Aufhebungsvertrag – außerordentliche Kündigungen – LAbg. Berlin-Brandenburg 23 Sa 1381/20
Zusammenfassung RA und Notar Krau
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23.03.2020 (Az. 23 Sa 1381/20) behandelt die Frage der Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages und zweier außerordentlicher Kündigungen eines Produktionshelfers sowie dessen vorläufiger Weiterbeschäftigung.
Hintergrund
Der Kläger, geboren 1973, war seit dem 09.10.1995 als Produktionshelfer bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt aufgrund eines Änderungsarbeitsvertrages vom 20.03.2002.
Die Beklagte, ein Unternehmen im Bereich ID-Systeme und ID-Dokumente, unterliegt hohen Sicherheitsstandards und verfügt über einen Betriebsrat.
Sachverhalt
Am 19.02.2020 wurde im Hochsicherheitsbereich “Banknote” der Beklagten in einem Schließfach ein Überraschungsei mit einer blauen Pille gefunden, die möglicherweise eine Droge (Ecstasy) enthielt.
Die Videoüberwachung zeigte, dass der Kläger und ein Kollege (Herr S.) das Schließfach mehrfach öffneten.
Am 06.03.2020 bestritt der Kläger im Anhörungsgespräch die Vorwürfe, während Herr S. zugab, zweimal Ecstasy vom Kläger bezogen zu haben.
Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen eine beabsichtigte Kündigung des Klägers.
Entwicklung während der COVID-19-Pandemie
Aufgrund der Pandemie reduzierte die Beklagte die Zahl der im Betrieb anwesenden Mitarbeiter.
Die Personalabteilung arbeitete überwiegend im Homeoffice.
Am 23.03.2020 wurde dem Kläger ein Aufhebungsvertrag vorgelegt, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2020 und seine Freistellung regelte.
Der Kläger unterschrieb diesen nach Beratung durch ein Betriebsratsmitglied und einem telefonischen Berater, erklärte jedoch am 24.03.2020 die Anfechtung des Vertrags wegen widerrechtlicher Drohung.
Kündigungen
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich am 24.03.2020 und erneut am 26.03.2020.
Der Kläger wies die erste Kündigung gemäß § 174 BGB zurück, woraufhin die Beklagte die zweite Kündigung durch den Geschäftsführer unterzeichnen ließ.
Klage und Urteil des Arbeitsgerichts
Der Kläger klagte gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag und die außerordentlichen Kündigungen.
Das Arbeitsgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis weder durch den Aufhebungsvertrag noch durch die Kündigungen beendet wurde und verurteilte die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers.
Die Beklagte legte Berufung ein.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Das Landesarbeitsgericht bestätigte weitgehend das Urteil des Arbeitsgerichts.
Die Hauptpunkte der Entscheidung waren:
Widerrechtliche Drohung:
Der Aufhebungsvertrag vom 23.03.2020 war wegen widerrechtlicher Drohung gemäß § 123 BGB unwirksam, da ein verständiger Arbeitgeber am 23.03.2020 nicht mehr ernsthaft von der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung hätte ausgehen dürfen.
Die zweiwöchige Kündigungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB war bereits abgelaufen.
Unwirksamkeit der Kündigungen:
Beide außerordentlichen Kündigungen vom 24.03.2020 und 26.03.2020 waren ebenfalls unwirksam, da sie außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgten.
Die maßgeblichen Tatsachen waren der Beklagten spätestens am 06.03.2020 bekannt, wodurch die Kündigungsfrist am 20.03.2020 endete.
Weiterbeschäftigungsanspruch:
Der Kläger hatte Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Ein überwiegendes Interesse der Beklagten, das diesem Anspruch entgegenstehen könnte, war nicht ersichtlich.
Entschädigungsanspruch:
Der Antrag des Klägers auf eine Entschädigungszahlung für den Fall der Nichtbeschäftigung binnen einer Woche wurde abgewiesen, da kein Schaden dargelegt wurde.
Kostenentscheidung:
Die Beklagte hatte die Kosten des Berufungsverfahrens und 72% der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen, der Kläger die restlichen 28%.
Begründung
Das Gericht betonte, dass eine Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung widerrechtlich ist, wenn ein verständiger Arbeitgeber die Unwirksamkeit der Kündigung erkennen muss.
Angesichts der abgelaufenen Kündigungsfrist hätte die Beklagte am 23.03.2020 keine wirksame Kündigung mehr aussprechen können.
Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie entlasteten die Beklagte nicht von der Pflicht zur Einhaltung der Frist.
Die rechtzeitige Erstellung und Zustellung einer Kündigungserklärung wäre trotz der erschwerten Bedingungen möglich gewesen.
Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch den Aufhebungsvertrag noch durch die außerordentlichen Kündigungen beendet wurde und bestätigte den Anspruch des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung.
Die Drohung mit einer Kündigung war widerrechtlich, da die Kündigungsfrist abgelaufen war.
Die Beklagte musste die Kosten des Verfahrens tragen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.