinerlei Aussage darüber, unter welchen Voraussetzungen die Arbeitsvertragsparteien wirksam einen befristeten Arbeitsvertrag schließen können. Satz 1 regelt seinem Wortlaut nach weder den Abschluss noch die Beendigung von Arbeitsverträgen, sondern trifft lediglich eine Aussage darüber, wie groß der Anteil der Beschäftigten sein “wird”, die die Beklagte auf Grund der in § 2 Ziffer 2 MTV vereinbarten Befristungsmöglichkeit befristet beschäftigt. Dem Wortlaut nach stellt die Beklagte damit lediglich ein bestimmtes Verhalten in Aussicht. Auch im Vergleich etwa zu § 29 Ziffer 3 MTV, wo die Tarifvertragsparteien eine unzweifelhaft normative Regelung getroffen haben, indem sie ausdrücklich die Rechtsfolgen einer Fristunterschreitung durch den Arbeitgeber für die Arbeitsverträge regeln, spricht bereits viel dafür, den Wortlaut als eindeutig anzusehen, sodass für eine weitere Auslegung gar kein Raum bestünde.

Etwas anderes ergibt sich auch entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht aus § 2 Ziffer 3 Satz 2 MTV. Über die Frage der rechtlichen Zulässigkeit solcher Befristungen, die sich nicht im Rahmen der zugesagten Quote halten, sagt Satz 2 nichts aus. Die Formulierung, “sonstige” rechtlich zulässige Befristungsmöglichkeiten würden “dadurch” nicht berührt, kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass Befristungen, die an sich durch § 2 Ziffer 2 MTV gedeckt wären, rechtlich unzulässig würden, wenn sie die Quote in Satz 1 quantitativ überschreiten. Der Begriff der “sonstigen” rechtlich zulässigen Befristungsmöglichkeiten bezieht sich erkennbar auf die unmittelbar zuvor bezeichnete, über die gesetzlichen Möglichkeiten hinaus gehende Befristungsmöglichkeit nach § 2 Ziffer 2 MTV, die Formulierung “dadurch” nimmt erkennbar Bezug auf die quantitative Beschränkung in Satz 1. Während also die (nur) nach § 2 Ziffer 2 MTV zulässigen Befristungsmöglichkeiten eine quantitative Beschränkung erfahren, werden nicht unter § 2 Ziffer 2 MTV fallende Befristungen von ihr nicht erfasst. Eine über diese Aussage hinaus gehende Regelung trifft § 2 Ziffer 3 Satz 2 MTV nicht.

dd. Hält man den Wortlaut des § 2 Ziff. 3 MTV einer weiteren Auslegung für zugänglich, ergibt sich aus den übrigen Auslegungskriterien nichts anderes. Zwar weist die Klägerin hinsichtlich der Stellungen der Formulierung im Gesetzeszusammenhang des Textes zurecht darauf hin, dass es sich bei § 2 Ziffer 2 MTV um eine normative Regelung handelt, die den Abschluss von Arbeitsverträgen regelt. Dies mag zunächst dafür sprechen, dass auch die unter der gleichen Überschrift verortete Ziffer 3 eine normative Regelung darstellt. Hiergegen spricht jedoch deutlich der Inhalt der Protokollnotiz zu § 2 Ziffer 2 und 3 MTV: Hier bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, dass sie die getroffenen Regelungen als angemessenen Ausgleich ansehen, bei Änderungen der Gesetzeslage aber erneut verhandeln, um die getroffenen Vereinbarungen ggf. anzupassen. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass die Gewerkschaft C im Rahmen der Ziffer 2 des § 2 MTV einer erweiterten Befristungsmöglichkeit zugestimmt hat und die Beklagte sich im Gegenzug C gegenüber – also schuldrechtlich – verpflichtet hat, von dieser Möglichkeit nur in quantitativ beschränkten Umfang Gebrauch zu machen. Dieser von “den Parteien” – von den Tarifvertragsparteien – ausweislich des ersten Satzes der Protokollnotiz als gerecht angesehene Ausgleich würde nämlich etwa durch eine Verkürzung der in § 14 Abs. 2 TzBfG als zulässig erachteten Höchstbefristungsdauer für sachgrundlose Befristungen auf ein Jahr in Schieflage geraten. Der Beklagten stünde dann über § 2 Ziffer 2 MTV die Möglichkeit zu, die gesetzlich vorgesehene Höchstbefristungsdauer um ein Vierfaches zu überschreiten, ihre Nachgabe betreffend einer Höchstquote läge aber unverändert bei 15 %, sodass ein Ungleichgewicht der jeweils erfolgten Zugeständnisse – auf schuldrechtlicher Ebene zwischen den Verhandlungspartnern – einträte.

