Auslegung eines Testaments im Sinne eines Befreiungsvermächtnisses – BGH Urteil vom 16. Juli 1997 – IV ZR 356/96

Juli 15, 2020

Auslegung eines Testaments im Sinne eines Befreiungsvermächtnisses – BGH Urteil vom 16. Juli 1997 – IV ZR 356/96

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. Juli 1997 – IV ZR 356/96 behandelt die Auslegung eines Testaments im Sinne eines Befreiungsvermächtnisses.

Im Zentrum steht die Frage, ob die Erblasserin, die am 19. November 1992 verstarb, ihrem Sohn (dem Beklagten) durch ihr Testament vom 5. Februar 1986 die Zahlung einer Darlehensforderung erlassen hat.

Die Parteien des Rechtsstreits sind die beiden Söhne der Erblasserin: der Kläger als Alleinerbe und der Beklagte als Vermächtnisnehmer.

Sachverhalt

Die Erblasserin besaß ein Grundstück in G., das mit einem dem Reichsheimstättengesetz unterliegenden Haus bebaut war.

Am 23. Dezember 1981 verkaufte sie ihrem Sohn (dem Beklagten) einen halben Miteigentumsanteil an dem Grundstück für 150.000 DM.

Der Kaufpreis wurde in ein unbefristetes Darlehen umgewandelt, das der Beklagte nie zurückzahlte.

Am 5. Februar 1986 errichtete die Erblasserin ein Testament, in dem sie den Kläger zum Alleinerben bestimmte und dem Beklagten die Hälfte des nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten verbleibenden Barvermögens sowie die Hälfte der beweglichen Nachlassgegenstände vermachte.

Gleichzeitig verzichtete der Beklagte auf seinen Pflichtteil.

Auslegung eines Testaments im Sinne eines Befreiungsvermächtnisses – BGH Urteil vom 16. Juli 1997 – IV ZR 356/96

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Berlin verurteilte den Kläger zur Zahlung des Vermächtnisbetrags von 28.328,19 DM an den Beklagten und wies den Zahlungsantrag des Klägers ab.

Das Kammergericht hingegen gab der Berufung des Klägers statt, wies die Widerklage des Beklagten ab und verurteilte den Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises von 150.000 DM.

Dagegen legte der Beklagte Revision ein.

Entscheidung des BGH

Der BGH hob das Urteil des Kammergerichts auf und stellte das Urteil des Landgerichts wieder her.

Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass die Erblasserin mit ihrem Testament den Beklagten von der Darlehensschuld befreien wollte.

Der Kläger kann daher weder mit der Darlehensforderung aufrechnen noch diese im Klageweg geltend machen. Der Beklagte hat Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses.

Auslegung des Testaments

Der BGH stellte fest, dass bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen ist.

Dabei müssen alle Umstände außerhalb der Testamentsurkunde berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall wollte die Erblasserin ihre beiden Söhne gleich behandeln.

Dieses Bestreben wurde durch den Verkauf des Hausanteils an den Beklagten und die testamentarische Regelung, den Kläger zum Alleinerben einzusetzen, zum Ausdruck gebracht.

Auslegung eines Testaments im Sinne eines Befreiungsvermächtnisses – BGH Urteil vom 16. Juli 1997 – IV ZR 356/96

Die Erblasserin hatte bereits vor Errichtung des Testaments gezeigt, dass sie auf die Zahlung des Kaufpreises verzichtete. Sie hatte den Kaufpreis in ein unbefristetes Darlehen umgewandelt und nie Zinsen oder Tilgung verlangt.

Zudem erklärte sie gegenüber der N-Bank, dass der Beklagte die Bedingungen des Kaufvertrags erfüllt habe, was ihm die Eintragung als Miteigentümer im Grundbuch ermöglichte.

Schlussfolgerung

Die vom BGH vorgenommene Auslegung des Testaments ergab, dass die Erblasserin dem Beklagten die Darlehensschuld vermächtnisweise erlassen wollte.

Diese Auslegung berücksichtigt die gesamte Testamentsurkunde sowie das Verhalten der Erblasserin vor und bei der Testamentserrichtung.

Damit hat der Beklagte Anspruch auf das Vermächtnis, und der Kläger kann die Darlehensforderung nicht geltend machen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Der BGH betonte, dass die Gleichstellung der beiden Söhne das Hauptziel der Erblasserin war.

Die testamentarische Regelung sollte sicherstellen, dass der Beklagte trotz des Verkaufs des Hausanteils nicht benachteiligt wird.

Daher war der Erlass der Darlehensschuld notwendiger Bestandteil der letztwilligen Verfügung

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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