Anspruch aus § 2287 BGB – Beeinträchtigungsabsicht – lebzeitiges Eigeninteresse – KG 4 U 8/18

August 9, 2021

Anspruch aus § 2287 BGB – Beeinträchtigungsabsicht – lebzeitiges Eigeninteresse – KG 4 U 8/18

Tenor

Die Berufung der Beklagten v. 22. Januar 2018 gegen das Urteil des Landgerichts Berlin — Zivilkammer 12 — v. 15. Dezember 2017 (Az. 12 O 33/14) wird auf Kosten der Berufungsklägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist Vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Anspruch aus § 2287 BGB – Beeinträchtigungsabsicht – lebzeitiges Eigeninteresse – KG 4 U 8/18 – Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung an die Erbengemeinschaft nach dem am 24. Februar 2013 verstorbenen (im Folgenden: Erblasser) wegen Überweisungen an die Beklagte i. H. v. insgesamt 207.237,23 €.

Das Landgericht hat die Beklagte durch das ihr am 2. Januar 2018 zugestellte Urteil v. 15. Dezember 2017, auf das zur näheren Sachdarstellung gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach dem am 24. Februar 2013 verstorbene … , bestehend aus der Klägerin, … und der … , 207.237,23 € zuzüglich Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2014 zu zahlen sowie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 23. Januar 2018 bei Gericht eingegangenen Berufung, die sie nach Fristverlängerung bis zum 23. März 2018 mit an diesem Tag bei Gericht eingegangenem Fax begründet.

Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte gem. § 2287 BGB zustehe.

Weiter habe es der Beklagten fehlerhaft keine Stellungnahmefrist auf die gerichtlichen Hinweise gewährt.

Zudem bejahe das Landgericht ein Eigeninteresse fälschlich nur, wenn dem Vertragserben ein erhebliches Fehlverhalten vorgeworfen werde.

Dementsprechend habe es das Landgericht unterlassen, die vorgetragenen Beweggründe des Erblassers abzuwägen, habe nicht zwischen den einzelnen Schenkungen unterschieden und die Beeinträchtigungsabsicht bejaht.

Nach der Rechtsprechung des BGH seien zur Feststellung, ob ein lebzeitiges Interesse bestanden oder der Erblasser seine Verfügungsfreiheit missbraucht habe, alle Umstände gegeneinander abzuwägen.

Ein lebzeitiges Eigeninteresse sei danach zu bejahen, wenn die Gründe, die den Erblasser zur Schenkung bewegt hatten, so beschaffen gewesen seien, dass der Vertragserbe sie anerkennen und die sich aus der Verfügung ergebende Benachteiligung hinnehmen müsse

(BGH, NJW 82, 1100).

Dies sei vorliegend entgegen der Ansicht des Landgerichts der Fall und der diesbezüglich neue Vortrag mangels Gewährung der Erklärungsfrist auch zu berücksichtigen.

Entgegen der Wertung des Landgerichts ergebe sich das lebzeitige anerkennenswerte Eigeninteresse aus dem Zusammenspiel der durch die Beklagte erbrachten Pflege und Versorgung und der vom Erblasser empfundenen Bedeutung der allzeitigen Erreichbarkeit der Beklagten für sein körperliches und seelisches Wohl.

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Erstmals in der Berufung trägt die Beklagte insoweit vor, den Erblasser habe es beruhigt, dass die Beklagte im gegenüberliegenden Haus gewohnt und aus ihrem Wohnzimmer Einblick in alle Räume des Erblassers gehabt habe.

Dies habe dem Erblasser das Gefühl gegeben, dass sofort jemand da sei, wenn ihm etwas zustoßen würde, was dem Erblasser nach dem Tod seiner Frau ein elementares Bedürfnis gewesen sei. Weiter sei der Erblasser aufgrund seines höheren Alters davon ausgegangen, dass ihn seine Frau überleben werde und dass sie dementsprechend bis zu seinem Tod an seiner Seite sei.

Der überraschende vorzeitige Tod der Ehefrau habe den Beklagten sodann auf sich alleine gestellt. Erst durch die Beklagte habe er wieder Lust am Leben gewonnen.

Das besondere Gefühl der Sicherheit durch die Präsenz der Beklagten habe den Erblasser dazu bewogen, seine Dankbarkeit durch die Schenkung von Geldbeträgen zum Ausdruck zu bringen.

Die hier streitgegenständlichen Beträge hätten für den Erblasser im Verhältnis hierzu nur eine untergeordnete Bedeutung gehabt.

