Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 174/97

September 14, 2017

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 174/97 Selbstbindung Beschwerdegericht -Wirksamkeit Erbeinsetzung noch zu errichtendes Pflegeheim

  1. Zur Selbstbindung des Beschwerdegerichts nach Aufhebung eines Vorbescheids im erneuten Beschwerdeverfahren.
  2. Die Einsetzung eines noch zu errichtenden Pflegeheims als Erben ist mangels ausreichender Bestimmtheit unwirksam. Die Bestimmung des Erben kann auch nicht dem Belieben eines mit dem Projekt befaßten Dritten überlassen bleiben.
  3. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 5 gegen den Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom 19. August 1997 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf insgesamt DM 200.000,– festgesetzt wird.
  4. Die Beteiligten zu 3 und 5 haben dem Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Prozeßkostenhilfe im Verfahren der weiteren Beschwerde wird abgelehnt.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf insgesamt DM 200.000,– festgesetzt.

Gründe Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 174/97

I.

Die im Alter von 22 Jahren verstorbene Erblasserin war kinderlos und unverheiratet. Ihre Eltern sind vorverstorben. Der Beteiligte zu 1 ist ihr Bruder, der mit Vertrag vom 8.8.1991 seinen Erbteil nach seinem Vater an die Erblasserin verkauft hatte. Der Nachlaß im Gesamtwert von ca. DM 600.000 besteht im wesentlichen aus dem elterlichen Grundvermögen.

Die Erblasserin litt an einem angeborenen Herzfehler Sie verstarb am 19.7.1993 und hinterließ folgendes am 10.6.1993 verfaßtes und eigenhändig geschriebenes Testament:

Ich … bestimme für den Fall meines Ablebens folgendes:

Da meine Eltern beide verstorben sind, so bestimme ich die D. Stiftung e.V. … und das Pflegeheim, das ich versuche mit Freunden aufzubauen – … (= Beteiligter zu 3) gibt darüber Auskunft – je zur Hälfte zu meinen Erben. Die Institute haben jedoch die Verpflichtung, das Grab der Familie für 40 Jahre weiterzupflegen.

Der Erbteil meines Bruders ist von uns notariell am 08.08.1991 erledigt worden. Er hat somit keine Rechte und Pflichten mehr. Auch bei meinem Teil möchte ich nicht, daß er etwas bekommt, da er Drogen nimmt und fast Alkoholiker ist.

Ich bin in meiner Testierfähigkeit nicht beschränkt und voll geschäftsfähig. Ein entsprechendes ärztliches Attest liegt beim Notar … vor. Weitere frühere letztwillige Verfügungen widerrufe ich hiermit.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 174/97

Nach Testamentseröffnung legten der Beteiligte zu 3, der Beteiligte zu 5 sowie der am 7.12.1995 verstorbene und durch die Beteiligten zu 4 beerbte N. ein auf 1.7.1993 datiertes Schriftstück über die Gründung einer BGB-Gesellschaft zwischen der Erblasserin und ihnen vor, deren Gegenstand die gemeinsame Errichtung, Erstellung und der Betrieb eines Pflegeheims sein sollte. Das Schriftstück ist von den Beteiligten zu 3 und 5 sowie N. unter dem Datum 5.7.1993 unterschrieben, jedoch nicht von der Erblasserin, deren Unterschrift allerdings auf dem Schriftstück vorgesehen war.

Die Beteiligten zu 3 und 5 sowie N. beantragten am 19.8.1993 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, wonach die Erblasserin zu je 1/2 von der D. Stiftung e.V. (Beteiligte zu 2) und der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, vertreten durch die Gesellschafter (Beteiligte zu 3, 5 und N.), beerbt worden sei. Am 23.3.1994 und am 24.5.1994 wiederholten sie diesen Erbscheinsantrag, dem sich auch die Beteiligte zu 2 anschloß. Am 26.7.1994 beantragte die Beteiligte zu 2 die Erteilung eines Teilerbscheins mit dem Inhalt, daß sie zu 1/2 Erbin geworden sei. Am 5.1.1994 focht der Beteiligte zu 1 die letztwillige Verfügung vom 10.6.1993 an und beantragte die Erteilung eines Erbscheins als alleiniger gesetzlicher Erbe.

