BAG 7 AZR 224/15

September 22, 2017

BAG 7 AZR 224/15 Urteil vom 18.1.2017, Betriebsratstätigkeit – Arbeitszeit – gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung

Nimmt ein Betriebsratsmitglied an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teil und ist es ihm deswegen unmöglich oder unzumutbar, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, so hat es insoweit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung.

Bei der Beurteilung, ob und wann einem Betriebsratsmitglied die Fortsetzung der Arbeit wegen einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit bevorstehenden Betriebsratssitzung unzumutbar ist, ist die in § 5 Abs. 1 ArbZG zum Ausdruck kommende Wertung zu berücksichtigen.

Deshalb ist ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht zu einem Zeitpunkt einzustellen, der eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag ermöglicht, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist.

Tenor BAG 7 AZR 224/15

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. Februar 2015 – 13 Sa 1386/14 – unter Zurückweisung der Revision im übrigen – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hagen vom 14. August 2014 – 4 Ca 2022/13 – die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger auf dem individuellen Arbeitszeitkonto 2,5 Stunden für die Zeit der Erbringung von Betriebsratstätigkeit am 17. Juli 2013 von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr gutzuschreiben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gutschrift von Stunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers.

BAG 7 AZR 224/15

Der Kläger ist nicht freigestelltes Mitglied des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Er arbeitet als Anlagenbediener im Rahmen einer 35-Stunden-Woche im Dreischichtbetrieb. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Einheitliche Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2003 (EMTV) Anwendung. Dieser bestimmt auszugsweise:

„§ 19

Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis / Ausbildungsverhältnis

2.

Beschäftigte/Auszubildende haben das Recht, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis/Ausbildungsverhältnis innerhalb folgender Fristen geltend zu machen:

a)

Ansprüche auf Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Abrechnung,

b)

alle übrigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.

4.

Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert waren, diese Fristen einzuhalten.

…“

Die Beklagte führt für den Kläger auf der Grundlage einer „Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung“ (BV Arbeitszeitflexibilisierung) vom 4. Mai 2004 in der Fassung der „Ergänzung zur Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung“ vom 9. Juni 2011 ein Arbeitszeitkonto. In dieses fließt nach Nr. 2 der „Ergänzung zur Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung“ vom 9. Juni 2011 auch die Arbeitszeit, die über die in der Zeitwirtschaft hinterlegte Sollarbeitszeit hinausgeht.

Am 16./17. Juli 2013 war der Kläger für die Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr eingeteilt. Normalerweise hätte er bei Abzug von 0,5 Stunden für eine Pause in dieser Schicht insgesamt 7,5 Stunden gearbeitet. Mit Rücksicht auf eine am 17. Juli 2013 ab 13:00 Uhr anstehende Betriebsratssitzung stellte der Kläger um 2:30 Uhr seine Arbeit ein. Er nahm am 17. Juli 2013 in der Zeit von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr an der Betriebsratssitzung teil. Die Beklagte schrieb dem Kläger für die Nachtschicht vom 16. auf den 17. Juli 2013 insgesamt 5,5 Stunden für den Zeitraum von 22:00 Uhr bis 3:00 Uhr (unter Abzug der Pausenzeit von 0,5 Stunden) und für die Zeit von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr auf dem Arbeitszeitkonto gut. Für die Teilnahme an der Betriebsratssitzung zahlte die Beklagte dem Kläger eine pauschale Vergütung in Höhe von 60,00 Euro brutto. In der anschließenden Nachtschicht vom 17. auf den 18. Juli 2013 arbeitete der Kläger wie üblich.

Mit seiner am 30. September 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 4. Oktober 2013 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst Vergütung für weitere 3,5 Stunden der Nachtschicht vom 16./17. Juli 2013 und für 3,75 Stunden Betriebsratstätigkeit vor und während der Betriebsratssitzung am 17. Juli 2013 in Höhe von insgesamt 144,73 Euro brutto nebst Zinsen verlangt. In der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger die Klage in Höhe von 60,00 Euro im Hinblick auf die Zahlung der pauschalen Vergütung für die Betriebsratssitzung zurückgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger seinen Klageantrag umgestellt. Seither hat er die Gutschrift von insgesamt 5,75 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto für zwei Stunden der Nachtschicht und für 3,75 Stunden Betriebsratstätigkeit am 17. Juli 2013 verlangt.