Der Erblasser sei auch davon ausgegangen, dass die Miterben, die im Übrigen selbst abgesichert gewesen seien und auch bereits Geldgeschenke erhalten hätten, den Geldbeträgen keine so große Bedeutung einräumen würden.

Darüber hinaus hätten sich die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Schenkungen im Verhältnis zu denen bei Errichtung des Testamentes geändert.

Dass die Beklagte ihm gewogen bleiben werde, sei in den Mittelpunkt gerückt.

Durch nicht nachgelassenen Schriftsatz trägt die Beklagte zudem vor, dass sich das Eigeninteresse auch aus der Urkunde des Notars v. … v. 3. Februar 2011 ergebe und dargelegt worden wäre, wenn die von der Beklagten benannte Zeugin … vernommen worden wäre.

Die Zeugin warte nur darauf, vor Gericht die nachvollziehbaren und vorgetragenen Beweggründe des Erblassers zu bestätigen.

Die fehlende Vernehmung der benannten Zeugin stelle deshalb einen schweren Verfahrensfehler dar.

Darüber hinaus ist die Beklagte der Auffassung, der landgerichtliche Hinweis auf § 822 BGB könne kein Argument gegen ihre Entreicherung sein.

Gleiches gelte, soweit das Landgericht ausgeführt habe, dass auch nach der Schenkung an ihre Söhne ein ausreichend hoher Betrag in ihrem, heißt dem Vermögen der Beklagten, verblieben sei, um den Zahlungsanspruch zu erfüllen.

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Insbesondere sei der Betrag i. H. v. 59.000,00 € nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin habe insoweit zum einen in der Klageschrift ausgeführt, dass die Beträge unberücksichtigt bleiben sollten.

Des Weiteren habe sie dies damit begründet, dass die Beklagte sich mehrmals wöchentlich einige Stunden um den Erblasser gekümmert habe.

Die Klägerin selbst habe dementsprechend vorgetragen, dass diese Beträge mit einem rechtlichen Grund erbracht worden seien.

Das Landgericht spreche der Klägerin damit etwas zu, was diese gar nicht gewollte habe.

Zudem unterstelle das Landgericht der Beklagten, die Summe von 59.000,00 € dem Erblasser verschwiegen und für sich verwendet zu haben.

Ein solcher Rückschluss weiche vom Wortlaut des Vortrags der Klägerin ab und widerspreche der Vernehmung des Zeugen v. …

Die Beklagte hat diesbezüglich — ebenfalls erstmals in der Berufungsinstanz — die Anlagen BB1 ff. zur Akte gereicht und vorgetragen, dass sich hieraus die Kenntnis des Erblassers von den Schenkungen ergebe.

Schließlich sei das landgerichtliche Urteil auch insoweit abzuändern, als das Landgericht die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 710,00 € verurteile.

Die Beklagte habe auf Weisung des Erblassers Verbindlichkeiten bedient, deren Schuldner die Erbengemeinschaft sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin v. 15. Dezember 2017 Az. 12 O 33/14, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihres Berufungsvorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

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Die nach § 511 Abs. 1 ZPO statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und schriftsätzlich begründet worden.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Auch das erkennende Gericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte zur Zahlung von 207.237,23 € zuzüglich Zinsen an die Erbengemeinschaft verpflichtet ist

A. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, hat die Klägerin unabhängig davon, ob die Schenkungen wirksam waren oder nicht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung i. H. v. 207.237,23 € an die Erbengemeinschaft.

1. Soweit die Schenkungen trotz Notartermins v. 3. Februar 2011 unwirksam gewesen sein sollten, folgt der Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte hat in diesem Fall durch die Überweisungen jeweils einen Zahlungsanspruch ohne Rechtsgrund gegen die Bank erlangt und ist demnach dem Grunde nach gem. § 812 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung verpflichtet.

2. Sollte der Mangel der Form des Schenkungsversprechens (§ 518 Abs. 1 BGB) gem. §§ 518 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB durch Genehmigung der Leistung geheilt worden und sollten die Schenkungen dementsprechend wirksam sein, beruht der Anspruch auf § 2287 Abs. 1 BGB analog.

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Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte deshalb insoweit darauf, sowohl der Notar v. … als auch die Notarin … hätten dem Erblasser mitgeteilt, dass die Schenkungen aufgrund der geänderten Umstände mit den gesetzlichen Vorschriften im Einklang erfolgen könnten.

