LAG Hessen, 03.12.2014 – 18 Sa 1300/12 Teilaufnahme gegen niederländischen Insolvenzverwalter

April 30, 2019

LAG Hessen, 03.12.2014 – 18 Sa 1300/12
Teilaufnahme gegen niederländischen Insolvenzverwalter

Betriebsübergang mit Auslandsbezug (Teil-VU gegen säumigen Insolvenzverwalter)
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 2012 – 11 Ca 7015/11 – wird dieses – soweit gegen den Beklagten aufgenommen – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass seit dem 01. April 2011 beschränkt bis zum 30. April 2012 ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Schuldnerin (A) bestand. Im Übrigen wird die gegen den Beklagten aufgenommene Klage abgewiesen.

Hinsichtlich der Kosten gilt:

Die Kosten des gegen den Beklagten aufgenommenen Berufungsverfahrens tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden durch dieses – beschränkte – Berufungsverfahren 31 % erfasst. Davon tragen der Kläger und der Beklagte jeweils 15,5 %, bezogen auf die Gesamtkosten.

Die Einspruchsfrist gegen das Teilversäumnisurteil wird nach § 339 Abs. 2 ZPO auf zwei Monate festgesetzt.

Die Revision wird im Übrigen nicht zugelassen.
Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass zu der Schuldnerin, einem niederländischen Unternehmen, ein Arbeitsverhältnis besteht, dabei beruft er sich auf einen Betriebsübergang. Der Insolvenzverwalter der Schuldnerin war in dem gegen ihn aufgenommenen Berufungsverfahren säumig.

Der 19XX geborene Kläger war seit 01. September 2010 für die B B.V., eine Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in C, und seit 01. Dezember 2010 für die B GmbH, eine Gesellschaft nach deutschen Recht mit Sitz in D, XXXX Str. XX, als CTO/Switch Manager tätig. Er erhielt ein Jahresbruttogehalt von 77.000,00 €. Wegen des Inhalt der Arbeitsverträge wird auf die Anlagen K1 und K3 zur Klageschrift verwiesen (Bl. 39-45, 47-53 d.A.).

Beide Gesellschaften mit dem Namen “B” erbrachten von D aus Internet-Protokoll-Telefoniedienstleistungen (Voice over IP, kurz: VoIP) für andere Anbieter von Telefonverbindungen. Außer dem Kläger war nur eine weitere Arbeitnehmerin, die Klägerin des parallelen Berufungsverfahrens mit dem Az. 18 Sa 1307/12, für die B GmbH als Regional Sales Managerin in D tätig.

Zum 31. März 2011 stellte die B GmbH ihre Tätigkeit in Frankfurt ohne vorherige Mitteilung ein. Sie kündigte die Arbeitsverhältnisse zu dem Kläger und zu der Regional Sales Managerin nicht. Kunden der B GmbH erhielten ein Schreiben der B B.V. mit Datum vom 31. März 2011. Diese wurden u.a. darüber informiert, dass die B GmbH ihre Tätigkeit mit sofortiger Wirkung einstelle, dass dies auch die deutschen Kollegen betreffe (der Kläger und die Klägerin des Parallelverfahrens wurden mit Vornamen angeführt) und dass die VoIP-Dienstleistungen fortgeführt werden sollten (vgl. Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 54 d.A.). Mit einem weiteren an die Kunden gerichteten Schreiben vom 01. April 2011 bestätigte die B B.V. die Schließung. Sie verpflichte sich gegenüber den Kunden zunächst zur Fortführung der Verträge und bot einen Neuabschluss zu denselben Konditionen mit der Muttergesellschaft, der B Holding B.V., an. Diese stehe auch für Verbindlichkeiten (“outstanding liabilities”) ein. Wegen des genauen Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage K6 zur Klageschrift verwiesen (Bl. 58 d.A.).

Der Kläger erhob am 25. Oktober 2011 Klage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt/M. gegen die B Holding B.V. (E), ebenso seine Kollegin (Parallelverfahren Arbeitsgericht Frankfurt Az. 11 Ca 7147/11).

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass er seit 01. April 2011 in einem Arbeitsverhältnis zu der damaligen Beklagten [alt] stand, forderte Annahmeverzugslohn für die Zeit ab Mai 2011 bis September 2011 und Auslagenerstattung. Er berief sich darauf, dass ein Betriebsübergang iSd. § 613a BGB erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2012, welcher am 02. März 2012 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt einging, erweiterte der Kläger seine Klage gegen Herrn F (Beklagter [alt] zu 2). Dieser habe als faktischer Geschäftsführer der B GmbH für die Zahlungsansprüche des Klägers zu haften, falls kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der B Holding B.V. (E) als Beklagter [alt] zu 1) bestehe.