BAG 7 AZR 224/15

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei nach § 37 Abs. 2 BetrVG berechtigt gewesen, seine Arbeit während der Nachtschicht vom 16. auf den 17. Juli 2013 ohne Minderung des Arbeitsentgelts vorzeitig zu beenden, um am 17. Juli 2013 ausgeruht seinen Betriebsratsaufgaben nachkommen zu können. Die Arbeitsbefreiung in der Nachtschicht ab 2:30 Uhr sei notwendig gewesen, um die Gesamtbelastung durch Arbeits- und Amtstätigkeit in Grenzen zu halten. Die Zeit der Betriebsratstätigkeit stelle Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes dar, weshalb er nach § 5 Abs. 1 ArbZG berechtigt gewesen sei, vor der Aufnahme der Betriebsratstätigkeit am 17. Juli 2013 eine elfstündige Ruhezeit einzuhalten. Für die Zeit der Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit am 17. Juli 2013 folge sein Anspruch aus § 37 Abs. 3 BetrVG. Er habe bereits vor Beginn der Betriebsratssitzung ab 11:45 Uhr Betriebsratsaufgaben wahrgenommen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm auf dem individuellen Arbeitszeitkonto 5,75 Stunden gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat den Standpunkt eingenommen, der Kläger sei im Hinblick auf die anstehende Betriebsratssitzung lediglich berechtigt gewesen, seine Arbeit in der Nachtschicht vom 16./17. Juli 2013 um 5:00 Uhr, also eine Stunde vor Schichtende, einzustellen. Zwar sei im Fall der Wahrnehmung von erforderlichen Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit eine gewisse Erholungsdauer zu berücksichtigen, die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von elf Stunden nach § 5 ArbZG sei indes nicht einzuhalten. Betriebsratstätigkeit stelle keine Arbeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne dar. Eine Erholungspause von acht Stunden sei angemessen gewesen. Die Ansprüche des Klägers seien im Hinblick auf die begehrte Gutschrift für die außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Betriebsratstätigkeit erfüllt. Neben der Zahlung von 60,00 Euro brutto sei zu berücksichtigen, dass der Kläger sich die Zeit der Freistellung in der vorherigen Nachtschicht anrechnen lassen müsse. Vor der Betriebsratssitzung am 17. Juli 2013 habe der Kläger keine erforderlichen Betriebsratsaufgaben wahrgenommen.

Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 4,5 Stunden gutzuschreiben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe BAG 7 AZR 224/15

Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für die Zeit der vorzeitigen Beendigung der Nachtschicht vom 16. auf den 17. Juli 2013 zwischen 3:00 Uhr und 5:00 Uhr zwei Stunden gutzuschreiben. Soweit das Landesarbeitsgericht der Klage auch im Hinblick auf die begehrte Gutschrift von 2,5 Stunden für die Teilnahme des Klägers an der Betriebsratssitzung am 17. Juli 2013 stattgegeben hat, ist die Revision der Beklagten begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob dieser Anspruch nach § 19 EMTV verfallen ist. Der Senat kann dies auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen. Das führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht in diesem Umfang.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist noch der auf Gutschrift von 4,5 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers gerichtete Antrag. Im Hinblick auf die begehrte Gutschrift von weiteren 1,25 Stunden für die Zeit der vom Kläger behaupteten Betriebsratstätigkeit vor der Betriebsratssitzung am 17. Juli 2013 ist die Klage vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesen worden.

2. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass der Kläger die Gutschrift von 2,5 Stunden für die Zeit der Betriebsratssitzung am 17. Juli 2013 erst – nachdem er seine Zahlungsklage insoweit erstinstanzlich zurückgenommen hatte – in der Berufungsinstanz verlangt hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen einer Klageänderung in der Berufungsinstanz nach § 533 ZPO bejaht und über den Antrag sachlich entschieden. Dies ist in der Revisionsinstanz nicht mehr zu überprüfen (vgl. BAG 19. Mai 2016 – 3 AZR 766/14 – Rn. 16; 25. Juni 2014 – 7 AZR 847/12 – Rn. 20, BAGE 148, 299).

3. Der Klageantrag ist streitgegenständlich hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

a) Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können, und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (BAG 29. Juni 2016 – 5 AZR 617/15 – Rn. 14 mwN, BAGE 155, 310; 15. Februar 2012 – 7 AZR 774/10 – Rn. 17 mwN).

Weist das Arbeitszeitkonto geleistete Mehr- oder Überarbeit aus oder – allgemeiner ausgedrückt – solche Zeiten, die durch Freistellung von der Arbeitspflicht bei Fortzahlung der Vergütung auszugleichen sind, ist der Streitgegenstand iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn sich der Antrag auf eine „Gutschrift“ von solchen Zeiten in einem genau angegebenen Umfang bezieht (vgl. BAG 15. Februar 2012 – 7 AZR 774/10 – Rn. 17 mwN).

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b) Danach ist der Antrag zulässig. Dem Wortlaut nach richtet sich das Begehren darauf, dem Kläger die bezeichneten 4,5 Stunden auf dem „individuellen Arbeitszeitkonto gutzuschreiben“. Die Beklagte führt für den Kläger auf der Grundlage der BV Arbeitszeitflexibilisierung ein Zeitkonto, auf dem die begehrte Gutschrift noch erfolgen kann. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass die Angaben in diesem Arbeitszeitkonto nicht mehr korrigiert werden könnten. An welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll, kommt zwar im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck. Insoweit lässt der Antrag aber bei gebotener, auf die Ermöglichung einer Sachentscheidung gerichteten Auslegung (vgl. BAG 23. März 2016 – 5 AZR 758/13 – Rn. 22, BAGE 154, 337; 11. November 2009 – 7 AZR 387/08 – Rn. 11) den Inhalt der vom Kläger begehrten Entscheidung erkennen.

Der Kläger macht geltend, dass zwei Stunden der Nachtschicht vom 16./17. Juli 2013 in der Zeit von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr als Arbeitszeit in das Arbeitszeitkonto einzustellen seien. Daneben verlangt der Kläger eine Gutschrift von 2,5 Stunden für die Teilnahme an der Betriebsratssitzung außerhalb seiner Arbeitszeit am 17. Juli 2013 in der Zeit von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr. Damit ist das Verlangen der begehrten Gutschrift für die Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft hinreichend bestimmt.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klage begründet ist, soweit der Kläger mit ihr die Gutschrift von zwei Stunden für die Zeit von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr in der Nachtschicht vom 16./17. Juli 2013 verlangt.

1. Der Anspruch folgt aus § 611 BGB iVm. § 37 Abs. 2 BetrVG.

a) Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands (zB § 615 Satz 1 und Satz 3, § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte und gezahlte Vergütung erbringen muss (vgl. BAG 29. Juni 2016 – 5 AZR 617/15 – Rn. 17, BAGE 155, 310; 23. September 2015 – 5 AZR 767/13 – Rn. 20, BAGE 152, 315). Die nachträgliche Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeitsstunden erbrachte oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und diese bisher nicht vergütet und nicht in das Arbeitszeitkonto eingestellt wurden (BAG 29. Juni 2016 – 5 AZR 617/15 – Rn. 17, aaO; 26. Juni 2013 – 5 AZR 428/12 – Rn. 22).