Denn auch wenn die Beklagte — unter Berufung auf die Ansicht der angeführten Notare — zu Recht darauf verweist, dass der Erblasser trotz erbvertraglicher Bindung zu Lebzeiten wirksam über sein Vermögen verfügen und dementsprechend auch sein Vermögen verschenken konnte

(vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1972, IV ZR 125/70, zit: nach: juris, Rdnr. 33;

BGH, Urt. v. 27.0L1982, Iva ZR 240/80, zit. nach: juris. Rdnr. 7),

bestimmt § 2287 BGB, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, dass und wann der Vertragserbe, nachdem der Erbfall eingetreten ist, von der Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen kann.

Da ein Anspruch gem. § 2287 BGB tatbestandlich die Wirksamkeit der Schenkungen voraussetzt, heißt, wie in der mündlichen Verhandlung ebenfalls erörtert, trotz wirksamer Schenkungen einen Anspruch begründet, steht der im angegriffenen Urteil bejahte Anspruch gegen die Beklagte gem. § 2287 BGB auch gerade nicht im Widerspruch zur Ansicht der zunächst mit der Sache am Landgericht befassten Richterin, dass die Schenkungen wirksam seien. Vielmehr setzt § 2287 BGB tatbestandlich eine Schenkung voraus — besteht, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 2287 BGB, ein Herausgabeanspruch.

Nach der gesetzgeberischen Wertung sollen nämlich lebzeitige Schenkungen, die nach Ansicht des Gesetzgebers eine missbräuchliche Ausnutzung der Verfügungsfreiheit des Erblassers darstellen, nicht von Bestand sein. Vielmehr wird der Vertragserbe durch die Gewährung eines mit Anfall der Erbschaft entstehenden Bereicherungsanspruchs geschützt (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1972, IV ZR 125/70, zit. nach: juris, Rdnr. 34). Dieser Schutz kommt vorliegend der Erbengemeinschaft nach dem Verstorbenen … und damit der Klägerin zugute.

a. Die Klägerin ist Berechtigte gem. § 2287 BGB analog. Der Erblasser hatte mit seiner Frau einen wirksamen Erbvertrag gem. §§ 2274, 2276 Abs. 1 BGB geschlossen und die Klägerin nebst den weiteren Miterben als Nacherben bzw. Ersatznacherben, für die der Anspruch analog zur Anwendung kommt (vgl. Weidlich, in: Palandt, Bürgerliches Recht, 78. Aufl., § 2271, Rdnr. 10), eingesetzt.

b. Der Erblasser hat weiter alle Schenkungen an die Beklagte in der Absicht gemacht, die Vertragserben zu schädigen, weshalb insoweit auch nicht zu differenzieren war.

Anspruch aus § 2287 BGB – Beeinträchtigungsabsicht – lebzeitiges Eigeninteresse – KG 4 U 8/18

Voraussetzung für die Beeinträchtigungsabsicht ist, dass der Erblasser zumindest auch in der Absicht gehandelt hat, die Vertragserben zu beeinträchtigen. Dies bedeutet, dass er weiß, dass er das Erbe schmälert und dass er das ihm verbliebene Recht mit den lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat (vgl. m. w. N. BGH, Urt. v. 23.09.1981, IVa ZR 185/80, zit. nach: juris, Rdnr. 24).

Ein solcher Missbrauch liegt allerdings dann nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte (vgl. m. w. N. BGH, Urt. v. 23.09.1981, Iva ZR 185/80, zit. nach: juris, Rdnr. 24; BGH, Beschluss v. 26.10.2011, IV ZR 72/11, zit. nach: juris, Rdnr. 11; BGH, Urt. v. 28.09.2016, IV ZR 513/15, zit. nach: juris, Rdnr. 13).

Ein solches ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint.

Entscheidend ist, ob die Schenkung ihrem Gehalt nach auf eine Korrektur des Erbvertrages angelegt war oder ob der Erblasser ein anerkennenswertes Eigeninteresse hatte (Weidlich, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Aufl., § 2287, Rdnr. 6).

Ein solches liegt etwa vor, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht (vgl. m. w. N. BGH, Beschluss, 26.10.2011, IV ZR 72/11, Rdnr. 11f; BGH, Urteil v. 27.01.1982, IV ZR 240/80) oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will (vgl. BGH, Urteil v. 27.01.1982, IV ZR 72/11, Rdnr. 11 f.).

