Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 189/20

November 12, 2020

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 189/20

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 23.06.2020 gegen den am 25.05.2020 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts- Köln, 30 VI 92/20, in der berichtigten Fassung des Beschlusses vom 03.07.2020, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 1) zu tragen.

Gründe:

Herr A B (im Folgenden: Erblasser) verstarb zwischen dem 01.01.2019 und dem 18.01.2019. Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Der Beteiligte zu 2) ist ein Bruder des Erblassers.

Der Erblasser hinterließ mehrere letztwillige Verfügungen, die am 15.04.2019 vom Nachlassgericht eröffnet worden sind. Durch zwei gleichlautende handgeschriebene und unterschriebene Testamente vom 03.07.2015 hat der Erblasser seinen Bruder, den Beteiligten zu 2), als seinen Alleinerben eingesetzt (Bl. 3, 7 d. Testamentsakte 30 IV 105/19). Auf einem dieser beiden Schriftstücke hat der Erblasser unter der Verfügung vom 03.07.2015 eine weitere handgeschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung vom 01.03.2018 errichtet, worin er verfügt hat, dass sein Bruder „von mir nicht mehr erbberechtigt“ ist und dass er „keinen Zent erbt“ (Bl. 3 d. Testamentsakte 30 IV 105/19). Auf der Rückseite dieses Schriftstücks hat der Erblasser handgeschrieben und unterschrieben verfügt, dass das „Testament für C B nicht mehr gültig ist.“ Diese Verfügung weist das Datum 23.04.2017 oder 23.04.2018 auf. Insoweit ist entweder die „7“ über die „8“ geschrieben worden oder umgekehrt die „8“ über die „7“.

Auf die Tischplatte eines Holztisches in seinem Haus hat der Erblasser mit Filzstift Folgendes geschrieben (Foto, Bl. 4 d. Testamentsakte 30 IV 105/19):

„Testament D 22. April 2017

E F

geb. 12. März 1979 in Columbia

ist alleinige Erbin meines

ganzen Vermögens.

Telefon xxxxxx“

Eine Unterschrift befindet sich auf der Tischplatte nicht. Neben dem niedergeschriebenen Text auf der Tischplatte lag am 02.02.2019, zum Zeitpunkt des Aufsuchens der Wohnung des Erblassers durch den Polizeibeamten KHK G, das Schriftstück, auf dem sich die letztwilligen Verfügungen vom 03.07.2015, vom 01.03.2018 und vom 23.04.2017 bzw. 23.04.2018 befinden (s.o., Bl. 3 d. Testamentsakte.).

Mit notarieller Urkunde vom 11.02.2020 – UR.Nr. 1xx/2020 des Notars H I – hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt (Bl. 93 ff. d.A.). Sie hat vorgetragen, dass sie durch das „Tischtestament“ vom 22.04.2017 als Alleinerbin eingesetzt worden sei. Das „Tischtestament“ weise zwar keine Unterschrift des Erblassers auf. Allerdings würden die übrigen Einzeltestamente, die allesamt auf dem Tisch gelegen hätten, die Unterschrift des Erblassers tragen. Sämtliche Testamente seien in einem Gesamtzusammenhang zu sehen. So seien das „Tischtestament“ vom 22.04.2017 und das Testament vom 23.04.2017/18 in einem engen „zeitlichen Zusammenhang“ errichtet worden. Es bestehe auch ein „räumlicher Zusammenhang“, weil alle Testamente auf dem Tisch gelegen hätten. Auch das Gesamtarrangement beim Auffinden der Testamente spreche für die Zusammengehörigkeit des „Tischtestaments“ und des Testaments vom 23.04.2017/18. Es bestehe auch ein inhaltlicher Zusammenhang, weil die Einsetzung der Antragstellerin die Enterbung des Bruders zur Folge habe. Auch die Abschlussfunktion der Unterschrift sei gewahrt, weil das Testament vom 23.04.2017/18 unmittelbar neben dem „Tischtestament“ vom 22.04.2017 gelegen habe.

Durch am 25.05.2020 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen (Bl. 126 ff. d.A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Testament vom 22.04.2017 mangels Unterschrift des Erblassers nicht formwirksam errichtet worden sei. Ein engerer Zusammenhang zwischen dem Testament vom 22.04.2017 und dem Testament vom 23.04.2017/18 bestehe nicht. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des am 25.05.2020 erlassenen Beschlusses Bezug genommen. Durch Beschluss vom 03.07.2020 hat das Nachlassgericht das Rubrum des Beschlusses vom 25.05.2020 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt (Bl. 152 ff. d.A.).

Gegen den am 25.05.2020 erlassenen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit am 26.06.2020 beim Amtsgericht Köln eingegangenen Schriftsatz vom 23.06.2020 Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 07.08.2020, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 172 ff. d.A.), begründet.

Durch am 19.08.2020 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 1767 f. d.A.).

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Nachlassgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, zurückgewiesen.

