OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss v. 09.09.2014 – 14 U 9/14
Ausübung der Anteilsrechte an einer GmbH bei Miterbengemeinschaft als Gesellschafter
Gründe:
I.
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
Es liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO vor. Der Senat rät zur Zurücknahme der Berufung.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Kläger – wie die Beklagte meint – ganz oder teilweise bereits die Aktivlegitimation bzw. die Anfechtungsbefugnis fehlt und sich die Entscheidung des LG – die Anfechtungsbefugnis ist nach h.M., die der Senat teilt, materiell-rechtliche Sachbefugnis, weshalb bei ihrem Fehlen die Klage als unbegründet abzuweisen ist (s. etwa OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443 (451); Großkommentar zum GmbHG/Raiser, 1. Aufl., Anh. § 47 Rn. 167; MünchKomm-GmbHG/Wertenbruch, 1. Aufl., § 47 Anh. Rn. 172; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., Anh § 47 Rn. 135; a.A. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 45 Rn. 127 [m.w.N. zur h.M. in Fn. 2]: Abweisung als unzulässig) – insoweit schon deshalb als im Ergebnis richtig darstellt. Denn jedenfalls leidet der angegriffene Beschluss nicht an Mängeln, wie das LG zutreffend entschieden hat. Zumindest deshalb ist die Entscheidung des LG richtig.
(1) Die Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme – zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten – ist aus objektiver Sicht zu beurteilen; entscheidend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers (s. etwa BGHZ 183, 140 – Tz. 33). Ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen alle Maßnahmen, die nach den individuellen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung vernünftig erscheinen; eine allgemeine Zweckmäßigkeits- oder Inhaltskontrolle, bei der die Minderheit oder das Gericht die Auffassung der Mehrheit ersetzen könnte, findet indes nicht statt (vgl. MünchKomm-BGB/K. Schmidt, 6. Aufl., §§ 744, 745 Rn. 22; auch Staudinger-BGB/Langhein, Neubearb. 2008, § 745 Rn. 5), wenn auch die berechtigten Interessen der Minderheit nicht übergangen werden dürfen (vgl. Staudinger-BGB/Langhein, Neubearb. 2008, § 745 Rn. 5). Es besteht jedoch ein Ermessensspielraum für die Mehrheit, auch ist ein Beschluss nicht schon dann nicht mehr ordnungsgemäß, wenn nicht die optimale, sondern eine weniger zweckmäßige Lösung beschlossen worden ist; die Voraussetzung ordnungsgemäßer Verwaltung verhilft nur in seltenen Ausnahmefällen zur Inhaltskontrolle (vgl. MünchKomm-BGB/K. Schmidt, 6. Aufl., §§ 744, 745 Rn. 28; vgl. auch Staudinger-BGB/Langhein, Neubearb. 2008, § 745 Rn. 5).
(2) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht der Berufung nicht vor. Die Abberufung des Klägers war hier zumindest im Ausgangspunkt und nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen gem. § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit frei möglich, eine Beschränkung nach § 38 Abs. 2 Satz 1 GmbHG enthält der Gesellschaftsvertrag der Beklagten unstreitig nicht. Allein schon der ebenfalls unstreitige Umstand, dass zwischen dem Kläger und dem (weiteren) Geschäftsführer der Beklagten schwer wiegende Streitigkeiten ausgetragen werden, lässt die Abberufung des Klägers zumindest nicht in einem Maße sachwidrig erscheinen, dass hier auch nur entfernt der Bereich betroffen wäre, in dem die Abberufung nach den dargestellten Grundsätzen nicht mehr als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung einzustufen wäre, zumal im Gegenteil ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers gegeben war (dazu noch unten unter I 4b). An diesem Ergebnis änderte sich selbst dann nichts, wenn die Mehrheit bei der Entscheidung für die Abberufung des Klägers erbrechtlichen Vorgaben ausgesetzt gewesen wäre und diese verletzt hätte. Ein solcher Verstoß zeitigte – was separat zu prüfen wäre – ggf. eigenständige, von der Frage der mit der Einstufung in den Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung verbundenen Wirkungen abgesetzte Rechtsfolgen, führte aber nicht zur Ausgrenzung der in Frage stehenden Maßnahme aus dem Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung. Abgesehen davon liegt ein solcher Verstoß gegen erbrechtliche Vorgaben nicht vor (dazu sogleich näher).
Das gilt auch für die hier in Rede stehende Belastung der Miterben durch die Auflage. Er hat zudem diese Auflage durch den als Anlage KS & P 12 vorgelegten Gesellschafterbeschluss – auf dessen Wirksamkeit und Wirkungen es hier im Einzelnen nicht ankommt – ebenfalls v. 14.01.2010 flankiert, was gleichermaßen zeigt, dass er eine aus seiner Sicht vollständige, alle Eventualitäten berücksichtigende und regelnde Vereinbarung getroffen hat. Das erweiternde Verständnis, das der Kläger der Auflage beilegen möchte, überzeugt den Senat von hier aus nicht. Für diese Sicht spricht im Übrigen auch, dass dem Erblasser die gesellschaftsrechtliche Situation, die einen Widerruf der Geschäftsführerbestellung ohne wichtigen Grund erlaubte, bekannt gewesen sein muss. Hätte er insoweit in Bezug auf den Kläger abändernde Regelungen treffen wollen, ist anzunehmen, dass er diese ausdrücklich und zweifelsfrei getroffen hätte.
