BAG 4 AZR 518/15

September 20, 2017

BAG 4 AZR 518/15 Urteil vom 25.1.2017, Bestimmtheit eines Feststellungsantrags – Anwendbarkeit von Tarifverträgen des Einzelhandels Nordrhein-Westfalen durch Verweisungsklausel

RA und Notar Krau

Tenor:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln teilweise auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

Sachverhalt:

Die Klägerin war seit 2001 bei der Beklagten im Einzelhandel beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, die auf die “jeweils gültigen Entgelttarifverträge des Einzelhandels NRW” verwies.

Die Beklagte zahlte zunächst nach Tarif, passte die Löhne aber ab 2013 nicht mehr vollständig an die Tarifentwicklung an.

Die Klägerin klagte auf Feststellung der Anwendbarkeit der Tarifverträge und Zahlung von Differenzvergütung.

Kernaussagen des Urteils:

BAG 4 AZR 518/15

  1. Bestimmtheit des Feststellungsantrags: Das BAG entschied, dass der Feststellungsantrag der Klägerin unzulässig war, da er nicht hinreichend bestimmt war. Es fehlten Angaben zu den konkreten Tarifvertragsparteien und zum Inhalt der Tarifverträge.

    • Ein Feststellungsantrag muss so konkret gefasst sein, dass das Gericht erkennen kann, worüber es entscheiden soll.
    • Bei einer dynamischen Verweisungsklausel muss klar sein, welche Tarifverträge welcher Tarifvertragsparteien gemeint sind.
    • Das Gericht ist nicht verpflichtet, die relevanten Tarifverträge von Amts wegen zu ermitteln.
  2. Auslegung der Verweisungsklausel: Das LAG hatte zwar zutreffend erkannt, dass die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden Tarifverträge darstellt. Es versäumte jedoch festzustellen, um welche Tarifverträge es sich konkret handelte.

    • Die Auslegung dynamischer Verweisungsklauseln ist im Einzelfall anhand des Arbeitsvertrags und der Umstände des Vertragsschlusses vorzunehmen.
    • Im vorliegenden Fall ergab sich die Dynamik aus der Formulierung “jeweils gültige Entgelttarifverträge” und einer Anrechnungsregelung für übertarifliche Zulagen.
    • Die bloße Feststellung der Dynamik reicht jedoch nicht aus; es muss auch der konkrete Tarifvertrag bestimmt werden.

BAG 4 AZR 518/15

  1. Nachwirkung allgemeinverbindlicher Tarifverträge: Das BAG wies darauf hin, dass allgemeinverbindliche Tarifverträge nach ihrem Ablauf eine Nachwirkung in den Arbeitsverhältnissen entfalten können, die zuvor der Allgemeinverbindlichkeit unterlagen.

    • Im vorliegenden Fall hätte das LAG prüfen müssen, ob die dynamische Verweisungsklausel die Nachwirkung des vor Vertragsschluss geltenden Tarifvertrags verdrängt.
  2. Vergütungsanspruch: Das BAG beanstandete auch die Berechnung der Vergütungsansprüche durch das LAG. Es fehlten Feststellungen dazu, welcher Tarifvertrag Grundlage der Berechnung sein sollte und ob die Klägerin die Voraussetzungen für die geltend gemachte Entgeltgruppe erfüllte.

    • Die Berechnung von Vergütungsansprüchen setzt voraus, dass der anzuwendende Tarifvertrag feststeht.
    • Im vorliegenden Fall fehlten Feststellungen zum persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags und zur Tätigkeit der Klägerin.
  3. Sonderzahlungen: Das BAG kritisierte, dass das LAG der Klägerin Sonderzahlungen zugesprochen hatte, ohne die Anspruchsgrundlage hierfür zu benennen.

    • Sonderzahlungen werden in der Regel tarifvertraglich geregelt.
    • Das LAG hätte feststellen müssen, welcher Tarifvertrag Grundlage der Sonderzahlungen sein soll und ob die Voraussetzungen für die Ansprüche erfüllt sind.
  4. Zurückverweisung: Das BAG verwies die Sache an das LAG zurück, damit dieses die notwendigen Feststellungen zu den Tarifvertragsparteien, zum Inhalt der Tarifverträge und zu den Anspruchsgrundlagen für die Sonderzahlungen treffen konnte.

    • Die Zurückverweisung ermöglicht es den Parteien, ihren Vortrag zu ergänzen und rechtliches Gehör zu erhalten.
    • Das LAG muss den Arbeitsvertrag erneut auslegen und feststellen, welcher Tarifvertrag Grundlage der Vergütungsberechnung ist.

BAG 4 AZR 518/15

Fazit:

Das Urteil des BAG verdeutlicht die Anforderungen an die Bestimmtheit von Feststellungsanträgen in Bezug auf Tarifverträge.

Es zeigt auch die Bedeutung der Auslegung dynamischer Verweisungsklauseln und die Notwendigkeit, den konkreten Tarifvertrag zu identifizieren.

Die Entscheidung stärkt die Rechte der Arbeitnehmer, indem sie klarstellt, dass Gerichte nicht von sich aus die relevanten Tarifverträge ermitteln müssen.

Arbeitgeber sind daher gehalten, die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen so zu formulieren, dass die anzuwendenden Tarifverträge eindeutig erkennbar sind.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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