OLG Frankfurt 20 W 254/95 Ehegattenerbrecht: Eintritt des Gehirntodes als Todeszeitpunkt; Nachweis der Unrichtigkeit des beurkundeten Todeszeitpunktes; Rücknahme des Scheidungsantrages nach Eintritt des Gehirntodes des Erblassers

November 5, 2017

 

OLG Frankfurt 20 W 254/95

Ehegattenerbrecht: Eintritt des Gehirntodes als Todeszeitpunkt; Nachweis der Unrichtigkeit des beurkundeten Todeszeitpunktes; Rücknahme des Scheidungsantrages nach Eintritt des Gehirntodes des Erblassers

 

  1. Im Erbrecht ist als Todeszeitpunkt der Eintritt des Gesamthirntodes zu verstehen.
  2. Ergeben die im Erbscheinsverfahren angestellten Ermittlungen zur Überzeugung des Nachlaßrichters, daß der Erblasser früher als in der Sterbeurkunde angegeben gestorben ist, so ist der Nachweis der Unrichtigkeit des beurkundeten Todeszeitpunktes erbracht.
  3. Nimmt die Ehefrau des Erblassers ihren begründeten Scheidungsantrag, dem der Erblasser zugestimmt hatte, vor dem Eintritt des Herz- und Kreislaufstillstandes, aber nach Eintritt des Gesamthirntodes beim Erblasser zurück, so hat dies keinen Einfluß mehr auf die Anwendbarkeit des BGB § 1933 S 1.

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) hat die der Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 5.000,– DM.

Gründe

1              Der im Jahre 1954 geborene Erblasser schloß im Jahre 1980 mit der Beteiligten zu 1) die Ehe, aus der die im Jahre 1985 geborene Tochter … — die Beteiligte zu 2) — hervorgegangen ist. Seit dem 1.4.1991 lebten die Eheleute getrennt. Die Beteiligte zu 1) reichte mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 4.5.1992 bei dem Amtsgericht — Familiengericht — Bad Homburg v.d.H. Scheidungsklage ein, die dem Erblasser am 13.5.1992 zugestellt wurde. Dieser ließ mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten im Scheidungsverfahren vom 15.6.1992 vortragen: “Der Antragsgegner wird, da die Antragstellerin die Scheidung begehrt, sich damit einverstanden erklären.” Dessen ungeachtet versuchte der Erblasser im Herbst 1992 durch Einschaltung der beiderseitigen Prozeßbevollmächtigten für das Scheidungsverfahren, sich mit der Beteiligten zu 1) zu versöhnen und diese zur Rücknahme ihres Scheidungsantrags zu bewegen. Die Beteiligte zu 1) lehnte dies damals ab. Das Familiengericht bestimmte unter dem 15.1.1993 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 10.3.1993.

2              Am 20.2.1993 erlitt der Erblasser einen Unfall, bei dem er sich schwere Kopfverletzungen zuzog. Er wurde in die Medizinische Klinik I der Kliniken des Hochtaunuskreises in Bad Homburg v.d.H. eingeliefert. Wenige Stunden danach fiel er in tiefe Bewußtlosigkeit und war nicht mehr in der Lage, auf Fragen zu antworten. Die ärztlichen Untersuchungen ergaben einen großen Bluterguß auf der linken Hälfte des Großhirns, eine allgemeine Hirnschwellung und eine beginnende Einklemmung des Mittelhirns. Daraufhin wurde der Erblasser noch am Abend des 20.2.1993 in die neurochirurgische Abteilung der Universitätsklinik Frankfurt am Main gebracht, wo ein neurochirurgischer Eingriff an ihm vorgenommen wurde. In den späten Abendstunden des 20.2.1993 wurde er in die internistische Intensivstation des Bad Homburger Krankenhauses zurückverlegt. Von diesem Zeitpunkt an bestanden klinische Zeichen einer schwerer Funktionsstörung des Gehirns; Hornhautreflex und Schluckreflex waren nicht mehr auslösbar. An dem Zustand tiefster Bewußtlosigkeit änderte sich nichts mehr. Die Spontanatmung war ausgefallen, so dass er fortan künstlich beatmet werden mußte. Die Funktionen von Herz und Kreislauf mußten medikamentös gestützt werden, ohne dass sie künstlich aufrechterhalten wurden.

