Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23

Oktober 21, 2023

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23 – Beschluss vom 27.06.2023 – Beschwerdeverfahren


vorgehend AG Bad Homburg, 2. März 2023, 4 VI 1178/22 (2022), Beschluss

Zusammenfassung von RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG Frankfurt) hat in einem Beschwerdeverfahren den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) abgelehnt.

Ursprünglich hatten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament erstellt, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten.

Nach dem Tod des Letztverstorbenen sollte das Vermögen je zur Hälfte an den Bruder des Erblassers und die Schwester der Ehefrau gehen.

Nach deren Tod sollte es an die Nichte und die Neffen der Eheleute fallen.

Das Amtsgericht Bad Homburg hatte ursprünglich entschieden, dass eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet war und die Beteiligte zu 1) 1/2 des Erbes erhielt, während die anderen Beteiligten jeweils 1/6 bekamen.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) legten Beschwerde ein und argumentierten, dass alle Beteiligten zu gleichen Teilen erben sollten.

Das OLG Frankfurt gab ihnen Recht und entschied, dass eine Aufteilung nach Köpfen, nicht nach Stämmen beabsichtigt war.

Das Testament wurde entsprechend ausgelegt, und alle Beteiligten erben nun zu gleichen Teilen, also jeweils 1/4 des Vermögens des Erblassers.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23 – Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

A. Hintergrundinformationen zum Fall

B. Beteiligte Parteien

C. Ziel und Umfang des Inhaltsverzeichnisses

II. Entscheidung des Amtsgerichts Bad Homburg vom 2. März 2023

A. Zusammenfassung der Entscheidung

B. Begründung und Argumente des Amtsgerichts

C. Ergebnis der Entscheidung

III. Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG Frankfurt)

A. Zusammenfassung der Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4)

B. Begründung und Argumente der Beschwerdeführer

C. Entscheidung des OLG Frankfurt

1. Zusammenfassung der Entscheidung des OLG Frankfurt

2. Begründung und Argumente des OLG Frankfurt

3. Ergebnis der Entscheidung des OLG Frankfurt

IV. Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments

A. Text des Testaments

B. Auslegung des Testaments durch das OLG Frankfurt

C. Argumente der Beteiligten zur Auslegung

D. Begründung der Auslegung des OLG Frankfurt

E. Schlussfolgerung der Auslegung

V. Kostenentscheidung und Wertfestsetzung

A. Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren

B. Wertfestsetzung des Nachlasses

C. Festsetzung des Beschwerdewerts

VI. Schlussbetrachtungen und Rechtsmittel

A. Rechtsmitteloptionen

B. Schlussfolgerung der aktuellen Rechtslage

Zum Entscheidungstext:


Tenor


Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) wird der Beschluss des Amtsgericht Bad Homburg vdH vom 2. März 2023 abgeändert. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) vom 2. November 2022 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 500.000 € festgesetzt.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23 – Gründe


I.

Der Erblasser war verwitwet. Die Ehe blieb kinderlos. Die Eltern beider Ehepartner sind vorverstorben. Die im Jahr 2018 verstorbene Ehefrau des Erblassers hatte eine Schwester, Frau Vorname1 A, die im Jahr 1929 geboren wurde und im Jahr 2013 verstarb. Bei den Beteiligten zu 2) bis 4) handelt es sich um die einzigen Kinder der Schwester. Der Erblasser selbst hatte einen im Jahr 1935 geborenen und 2015 vorverstorbenen Bruder, Herrn Vorname2 B. Die Beteiligte zu 1) ist dessen Tochter.

Am 30. Dezember 1990 errichteten die Ehegatten ein gemeinschaftliches, handschriftliches Testament. Dieses lautet wörtlich:

Unser letzter Wille!

Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tode des Letztverstorbenen soll unser ganzer beiderseitiger Nachlass je zur Hälfte an Herrn Vorname2 B sowie an Frau Vorname1 A fallen. Nach dessen Tod soll die Erbschaft an die Nichte Vorname3 B (Beteiligte zu 1)), sowie die Neffen Vorname4, Vorname5 und Vorname6 A (Beteiligte zu 2) bis 4)) fallen.