Mit Klageerweiterung vom 18. April 2012, welche am selben Tag bei dem Arbeitsgericht einging, verlangte der Kläger auch Annahmeverzugsvergütung für die Monate Oktober und November 2011 von den Beklagten zu [alt] 1) und 2). Außerdem wandte sich der Kläger gegen eine von der Beklagten [alt] zu 1) zum 30. April 2012 erklärten Kündigung. Die Beklagte [alt] zu 1) hatte mit Schreiben vom 28. März 2012 erklärt, sie kündige das Arbeitsverhältnis, halte aber an der Rechtsauffassung fest, in keinem Arbeitsverhältnis zu dem Kläger zu stehen (vgl. Kündigungsschreiben als Anlage K8 zum Schriftsatz des Klägers vom 18. April 2012, Bl. 203 f. d.A.).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Arbeitsverhältnis sei gemäß § 613a BGB auf die Beklagte [alt] zu 1) übergegangen. Er hat behauptet, die Telefondienstleistungen seien von dieser ohne Unterbrechung ab dem 01. April 2012 für die früheren Kunden der B GmbH erbracht worden. Die Beklagte [alt] zu 1) habe die Kunden G, H, I, J, K, L und M übernommen, außerdem sei sie in sämtliche Lieferantenbeziehungen eingetreten. Weiter habe die Beklagte [alt] zu 1) neben den immateriellen Betriebsmitteln (Kundenbeziehungen, Kundenstamm, Geschäftsbeziehungen zu Dritten, Know- how und Marktstellung) auch die Hardware aus dem Betrieb in der Lyoner Straße 15 übernommen.

Die Beklagte [alt] zu 1) hatte ihre Firmierung im November 2011 von B Holding B.V. (E) in A (N) geändert. Sowohl die Beklagte [alt] zu 1) als auch der Beklagte [alt] zu 2) waren in dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt/M. anwaltlich vertreten. Sie bestritten insbesondere die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs iSd. § 613a BGB. Wegen ihres Vortrags wird auf die Schriftsätze vom 10. Januar 2012, 04. April 2012, 03. Juli 2012 und 05. Juli 2012 Bezug genommen (Bl. 127 ff., 180 ff., 214 ff. und 222 d.A.).

Zur Wiedergabe der im Verhandlungstermin am 12. Juli 2012 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt/M. von den damaligen Parteien gestellten Anträge wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Juli 2012 verwiesen (Bl. 224 d.A.).

Das Arbeitsgericht wies die Klage durch Urteil vom 12. Juli 2012 als unzulässig ab. Das angerufene Gericht sei international nicht zuständig. Die Beklagte [alt] zu 1) habe keine Niederlassung in Deutschland, der Erfüllungsort nach Art. 19 Nr. 2 EuGVVO sei in den Niederlanden. Die Klage gegen den Beklagten [alt] zu 2) sei außerdem als subjektive Eventualklagehäufung unzulässig. Zur vollständigen Wiedergabe des Vortrags der (damaligen) Parteien im ersten Rechtszug und den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 227-239 d.A.).

Der Kläger hat gegen das ihm am 05. September 2012 zugestellte Urteil mit am 24. September 2012 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese begründet.

Bereits am 10. September 2012 war über das Vermögen der Beklagten [alt] zu 1), A, in den Niederlanden das Insolvenzverfahren (“Faillisement”) eröffnet worden. Der jetzige Beklagte [neu] wurde zum Insolvenzverwalter (“Curator”) bestimmt.

Es wurde festgestellt, dass das Verfahren gegen die Beklagte [alt] zu 1) unterbrochen ist (vgl. Beschluss vom 15. Oktober 2012, Bl. 269 d.A.).

Das Verfahren gegen den Beklagten [alt] zu 2) wurde unter dem gesonderten Az. 7 Sa 1442/12 fortgeführt. Die Berufung des Klägers wegen der Abweisung seiner Klage gegen den Beklagten [alt] zu 2) ist durch Urteil vom 15. April 2013 zurückgewiesen worden (Bl. 304-309 d.A.). Das Bundesarbeitsgericht hat folgend die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch Beschluss vom 26. September 2013 zurückgewiesen (Bl. 344 f. d.A.).