Mit Vorbescheid vom 1.3.1995 kündigte das Nachlaßgericht die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins an, nach dem die Erblasserin durch die Beteiligte zu 2 zu 1/2 und durch die Beteiligten zu 3, 5 und N. zu je 1/6 beerbt worden sei; den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 wies das Nachlaßgericht zurück.

Diesen Beschluß hob das Landgericht auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 mit Beschluß vom 22.8.1995 auf, weil die Beteiligten zu 3, 5 und N. als Gesellschafter einer nicht existenten BGB-Gesellschaft nicht Erben sein könnten. Es verwies die Sache zu neuer Entscheidung an das Nachlaßgericht zurück.

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Das Nachlaßgericht kündigte mit als Vorbescheid und Zwischenverfügung bezeichnetem Beschluß vom 22.1.1996 die Erteilung eines Teilerbscheins für die Beteiligte zu 2 an und wies die Anträge des Beteiligten zu 1 sowie der Beteiligten zu 3, 5 und N. zurück. Hiergegen erhob der Beteiligte zu 1 einerseits und die Beteiligten zu 3 und 5 andererseits Beschwerde, die das Landgericht mit Beschluß vom 19.8.1997 zurückwies.

Den Geschäftswert für die Beschwerde setzte das Landgericht auf DM 300.000,– fest. Die Beteiligten zu 3 und 5 erhoben gegen die Entscheidung des Landgerichts weitere Beschwerde, mit der sie die Anerkennung eines Erbteils zu je 1/6 anstreben. Der Beteiligte zu 1 hat die Zurückweisung der Rechtsmittel und Prozeßkostenhilfe beantragt.

II.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 5 ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Landgericht hat ausgeführt: Die Erblasserin sei testierfähig gewesen; ihre Erkrankung habe sie insoweit nicht beeinträchtigt. Die von ihrem Bruder erklärte Testamentsanfechtung greife nicht durch, weil die Erblasserin sich nicht über die Umstände geirrt habe die sie zur Enterbung ihres Bruders veranlaßt hätten. Beweggrund sei dessen Drogen- und Alkoholkonsum gewesen, nicht aber die Annahme, mit dem notariellen Vertrag vom 8.8.1991 sei auch die Erbfolge nach ihrem Versterben geregelt.

Hinsichtlich der von den Beteiligten zu 3 und 5 beanspruchten Erbteile hält das Landgericht an seiner Rechtsauffassung im Beschluß vom 22.8.1995 fest und bestätigt die Entscheidung des Nachlaßgerichts, nach der die Beteiligte zu 2 als Erbin zu 1/2 eingesetzt und im übrigen gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, von der allerdings der Beteiligte zu 1 ausgeschlossen sei.

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Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, S 550 ZPO).

a) Das Landgericht ist zutreffend von der Wirksamkeit des Testaments ausgegangen. Die aufgrund der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen und Folgerungen zur Testierfähigkeit der Erblasserin sind nicht zu beanstanden und werden auch von den Beschwerdeführern nicht in Frage gestellt.

Das gilt auch für die aus Wortlaut, Text- und Sinnzusammenhang hergeleitete Folgerung, daß die Erblasserin bei der Enterbung ihres Bruders nicht von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist, so daß dessen Testamentsanfechtung (§ 2078 Abs. 2 BGB) ohne Erfolg bleibt. Er ist daher von der Erbfolge ausgeschlossen worden (§ 1938 BGB). Schließlich hat das Landgericht nach dem insoweit unzweideutigen Inhalt des Testaments zutreffend angenommen, daß die D. Stiftung e.V. (Beteiligte zu 2) Miterbin zu 1/2 ist (§ 1937 BGB).

b) Für die restliche Hälfte der Erbschaft ist das Landgericht ohne Rechtsfehler von der gesetzlichen Erbfolge ausgegangen ( 2088 Abs. 1 BGB). Es hat nämlich an seiner Rechtsauffassung im Beschluß vom 22.8.1995 festgehalten, nach der die beschwerdeführenden Beteiligten zu 3 und 5 nicht Erben geworden sind. Das Landgericht wäre auch nicht befugt gewesen, davon abzuweichen (§§ 25, 27 FGG).