Die letztwillige Verfügung vom 22.04.2017, auf die die Beteiligte zu 1) ihren Antrag stützt, ist gem. § 125 BGB nichtig, weil sie nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form entspricht. Nach §§ 2231 Nr. 2, 2247 Abs. 1 BGB kann der Erblasser ein privatschriftliches Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Hier hat der Erblasser das Testament auf der Tischplatte zwar mit der Hand geschrieben. Es ist auch unerheblich, dass er das Testament nicht – wie üblich – auf Papier, sondern auf eine Tischplatte geschrieben hat, weil es auf das Material nicht ankommt, sofern der Text – wie hier – stofflich manifestiert ist. Es fehlt indes an der Unterschrift. Die Unterzeichnung hat grundsätzlich am Schluss der Urkunde zu erfolgen. Sie soll das Testament räumlich abschließen, um spätere Zusätze auszuschließen. Die Unterschriftsleistung ist zwingendes Gültigkeitserfordernis, von dem aus Gründen der Rechtssicherheit nicht abgegangen werden kann. Sie garantiert die Ernstlichkeit der letztwilligen Verfügung. Nur die Unterschrift gibt die Gewähr für den Abschluss des Testaments durch den Erblasser (Senat, Beschluss vom 14.02.2014 – 2 Wx 299/13, FGPrax 2014, 123, 124; Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2247 Rn. 10, 11 m.w.N.). Hieran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Eine Unterschrift befindet sich auf der Tischplatte nicht.

Die beiden letztwilligen Verfügungen vom 22.04.2017 und 23.04.2017/18 sind auch nicht als einheitliches aus zwei zusammengehörenden Texten bestehendes Testament anzusehen mit der Folge, dass die Unterschrift unter dem Text auf dem Testament vom 23.04.2017 bzw. 2018 auch als Unterzeichnung des handgeschriebenen Textes auf der Tischplatte anzusehen ist. Grundsätzlich ist es allerdings unschädlich, wenn eine Niederschrift auf mehreren, miteinander nicht verbundenen Blättern erfolgt, sofern diese inhaltlich zusammenhängen (Senat, aaO, m.w.N.). In einem solchen Fall ist nur eine einmalige Unterschrift erforderlich, die sich auf dem letzten Blatt befinden muss (Senat, aaO; BayObLGZ 1970, 173, 178; FamRZ 1988, 1211, 1212; FamRZ 1991, 370, 371; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 653; OLG München ZEV 2006, 33; OLG Hamm DNotZ 2011, 702, 703). Die einzelnen Blätter müssen aber inhaltlich ein Ganzes sein (z. B. durch Nummerierung und fortlaufenden Text, LG München I FamRZ 2004, 1905) und eine einheitliche Willenserklärung enthalten, die im Regelungsinhalt auch widersprüchlich sein kann, sofern der textliche Zusammenhang unzweifelhaft ist (BGH NJW 1974, 1083; BayObLG FamRZ 1991, 371; 1998, 581; OLG Karlsruhe ZNotP 2003, 194, 196; Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2247 Rn 11). Hier fehlt es indes bereits an dem inhaltlichen Zusammenhang der beiden Texte. Sie sind inhaltlich kein Ganzes. Sie sind weder nummeriert noch enthalten sie einen fortlaufenden Text. Sie enthalten vielmehr jeweils für sich ein vollständiges Testament. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass der Inhalt eines der beiden Testamente den Inhalt des anderen Testaments ergänzt, konkretisiert oder fortführt. Dies gilt im Übrigen auch für die weiteren Testamente, die sich auf der Tischplatte befunden haben sollen.

Gegen ein einheitliches aus zwei oder mehreren zusammenhängenden Texten bestehendes Testament sprechen darüber hinaus aber das unterschiedliche Material, auf denen die verschiedenen Texte geschrieben worden sind, sowie die fehlende Verbindung dieser unterschiedlichen Materialien. Daher ist schon nach dem äußeren Erscheinungsbild in keiner Weise erkennbar, dass die Testamente auf den Schriftstücken mit dem Testament auf der Tischplatte über den Umstand hinaus, dass es sich jeweils um Verfügungen von Todes wegen handelt, in irgendeinem weiteren engen Zusammenhang zueinanderstehen könnten. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die auf Papier gefertigten Testamente Tage nach dem Tod des Erblassers nur deshalb auf dem Schreibtisch vorgefunden wurden, weil Testamente üblicherweise an einem Schreibtisch oder sonstigen Tisch geschrieben und dort vorübergehend auch abgelegt werden. Dass die Testamente auf dem Schreibtisch lagen, dürfte daher entweder auf einem Zufall oder darauf beruhen, dass der Erblasser wollte, dass die auf Papier gefertigten Testamente auch aufgefunden werden. Schließlich musste auch der Erblasser davon ausgehen, dass ein etwaiges „Arrangement“ aller Testamente auf dem Schreibtisch jederzeit – sei es durch einen Windstoß bei Durchzug in der Wohnung oder das bloße Aufnehmen und Lesen durch irgendeine Person – hätte zerstört werden können. Denn dass die Wohnung nach seinem Tod von einem Polizeibeamten betreten und ihr Zustand – auch durch Fotos – dokumentiert würde, konnte der Erblasser nicht ahnen. Daher hätte der Erblasser, wenn er das Testament auf der Tischplatte tatsächlich und endgültig gewollt hätte, nicht andere unterschriebene Schriftstücke neben den Text auf der Tischplatte gelegt, sondern diesen Text unterschrieben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gem. § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 449.850,91 €

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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