3              Bei dem Erblasser stellten der Chefarzt … am 23.2.1993 gegen 14:30 Uhr und der Oberarzt Dr. … am 24.2.1993 um 9:45 Uhr die typischen Symptome des Ausfalls der Hirnfunktion fest. Allerdings wurde eine Ableitung der Hirnströme (EEG) nicht durchgeführt, weil dies in dem Bad Homburger Krankenhaus aus technischen Gründen nicht möglich war.

4              Am 25.2.1993 ließ die Beteiligte zu 1) mit einer bei dem Familiengericht am frühen Nachmittag eingegangenen Fernkopie ihrer Verfahrensbevollmächtigten ihren Scheidungsantrag zurück ziehen. In den frühen Morgenstunden des 26.2.1993 kam es bei dem Erblasser zum Herzstillstand mit nachfolgendem biologischen Tod.

5              Die Beteiligte zu 1) hat unter dem 11.3.1993 beantragt, ihr einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, dass der Erblasser, der letztwillig nicht verfügt hat, von ihr und der Beteiligter zu 2) zu je 1/2 beerbt worden sei. Sie hat dazu eine von dem Standesbeamten in Bad Homburg v.d.H. am 2.3.1993 ausgestellte Sterbeurkunde vorgelegt, in der es heißt, der Erblasser sei am 26.2.1993 um 03:39 Uhr gestorben.

6              Die durch einen Ergänzungspfleger vertretene Beteiligte zu 2) ist diesem Antrag mit dem Vortrag entgegengetreten, sie habe ihren Vater allein beerbt. Bei diesem sei nämlich schon einige Tage vor dem 26.2.1993 der Hirntod eingetreten. Die behandelnden Ärzte hätten den Erblasser auf Weisung der Beteiligten zu 1) durch künstliche Beatmung am Leben erhalten. Die Beteiligte zu 1) habe diese Lage rechtsmißbräuchlich durch Rücknahme ihres Scheidungsantrags ausgenutzt, um sich ihr gesetzliches Erbrecht zu sichern. Die Beteiligte zu 1) hat erwidert, sie habe ihren Verfahrensbevollmächtigten den Auftrag zur Rücknahme des Scheidungsantrags schon zu einem Zeitpunkt erteilt, als der Erblasser noch nicht im Krankenhaus gewesen sei Aus dem Verhalten des Erblassers zum damaligen Zeitpunkt habe sie geschlossen, dass ihre Ehe noch gerettet werden könne.

7              Die Rechtspflegerin des Nachlaßgerichts hat mit Beschluß vom 4.6.1995 die Erteilung eines dem Antrag der Beteiligten zu 1) entsprechenden Erbscheins angekündigt, sofern nicht binnen zwei Wochen Erinnerung eingelegt werde. Der gegen diesen Beschluß von der Beteiligten zu 2) eingelegten Erinnerung haben die Rechtspflegerin und der Richter des Nachlaßgerichts nicht abgeholfen. Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Frage, Wann bei dem Erblasser der Hirntod eingetreten ist, durch Einholung von zwei schriftlichen, auf den Krankenhausunterlage beruhenden Auskünften des … der als Oberarzt in der Medizinischen Klinik I des Bad Homburger Krankenhauses tätig ist. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Auskünfte vom 18.7.1994 (Bl. 77, 78 d.A.) und 19.9.1994 (Bl. 88, 89 d.A.) verwiesen.

8              Durch Beschluß vom 24.5.1995 hat das Landgericht den Vorbescheid des Nachlaßgerichts vom 4.6.1993 ersatzlos aufgehoben. In den Gründen seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das Erbrecht der Beteiligten zu 1) sei nach § 1933 Satz 1 Alt. 2 BGB ausgeschlossen, weil zur Zeit des Todes des Erblassers ein begründeter Scheidungsantrag der Beteiligten zu 1) vorgelegen habe, dem der Erblasser durch den Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten im Scheidungsverfahren vom 15.6.1992 wirksam zugestimmt habe. Die von der Beteiligten zu 1) unter dem 25.2.1993 erklärte Rücknahme ihres Scheidungsantrags habe keinen Einfluß mehr gehabt, weil sie erst nach dem Tod des Erblassers erfolgt sei. Auf Grund der beiden Auskünfte des Oberarztes Dr. … sei nämlich erwiesen, dass der Hirntod, auf den für die allgemeinen Fragen des Zivilrechts abzustellen sei, bei dem Erblasser spätestens am 24.2.1993 eingetreten sei.

9              Gegen den landgerichtlichen Beschluß richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 13.6.1995 eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1). Sie erstrebt die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und die Zurückweisung der Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2). Die Beteiligte zu 2) ist der weiteren Beschwerde entgegengetreten.