Dies setzt allerdings eine sittliche Verpflichtung des Erblassers voraus, die sich aus besonderen Leistungen, Opfern oder Versorgungszusagen ergibt, die der Beschenkte für den Erblasser oder ihm nahestehende Personen erbracht hat (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 30.09.1991, 2 W 140/91, zit. nach: juris, Rdnr. 8).

Der Tatrichter hat folglich im Einzelfall die Bindung des Erblassers an den Erbvertrag einerseits und seine Gründe für die Benachteiligung des Vertragserben andererseits unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände zueinander in Beziehung zu setzten und deren Gewicht miteinander zu vergleichen. Erscheint nach dieser Abwägung die Schenkung billigenswert und gerechtfertigt, dann greift S 2287 BGB nicht ein (vgl. BGH, Urt. v. 27.01.1982, IV ZR 240/80, zit. nach: juris, Rdnr. 7 f.).

Nach der dementsprechend vorzunehmenden Abwägung sind die Verfügungen vorliegend mit den landgerichtlichen Ausführungen auf eine Korrektur des Erbvertrages angelegt und ist kein billigenswertes Eigeninteresse anzunehmen. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht seine Auffassung dabei auch nicht auf den Umstand nicht vorhandener Verfehlungen der Klägerin allein gestützt, sondern diesen Aspekt im Rahmen der Abwägung aller Umstände berücksichtigt.

Die Beklagte, die nach dem Vortrag der Klägerin, dass kein billigenswertes Eigeninteresse besteht, die Umstände vortragen muss, die für ein solches Interesse sprechen:(vgl. BGH, Urt. v. 26.02.1986, IVa ZR 87/84, zit. nach: juris, Rdnr. 16) hat dies nicht getan — und zwar auch dann nicht, wenn man die nunmehr in der Berufungsinstanz neu vorgebrachten Umstände berücksichtigt, weshalb weder die Rüge in Bezug auf § 139 ZPO noch ihre Ausführungen zum anerkennenswerten lebzeitigen Eigeninteresse der Berufung zum Erfolg verhelfen.

Die Beklagte hat nämlich ausdrücklich mit Schriftsatz v. 14. September 2015 vorgetragen, der Erblasser habe geäußert, dass die Klägerin ihn nach Benennung im Testament in seinen schwersten Zeiten im Stich gelassen und dass er sich nach einem Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments erkundigt habe, um zu verhindern, dass die jetzigen Erben über den gesamten Nachlass verfügen könnten.

Es sei der größte Wunsch des Erblassers gewesen, dass Frau … den größten Teil seines Vermögens erhalte, da sie ihm in schweren Zeiten zur Seite gestanden habe.

Der Erblasser wusste demnach nicht nur, dass die Verfügungen das Erbe schmälern würden. Genau dies und dass die im Erbvertrag Bedachten nichts erhalten sollten, war seine Intention.

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Da es nach dem, auch insoweit unbestrittenen Vortrag von Klägerin und Beklagter, letztlich, unabhängig davon, ob die Beklagte den Erblasser abschirmte oder nicht, die Entscheidung des Erblassers selbst war, sich, nachdem zuvor die Klägerin die Versorgung des Erblassers übernommen hatte, überwiegend an die Beklagte zu wenden, und da der Klägerin auch, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, nicht substantiiert von der Beklagten schwerwiegende Verfehlungen vorgeworfen werden, die Beklagte ihr Tun nicht als Betreuung auffasste, sie nach ihrem eigenen Vortrag diesbezüglich keine Rechtspflicht übernommen hatte und auch nicht vorgetragen ist, dass geplant gewesen sei, die Betreuung so weiterzuführen, musste die bewusste Schmälerung des Erbes durch die Verfügungen für die Vertragserben nicht billigenswert und gerechtfertigt erscheinen

(vgl. entsprechend zur Pflege durch eine nun genehmere Person etwa: OLG Koblenz, Urt. v. 16.10.1990, 3 U 748/89, zit. nach: juris).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Beklagten, dass der Erblasser den Beträgen keine große Bedeutung beigemessen habe und dass er davon ausgegangen sei, dass dies auch bei den Erben der Fall sei.

Abgesehen davon, dass dieser Vortrag im Widerspruch zum Vortrag der Beklagten steht, dass der Erblasser gewünscht habe, dass weitestgehend das gesamte Vermögen an die Beklagte gehen sollte, ergibt sich hieraus auch kein anerkennenswertes Eigeninteresse nach den Grundsätzen des BGH, denen das erkennende Gericht folgt.

Gleiches gilt, in Bezug auf die Rechtsansichten im Schriftsatz v. 27. November 2019 und hinsichtlich des übrigen neuen Vortrags der Beklagten in der Berufungsbegründungsschrift.