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Wie das Nachlaßgericht ist auch das im Beschwerdeverfahren erneut befaßte Landgericht an seine Rechtsauffassung gebunden, die der aufhebenden ersten Beschwerdeentscheidung vom 22.8.1995 zugrunde gelegen hat (vgl. BayObLG FamRZ 1992, 862/863; Rpfleger 1992, 432). Der zu beurteilende Sachverhalt hat sich nicht geändert. Das Landgericht ist daher zu Recht von der in dieser Entscheidung entwickelten Rechtsauffassung für das weitere Verfahren ausgegangen.

c) Auch das Rechtsbeschwerdegericht hat diese Bindungswirkung zu beachten (BayObLG Rpfleger a.a.O.).

Im übrigen weist der Senat auf folgendes hin. Die von den Beschwerdeführern initiierte BGB-Gesellschaft kann als solche mangels Rechtsfähigkeit nicht Erbin sein (vgl. Palandt/Thomas BGB 57. Aufl. § 705 Rn. 2). Aus dem Testament läßt sich die Vorstellung der Erblasserin entnehmen, daß das dort erwähnte Pflegeheim als “Institut” vergleichbar der D. Stiftung e.V. bedacht sein soll.

Die Erbenstellung einer entsprechenden Stiftung oder sonstigen juristischen Person scheidet aber deshalb aus, weil deren Name, Zweck und Organisation im Testament nicht hinreichend bestimmt sind. Weil die Erblasserin andererseits das Pflegeheim als spezielles Projekt fördern wollte, kommt die entsprechende Anwendung des § 2072 BGB nicht in Betracht.

Auch die ergänzende Testamentsauslegung führt nicht zu dem Ergebnis, daß N. und die Beteiligten zu 3 und 5 zu Erben der streitigen Nachlaßhälfte eingesetzt sind. Denn im Testament findet sich kein hinreichender Anhalt für die Einsetzung dieser drei Personen. Soweit dem Hinweis im Testament auf den Beteiligten zu 3 als Vertrauensperson der Erblasserin entnommen werden könnte, ihm sei Auswahl und Bestimmung des Erben überlassen, steht § 2065 Abs. 2 BGB entgegen.

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Da die Erblasserin hinsichtlich der dem Pflegeheim zugedachten Nachlaßhälfte nicht zu einer hinreichend konkreten Erbenbestimmung gelangt ist, muß es insoweit bei der gesetzlichen Erbfolge verbleiben (§ 2088 Abs. 1 BGB).

Ob die gesetzlichen Erben mit einer Zweckauflage beschwert sind (§ 2192 f. BGB), ist im Erbscheinsverfahren nicht zu entscheiden.

Der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt, weil das vom Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde verfolgte Ziel, als gesetzlicher Alleinerbe anerkannt zu werden, ohne Aussicht auf Erfolg ist (§ 14 FGG, S 114, S 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Für den gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO festzusetzenden Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist mangels besonderer Umstände allein die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsmittels für die Rechtsbeschwerdeführer maßgeblich.

Dieses ist im vorliegenden Fall letztlich darauf gerichtet, jeweils Miterben zu 1/6 zu sein. Auf der Grundlage des im Nachlaßverzeichnis ausgewiesenen Reinnachlasses von ca. DM 600.000 beträgt der dem Rechtsmittelinteresse der Beteiligten zu 3 und 5 entsprechende Geschäftswert im Verfahren der weiteren Beschwerde insgesamt DM 200.000.

Auf diesen Betrag wird auch der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens festgesetzt.

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