10            Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet. Die Ansicht des Landgerichts, die Beteiligte zu 2) habe den Erblasser allein beerbt, hält der im Verfahren der weiteren Beschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 550 ZPO) stand.

11            Das gesetzliche Ehegattenerbrecht der Beteiligten zu 1) nach den §§ 1931 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB war am Todestag des Erblassers gemäß § 1933 BGB erloschen. Nach § 1933 Satz 1 BGB, der als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (BGH NJW 1990, 2382 = WM 1990, 1791 = FamRZ 1990, 1109; BayObLG FamRZ 1975, 514; OLG Düsseldorf FamRZ 1991, 1107) und in seiner für den Streitfall maßgeblichen zweiten Alternative verfassungsrechtlich unbedenklich ist (BVerfG NJW-​RR 1995, 769 = FamRZ 1995, 536; Palandt/Edenhofer BGB 56. Aufl. 1953 Rn. 1), ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Der Tatbestand dieser Bestimmung war hier insofern erfüllt, als bis zur Rücknahme des Scheidungsantrags durch die Beteiligte zu 2) am 25.2.1993 die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser der von der Beteiligten zu 1) beantragten Scheidung zugestimmt hatte, zumal die Zustimmung zur Scheidung (§ 630 Abs. 2 ZPO) durch einen Schriftsatz des bevollmächtigten Rechtsanwalts erklärt werden kann (BayObLG FamRZ 1983, 96; OLG Frankfurt am Main OLGZ 1990, 215 = FamRZ 1990, 210 = NJW-​RR 1990, 136; OLG Saarbrücken FamRZ 1992, 109; OLG Stuttgart OLGZ 1993, 263; OLG Zweibrücken NJW 1995, 601 = FamRZ 1995, 570; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 55. Aufl. Rn. 5, Zöller/Philippi ZPO 20. Aufl. Rn. 8, je zu § 630) und es nicht von entscheidender Bedeutung ist, ob die Zustimmungserklärung grammatikalisch in der Gegenwarts- oder in der Zukunftsform (“wird sich damit einverstanden erklären”) formuliert ist (OLG Stuttgart aaO). Jedenfalls läßt die Annahme des Landgerichts, die schriftsätzliche Erklärung des Prozeßbevollmächtigten des Erblassers im Scheidungsverfahren vom 15.6.1992 sei als Zustimmung zur Scheidung und nicht nur als Ankündigung der Zustimmung auszulegen, keinen Rechtsfehler erkennen. Es ist durchaus möglich, dass der damalige Prozeßbevollmächtigte des Erblassers die Formulierung “wird” deshalb gebraucht hat, weil er davon ausging, dass die Zustimmungserklärung in der mündlichen Verhandlung abzugeben sei (vgl. BayObLG NJW-​RR 1996, 650 = FamRZ 1996, 760).

12            Rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Rücknahme des Scheidungsantrags durch die Beteiligte zu 1) unter dem 25.2.1993 den auf § 1933 Satz 1 Alt. 2 BGB beruhenden Ausschluß des gesetzlichen Ehegattenerbrechts nicht berührt hat. Bei wirksamer Rücknahme des Scheidungsantrags ist zwar das Verfahren nach §§ 608, 626 i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO als nicht rechtshängig geworden anzusehen mit der Folge, dass auch die Zustimmung des Erblassers zur Scheidung ihre Wirkung verliert (Leipold in MünchKommBGB 2. Aufl. § 1933 Rn. 9; vgl. auch Soergel/Stein BGB 12. Aufl. Rn. 4, Staudinger Werner BGB 12. Aufl. Rn. 5, Erman/Schlüter BGB 9. Aufl. Rn. 2, je zu § 1933). Dabei berührt die Motivation für die Antragsrücknahme deren Zulässigkeit grundsätzlich nicht (vgl. dazu BGH FamRZ 1974, 648/649). Erfolgt aber die Rücknahme des Scheidungsantrags erst nach dem Erbfall (dem Tod des Erblassers), so hat sie keinen Einfluß mehr auf die Anwendbarkeit des § 1933 BGB (LG Tübingen BWNotZ 1986, 22; Soergel/Stein aaO Rn. 4, Leipold in MünchKommBGB aaO Rn. 7, je zu § 1933). Im Streitfall ist der Tod des Erblassers, wie das Landgericht frei von Rechtsfehlern festgestellt hat, spätestens am 24.2.1993, also vor der am nächsten Tag erfolgten Rücknahme des Scheidungsantrags der Beteiligten zu 1) eingetreten.