b) Danach hat die Beklagte die Zeit der Nachtschicht am 16./17. Juli 2013 von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr dem Arbeitszeitkonto des Klägers als Arbeitszeit gutzuschreiben. Zwar hat der Kläger in dieser Zeit keine Arbeitsleistung erbracht. Hierzu war der Kläger jedoch nach § 37 Abs. 2 BetrVG aufgrund der am 17. Juli 2013 ab 13:00 Uhr bevorstehenden Betriebsratssitzung nicht verpflichtet. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

BAG 7 AZR 224/15

aa) Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Diese Vorschrift betrifft nicht nur Fälle, in denen eine während der Arbeitszeit verrichtete Betriebsratstätigkeit unmittelbar den Ausfall der Arbeitsleistung zur Folge hat. § 37 Abs. 2 BetrVG soll vielmehr grundsätzlich verhindern, dass das Betriebsratsmitglied infolge einer erforderlichen Betriebsratstätigkeit eine Entgelteinbuße erleidet.

Auch durch eine außerhalb der Arbeitszeit liegende Betriebsratstätigkeit darf daher eine Minderung des Arbeitsentgelts des Betriebsratsmitglieds nicht eintreten, soweit die Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar gemacht hat (BAG 7. Juni 1989 – 7 AZR 500/88 – zu 2 der Gründe, BAGE 62, 83). Nimmt ein Betriebsratsmitglied an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teil und ist es ihm deswegen unmöglich oder unzumutbar, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, so hat es insoweit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung (BAG 7. Juni 1989 – 7 AZR 500/88 – zu 3 der Gründe, aaO).

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei die Erbringung von Arbeitsleistung in der Nachtschicht am 16./17. Juli 2013 nach 3:00 Uhr aufgrund der am 17. Juli 2013 außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit ab 13:00 Uhr stattfindenden Betriebsratssitzung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 5 Abs. 1 ArbZG unzumutbar gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit steht dem Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 ArbZG regelmäßig eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes dienen der Umsetzung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 4. November 2003 (RL 2003/88/EG). Nach Art. 2 Nr. 2 RL 2003/88/EG ist Ruhezeit jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit.

(2) Wäre die Zeit, in der der Kläger am 17. Juli 2013 ab 13:00 Uhr an der Betriebsratssitzung teilzunehmen hatte, als Arbeitszeit iSv. § 2 Abs. 1 ArbZG zu betrachten, hätte sie die gesetzlich vorgeschriebene elfstündige Ruhezeit unterbrochen. Dies hätte zur Folge, dass die Einhaltung der Ruhezeit nach § 5 Abs. 1 ArbZG nur im Falle eines vorzeitigen Verlassens des Arbeitsplatzes während der Nachtschicht gewährleistet und dem Kläger die Fortsetzung der Arbeit jedenfalls ab 3:00 Uhr bis zum Schichtende bereits deshalb unzumutbar gewesen wäre.

BAG 7 AZR 224/15

Ob die Zeit der Erbringung von Betriebsratstätigkeit Arbeitszeit iSv. § 2 Abs. 1 ArbZG ist, ist im Schrifttum umstritten (bejahend Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 2 Rn. 39; Schulze ArbRAktuell 2012, 475, 476 und AiB 2012, 657 ff.; wohl auch DKKW/Wedde 15. Aufl. § 37 Rn. 42, 43; ablehnend zur Arbeitszeitordnung wohl BAG 7. Juni 1989 – 7 AZR 500/88 – zu 3 der Gründe, BAGE 62, 83; Bengelsdorf AuA 2001, 71, 72; BeckOK ArbR/Kock Stand Dezember 2016 ArbZG § 2 Rn. 21; Tillmanns ArbRAktuell 2012, 475, 478; Thüsing in Richardi BetrVG 15. Aufl. § 37 Rn. 13; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 156 Rn. 14; Weber GK-BetrVG 10. Aufl. § 37 Rn. 13; NK-GA/Wichert § 2 ArbZG Rn. 28; Wiebauer NZA 2013, 540, 542).

