Rechtsnachfolge in die Beteiligung des Erblassers an der Personengesellschaft – BFH Vorlagebeschluss vom 18. Oktober 1988 – VIII R 172/85

Juni 5, 2020

Rechtsnachfolge in die Beteiligung des Erblassers an der Personengesellschaft – BFH Vorlagebeschluss vom 18. Oktober 1988 – VIII R 172/85

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Tatbestand

Die Klägerin, die den im August 1979 verstorbenen Ehemann zur Hälfte beerbte, führte dessen Unternehmen bis zum 20. Juni 1981 als Einzelunternehmen weiter.

Die beiden Stieftöchter erbten jeweils ein Viertel.

Diese verkauften ihre Erbteile im Oktober 1980 an den Kaufmann A, doch die Klägerin übte ihr gesetzliches Vorkaufsrecht aus und erwarb die Anteile im Februar 1981.

Im August 1981 veräußerte die Klägerin das Unternehmen an Kaufmann C, behielt jedoch das betrieblich genutzte Grundstück X-Straße, das zu einem Drittel betrieblich genutzt und langfristig vermietet wurde.

Die Klägerin ermittelte einen Veräußerungsgewinn von … DM und beantragte dessen Minderung um den Kaufpreisanteil für die Erbteile der Stieftöchter, was das Finanzamt (FA) ablehnte.

Die Klage der Klägerin hatte beim Finanzgericht (FG) Erfolg.

Entscheidungsgründe

B. Stellungnahme des Senats zu den vorgelegten Rechtsfragen

I. Zivilrechtliche Beurteilung

Der Übergang des Vermögens durch Erbfall ist zivilrechtlich unentgeltlich.

Rechtsnachfolge in die Beteiligung des Erblassers an der Personengesellschaft – BFH Vorlagebeschluss vom 18. Oktober 1988 – VIII R 172/85

Die Erben treten kraft Gesetzes in die Rechtspositionen des Erblassers ein.

Eine Erbengemeinschaft kann durch Teilung oder Abfindungszahlungen aufgelöst werden.

Eine Realteilung ohne Ausgleichszahlungen basiert auf einem schuldrechtlichen Vertrag zwischen den Miterben, der als Vergleich i.S. von § 779 BGB zu werten ist.

Bei einer Realteilung mit Ausgleichszahlungen liegt ein entgeltliches Geschäft vor.

Eine Naturalteilung beruht nicht auf einem Rechtsgeschäft, sondern auf der gesetzlichen Teilungsanordnung.

Die Auffassung, dass eine Erbauseinandersetzung stets einen entgeltlichen Vertrag darstellt, ist im Zivilrecht umstritten.

Bei Erbauseinandersetzungen über Betriebsvermögen, insbesondere im Falle des Todes eines Gesellschafters, sind spezielle Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags maßgeblich.

II. Bisherige Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Beurteilung der Erbauseinandersetzung

Der Reichsfinanzhof (RFH) und der Bundesfinanzhof (BFH) haben die Erbauseinandersetzung als Bestandteil eines einheitlichen privaten Erbvorgangs angesehen, wobei Ausgleichszahlungen als entgeltlich und unentgeltlich differenziert wurden.

Der BFH hat Erbfall und Erbauseinandersetzung als einen einheitlichen außerbetrieblichen Vorgang beurteilt, sofern die weichenden Miterben nicht als Mitunternehmer agierten.

Dies führte dazu, dass keine Anschaffungskosten oder Veräußerungsgewinne erfasst wurden.

Rechtsnachfolge in die Beteiligung des Erblassers an der Personengesellschaft – BFH Vorlagebeschluss vom 18. Oktober 1988 – VIII R 172/85

Der IX. Senat des BFH hat für die Erbauseinandersetzung über Privatvermögen entschieden, dass Erbfall und Erbauseinandersetzung einkommensteuerrechtlich getrennt zu betrachten sind, was zu einer abweichenden Besteuerung führt.

Die Literatur sieht die Einheitsbetrachtung zunehmend kritisch und spricht sich für eine getrennte Beurteilung aus.

III. Auffassung des vorlegenden Senats

Die Ansicht des Senats ist, dass Erbfall und Erbauseinandersetzung getrennt zu beurteilen sind.

Dies entspricht den zivilrechtlichen Grundsätzen und den einkommensteuerrechtlichen Begriffen der Anschaffung und Veräußerung.


a) Zivilrechtliche Gestaltung ist auch für die Besteuerung maßgeblich.

b) Der Begriff der Anschaffungskosten umfasst alle Kosten, die zur Überführung eines Wirtschaftsguts aufgewendet werden.

c) Der Begriff der Veräußerung entspricht der Anschaffung und führt zu einem Veräußerungsgewinn.

d) Der Mitunternehmerbegriff erfasst die Erben als Mitunternehmer, sobald sie am Nachlass beteiligt sind.

e) Die Gleichstellung des Miterben mit dem Alleinerben ist nicht gerechtfertigt und führt zu einer einseitigen Begünstigung.

f) Eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung ist gerechtfertigt, trotz der Bedenken wegen der Kontinuität der Rechtsprechung.

Rechtsnachfolge in die Beteiligung des Erblassers an der Personengesellschaft – BFH Vorlagebeschluss vom 18. Oktober 1988 – VIII R 172/85

Zur Höhe der Anschaffungskosten:

Der Senat geht davon aus, dass der wertmäßige Anteil der Mitunternehmeranteile am gesamten Nachlass maßgeblich ist, unabhängig davon, ob die Abfindung aus dem Betriebsvermögen oder dem sonstigen Vermögen des Miterben stammt.


IV. Folgen einer Änderung der Rechtsprechung

Zwischen Erbfall und Erbauseinandersetzung sind die Einkünfte der Erbengemeinschaft zuzurechnen.

Erfüllung von Vermächtnissen führt zur Erfassung des Entnahmegewinns bei der Erbengemeinschaft.

Bei Erbauseinandersetzung über Betriebsvermögen wird die Veräußerung des Mitunternehmeranteils als entgeltliches Geschäft behandelt.

C. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen

Die Fragen sind entscheidungserheblich, da der Erwerb der Erbteile durch Ausübung des Vorkaufsrechts einkommensteuerrechtlich wie ein unmittelbarer Erwerb vom Miterben zu beurteilen ist.

Die bisherige Rechtsprechung sieht diesen Erwerb als unentgeltlich an, während der vorlegende Senat dies als entgeltlich ansieht.

Zusammenfassung:

Die BFH-Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob der Erwerb von Erbteilen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung einkommensteuerrechtlich als entgeltlich oder unentgeltlich zu behandeln ist.

Die Klägerin beantragte eine Kürzung des Veräußerungsgewinns um den Kaufpreisanteil für die Erbteile der Stieftöchter, was das FA ablehnte.

Die bisherige Rechtsprechung betrachtete Erbfall und Erbauseinandersetzung als einen einheitlichen unentgeltlichen Vorgang.

Der vorlegende Senat sieht dies jedoch als getrennte Vorgänge und somit den Erwerb der Erbteile als entgeltlich an.

Eine Änderung der Rechtsprechung hat weitreichende steuerliche Folgen für die Behandlung von Erbauseinandersetzungen und Vermächtnissen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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