Nach dem Tod des Erblassers hat die Beteiligte zu 1) einen Erbschein beantragt, der sie als Erbin zu ½ und die Beteiligten zu 2) bis 4) als Erben zu jeweils 1/6 ausweist. Sie hat sich dabei auf die letztwillige Verfügung der Eheleute aus dem Jahr 1990 berufen und ausgeführt, eine Auslegung des Testaments ergebe, dass die Eheleute die beiden Stämme nach ihm und ihr zu gleichen Teilen habe bedenken wollen. Dem sind die Beteiligten zu 2) bis 4) entgegengetreten.

Eine Aufteilung nach Stämmen sei nicht gewollt gewesen. Vielmehr habe der Erblasser anlässlich eines Besuches des Beteiligten zu 3) diesem gegenüber geäußert, er und seine Frau hätten festgelegt, dass alle vier Nichten und Neffen den gleichen Anteil erhalten sollten. Sie hätten keinen von ihnen bevorzugen wollen.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23

Das Amtsgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die für den Erlass des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen festgestellt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Ehegatten hätten ihr Vermögen als Einheit betrachtet.

Das lege die Annahme nahe, dass beide kinderlose Ehegatten bei den gegenseitigen Erbeinsetzungen den übereinstimmenden Willen hatten, dass nach dem Tode des zuletzt Versterbenden noch vorhandene Vermögen dem Stamm des Mannes und der Frau gleichmäßig je zur Hälfte zukommen zu lassen. Dies ergebe sich auch aus der Anordnung einer Nacherbfolge zugunsten der Abkömmlinge von Schwester und Bruder.

Gegen die ihnen am 4. März 2023 bzw. 7. bzw. 20. März 2023 zugestellte Entscheidung haben die Beteiligten zu 2) bis 4) jeweils gesondert mit am 29. März bzw. am 5. April bzw. am 4. April 2023 beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsätzen Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, dass der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen wird.

Sie sind der Auffassung, dass keine Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden sei, vielmehr die Eheleute ihre Nichten und Neffen mit gleichen Erbanteilen als Ersatzerben des Letztverstorbenen berufen hätten.

Das Nachlassgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Gericht halte an seiner Auslegung fest, wonach Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden sei. Insoweit wird Bezug genommen auf Bl. 61 d. A..

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im Beschwerdeverfahren sowie die ihnen beigefügten Anlagen verwiesen. Der Berichterstatter hat den Beteiligten einen Hinweis gegeben (Bl. 64 d. A.), woraufhin die Beteiligte zu 1) ergänzend vorgetragen hat. Insoweit wird auf Bl. 74 ff. d. A. verwiesen.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im Beschwerdeverfahren und die ihnen beigefügten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23

Die zulässigen Rechtsmittel sind begründet. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) ist zurückzuweisen.

  1. Die gemäß § 58 FamFG statthaften Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) sind zulässig und insbesondere fristgerecht beim Nachlassgericht eingegangen, § 63 FamFG. Ferner sind die Beteiligten zu 2) bis 4) jeweils als Erbprätendenten beschwerdebefugt (vgl. Sternal/Meyer – Holz, FamFG, 2023, § 59 Rn 78).
  2. Die Beschwerden sind darüber hinaus erfolgreich. Zu Unrecht ist das Nachlassgericht von einer Erbfolge ausgegangen, nach der die Beteiligte zu 1) Erbin zu ½ und die Beteiligten zu 2) bis 4) Erben zu jeweils 1/6 geworden sind. Vielmehr erben – ohne, dass es hierauf streitentscheidend ankäme – alle Beteiligten zu jeweils gleichen Teilen.

Noch zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass sich die Erbfolge nach der letztwilligen Verfügung der Eheleute aus dem Jahr 1990 richtet. Maßgeblich ist daher eine Auslegung des formwirksam errichteten gemeinschaftlichen Testaments. Aus einer verständigen Auslegung der letztwilligen Verfügung ergibt sich aber keine Verteilung des Vermögens des Letztverstorbenen nach Stämmen sondern nach Köpfen.

a) Die Testamentsauslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, wobei maßgeblich allein das subjektive Verständnis des Erblassers von den von ihm verwendeten Begriffen ist (vgl. BGH FamRZ 1987, 475, 476; Grüneberg/Weidlich, BGB, 2023, § 2084 Rn. 1). Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen (vgl. BGH NJW 1993, 256 m.w.N.).