Bereits mit Schriftsatz vom 01. August 2013, welcher am 02. August 2013 bei dem Berufungsgericht einging, verlangte der Kläger das Berufungsverfahren aufzunehmen gegen den jetzigen Beklagten [neu], Rechtsanwalt O als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. Die Berufungsschrift wurde dem Beklagten [neu] am 31. Dezember 2013 zugestellt. Nach der Übertragung des Berufungsrechtsstreits von der 7. Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts auf die 18. Kammer ist Termin zur Verhandlung anberaumt worden auf den 03. Dezember 2014. Außerdem ist am 18. Juni 2014 ein Hinweisbeschluss zum Umfang der Aufnahmebefugnis des Klägers ergangen (Bl. 408 d.A.). Dem beklagten Insolvenzverwalter wurden die Ladung und der Hinweisbeschluss am 08. Juli 2014 zugestellt (s. Zustellungsbescheinigung Bl. 420-425 d.A.).

Der Kläger hat das Berufungsverfahren gegen den beklagten Insolvenzverwalter, wie aus den nachstehend wiedergegebenen Anträgen folgt, nur hinsichtlich des Feststellungsantrags und des Kündigungsschutzantrags aufgenommen.

Der Kläger nimmt vollständig auf seinen Vortrag aus erster Instanz Bezug und macht geltend, das Arbeitsgericht Frankfurt/M. sei international zuständig gewesen. Der Arbeitsort D sei trotz des Wechsels des Betriebsinhabers nicht geändert worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 2012-11 Ca 7015/11 – teilweise abzuändern und im Wege des Versäumnisurteils

1.)

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund eines Betriebsübergangs auf die Beklagte [alt] zu 1) übergegangen ist und seit dem 1. April 2011 mit der Beklagten [alt] zu 1) fortbesteht;
2.)

festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten [alt] zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Schreiben vom 28. März 2013 erklärte Kündigung der Beklagten [alt] zu 1) beendet worden ist, sondern über den 30. April 2012 hinaus unverändert fortbesteht.

Der beklagte Insolvenzverwalter war in dem auf den 03. Dezember 2014 anberaumten Kammertermin säumig.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze des Klägers, die Sitzungsniederschrift vom 03. Dezember 2014 (Bl. 436. d.A.) und die Hinweisbeschlüsse vom 13. Februar 2014 und 18. Juni 2014 (Bl. 376 f., 408 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. b) und c) ArbGG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Die Berufung ist, soweit das Verfahren gegen den Beklagten [neu] als Insolvenzverwalter aufgenommen werden durfte, nach § 539 Abs. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG nur teilweise erfolgreich.

I.

Die Aufnahme des Rechtstreits im Berufungsverfahren hinsichtlich der angekündigten Anträge zu 2) und 15) ist wirksam.

Das Berufungsverfahren gegen die Beklagte [alt] zu 1) war nach § 240 ZPO iVm. Art. 15 EuInsVO unterbrochen. Das niederländische “Faillisement” ist ein Insolvenzverfahren iSd. Art. 2 a), Anhang A EUInsVO. Der “Curator” Rechtsanwalt O ist ein Verwalter iSd. Art. 2, b) Anhang C EUInsVO. Die Daten des niederländischen Insolvenzverfahrens konnten der Internetseite “www.crediteurenlijst.nl/nl/Insolvencies” zu “P B.V.” entnommen (vgl. Schreiben des Insolvenzverwalters an die [früheren] Prozessbevollmächtigten der Beklagten [alt] zu 1) und 2), Bl. 267 f. d.A.).

Für die Aufnahmemöglichkeit gelten die Sachvorschriften der lex fori processus, also §§ 85 ff. InsO. Da der Kläger seine Aufnahme auf den Feststellungsantrag (Bestehen eines Arbeitsverhältnisses) und den Kündigungsschutzantrag beschränkt hat, sind die Voraussetzung nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO iVm. Art 10 EUInsVO erfüllt. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht deutschem Recht unterlag, sondern hat sich indirekt auf die Anwendung deutschen Rechts, nämlich § 613 a BGB und das Kündigungsschutzgesetz berufen. Effektiver Kündigungsschutz erfordert auch eine prozessrechtliche Durchsetzbarkeit, damit das Recht, einen vor Insolvenzeröffnung anhängigen Bestandsrechtstreit durch Aufnahme fortsetzen zu können (vgl. dazu BAG Urteil vom 27. Februar 2007 – 3 AZR 618/06 – AP Nr 7 zu § 240 ZPO).

II.