Auch wenn in der Urkunde des Notars v. … nämlich ausgeführt wird, dass der Erblasser große Sympathie und Dankbarkeit für die Beklagte empfinde; dass sie sich um ihn gekümmert, ihn besucht und sich urn seine Belange gesorgt habe, reicht dies allein bei Berücksichtigung des Umstands, dass der Erblasser offensichtlich der erbvertraglichen Bindung entgehen wollte nicht aus.

Gleiches gilt in Bezug auf den vom Erblasser neu in der Berufungsinstanz vorgetragenen Umstand, dass er mit den Verfügungen die Sicherheit der jederzeitigen Erreichbarkeit der Beklagten durch die Schenkungen erlangen wollte — weshalb, wie dargelegt, weder der neue Vortrag noch der Hinweis, dass das Gericht die Beklagte auf die Hinweise nicht habe weiter vortragen lassen, der Berufung zum Erfolg verhilft.

Die vorgetragene Sicherung steht nicht dem anerkennenswerten Bestreben eines Erblassers gleich, seine Versorgung zu gewährleisten, für bereits geleistete Versorgung billigenswert etwas zu leisten oder beschreibt das Bestreben, eine Person zur Versorgung an sich zu binden.

Wie dargelegt, war der Erblasser nicht unversorgt. Vielmehr hat er entschieden, seine Versorgung nunmehr von einer anderen Person übernehmen zu lassen.

Die Verfügungen sind damit letztlich Folge der auch in der notariellen Urkunde zum Ausdruck kommenden Sympathie des Erblassers für die Beklagte.

Dies gilt auch soweit die Beklagte vorträgt, dass die Verfügungen bewirken sollten, dass sie dem Erblasser gewogen bleiben sollte und dass dies in den Mittelpunkt gerückt sei.

Denn auch insoweit soll letztlich nur die bestehende Sympathie erhalten bleiben. Dies allein reicht aber nicht für die Darlegung und Annahme eines lebzeitigen Eigeninteresses (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 30.09.1991, 2 W 140/91, zit. nach: juris, Rdnr. 8).

Darüber hinaus ist aufgrund der Freiwilligkeit der “Betreuung” durch die Beklagte nicht ersichtlich, inwieweit die Verfügungen die vom Erblasser gewünschte Sicherheit bewirken sollten.

Dass sie in der Zukunft fortdauern sollten, ist, wie ausgeführt, nicht vorgetragen.

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Schließlich haben die Verfügungen keinen Einfluss auf die von der Beklagten beschriebene Lage ihrer Wohnung und die sich daraus ergebende Möglichkeit der Beklagten, in die Wohnung des Erblassers zu blicken.

Auch reicht der Vortrag, dass der Erblasser durch die Beklagte wieder Freude am Leben gefunden habe, mangels sittlicher Verpflichtung nicht. Da weiter die Beeinträchtigungsabsicht nicht das einzige oder leitende Motiv der Schenkung sein muss

(vgl. BGH, Urt. v. 5.07.1972, IV ZvR 125/70, zit. nach: juris, Rdnr. 35)

und die Beklagte selbst ausgeführt hat, dass der Erblasser das gesamte Vermögen auf die Beklagte zur Korrektur des Erbvertrages übertragen wollte, mussten die Vertragserben, ohne dass aus den Verfügungen des Erblassers eine gesicherte, erforderliche Versorgung folgte, die Verfügungen auch aus diesen Gründen nicht billigen.

Nicht zum Erfolg verhilft der Berufung des Weiteren der Vortrag der Beklagten, dass das Eigeninteresse des Erblassers im Rahmen der Vernehmung der Zeugin … dargelegt werde, und dass die Nichtvernehmung der Zeugin … , die ausdrücklich das Eigeninteresse des Erblassers beschreibe, ein schwerer Verfahrensfehler sei.

Auf die Beweisantritte im Rahmen des Schriftsatzes v. 14. September 2015 werde verwiesen.

Weder sind vorliegend erhebliche Beweisantritte übergangen worden oder müssten nachgeholt werden — noch ergibt sich aus dem Vortrag seibst das lebzeitige Eigeninteresse des Erblassers.

