BAG 9 AZR 139/21

September 10, 2022

BAG 9 AZR 139/21

RA und Notar Krau

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in seinem Urteil vom 26. April 2022  über die Frage zu entscheiden, ob eine Pilotin, die von einer irischen Fluggesellschaft über eine britische Vermittlungsgesellschaft und eine irische Personalgesellschaft eingesetzt wurde, in einem Arbeitsverhältnis zur Fluggesellschaft stand.

Der Fall:

Die Klägerin, eine Pilotin, war geschäftsführende Gesellschafterin einer irischen Personalgesellschaft (W Ltd.).

Diese schloss mit einer britischen Vermittlungsgesellschaft (B Ltd.) einen Vertrag über Pilotendienstleistungen.

Die B Ltd. wiederum hatte einen Vertrag mit einer irischen Fluggesellschaft (Beklagte).

Die Klägerin wurde von der Beklagten als Pilotin eingesetzt.

Ihr Arbeitsort war der Flughafen Bremen.

Die Beklagte kündigte der Klägerin per E-Mail.

Die Klägerin klagte auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die E-Mail beendet worden sei, und auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses.

BAG 9 AZR 139/21

Die Entscheidung:

Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen auf und verwies die Sache zurück.

Das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend geprüft, ob zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestand.

Begründung:

  • Kein konkludenter Arbeitsvertrag: Das LAG Bremen war davon ausgegangen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein konkludentes Arbeitsverhältnis bestand. Das BAG stellte klar, dass hierfür eine zumindest konkludente Vereinbarung erforderlich sei. Im vorliegenden Fall fehlte es jedoch an einem entsprechenden Rechtsbindungswillen der Beklagten. Die Beklagte wollte sich gerade nicht vertraglich an die Klägerin binden.
  • Keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung: Das LAG Bremen hatte auch die Möglichkeit eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung in Betracht gezogen. Das BAG stellte jedoch klar, dass die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG a.F. nur dann greift, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher (W Ltd.) und dem Leiharbeitnehmer (Klägerin) nach deutschem Recht zu beurteilen und damit gemäß § 9 Nr. 1 AÜG a.F. unwirksam ist. Ob dies der Fall war, musste das LAG noch prüfen.
  • Rechtswahl und Vertragsstatut: Zunächst musste das LAG das auf das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der W Ltd. anwendbare Recht ermitteln. Hatten die Parteien deutsches Recht gewählt, war zu prüfen, ob es sich um ein Leiharbeitsverhältnis handelte. War dies der Fall und lag eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vor, wäre zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis entstanden. Dieses hätte die Beklagte nicht formwirksam gekündigt.
  • Arbeitnehmerbegriff im Unionsrecht: Sollte das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der W Ltd. nicht deutschem Recht unterliegen, konnte ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten nur auf Grundlage des Unionsrechts angenommen werden. Das BAG stellte klar, dass der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff auch geschäftsführende Gesellschafter erfassen kann. Ob die Klägerin als Arbeitnehmerin der W Ltd. anzusehen war, musste das LAG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls prüfen.

BAG 9 AZR 139/21

Fazit:

Das Urteil des BAG verdeutlicht die Komplexität von Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug.

Bei der Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, sind sowohl das nationale als auch das Unionsrecht zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall musste das LAG noch weitere Feststellungen treffen, um zu entscheiden, ob die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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