13            Im BGB findet sich keine Norm, die Kriterien dafür aufstellt, wann vom Eintritt des Todes eines Menschen auszugehen ist (Staudinger/Weick/Habermann BGB 13. Aufl. Vorb. zu § 1 VerschG Rn. 3; Soergel/Stein aaO Rn. 3, Leipold in MünchKommBGB aaO Rn. 12, je zu § 1922). Die Frage, wann der Tod eingetreten ist, hat der Gesetzgeber als naturwissenschaftlich feststehend und daher nicht regelungsbedürftig angesehen (Palandt/Heinrichs aaO § 1 Rn. 3). Nach heute weithin herrschender Auffassung ist im Erbrecht in Übereinstimmung mit der medizinischen Wissenschaft und der Beurteilung in anderen Rechtsgebieten als Todeszeitpunkt der Eintritt des Gesamthirntodes zu verstehen (OLG Köln NJW-​RR 1992, 1480 = FamRZ 1992, 860 = DNotZ 1993, 171; AG Hersbruck NJW 1992, 3245 = FamRZ 1992, 1471 mit Anm. Schwab; Gitter in MünchKommBGB 3. Aufl. Rn. 16, Palandt/Heinrichs aaO Rn. 3, je zu § 1; Palandt/Edenhofer aaO Rn. 2, Soergel/Stein aaO Rn. 3, je zu § 1922; Coester-​Waltjen FS Gernhuber 1993 S. 837 ff./848; Lang ZRP 1995, 459; Heun JZ 1996, 213; für das Strafrecht ebenso Schönke/Schröder/Eser StGB 25. Aufl. 1997 Vorb. zu §§ 211 ff. Rn. 18; siehe auch OLG Hamm NJW-​RR 1996, 70 = FamRZ 1995, 1606 = Rpfleger 1996, 28; Lange/Kuchinke Erbrecht 4. Aufl. 1995 § 4 II 1). Ihr schließt sich der Senat an. Mit dem Ausfall der Gesamtfunktion des Gehirns ist das Lebenszentrum des Menschen zerstört, seine individuelle Existenz erloschen. Bei völligem Ausfall auch des Hirnstamms kann mit Sicherheit auf die fehlende Erholungsfähigkeit erloschener Hirnfunktionen geschlossen werden. Das Hirntod-​Kriterium ist im übrigen auch Grundlage des kürzlich im Bundestag verabschiedeten Transplantationsgesetze (zu der Diskussion darüber vgl. auch Weber/Lejeune NJW 1994, 2392; Höfling JZ 1995, 26; Heun JZ 1996, 213; Rixen ZRP 1995, 461; Beckmann ZRP 1996, 219; Wagner/Brocker ZRP 1996, 226; Steffen NJW 1997, 1619; Schreiber FAZ vom 24.2.1997 S. 8).

14            Abzulehnen ist der von Stimmen im Schrifttum gemachte Vorschlag, den Todesbegriff aufzuspalten und für das Zivilrecht, vor allem das Erbrecht auf den Herz- und Kreislaufstillstand abzustellen (Erman/Westermann aaO Rn. 5, Jauernig BGB 7. Aufl. Anm. 2 b aa, je zu § 1; Staudinger/Weick/Habermann aaO Vorb. zu § 1 VerschG Rn. 8; Schreiber JZ 1983, 593/594). Er erscheint unpraktikabel und könnte einen unerwünschten Anreiz dafür geben, eine Intensivbehandlung gerade um zivilrechtlicher Folgen willen länger fortzusetzen als aus medizinischen Gründen veranlaßt (Leipold in MünchKommBGB aaO § 1922 Rn. 12).

15            Die Kriterien zur Feststellung des Hirntodes sind von medizinischer Seite hinreichend präzisiert worden. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer hat am 4.2.1982 Entscheidungshilfen zur Feststellung des Hirntodes aufgestellt (abgedruckt bei Schreiber JZ 1983, 593/594), die später ergänzt und fortgeschrieben wurden (vgl. die Nachweise bei Staudinger/Weick/Habermann aaO Vorb. zu § 1 VerschG Rn. 6). Danach tritt der Hirntod ein beim vollständigen und irreversiblen Zusammenbruch der Gesamtfunktion des Gehirns, auch wenn dann Kreislauf und Atmung noch Künstlich aufrechterhalten bleiben. Die Frage, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die Feststellung des Landgerichts, bei dem Erblasser hätten zwei Neurologen am 23. und 24.2.1993 übereinstimmend die typischen Symptome des Ausfalls der Gehirnfunktion wahrgenommen, womit die Kriterien des Hirntodes erfüllt gewesen seien, kann das Gericht der weiteren Beschwerde nur daraufhin nachprüfen, ob der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und daher gegen § 12 FGG verstoßen wurde, ob die Vorschriften über die Form der Beweisaufnahme verletzt wurden und ob die Beweiswürdigung fehlerhaft ist (Keidel/Kuntze FGG Teil A 13. Aufl. § 27 Rn. 42). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor.