Im Falle dauerhaften Streits zwischen Geschäftsführern, der ein gedeihliches Zusammenwirken gefährdet oder gar ausschließt, im Falle unbehebbarer Verfeindung muss nicht der überwiegend schuldige Geschäftsführer, sondern es kann derjenige abberufen werden, auf dessen Mitwirkung weniger Wert gelegt wird (MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 98; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 38 Rn. 13), ein Anspruch auf Gleichbehandlung besteht nicht (s. etwa Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 38 Rn. 50). Streitig ist allerdings, ob auch ein Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen werden kann, der zu dem Streit nichts beigetragen hat (bejahend MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 88 m.N. zum Streitstand in Fn. 177).
(1) U.a. er und der (weitere) Geschäftsführer der Beklagten sind – wie das LG festgestellt hat – untereinander so zerstritten, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich ist. Dass diese Feststellung richtig ist, zeigt schon die Vielzahl der rechtlichen Streitigkeiten, die auch zwischen diesen beiden Personen unstreitig gerichtlich anhängig sind bzw. ausgetragen wurden. Das bestehende Zerwürfnis stellt die Berufung im Übrigen selbst nicht in Abrede.
(2) Dass der Kläger – wie die Berufung geltend macht – hierzu nichts beigetragen habe, trifft nicht zu. Weiterer Aufklärung durch den Senat bedarf dieser Aspekt nicht.
(a) Das LG hat Feststellungen dazu getroffen, dass und wie der Kläger versucht hat, von ihm für notwendig erachtete Unterlagen zu erlangen und wie er versucht hat, dieses Begehren gegenüber Mitarbeitern des Betriebs durchzusetzen; der Senat verweist insofern auf die Darstellung auf S. 22 f. des angefochtenen Urteils. Hiergegen wendet sich der Kläger – lediglich – zum einen mit der Behauptung, seine Informationsverlangen seien als solche nicht unberechtigt gewesen, vielmehr habe ihm der (weitere) Geschäftsführer der Beklagten die zur Wahrnehmung von Aufgaben des Klägers erforderlichen Informationen vorenthalten. Zum anderen rechtfertigt der Kläger sein Herantreten an den Mitarbeiter E. damit, ein Geschäftsführer müsse sich nicht gefallen lassen, dass ihm ein Mitarbeiter des Unternehmens die Einsicht in Unterlagen verweigere mit Hinweis darauf, er wolle zunächst anwaltliche Auskunft abwarten; ferner stellt der Kläger in Abrede, dass er diesem Mitarbeiter – ebenso wenig wie der Mitarbeiterin K. – arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht habe. Schließlich bringt die Berufung vor, der Kläger habe niemals Mitarbeiter der Beklagten bedroht und er habe auch nicht zu einer Störung des Betriebsfriedens beigetragen.
(b) Die erwähnten, von der Berufung aufgegriffenen Punkte bedürfen indes keiner weiteren Aufklärung. Es steht fest, dass zumindest auch die Art und Weise des Auftretens des Klägers gegenüber den Mitarbeitern E. und K. und sein darin jedenfalls zum Ausdruck gekommenes nachdrückliches Bemühen, an die von ihm für nötig gehaltenen Informationen zu gelangen, zu dem Zerwürfnis zwischen dem Kläger und dem (weiteren) Geschäftsführer der Beklagten beigetragen haben. Schon deshalb war die Abberufung des Klägers durch einen wichtigen Grund getragen. Erheblich ist hierfür allein, dass zwischen den Geschäftsführern ein unheilbares Zerwürfnis entstanden ist und im Übrigen noch immer besteht, zu dem der Kläger zumindest durch seine erwähnten Versuche, an Informationen zu gelangen, beigetragen hat.
Auf ein Verschulden des Klägers kommt es nicht an. Auch die Frage, ob oder ggf. unter welchen Voraussetzungen die Informationsverlangen des Klägers an sich berechtigt waren oder gewesen sein könnten und ob ihm Informationen zu Unrecht vorenthalten worden sind, ist dementsprechend im hier entscheidenden Zusammenhang nicht erheblich. Ebenso wenig ist entscheidend, ob der Kläger die Mitarbeiter in einer Art und Weise „angegangen” hat, die man geradezu als „Bedrohung” der Mitarbeiter zu bezeichnen hat, insbesondere kommt es nicht darauf an, ob er ihnen gerade mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht hat. Und schließlich kann auch dahin stehen, ob und ggf. inwieweit der Kläger durch seine Informationsverlangen eine Situation geschaffen hat, die mit dem Begriff einer Störung des Betriebsfriedens zu beschreiben wäre.
All diese Aspekte sind unerheblich, weil es nicht darum geht, die Streitigkeiten zwischen den Geschäftsführern zu bewerten und zu entscheiden, wer von ihnen hinsichtlich der Handhabung der Informationsrechte des Klägers in seiner seinerzeitigen Position als Geschäftsführer im Recht ist und wer nicht. Es geht allein darum, ob eine zumindest auch von dem Kläger wesentlich mitverursachte Situation bestanden hat, in der es zu Dauerkonflikten zwischen den beiden Geschäftsführern kam, die eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lassen und die so notwendigerweise den Erfolg des Unternehmens beeinträchtigen. Eine solche Situation lag hier vor.
Bereits sie allein rechtfertigte die Abberufung eines der beiden sich in Konflikt befindenden Geschäftsführer, um Ruhe einkehren zu lassen, und zwar unabhängig von einem etwaigen Verschulden der beteiligten Geschäftsführer und insbesondere davon, wessen Verschuldensanteil überwog, sowie auch unabhängig von der Abgrenzung der Rechte und Pflichten, die ihnen jeweils im Einzelnen zustanden und die sie trafen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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