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23

Solche Umstände können vor oder auch nach der Errichtung des Testamentes liegen. Dazu gehört das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen (vgl. Grüneberg/Weidlich, BGB, 2023, § 2084 Rn 2 m.w.N.), jedoch müssen sich mit Blick auf die Formerfordernisse des § 2247 BGB für einen entsprechenden Willen des Erblassers in der letztwilligen Verfügung – wenn auch nur andeutungsweise – Anhaltspunkte finden lassen (vgl. BGHZ 80, 242, 244; BGHZ 86, 41; Grüneberg/Weidlich, BGB, 2023, § 2084 Rn. 4).

b) Hiernach ist zunächst vom Wortlaut der letztwilligen Verfügung auszugehen. Eine vornehmlich am Wortlaut orientierte Auslegung führt aber zu einer Erbfolge nach Köpfen der in der letztwilligen Verfügung bedachten Beteiligten zu 1) bis 4) (aa). Außerhalb der Urkunde sich ergebende Umstände führen zu keinem anderen Ergebnis (bb). Schließlich ergäbe sich auch kein anderes Ergebnis, wenn man eine hier nicht fernliegende, den Wortlaut korrigierende Auslegung unterstellte (cc).

aa) Zutreffend und zwischen den Beteiligten unstreitig ergibt eine am Wortlaut orientierte Auslegung zunächst, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Nach dem Tod des Letztverstorbenen haben die Eheleute sodann den Bruder des Erblassers und die Schwester dessen Ehefrau als Schlusserben zu gleichen Teilen eingesetzt.

Dabei haben sie – dem Wortlaut zufolge – keine weitere Regelung für den Tod der Schwester der Ehefrau getroffen, hingegen bestimmt, dass nach dem Tod des Bruders („dessen“) die Erbschaft an die Nichte Vorname3 B sowie die Neffen Vorname4, Vorname5 und Vorname6 A fallen soll. Hierzu geht das Nachlassgericht insoweit zu Recht davon aus, dass Vor- und Nacherbschaft diesbezüglich angeordnet worden ist.

Soweit die Beteiligten zu 2) bis 4) die Anordnung einer Nacherbschaft ablehnen, weil zum einen das Wort „dessen“ sich auf den Erblasser und nicht dessen Bruder beziehe und weil zum anderen die mit der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft verbundenen Einschränkungen des Vorerben unüblich und zudem aus dem Testament nicht ersichtlich seien, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen.

Das Wort „dessen“ kann bereits deshalb nicht auf den Erblasser bezogen werden, weil schon im vorstehenden Satz geregelt ist, welche Erbfolge nach dessen Tod gelten soll. Beide Sätze würden sich damit widersprechen und ganz unterschiedliche Erbfolgeregelungen beinhalten. Vielmehr kann der Satz streng vom Wortlaut ausgehend nur dahin verstanden werden, dass er eine Regelung dahingehend enthält, was nach dem Tod des zunächst als Schlusserben Bedachten geschehen soll, dass nämlich dann das Erbe auf die Beteiligten zu 1) bis 4) übergeht. Gerade das beinhaltet aber die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft, wobei sich etwaige Beschränkungen des Vorerben – auf die es vorliegend ohnehin mangels Grundbesitz des Erblassers nicht vornehmlich ankommt – aus dem Gesetz ergeben und nicht von den Testierenden ausdrücklich genannt werden müssen.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23

Allerdings ist diese zunächst sich aus dem Wortlaut ergebende Auslegung nicht zum Tragen gekommen, da beide Geschwister der Eheleute vorverstorben sind. Mangels anderweitiger Auslegungskriterien kommt mithin die gesetzliche Vermutungsregel des § 2102 BGB zum Tragen. Hiernach enthält die Einsetzung als Nacherbe im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe. Das hat zur Folge, dass alle vier Beteiligten zugleich als Ersatzerben des Schlusserben Vorname2 B anzusehen sind, mithin beim Tod des Erblassers an die Stelle dessen Bruder getreten sind und zwar – wie sich mangels abweichender testamentarischer Regelung ergibt – gemäß § 2091 BGB zu gleichen Teilen. Demgegenüber ist auch bei Heranziehung der gesetzlichen Auslegungsvermutung aus § 2102 BGB für den hier ebenfalls eingetretenen Fall des Vorversterbens der Schwester der Ehegattin von den Eheleuten dem Wortlaut zufolge keine Regelung getroffen worden.