(3) Die Streitfrage bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Auch dann, wenn die Zeit der Erbringung von Betriebsratstätigkeit arbeitszeitrechtlich nicht als Arbeitszeit anzusehen sein sollte, ist bei der Beurteilung, ob und wann einem Betriebsratsmitglied die Fortsetzung der Arbeit wegen einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit bevorstehenden Betriebsratssitzung unzumutbar ist, jedenfalls die in § 5 Abs. 1 ArbZG zum Ausdruck kommende Wertung zu berücksichtigen. Deshalb ist ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht zu einem Zeitpunkt einzustellen, der eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag ermöglicht, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist.

(a) Das Arbeitszeitrecht bezweckt ua. die Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung (vgl. § 1 Nr. 1 ArbZG). Es bestimmt deshalb ua. in § 5 ArbZG die Mindestruhezeit zwischen zwei Arbeitseinsätzen, die für den Gesundheitsschutz von besonderer Bedeutung ist (vgl. BT-Drs. 12/5888 S. 24). Die im Arbeitszeitgesetz geregelten Schranken beruhen auf arbeitsmedizinischem Erfahrungswissen über die einem Arbeitnehmer zumutbare Belastung. Es geht um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Zeiten, in denen der Arbeitnehmer arbeitet und den Zeiten, in denen er ruht (vgl. BAG 11. Juli 2006 – 9 AZR 519/05 – Rn. 39, BAGE 119, 41). Dem Arbeitnehmer soll ohne Unterbrechung durch Arbeit genügend Zeit zur Erholung, Entspannung und Schlaf zur Verfügung stehen.

(b) Die durch § 5 Abs. 1 ArbZG gewährleistete Erholungszeit ist durch Betriebsratstätigkeit – unabhängig davon, ob diese Arbeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne darstellt – in vergleichbarer Weise beeinträchtigt wie durch die Erbringung von Arbeitsleistung. Denn Betriebsratstätigkeit steht regelmäßig hinsichtlich der Anforderungen an Aufmerksamkeit und geistige Leistungsfähigkeit denjenigen bei der Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit nicht nach (vgl. BAG 7. Juni 1989 – 7 AZR 500/88 – zu 3 der Gründe, BAGE 62, 83).

Zwar üben Betriebsratsmitglieder ihre Tätigkeit nach § 37 Abs. 1 BetrVG als Ehrenamt aus. Im Gegensatz zu außerhalb des Arbeitsverhältnisses erbrachtem ehrenamtlichen Engagement, das – gleich wie belastend es ist – nicht den Vorgaben des Arbeitszeitrechts unterliegt (vgl. Hunold NZA 1995, 558; Wiebauer NZA 2013, 540, 541), weist die Mandatsausübung einen unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis auf. Die Mitgliedschaft im Betriebsrat setzt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1, § 24 Nr. 3 BetrVG). Die Betriebsratsaufgaben werden im Interesse des Betriebs und der Belegschaft wahrgenommen (vgl. Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 156 Rn. 14 und § 8 Rn. 9). Sie bestehen wesentlich in der Regelung betrieblicher Belange und werden in der Regel im Betrieb ausgeübt. Betriebsratsmitglieder sind zur Wahrnehmung der ihnen nach dem BetrVG obliegenden Aufgaben verpflichtet.

BAG 7 AZR 224/15

Das gilt insbesondere für die Teilnahme an Betriebsratssitzungen. Finden diese außerhalb ihrer Arbeitszeit statt, können sie daher nicht frei über ihre Zeit verfügen und ihren eigenen Interessen nachgehen. Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner gesetzlichen Rechte und Pflichten als Betriebsratsmitglied verrichtet, sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum gesetzlichen Unfallversicherungsschutz den Interessen des Unternehmens zu dienen bestimmt (BSG 20. Februar 2001 – B 2 U 7/00 R – juris-Rn. 16, BSGE 87, 294). Diese Besonderheiten gebieten es, ehrenamtliche Betriebsratstätigkeit durch die Heranziehung der in § 5 Abs. 1 ArbZG enthaltenen Wertungen anders zu behandeln als sonstige in der Freizeit erbrachte ehrenamtliche Tätigkeit.