16            Das Landgericht hat sich bei der Beurteilung des Zeitpunktes, in dem der Hirntod des Erblassers eingetreten ist, auf die beiden schriftlichen Auskünfte des Oberarztes Dr. … gestützt, der die Unterlagen über die Behandlung des Erblassers in dem Krankenhaus, in dem der Erblasser gestorben ist, ausgewertet hat. Dagegen ist nichts zu erinnern und wird auch von der weiteren Beschwerde nichts eingewendet. Das Landgericht ist den Angaben des Oberarztes Dr. … auf Grund eigener Würdigung gefolgt. Die vom Landgericht vorgenommene Würdigung dieser Angaben läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

17            Mit ihrem Einwand, bei dem Erblasser sei keine Ableitung der Hirnströme vorgenommen worden, übersieht die Rechtsbeschwerde, dass die Feststellung des Hirntodes nicht notwendig eine Gehirnstromableitung voraussetzt. Das ergibt sich bereits aus der Nr. 4 der oben genannten Entscheidungshilfen vom 4.2.1982, wonach in den Fällen, in denen auf das EEG verzichtet werden muß und auch kein angiographischer Befund vorliegt, die unter Nr. 2 aufgeführten Ausfallsymptome bei Erwachsenen nach primärer Hirnschädigung während mindestens zwölf Stunden mehrmals übereinstimmend nachgewiesen werden müssen, bis der Hirntod festgestellt werden kann. Soweit die weitere Beschwerde beanstandet, dass das Landgericht nicht festgestellt habe, ob es sich um einen irreversiblen Zusammenbruch der Gesamtfunktion des Gehirns gehandelt habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass es auf Seite eins der Auskunft vom 19.9.1994 heißt, mit den von den Neurologen Dr. … und Dr. … getroffenen Feststellungen seien die Kriterien des Hirntodes erfüllt gewesen, so dass davon ausgegangen werden könne, dass am 24.2.1993 um 9:45 Uhr der Hirntod irreversibel eingetreten war und Wiederbelebungsmaßnahmen des Herz-​Kreislaufsystems sinnlos gewesen wären. Unerheblich für die Feststellung des Gehirntodes ist es entgegen der Ansicht der weiteren Beschwerde, dass bei dem Erblasser die Herz- und Kreislauffunktionen nicht künstlich aufrechterhalten werden mußten. Soweit sie Feststellungen dazu vermißt, welche Reflexe fehlten und welche Ausfallerscheinungen beobachtet wurden, übersieht sie abermals die Ausführungen in der Auskunft vom 19.9.1994, in der es auf Seite zwei heißt, seit dem späten Abend des 20.2.1993 seien wesentliche Reflexe (Hornhautreflex, Schluckreflex) nicht mehr auslösbar gewesen und der Erblasser habe bei Ausfall der Spontanatmung im Koma gelegen.

18            Unter diesen Umständen durfte es das Landgericht — rechtlich einwandfrei — trotz der von der Beteiligten zu 1) vorgelegten Sterbeurkunde vom 2.3.1993 für erwiesen erachten, dass der Erblasser bereits am 24.2.1993 verstorben ist. Durch die Sterbeurkunde war zwar zunächst bewiesen, dass der Erblasser am 26.2.1993 verstorben ist (§§ 60 Abs. 1 Satz 1, 61 a Nr. 3, 64 Nr. 3, 66 PStG; vgl. Staudinger/Weick/Habermann aaO Vorb. zu § 1 VerschG Rn. 10), obwohl bei der Eintragung eines Sterbe falls der Standesbeamte grundsätzlich nur die Erklärungen einer anderen Person beurkundet (Hepting/Gaaz PStG § 37 Rn. 14). Der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen ist jedoch zulässig (§ 60 Abs. 2 Satz 1 PStG); der Gegenbeweis kann mit allen Beweismitteln geführt werden (Hepting/Gaaz aaO § 60 Rn. 31).

19            Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat nach den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO festgesetzt.

 

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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