LAG Hamm, Beschluss vom 27.04.2010 – 1 Ta 202/10

Oktober 1, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 27.04.2010 – 1 Ta 202/10

Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 22.03.2010 – 5 Ca 3284/09 – wird als unzulässig verworfen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.750,– Euro;.
Gründe
I.
Die Beklagte verfolgt die Aussetzung eines Rechtsstreits, mit dem der Kläger gegen die Beklagte Annahmeverzugslohnansprüche geltend macht.
Das Arbeitsgericht Bochum hat in einem dort anhängig gewesenen Kündigungsschutzverfahren mit Urteil vom 12.11.2009 festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis nicht durch eine seitens der Beklagten erklärte Kündigung vom 25.03.2009 aufgelöst worden ist (4 Ca 869/09). Gleichzeitig wurde die Beklagte verurteilt, an den Kläger Annahmeverzugsvergütung für Mai bis August 2009 zu zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig (LAG Hamm 12 Sa 211/10). Verhandlungstermin im Berufungsverfahren steht am 01.06.2010 an.
Mit seiner am 21.11.2009 beim Arbeitsgericht Bochum anhängig gemachten Klage begehrt der Kläger Annahmeverzugslohn für September 2009 bis Februar 2010. Die Beklagte hat die Aussetzung dieses Verfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 22.03.2010 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte mit am 31.03.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.03.2010 der Lohnklage stattgegeben. Auch gegen dieses Urteil hat die Beklagte unter dem 20.04.2010 Berufung eingelegt (LAG Hamm 12 Sa 540 /10).
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.
II.
Die statthafte und form- und fristgerecht eingelegte (§§ 252, 567, 569 ZPO, 78 ArbGG) sofortige Beschwerde der Beklagten ist bereits unzulässig. Das Beschwerdeverfahren hat sich zwischenzeitlich durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 31.03.2010 verfahrensrechtlich überholt. Damit ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Nachprüfung des angegriffenen Aussetzungsbeschlusses entfallen.
Das Beschwerdegericht könnte allenfalls zu dem Ergebnis gelangen, dass das Arbeitsgericht sein ihm zukommendes Ermessen im Rahmen der Entscheidung über den Aussetzungsantrag der Beklagten nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat (wofür allerdings, dies sei ergänzend bemerkt, keine durchgreifenden Anhaltspunkte bestehen). Die Vorgreiflichkeit des Kündigungsschutzverfahrens 12 Sa 211/10 steht außer Streit. Unterschiedliche Ansichten bestehen nur hinsichtlich der Ermessenentscheidung des Arbeitsgerichts. Im günstigsten Fall für die Beklagte könnte damit im Ergebnis der angefochtene Beschluss nur aufgehoben werden, um das Arbeitsgericht zu einer neuen Entscheidung unter Berücksichtigung der im Beschwerderechtszug ergangenen Entscheidung zu veranlassen. Das Beschwerdegericht kann demgegenüber nicht sein Ermessen an die Stelle des dem Arbeitsgericht eingeräumten Ermessens setzen (LAG Berlin-Brandenburg, 06.03.2008 – 15 Ta 281/08; KG Berlin, 10.10.2006 – 8 W 55/06 – MDR 2007, 736).
Das Arbeitsgericht wiederum ist nicht mehr für die Entscheidung über eine Aussetzung der Lohnklage funktional zuständig, denn der Rechtsstreit ist inzwischen bei dem Landesarbeitsgericht anhängig, nachdem die Beklagte gegen das Urteil vom 31.03.2010 Berufung eingelegt hat. Die Aussetzungsentscheidung obliegt dem Prozessgericht (Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 148 Rn. 3; vgl. auch RGZ 29, 340, 342; RGZ 36, 401 f.), also jetzt dem Berufungsgericht. Bei diesem hat die Beklagte richtigerweise auch bereits mit der Berufungsschrift einen Aussetzungsantrag gestellt.
Die prozessuale Überholung des Rechtsschutzziels lässt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde entfallen, so dass diese unzulässig wird (BGH, NJW-RR 1995, 765; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, 03.11.2006 – 10 W 14/06 – juris m.w.N.; Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 567 Rn. 14; Zöller/Heßler, ZPO, § 567 Rn. 12).
Die sofortige Beschwerde der Beklagten war damit als unzulässig zu verwerfen.
Der Entscheidung des Beschwerdegerichts steht nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht keine Gelegenheit hatte, eine Abhilfeentscheidung zu treffen. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren jedenfalls dann, wenn – wie hier – eine Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung besteht und die Beschwerde nach § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO unmittelbar beim Beschwerdegericht eingelegt worden ist (Zöller/Gummer, ZPO, § 572 Rn. 4).
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da das Beschwerdeverfahren im Fall des Streits über einen Aussetzungsantrag einen Bestandteil des Hauptverfahrens darstellt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterlegene Partei zu tragen hat (BGH, 12.12.2005 – II ZB 30/04 – NJW-RR 2006, 1289).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach §§ 3 ff. ZPO. Das Beschwerdegericht hat 1/5 des Streitwerts der Hauptsache zugrunde gelegt.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 72, 78 ArbGG besteht kein Anlass.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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