BAG 5 AZR 420/20 Annahmeverzug – unterlassener Zwischenverdienst – Böswilligkeit

August 28, 2021

BAG 5 AZR 420/20 Annahmeverzug – unterlassener Zwischenverdienst – Böswilligkeit

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 5. Mai 2021 – 5 AZR 420/20 – befasst sich mit dem Streit um Annahmeverzug, unterlassenen Zwischenverdienst und Böswilligkeit zwischen einer Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, einem Unternehmen des E-Konzerns.

Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Klägerin böswillig einen zumutbaren Zwischenverdienst verweigert hat, was Auswirkungen auf ihren Anspruch auf Vergütung während des Annahmeverzugs hat.

Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte und Entscheidungsgründe des Urteils zusammengefasst.

Tatbestand

Die Klägerin ist seit 2008 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte im Bereich Financial Services – Accounts Receivable beschäftigt.

Ihr Arbeitsverhältnis unterliegt den Tarifverträgen der chemischen Industrie.

Im Rahmen einer betrieblichen Umstrukturierung wurde die Klägerin einem sogenannten Methacrylat-Verbund zugeordnet, den die Beklagte später an einen Investor verkaufte.

Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin des Betriebsteils gemäß § 613a BGB.

Die Beklagte bot der Klägerin daraufhin an, für ein Jahr als Leiharbeitnehmerin bei der Erwerberin zu den bisherigen Bedingungen zu arbeiten, was die Klägerin ablehnte.

Die Beklagte informierte die Klägerin, dass sie ab dem 1. August 2019 nicht mehr beschäftigt werde und keine Gehaltszahlungen mehr erfolgen würden, da die Klägerin das Angebot einer zumutbaren Beschäftigung abgelehnt habe.

BAG 5 AZR 420/20 Annahmeverzug – unterlassener Zwischenverdienst – Böswilligkeit

Die Klägerin war vom 30. Juli bis zum 9. August 2019 krankgeschrieben und nahm anschließend Urlaub.

Am 19. August 2019 wurde sie von ihrer HR-Managerin nach Hause geschickt, als sie im Betrieb erschien.

Streitgegenstand

Die Klägerin verlangte Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum August 2019 bis Januar 2020 sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsentgelt und die vollständige tarifliche Jahresleistung.

Die Beklagte argumentierte, die Klägerin habe böswillig einen zumutbaren Zwischenverdienst unterlassen und könne daher keine Vergütung beanspruchen.

Entscheidungsgründe

Das BAG bestätigte die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) weitgehend und wies die Revisionen beider Parteien zurück.

Im Einzelnen wurde festgestellt:

Annahmeverzug und Zwischenverdienst

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611a Abs. 2 BGB, da sie sich gemäß § 615 Satz 2 BGB den Wert desjenigen anrechnen lassen muss, was sie böswillig zu erwerben unterlassen hat.

Das LAG stellte fest, dass die Klägerin eine zumutbare, anderweitige Beschäftigung abgelehnt hat.

Die von der Beklagten angebotene Tätigkeit als Leiharbeitnehmerin war der Klägerin zumutbar, da sich an ihrer Tätigkeit, dem Arbeitsort und der Vergütung nichts geändert hätte.

Die Klägerin habe keine konkreten und unzumutbaren Nachteile geltend gemacht, die durch das gespaltene Direktionsrecht oder andere Umstände entstanden wären.

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Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Die Klägerin hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 1. bis 9. August 2019 gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG.

Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass die Klägerin während dieser Zeit arbeitsunfähig war und es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin nicht willens gewesen wäre, ihre Arbeit zu verrichten.

Urlaubsentgelt

Die Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsentgelt für den von der Beklagten gewährten Urlaub im August 2019 gemäß § 1 BUrlG iVm. § 611a Abs. 2 BGB.

Während des Urlaubs besteht keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, anderweitigen Verdienst zu erzielen, sodass § 615 Satz 2 BGB nicht greift.

Tarifliche Jahresleistung

Die Klägerin hat Anspruch auf ein weiteres Zwölftel der tariflichen Jahresleistung, jedoch nicht auf die volle Jahresleistung.

Nach § 5 TVEA beträgt die Jahresleistung 95 % eines monatlichen Tarifentgelts.

Da die Klägerin im August 2019 für mindestens zwölf Arbeitstage Anspruch auf (Urlaubs-)Entgelt bzw. Entgeltfortzahlung hatte, steht ihr ein weiteres Zwölftel der Jahresleistung zu.

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Für die Monate September bis Dezember 2019 besteht kein Anspruch, da sie in diesem Zeitraum wegen § 615 Satz 2 BGB keinen Anspruch auf Entgelt hatte.

Tarifliches Urlaubsgeld

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weiteres tarifliches Urlaubsgeld, da dieses gemäß § 10 TVEA nur für tatsächlich genommenen Urlaub gewährt wird.

Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sie mehr Urlaub als die bereits gewährten 20 Tage genommen hat.

Kostenentscheidung

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden zu 91 % von der Klägerin und zu 9 % von der Beklagten getragen, basierend auf dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens.

Fazit

Das BAG entschied, dass die Klägerin böswillig zumutbaren Zwischenverdienst unterlassen hat und somit keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs hat.

Sie hat jedoch Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsentgelt und ein weiteres Zwölftel der tariflichen Jahresleistung.

Die Ansprüche auf volle Jahresleistung und weiteres Urlaubsgeld wurden abgelehnt.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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