Dies wiederum hat zur Folge, dass deren Erbteil gemäß § 2094 Abs. 1 BGB den übrigen Erben, d.h. ursprünglich dem Bruder des Erblassers und aufgrund des Vorversterbens vorliegend den Ersatzerben des vorverstorbenen Bruders des Erblassers, anwächst und zwar nach dem Verhältnis ihrer Erbteile also wiederum zu gleichen Teilen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute die Anwachsung zwischen ihren als Vorerben vorgesehenen Geschwistern gemäß § 2094 Abs. 3 BGB ausgeschlossen haben könnten, sind nicht ersichtlich. Dies wäre nur dann der Fall, sofern sich eine Erbfolge nach Stämmen und nicht nach Personen ausmachen ließe. Gerade dies ist aber nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht bereits daraus, dass die jeweiligen Geschwister der Eheleute als Erben eingesetzt worden sind. Bei denen handelt es sich lediglich um die nächsten Angehörigen der gleichen Generation, wobei jeder der Eheleute ein Geschwister hatte.

Dass dabei die Vorschrift des § 2094 Abs. 1 BGB auf die Einsetzung nach § 2102 BGB vermuteter Ersatzerben nicht anwendbar sein soll, ist nicht ersichtlich. Das Institut der Anwachsung beruht auf dem Gedanken, dass die Erblasser mit ihrer Erbeinsetzung zugleich die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen haben. Deswegen wird bei Wegfall eines Eingesetzten vermutet, dass den freiwerdenden Erbteil die übrigen Testamentserben erhalten sollen und nicht die gesetzlichen Erben (vgl. Grüneberg/Weidlich, BGB, 2023, § 2094 Rn. 1). Ist eine Ersatzerbschaft ausdrücklich angeordnet, kann kein durchgreifender Zweifel daran bestehen, dass sodann die in § 2094 BGB angeordnete Anwachsung auch zugunsten des ausdrücklich eingesetzten Ersatzerben zu erfolgen hat. Auch insoweit wird die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen. Dann aber besteht kein Grund, die Anwachsung auch dem nach § 2102 BGB vermuteten Ersatzerben anzugedeihen lassen. Denn auch hier besteht der Ansatz darin, dass die Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge gerade abweichen wollten.

Vorliegend kommt hinzu, dass andernfalls mit Blick auf den freigewordenen Erbteil der Schwester der Ehefrau die gesetzlichen Erben des letztverstorbenen Ehemannes zum Zuge kämen, mithin die Beteiligten zu 1). Wenn aber – dem Wortlaut zufolge – die Nachkommen der Schwester der Ehefrau als Nacherben bereits Teil haben am Erbteil, der dem Bruder des Erblassers zufallen sollte, ist schwer einsehbar, warum sie sodann nicht wenigstens auch Teil haben sollten an dem Erbteil, der ursprünglich der Schwester der Ehegattin zufallen sollte.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23

Folglich führt eine am Wortlaut orientierte Auslegung der letztwilligen Verfügung dazu, dass die Beteiligten zu 1) bis 4) zu gleichen Teilen Ersatzerben des Bruders des Erblassers geworden sind und in dieser Eigenschaft ihnen der Erbteil der Schwester der Ehefrau des Erblassers ebenfalls zu gleichen Teilen angewachsen ist mit der Folge, dass alle Beteiligten zu jeweils ¼ Erben des Erblassers geworden sind.

bb) Umstände, die diesem am Wortlaut orientierten Auslegungsergebnis entgegenstehen könnten, sind von den Beteiligten trotz eines entsprechenden Hinweises des Berichterstatters nicht vorgetragen worden. Im Gegenteil haben die Beteiligten zu 2) bis 4) angegeben, der Erblasser habe dem Beteiligten zu 3) gegenüber geäußert, er und seine Ehefrau hätten eine Gleichbehandlung aller Nichten und Neffen gewollt.