Soweit nach dem Vortrag der Beklagten aus der Einvernahme der Zeugin das Eigeninteresse dargelegt werden sollte, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis

(vgl. BGH, Urt. v. 28.11.1989, VI ZR 63/89, zit. nach: jurist Rdnr. 13),

soweit auf den Schriftsatz v. 14. September 2015 verwiesen wird, wird die Zeugin dort ausdrücklich für die Testierfähigkeit und die Wirksamkeit der Schenkungen nicht aber für Umstände benannt, aus denen sich ein anerkennenswertes Eigeninteresse des Erblassers ergibt.

Dies gilt auch, soweit dort ausgeführt wird, dass der Erblasser enttäuscht über die Klägerin gewesen sei und dass er sich nicht damit abfinden wollte, dass das gesamte Erbe an die im Testament genannten Erben übergehen würde. Wie dargelegt, begründet auch dies, diese Behauptungen als wahr unterstellt, das anerkennenswerte Eigeninteresse des Erblassers an den Schenkungen nicht.

3. Die Beklagte ist schließlich nicht entreichert. Auch wenn die Beklagte insoweit zutreffend darauf verwiesen hat, dass weder § 822 BGB ein Argument gegen die Entreicherung liefere noch dies entsprechend dem landgerichtlichen Urteil einfach aus dem Umstand gefolgert werden könne, dass nach den behaupteten Zahlungen der Beklagten an die Söhne wertmäßig noch mehr als die Klageforderung im Vermögen der Beklagten verblieben sei.

Wie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt, sind nur die drei in der Klageschrift angeführten Verfügungen streitgegenständlich.

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Unabhängig von den neu eingereichten Belegen kann auf die etwaig ebenfalls in das Vermögen der Beklagten übergegangenen Geldbeträge deshalb bei der Bestimmung, ob die Beklagte entreichert ist oder nicht, wertmäßig nicht zurückgegriffen werden weshalb die diesbezüglich nun neu eingereichten Belege der Berufung aber auch nicht zum Erfolg verhelfen können.

Die Beklagte ist hinsichtlich ihrer, bestrittenen, Entreicherung allerdings, worauf das Gericht hingewiesen hatte und wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, darlegungs- und beweisfällig geblieben.

Will sich der Empfänger von rechtsgrundlos Erlangtem nämlich auf Entreicherung berufen, muss er im einzelnen Tatsachen darlegen, aus denen sich ergibt, dass die Bereicherung weggefallen ist und keine notwendigerweise angefallenen Ausgaben erspart worden sind

(BAG, Urt. v. 18.09.1986, 6 AZR 517/83, zit. nach: juris, Rdnr. 23).

Dies hat die Beklagte nicht getan. Zwar hat sie auf das Bestreiten der Klägerin Kontoauszüge zum Beleg ihrer Entreicherung eingereicht.

Diesen ist aber, wie in der mündlichen Verhandlung ebenfalls erörtert, trotz, wie dargelegt, der Beklagten obliegender Darlegungs- und Beweislast für ihre Entreicherung nicht zu entnehmen, dass sich das Erlangte wertmäßig nicht mehr in ihrem Vermögen befindet. So ergeben sich aus den Kontoauszügen zwar Überweisungen an die Söhne.

Gleichzeitig ist wegen der nicht vollständig weiß gemachten Stellen der Kontoauszüge aber, wie gleichfalls in der mündlichen Verhandlung erörtert, zu erkennen, dass von den Söhnen auch Geld an die Beklagte geflossen ist.

Weiter stehen der Überweisung an den jeweiligen Sohn unerklärte Eingänge in gleicher Höhe gegenüber und lassen die Verwendungsvermerke mehrerer Überweisungen darauf schließen, dass es sich um Rückzahlungen oder Zahlungen der Beklagten an die Söhne wegen einer Badezimmerrenovierung handelt.

B. Die Klägerin hat weiter aus den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils Anspruch auf Zahlung der 770,00 € und der — insoweit nicht angegriffen — zugesprochenen Zinsen. Nach dem Tod des Erblassers konnten die Erben die Vollmacht der Beklagten widerrufen und durfte die Beklagte danach nicht mehr über die Konten verfügen.

Weiter sind die Erben, entgegen der Ansicht der Beklagten, durch ihre Zahlungen auch nicht von einer Schuld befreit worden. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat sie die Verträge, deren Verbindlichkeit sie sodann erfüllt hat, auch geschlossen.

III.

A. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

B. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 ZPO nicht vorliegen.

Die maßgebenden Rechtsfragen sind durch die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt.

Weiter weicht das Berufungsgericht nicht von obergerichtlicher Rechtsprechung ab und beruht die Entscheidung auf den tatsächlichen Umständen des vorliegenden Einzelfalls.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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