(4) Danach war es dem Kläger nicht zumutbar, seine Arbeitsleistung in der Nachtschicht vom 16. auf den 17. Juli 2013 nach 3:00 Uhr zu erbringen. Nur durch die Einstellung der Arbeit ab diesem Zeitpunkt war am 17. Juli 2013 nach der Nachtschicht wegen der in der Zeit von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr stattfindenden Betriebsratssitzung eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden gewährleistet, da der Kläger in der folgenden Nachtschicht wieder ab 22:00 Uhr Arbeitsleistung zu erbringen hatte.

2. Der Anspruch auf Gutschrift von zwei Stunden auf dem Arbeitszeitkonto für die Zeit von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr am 17. Juli 2013 ist nicht nach der tariflichen Ausschlussfrist in § 19 Nr. 4 EMTV verfallen. Zur Vermeidung des Erlöschens musste der Kläger den Anspruch nach § 19 Nr. 2 Buchst. b iVm. Nr. 4 EMTV innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend machen. Diese Frist ist jedenfalls mit der Zustellung der vorliegenden Klage bei der Beklagten am 4. Oktober 2013 eingehalten. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger mit der Klage ursprünglich einen auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützten Vergütungsanspruch geltend gemacht hat. Der Anspruch auf eine Zeitgutschrift tritt an die Stelle des ursprünglichen Vergütungsanspruchs aus § 611 BGB (BAG 28. Juli 2010 – 5 AZR 521/09 – Rn. 17, BAGE 135, 197). Das Arbeitszeitkonto drückt nur in anderer Form den Vergütungsanspruch aus (vgl. BAG 22. Januar 2009 – 6 AZR 78/08 – Rn. 15, BAGE 129, 170; 13. Februar 2002 – 5 AZR 470/00 – zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 256).

III. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klage auch im Hinblick auf die begehrte Gutschrift von 2,5 Stunden für die außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Betriebsratstätigkeit am 17. Juli 2013 in der Zeit von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr begründet ist.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG iVm. § 611 BGB einen Anspruch auf Gutschrift von 2,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto wegen der Erbringung von Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner Arbeitszeit erworben hat. Dieser Anspruch ist nicht durch Erfüllung iSv. § 362 BGB erloschen.

BAG 7 AZR 224/15

a) Da das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung. Geleistete Arbeit ist gemäß § 611 Abs. 1 BGB in das Konto aufzunehmen. Diese Grundsätze gelten ebenso für Angaben, die ein durch Befreiung von der Arbeitspflicht auszugleichendes Zeitguthaben ausweisen. Auch hinsichtlich dieser Daten hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos und kann bei fehlerhaften Angaben eine Berichtigung verlangen (BAG 15. Februar 2012 – 7 AZR 774/10 – Rn. 20).

b) Der Kläger hat aufgrund der Teilnahme an der Betriebsratssitzung am 17. Juli 2013 nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG Anspruch auf Arbeitsbefreiung im Umfang von 2,5 Stunden und daher auch auf die erstrebte Berichtigung des Arbeitszeitkontos durch eine entsprechende Gutschrift.

aa) Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen nach § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann.

Fällt die Betriebsratstätigkeit eines in Wechselschicht arbeitenden Betriebsratsmitglieds in dessen schichtfreie Zeit, wird sie daher aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit durchgeführt (vgl. BAG 16. April 2003 – 7 AZR 423/01 – zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 87; zur Tätigkeit eines Wahlvorstands BAG 26. April 1995 – 7 AZR 874/94 – zu I 1 b der Gründe, BAGE 80, 54). Die Arbeitsbefreiung ist gemäß § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG vor Ablauf eines Monats zu gewähren. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Freistellungsanspruch zu erfüllen, wobei er aber nicht im Sinn einer Ausschlussfrist an die gesetzliche Monatsfrist gebunden ist (vgl. BAG 15. Februar 2012 – 7 AZR 774/10 – Rn. 22; 25. August 1999 – 7 AZR 713/97 – zu II 2 der Gründe, BAGE 92, 241).

bb) Hiernach hat der Kläger aufgrund der außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgten Teilnahme an der Betriebsratssitzung am 17. Juli 2013 in der Zeit von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr einen Freistellungsanspruch im Umfang von 2,5 Stunden erworben. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Betriebsratstätigkeit erforderlich iSd. § 37 Abs. 2 BetrVG war und wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder iSv. § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit des Klägers durchgeführt werden musste.