ee. Berücksichtigt man zur Ermittlung des Parteiwillens die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände, insbesondere die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung und Äußerungen der Parteien über den Inhalt des Rechtgeschäfts im Rahmen der Vorverhandlungen, ergibt sich hieraus jedenfalls nichts für einen normativen Charakter der Ziffer 3 des § 2 MTV. Zwar bestreitet die Klägerin den für eine schuldrechtliche Vereinbarung sprechenden Sachvortrag der Beklagten zum Zustandekommen des § 2 MTV. Dass zwischen den Tarifvertragsparteien eine Rechtsfolge des Verstoßes gegen die Quote von 15 % für nach § 2 Ziffer 2 MTV befristete Arbeitsverträge thematisiert wurde, behauptet sie jedoch auch selbst nicht.

ff. Die Annahme, § 2 Ziffer 3 MTV stelle eine schuldrechtliche Regelung dar, führt schließlich zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis. Die Beklagte hat die Möglichkeit, sachgrundlose Befristungen über bis zu vier Jahre zu vereinbaren und damit eine stärkere Gleichbehandlung zwischen ihren Inlandsmitarbeitern und ihren Auslandsmitarbeitern herbeizuführen. Die Gewerkschaft kann über ihren Durchführungsanspruch verhindern, dass die Beklagte von dieser Möglichkeit im größeren als dem zugesagten Umfang Gebrauch macht. Jedenfalls aus § 242 BGB folgt ein Anspruch der Gewerkschaft auf Erteilung der erforderlichen Auskünfte, um die Einhaltung der Quote zu überprüfen. Weiterer Regelungsbedarf besteht bei einer schuldrechtlichen Wirkung des § 2 Ziffer 3 MTV nicht. Bei Annahme eines schuldrechtlichen Charakters der vereinbarten Quote gelten für die auf Grund des § 2 Ziffer 2 MTV befristet beschäftigten Arbeitnehmer gleiche Bedingungen. Entspricht der Vertragstext den dort geregelten Voraussetzungen, ist die vereinbarte Befristung unabhängig von außerhalb des Vertrags liegenden Umständen wirksam. Dagegen führte die Annahme, § 2 Ziffer 3 MTV stelle eine normative Bestimmung dar, nicht zu vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnissen. Dies folgt zunächst daraus, dass jegliche bei dieser Auslegung erforderliche flankierenden Regelungen der Bestimmung fehlen. Zunächst wären genaue Regelungen zur Berechnung der Quote erforderlich gewesen, wollte man von deren Einhaltung die Frage der Rechtswirksamkeit vereinbarter Befristungen abhängig machen. Es ist bereits unklar, ob bei der Ermittlung der Quote auch solche Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, mit denen zwar auf Grund des § 2 Ziffer 2 MTV befristete Verträge bestehen, die die Beklagte aber nicht “beschäftigt” etwa wegen Elternzeit oder Dauererkrankung. Sollte ein Verstoß gegen die Quote von 15 % individualrechtliche Wirkungen zeitigen, wäre dies zu regeln gewesen. Gleiches gilt für die Frage, welcher Zeitpunkt für die Feststellung der Quote maßgeblich sein sollte. Zwar sind grundsätzlich für die Wirksamkeit einer Befristung die Umstände zur Zeit des Vertragsschlusses entscheidend. Im vorliegenden Fall hinge es jedoch im hohen Maße vom Zufall ab, welche Quote am Tag des Vertragsschlusses gerade erreicht ist. Eine vereinbarte Befristung könnte etwa unwirksam sein, weil gerade am fraglichen Tag die Quote überschritten war, obwohl sie im Jahresdurchschnitt unterschritten war. Allein durch etwa eine gehäufte Beendigung unbefristeter Arbeitsverhältnisse, auf die die Beklagte keinen Einfluss hat, könnte es zu einer unvorhergesehenen und von der Beklagten nicht beeinflussbaren kurzfristigen Überschreitung der Quote kommen. Die Beklagte müsste also jeweils vor dem