Zwar handelt es sich hierbei nur um eine Aussage des Ehegatten und nicht beider Testatoren, die dazu noch in einem Zeitraum erfolgte, der vom maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung abweicht. Gleichwohl ist ihr – so sie denn in dieser Form gefallen ist – eine indizielle Bedeutung dahingehend beizumessen, dass die Eheleute jeweils eine Gleichverteilung nach Köpfen und nicht nach Stämmen innerhalb der jeweiligen Generation, sprich der Geschwister einerseits und den Nichten und Neffen andererseits, anstrebten. Umgekehrt ist nichts Wesentliches dafür ersichtlich, dass es den Eheleuten um eine endgültige Erbfolge nach Stämmen ging. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass in den Nachlass kein Immobilienvermögen fällt, bei dem noch am Ehesten von dem Wunsch ausgegangen werden kann, dass dem jeweiligen Stamm das Vermögen zufallen soll.

Auch der Umstand, dass im Schlusssatz des Testaments die Nichte Vorname3 B auf der einen Seite und die Neffen Vorname4, Vorname5 und Vorname6 A auf der anderen Seite genannt sind, spricht vorliegend nicht für ein Denken der Eheleute in Stämmen, sondern dürfte sich aus dem Geschlecht und der damit verbundenen sprachlich möglichst knappen Fassung erklären. Schließlich ergibt sich aus dem Vorbringen der Beteiligten – wenn überhaupt – ein besonders enges Verhältnis des Beteiligten zu 3) als dem Neffen seiner Ehefrau zum Erblasser. Auch dies spricht gegen ein Denken in Stämmen und vielmehr für ein von der Blutsverwandtschaft unabhängiges Verhältnis der Eheleute zu deren gemeinsamen Nichten und Neffen.

Soweit die Beteiligte zu 1) dagegen einwendet, der Auslegung des Senats zufolge würden die Stämme unterschiedlich bedacht, ist dies selbstverständlich zutreffend, spricht aber nicht gegen das Auslegungsergebnis, da kein überzeugender Anhalt dafür ersichtlich ist, dass die Eheleute in Stämmen gedacht haben.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – OLG Frankfurt 21 W 52/23

cc) Schließlich ergibt sich auch kein anderes Ergebnis, sofern man den Wortlaut korrigierend dahin auslegt, dass der dritte Satz des Testaments lautet: „Nach deren Tod soll die Erbschaft …“. Hierfür mag sprechen, dass – worauf die Beteiligte zu 1) zu Recht hinweist – mangels Anordnung einer Ersatzerbschaft für die Schwester der Ehefrau es hinsichtlich deren Erbteils zur gesetzlichen Erbfolge im Fall deren Nachversterbens gekommen wäre und ein Anhalt, dass die Eheleute diese Erbfolge gewünscht haben könnten, nicht ersichtlich ist. Gleichwohl vermag die Beteiligte zu 1) aus dieser Überlegung kein Argument für ihre Position ableiten. Denn in diesem Fall bezöge sich die angeordnete Nacherbschaft sowohl auf den Bruder des Erblassers als auch auf die Schwester dessen Ehefrau. Jeweils wären alle vier Nichten und Neffen als Nacherben eingesetzt und wiederum – mangels Zuweisung anderer Erbteile – gemäß § 2094 BGB zu gleichen Teilen.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Dabei entspricht es der Billigkeit, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen. Gleichzeitig besteht keine Veranlassung dafür, der unterlegenen Beschwerdegegnerin die außergerichtlichen Kosten anderer Verfahrensbeteiligter aufzuerlegen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Die Entscheidungen sind folglich rechtskräftig.

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus §§ 61, 40 GNotKG. Sie richtet sich gemäß § 61 Abs. 1 GNotKG nach dem Wert der Interessen, denen die Rechtsmittel ausweislich des Antrags der Beschwerdeführer dienen. Ziel des Antrags des Beteiligten zu 2) bis 4) ist die Verhinderung der Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, wie er von der Beteiligten zu 1) beantragt worden ist.

Damit ist für den Geschäftswert auch des Beschwerdeverfahrens die spezielle Regelung in § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG heranzuziehen, wonach der Geschäftswert dem Nachlasswert im Zeitpunkt des Erbfalls entspricht, wobei Nachlassverbindlichkeiten nicht abzuziehen sind. Den Wert des Nachlasses bemisst der Senat auf der Grundlage der Angaben der Beteiligten zu (Bl. 3 d. A.) auf bis zu 500.000 €. Daraus ergibt sich der im Tenor festgesetzte Beschwerdewert.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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