BAG 7 AZR 224/15

c) Der Arbeitsbefreiungsanspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten durch die Zahlung von 60,00 Euro brutto nicht nach § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen.

aa) Die Erfüllung des geschuldeten Anspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB erfordert die Bewirkung der geschuldeten Leistung an den Gläubiger. Die Erfüllung des Anspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgt durch Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen (vgl. BAG 19. März 2014 – 7 AZR 480/12 – Rn. 18; 15. Februar 2012 – 7 AZR 774/10 – Rn. 25). Dazu hat der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied von seiner vertraglich bestehenden Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen, ohne Minderung der Vergütung freizustellen und so im Ergebnis dessen Sollarbeitszeit zu reduzieren (BAG 15. Februar 2012 – 7 AZR 774/10 – Rn. 25).

Wie bereits der Wortlaut des § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG ausdrückt („ist … zu gewähren“), bedarf die Freistellung einer empfangsbedürftigen gestaltenden Erklärung des Arbeitgebers, mit der er zum Zweck der Erfüllung des Arbeitsbefreiungsanspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und die Arbeitspflicht des Betriebsratsmitglieds zum Erlöschen bringt (vgl. BAG 19. März 2014 – 7 AZR 480/12 – Rn. 19; 15. Februar 2012 – 7 AZR 774/10 – Rn. 25).

bb) Danach wurde der Freizeitausgleichsanspruch des Klägers durch die Zahlung von 60,00 Euro brutto nicht erfüllt. Mit dieser Entgeltzahlung hat die Beklagte nicht die geschuldete Leistung bewirkt. Der Freizeitausgleichsanspruch hatte sich nicht nach § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Eine solche Umwandlung erfolgt weder mit Ablauf der Monatsfrist des § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG noch durch eine bloße Untätigkeit des Arbeitgebers.

Der Abgeltungsanspruch entsteht vielmehr nur, wenn die Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist. Solange diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, ist das Betriebsratsmitglied darauf angewiesen, den Freizeitausgleichsanspruch geltend zu machen und notfalls gerichtlich durchzusetzen (BAG 28. Mai 2014 – 7 AZR 404/12 – Rn. 23). Das Betriebsratsmitglied kann also nicht statt des Freizeitausgleichs die Abgeltung verlangen, und auch der Arbeitgeber kann nicht statt des Freizeitausgleichs die Abgeltung gewähren (vgl. Thüsing in Richardi BetrVG 15. Aufl. § 37 Rn. 61). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten die Gewährung der Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen unmöglich war.

BAG 7 AZR 224/15

d) Entgegen der Auffassung der Beklagten muss sich der Kläger auf den Freistellungsanspruch nach § 37 Abs. 3 BetrVG auch nicht die in der vorausgegangenen Nachtschicht erfolgte Freistellung anrechnen lassen. Da der Freistellungsanspruch nach § 37 Abs. 3 BetrVG erst nach der Nachtschicht entstanden ist, war es der Beklagten nicht möglich, die Freistellung rückwirkend durch Arbeitsbefreiung in der Nachtschicht zu gewähren.