Vertragsschluss aktuell für den Tag des Vertragsschlusses die genaue Quote feststellen lassen, was wenig praktikabel wäre, insbesondere bei zur Unterschrift an den Arbeitnehmer versendeter Verträge stünde dieser Zeitpunkt unter Umständen im Vorhinein gar nicht genau fest. Bei einem Abschluss mehrerer befristeter Verträge an verschiedenen Standorten wäre zudem denkbar, dass nur alle abgeschlossenen Verträge gemeinsam eine Überschreitung der Quote auslösten. Es wäre dann unklar, welche der neu abgeschlossenen Befristungen unwirksam sein sollen. Schließlich führte die Annahme eines normativen Charakters der Regelung dazu, dass inhaltsgleiche sachgrundlos befristete Arbeitsverträge allein aufgrund von Umständen, die außerhalb des Vertragstextes und außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegen und auf die der jeweilige Arbeitnehmer keinen Einfluss hat wirksam oder unwirksam wären. Dies ist mit dem Gedanken materieller Gerechtigkeit schwer zu vereinbaren. Schließlich fehlt auch jede flankierende Regelung, wie der jeweilige Arbeitnehmer die Information erhalten soll, ob am Tag des Abschlusses seines Vertrags die Quote überschritten war, ggf. also für einen vier Jahre zurückliegenden Zeitpunkt. Einen Auskunftsanspruch haben die Tarifvertragsparteien insofern nicht geregelt. Machte er zunächst ein Auskunftsbegehren geltend, wäre die Drei-Wochen-Frist des § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG nicht einzuhalten. Selbst wenn man annähme, dass die Beklagte im Rahmen geführter Prozesse zur Auskunft aus prozessualen Gründen verpflichtet wäre, führte dies dazu, dass ein Arbeitnehmer quasi auf Verdacht Befristungsklage erheben müsste, um im Rahmen dieses Prozesses zu erfahren, ob sein Arbeitsvertrag gemäß § 2 Ziffer 3 MTV unwirksam ist.

gg) Der somit als schuldrechtlich anzusehenden Bestimmung des § 2 Ziffer 3 MTV kommt auch nicht im Sinne eines Vertrags zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB individualrechtliche Wirkung zu. Wie bereits dargelegt, ist die Vereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB gerade dahingehend auszulegen, dass ein Überschreiten der Quote keinen Einfluss auf die Rechtswirksamkeit der vereinbarten Befristungen haben soll.

4.

Dahinstehen kann, ob der Klägerin von der Beklagten eine Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Befristung zugesagt worden ist. Selbst wenn dies Fall wäre, führte dies nicht zu Unwirksamkeit der Befristung im Vertrag vom 14. September 2010/ 16. September 2010. Die Annahme einer Verlängerungszusage führt nicht zum Erfolg einer Entfristungsklage (BAG 19. März 2014 – 7 AZR 828/12 – ). Eine mögliche Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags mit der Klägerin war nicht Gegenstand der vorliegenden Klage.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 ZPO die unterlegene Klägerin zu tragen.

IV.

Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Zum einen hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht entschieden, ob eine Erstreckung der Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung auf 48 Monate durch die Tarifvertragsparteien gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG zulässig ist. Zum anderen folgt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtswirkungen des § 2 Ziffer 3 MTV aus dem Umfang der potenziell von dieser Regelung bei der Beklagten an verschiedenen Standorten betroffenen Arbeitnehmer.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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