Die internationale und örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Frankfurt/M. war zu bejahen, die Klage ist zu Unrecht als unzulässig abgewiesen worden. Nach Art. 19 Nr. 2 a) EuGVVO kann an den Arbeitsort angeknüpft werden, an welchem der Arbeitnehmer seine Arbeit zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Der Kläger hat nie für die Schuldnerin in den Niederlanden gearbeitet. Ein neuer gewöhnlicher Arbeitsort iSd. Art. 19 Nr. 2 a) EuGVVO wurde nicht begründet, da die Schuldnerin bestritten hatte, dass das Arbeitsverhältnis auf sie übergegangen sei (vgl. Geimer/Schütze, Europ. Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 19 EuGVVO Rz 7; Kroppholler, Europ Zivilprozeßrecht, 8. Aufl., Art. 19 EuGVVO Rz 6). Zudem war der Kläger nach Art. 2 beider Arbeitsverträge nur zur Erbringung der Arbeitsleistung in Frankfurt verpflichtet, ungeachtet der Notwendigkeit, vorübergehend auch an anderen Standorten zu arbeiten.

III.

Soweit das Berufungsverfahren gegen den Beklagten [neu] nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO iVm. Art 10 EUInsVO wirksam aufgenommen wurde, ist die Berufung jedoch nur teilweise erfolgreich, auch wenn das tatsächliche Vorbringen des Klägers nach § 539 Abs. 2 S. 1 ZPO als zugestanden anzunehmen ist. Der ordnungsgemäß zum Termin geladene Beklagte [neu], dem zuvor die begründete Berufung zugestellt worden war, war in der Verhandlung vom 03. Dezember 2014 säumig.

1.

Nach dem Vortrag des Klägers ist zum 01. April 2011 ein Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB von der B GmbH auf die Schuldnerin erfolgt. Bezogen auf den Zeitraum bis 30. April 2012 war daher zu Gunsten des Klägers ein Teil-Versäumnisurteil zu erlassen.

a)

Der im Berufungsverfahren weiter verfolgte Feststellungsantrag des Klägers war auszulegen.

Die Feststellungsklage wäre unzulässig, soweit der Kläger nur beantragen wollte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte – gemeint ist die Schuldnerin – übergegangen sei. Zwar können einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen eines Rechtsverhältnisses zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage sein (sog. Elementenfeststellungsklage), dies gilt jedoch grundsätzlich nicht für bloße Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, wie die eines Betriebsüberganges. Der Antrag kann aber in dem Sinn ausgelegt werden, dass ab 01. April 2011 der Bestand eines Arbeitsverhältnisses zur Schuldnerin mit dem Inhalt des früheren Arbeitsverhältnisses zu der B GmbH festgestellt werden sollte (vgl. BAG Urteil vom 25. September 2003 – 8 AZR 446/02 – AP Nr. 256 zu § 613a BGB). Dies folgt hinreichend deutlich aus dem 2. Halbsatz des Antrags, mit welchem der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten, mittlerweile der Schuldnerin, geklärt werden sollte.

Für diesen Antrag besteht ein besonderes Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Denn der Kläger kann nur so mit Wirkung gegenüber dem beklagten Insolvenzverwalter klären, dass er am 01. April 2011 Arbeitnehmer der Schuldnerin geworden ist.

b)

Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs sind nach dem gemäß § 539 Abs. 2 S. 1 ZPO maßgeblichen Vortrag des Klägers zu bejahen. Deshalb bestand seit 01. April 2011 ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Schuldnerin mit dem Inhalt des früheren Arbeitsverhältnisses zu der B GmbH.

§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteiles auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche, den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie zB ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden oder den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (BAG Urteil vom 23.09.2010 – 8 AZR 567/09 – NZA 2011, 197).

Die B GmbH unterhielt in D einen Betrieb, welcher Internet- basierte Telefondienstleistungen erbrachte. Für einen solchen Betrieb sind die Kundenbeziehungen, die bestehenden Verträge, dass Know- how und der Name, unter welchem die Dienstleistung verkauft wird, erheblich. Ferner ist von Bedeutung, dass die Dienstleistung ohne Unterbrechungen erbracht wird. Dagegen ist ohne Wichtigkeit, von welchem Ort aus die Dienstleistung angeboten wird und wer die entsprechenden Programmierungen durchführt. Ebenso wird unerheblich sein, welche Rechner an welchem Ort benutzt werden (vgl. ErfK-Preis, 14. Aufl., § 613a BGB Rz 34 für Online-Dienste und Internet-Handel).

