BAG 1 AZR 96/06

Oktober 20, 2017

BAG 1 AZR 96/06

– Regelungskompetenz der Betriebsparteien

– Betriebsautonomie

– „belastende“ Betriebsvereinbarungen

– Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

– Annahmeverzugsanspruch in Betriebsvereinbarung

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stärkt in diesem Urteil die Rechte der Arbeitnehmer, indem es die Grenzen der Regelungskompetenz der Betriebsparteien aufzeigt.

Betriebsvereinbarungen dürfen zwar Regelungen enthalten, die Arbeitnehmer belasten, diese müssen aber verhältnismäßig sein.

Konkret wurde eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen für unwirksam erklärt, da sie die Arbeitnehmer unangemessen benachteiligte.

BAG 1 AZR 96/06

Sachverhalt:

Ein Arbeitnehmer klagte gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit, in der er aufgrund einer unwirksamen Kündigung nicht beschäftigt wurde.

Der Arbeitgeber berief sich auf eine Ausschlussfrist in einer Betriebsvereinbarung, wonach die Ansprüche verfallen seien.

Entscheidungsgründe:

I. Kompetenz der Betriebsparteien:

  • Das BAG bestätigte die umfassende Kompetenz der Betriebsparteien, durch freiwillige Betriebsvereinbarungen Regelungen über Arbeitsbedingungen zu treffen.
  • Diese Kompetenz unterliegt aber Grenzen, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
  • Die Betriebsparteien dürfen auch belastende Regelungen für Arbeitnehmer treffen.

II. Verhältnismäßigkeit:

  • Belastende Regelungen müssen verhältnismäßig sein, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen.
  • Es ist eine Abwägung zwischen der Intensität des Eingriffs in die Arbeitnehmerrechte und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe vorzunehmen.
  • Der Prüfungsmaßstab ist bei Betriebsvereinbarungen strenger als bei Tarifverträgen, da die Tarifautonomie Verfassungsrang genießt.

BAG 1 AZR 96/06

III. Unwirksamkeit der Ausschlussfrist:

  • Die Ausschlussfrist in der Betriebsvereinbarung wurde als unwirksam erachtet.
  • Sie benachteiligte die Arbeitnehmer unangemessen, da sie diese zwang, Annahmeverzugsansprüche bereits während des Kündigungsschutzprozesses geltend zu machen.
  • Dies verursacht wirtschaftliche Risiken für die Arbeitnehmer, da sie die Ansprüche möglicherweise später zurückzahlen müssen.
  • Die Belastung der Arbeitnehmer war unverhältnismäßig im Vergleich zum Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Ansprüche.

IV. Schutz der Arbeitnehmer:

  • Das Urteil schützt die Arbeitnehmer davor, dass ihnen der Zugang zu den Gerichten durch unverhältnismäßige Kostenrisiken erschwert wird.
  • Es stellt sicher, dass Arbeitnehmer ihre Rechte auch in komplexen Situationen wie dem Annahmeverzug während eines Kündigungsschutzprozesses effektiv wahrnehmen können.

V. Anspruch des Klägers:

  • Der Kläger hatte Anspruch auf den Annahmeverzugslohn, da die Ausschlussfrist unwirksam war.

BAG 1 AZR 96/06

Fazit:

Das Urteil bekräftigt die wichtige Rolle des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei der gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen.

Es verdeutlicht, dass die Betriebsparteien zwar Arbeitsbedingungen regeln dürfen, dabei aber die Rechte der Arbeitnehmer beachten müssen.

Wichtige Punkte:

  • Umfassende, aber begrenzte Kompetenz: Betriebsparteien haben eine umfassende Kompetenz zur Regelung von Arbeitsbedingungen, die aber durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt ist.
  • Verhältnismäßigkeitsprüfung: Belastende Regelungen in Betriebsvereinbarungen müssen verhältnismäßig sein, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen.
  • Schutz der Arbeitnehmer: Das BAG schützt die Arbeitnehmer vor unverhältnismäßigen Belastungen und sichert ihren Zugang zu den Gerichten.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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