Feststellungslast bei Besteuerung des Nacherben nach seinem Verhältnis zum Erblasser

August 13, 2020

BFH, Beschluss vom 28. Februar 2007 – II B 82/06
Feststellungslast bei Besteuerung des Nacherben nach seinem Verhältnis zum Erblasser
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war von seinem im Jahr 1981 verstorbenen Vater (V) als Nacherbe nach dessen Lebensgefährtin (L) eingesetzt worden, die ihrerseits Alleinerbin des V war. Aufgrund des von V und L geschlossenen Erbvertrags und letztwilliger Verfügungen der L beerbte der Kläger die im Jahr 2000 verstorbene L zu 3/4. Der Nachlass der L bestand im Wesentlichen aus Guthaben bei inländischen Banken in Höhe von … DM und aus Wertpapieren in einem Depot bei einer Schweizer Bank im Gesamtwert von … DM. Ein der Nacherbfolge nach V unterliegendes Vermögen (§ 2139 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB–) wurde nicht aus dem Nachlass der L ausgesondert und vorab nach § 2130 Abs. 1 Satz 1 BGB an den Kläger herausgegeben.
Der Kläger vertrat im finanzgerichtlichen Verfahren die Ansicht, der Versteuerung müsse gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) insgesamt sein Verhältnis zu V zugrunde gelegt werden, so dass keine Erbschaftsteuer anfalle.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) legte dem während des Klageverfahrens ergangenen geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 11. Juli 2006 die Auffassung zugrunde, dass der Wert des Reinnachlasses nach L … DM und der Anteil des Klägers hieran entsprechend seiner Erbquote … DM betrage. Hiervon entfielen … DM auf einen der Steuerklasse I zuzurechnenden Erwerb aus Vermögen des Vaters und … DM auf einen der Steuerklasse III zuzurechnenden Erwerb aus Vermögen der L.
Das Finanzgericht (FG) erhöhte das Nacherbschaftsvermögen auf … DM und verminderte den aus dem Vermögen der L stammenden Nachlass entsprechend. Im Übrigen wies es die auf Aufhebung des Erbschaftsteuerbescheids gerichtete Klage mit der Begründung ab, es könne nicht festgestellt werden, dass der Wert des der Nacherbfolge unterliegenden Vermögens höher als der angesetzte Betrag sei. Vielmehr sprächen erhebliche Indizien dagegen. Der Kläger habe seine hiervon abweichende Ansicht nicht konkret und nachvollziehbar begründet. Dies gehe nach den Regeln über die Feststellungslast zu seinen Ungunsten.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Frage der Beweislastverteilung in Fällen der vorliegenden Art sei von grundsätzlicher Bedeutung und bedürfe auch im Hinblick auf den durch Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtlich garantierten Schutz von Ehe und Familie der Klärung durch eine Revisionsentscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH).
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger aufgeworfene Frage nach der Beweislastverteilung bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie wurde vom FG offensichtlich zutreffend beurteilt.
1. § 6 Abs. 1 ErbStG behandelt den Vorerben uneingeschränkt als Erben. Dementsprechend ist der bei Eintritt der Nacherbfolge erfolgende Übergang des Vermögens auf den Nacherben als vom Vorerben stammender Erwerb zu versteuern (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Geht in einem derartigen Fall zugleich eigenes Vermögen des Vorerben auf den oder die Nacherben über, liegt gleichwohl (jeweils) ein einheitlicher Wert i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Dieser Grundsatz des Gesetzes wird durch die Regelungen in § 6 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 ErbStG lediglich modifiziert, aber nicht gänzlich aufgehoben. So ist nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf Antrag der Versteuerung das (günstigere) Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen; geht in diesem Fall auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, so sind beide Vermögensanfälle (nur) hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln (§ 6 Abs. 2 Satz 3 ErbStG). Im Übrigen geht das Gesetz weiterhin davon aus, dass ein einheitlicher Erwerb vorliegt (BFH-Urteil vom 2. Dezember 1998 II R 43/97, BFHE 187, 120, BStBl II 1999, 235).
2. Beantragt der Nacherbe nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG, der Versteuerung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen, begehrt er die Anwendung einer für ihn günstigen Vorschrift. Er trägt demgemäß die Feststellungslast (objektive Beweislast) dafür, dass in dem Nachlass des Vorerben der Nacherbfolge unterliegendes Vermögen enthalten ist, und ferner auch für die Höhe dieses Vermögens, da es sich dabei um steuermindernde Tatsachen handelt (BFH-Urteil vom 21. März 2002 III R 42/00, BFHE 198, 526, BStBl II 2002, 417, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Eine nachvollziehbare Vermögenstrennung kann nicht der Finanzverwaltung aufgebürdet werden; denn insoweit handelt es sich um Umstände im Herrschafts- und Wissensbereich des Steuerpflichtigen und nicht des FA (vgl. zum Gesichtspunkt der Beweisnähe BFH-Urteil in BFHE 198, 526, BStBl II 2002, 417, unter II. 2. b). Dies gilt nach § 76 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) insbesondere auch dann, wenn der Sachverhalt wie im Streitfall einen Auslandsbezug aufweist und der Nacherbe seine Behauptung, das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen sei höher als vom FA und FG angenommen, nicht einmal konkret und nachvollziehbar begründet. Aus Art. 6 Abs. 1 GG lässt sich ebenfalls nicht herleiten, dass bloße Behauptungen des Nacherben über das der Nacherbschaft unterliegende Vermögen der Besteuerung zu Grunde gelegt werden müssen, obwohl sie wie im Streitfall in der tatsächlichen Abwicklung des Nachlasses des Vorerben keine Grundlage finden.

Schlagworte

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