2. Der Senat kann nicht entscheiden, ob der Anspruch des Klägers auf die Gutschrift von 2,5 Stunden für die Zeit seiner Teilnahme an der Betriebsratssitzung nach § 19 Nr. 4 EMTV verfallen ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht geprüft und auch hierzu keine Feststellungen getroffen. Das wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

a) Dem Verfall des Freistellungsanspruchs nach § 19 Nr. 4 EMTV steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte erstmals in der Revisionsbegründung auf die Versäumung der tariflichen Ausschlussfrist berufen hat. Eine anzuwendende tarifliche Ausschlussfrist ist als rechtsvernichtende Einwendung von Amts wegen zu beachten, der Schuldner muss sich nicht auf ihre Wirkung berufen (vgl. BAG 24. August 2016 – 5 AZR 853/15 – Rn. 26; 16. März 2016 – 4 AZR 421/15 – Rn. 14 mwN, BAGE 154, 252).

b) Der streitgegenständliche Anspruch auf Berichtigung des Arbeitszeitkontos nach § 611 BGB iVm. § 37 Abs. 3 BetrVG wird als solcher aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 16. April 2003 – 7 AZR 423/01 – zu II 1 der Gründe, BAGE 106, 87; vgl. zum Anspruch eines Personalratsmitglieds auf Freizeitausgleich nach § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG BAG 26. Februar 1992 – 7 AZR 201/91 -) von § 19 Nr. 2 Buchst. b, Nr. 4 EMTV erfasst.

c) Zur Vermeidung des Erlöschens musste der Kläger den Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 19 Nr. 2 Buchst. b iVm. Nr. 4 EMTV innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend machen. Ohne fristgerechte Geltendmachung ist der Anspruch nach § 19 Nr. 4 EMTV lediglich dann nicht verfallen, wenn der Kläger trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich nicht beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

BAG 7 AZR 224/15

aa) Die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ist nach § 19 Abs. 2 Buchst. b EMTV an keine Form gebunden. Daher genügt es, wenn der Arbeitnehmer die Ansprüche mündlich geltend macht. Nach dem Zweck der tariflichen Ausschlussfrist ist unabhängig von der Einhaltung einer Form aber erforderlich, dass die Erfüllung des streitigen Anspruchs hinreichend konkret vom Arbeitgeber verlangt wird. Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit (BAG 19. Januar 1999 – 9 AZR 405/97 – zu VI 2 b bb der Gründe). Die Geltendmachung setzt daher regelmäßig voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet wird. Deshalb müssen die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist nicht erforderlich (vgl. BAG 22. April 2004 – 8 AZR 652/02 – zu II 1 a der Gründe; 18. Juni 2001 – 8 AZR 145/00 -). Für die Geltendmachung des Freizeitausgleichsanspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG genügt die bloße Anzeige über die während der Freizeit geleistete Betriebsratstätigkeit nicht (vgl. BAG 16. April 2003 – 7 AZR 423/01 – zu II 1 der Gründe, BAGE 106, 87; 25. August 1999 – 7 AZR 713/97 – zu II 3 b der Gründe, BAGE 92, 241).

bb) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist nicht erkennbar, dass der Kläger den Freizeitausgleichsanspruch gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, der unmittelbar nach der Betriebsratstätigkeit am 17. Juli 2013 fällig wurde (vgl. BAG 16. April 2003 – 7 AZR 423/01 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 106, 87), innerhalb von drei Monaten, dh. bis zum 17. Oktober 2013, gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat. Mit der der Beklagten am 4. Oktober 2013 zugestellten Klage im vorliegenden Verfahren hat der Kläger keinen auf § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gestützten Freistellungsanspruch, sondern lediglich einen Anspruch auf Vergütung der Zeit der am 17. Juli 2013 erbrachten Betriebsratstätigkeit geltend gemacht. Das genügte zur Geltendmachung des Freistellungsanspruchs nach § 37 Abs. 3 BetrVG nicht.

d) Die angefochtene Entscheidung ist daher hinsichtlich des zuerkannten Anspruchs auf Gutschrift von 2,5 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob der Kläger den Anspruch auf Freizeitausgleich für die Zeit seiner Teilnahme an der Betriebsratssitzung innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht hat oder ob er trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Frist einzuhalten.

Gräfl

Kiel

Waskow

R. Gmoser

Jacobi

BAG 7 AZR 224/15

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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