Nach dem Vortrag des Klägers hat die Schuldnerin die Verträge mit allen oder zumindest den wesentlichen Kunden ohne Unterbrechung der Dienstleistung von den Niederlanden aus fortgeführt. Dabei nutzte sie den Namensbestandteil B (B), der zu diesem Zeitpunkt auch Teil ihrer Firmierung war. Darüber hinaus soll sie auch die Hardware der B GmbH in der Folge übernommen haben. Die Schreiben der Schuldnerin vom 31. März und 01. April 2011 bestätigen die Fortführung der Dienstleistung. Den Kunden gegenüber ist die Aufgabe der Tätigkeit der B GmbH als bloße Restrukturierung der Muttergesellschaft dargestellt worden. Auch die Übernahme möglicher Verbindlichkeiten durch die Schuldnerin spricht dafür, dass eine wirtschaftliche Einheit fortgeführt und genutzt werden sollte. Andernfalls hätte man den Kunden eine solche Zusage nicht erteilt.

Dagegen ist ohne erhebliche Bedeutung, dass die Schuldnerin die beiden Arbeitnehmer der B GmbH nicht mehr beschäftigte. Deren Wissen war zur Fortführung der Verpflichtungen offensichtlich nicht erforderlich.

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Mai 2011 (- 8 AZR 37/10 – NZA 2011, 1143 [BAG 26.05.2011 – 8 AZR 37/10]) steht § 613a Abs. 1 S. 1 BGB die Verlagerung eines Betriebs in das Ausland auch nicht entgegen. Das Arbeitsvertragsstatut eines Arbeitnehmers, in dessen Vertragsverhältnis keine Rechtswahl vereinbart ist, kann sich bei einem Wechsel von Deutschland in das Ausland infolge eines Betriebsübergangs zwar ändern. Diese Änderung tritt aber erst ein, nachdem das Arbeitsverhältnis übergegangen ist. Sie schließt also die Anwendung von § 613a Abs. 1 S. 1 BGB bei der Prüfung eines Betriebsübergangs mit Auslandsbezug nicht aus. Eine Änderung des Arbeitsvertragsstatuts kann hier ausgeschlossen werden, da der Kläger von der Schuldnerin nie in den Niederlanden beschäftigt wurde.

Lediglich ergänzend ist anzuführen, dass die Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 auch in den Niederlanden umgesetzt wurde (vgl. EuGH Urteil vom 21. Oktober 2010 – C242/09, Albron Catering, NZA 2010, 1255).

Schließlich kann ein Betriebsübergang nicht wegen einer Betriebsschließung ausgeschlossen werden (vgl. BAG Urteil vom 26. Mai 2011- 8 AZR 37/10 – NZA 2011, 1143). Die B GmbH hat zum einen gegenüber dem Kläger keine Kündigung erklärt und sich nicht auf eine Betriebsschließung berufen. Nach Auffassung der Kammer kann zum anderen bei einem Dienstleister, der Internet- gestützte Telefonieleistungen anbietet, eine Verlagerung im Regelfall nicht zu einer Änderung der Identität der wirtschaftlichen Einheit führen. Zumindest aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich keine Anhaltspunkte, die gegen eine identitätswahrende Übertragung sprechen.

2.

Der Berufungsantrag des Klägers war nach § 539 Abs. 2 S. 2 ZPO durch Schlussurteil zurückzuweisen, soweit er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 28. März 2012 zum 30. April 2012 gewendet hat. Dies führt dazu, dass auch dem Feststellungsantrag des Klägers nach § 256 Abs. 1 ZPO nur eingeschränkt stattgegeben werden kann, da sein Arbeitsverhältnis zur Schuldnerin durch deren Kündigung mit Ablauf des 30. April 2012 beendet wurde.

Aus dem Vortrag des Klägers folgt nicht, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin Anwendung fand.

In D waren von der B GmbH nur zwei Arbeitnehmer beschäftigt worden. Wie viele Arbeitnehmer für die Schuldnerin nach deutschem Recht tätig waren, ist offen geblieben. Der erstinstanzliche Vortrag des Klägers gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 28. März 2012 beschränkt sich darauf, dass Kündigungsgründe nicht ersichtlich seien und die Kündigung darüber hinaus gegen § 242 BGB verstoße. Damit sind weder Tatsachen für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes noch für eine Treuwidrigkeit der Kündigung vorgetragen worden. Dies geht zu Lasten des Klägers.

IV.

Die Kosten des aufgenommen Berufungsverfahrens sind gegeneinander aufzuheben gem. § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO. Dies führt zu einer teilweisen Änderung der Kostenentscheidung erster Instanz.

Für den beklagten Insolvenzverwalter wird die Einspruchsfrist gegen das Teil-Versäumnisurteil nach § 939 Abs. 2 ZPO auf zwei Monate festgesetzt.

Zur Zulassung der Revision wegen der Zurückweisung der Berufung durch das Schlussurteil besteht kein nach § 72 Abs. 2 ArbGG begründeter Anlass.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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