Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 47/80

September 15, 2017

Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 47/80 gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklausel – §§ 137 bis 139 HGB

Tenor

Die Beschlüsse des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. März 1980 und des Amtsgerichts — Nachlaßgerichts — Nürnberg vom 17. Dezember 1979 in seiner Nr. 1 werden aufgehoben.

Das Amtsgericht — Nachlaßgericht — Nürnberg wird angewiesen, den auf Antrag der Beteiligten zu 2) erteilten Erbschein einzuziehen.

Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht — Nachlaßgericht — Nürnberg zurückverwiesen.

Gründe Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 47/80

I.

Am … verstarb in … ihrem letzten Wohnsitz, die verwitwete Obstgroßhändlerin … (Erblasserin). Sie hinterließ sechs Kinder (Beteiligte zu 1) bis 6), die als gesetzliche Erben in Betracht kommen.

Der Nachlaß besteht nach dem vom Beteiligten zu 1) eingereichten Nachlaßverzeichnis aus Bargeld, Sparguthaben, Bausparguthaben, Sparkassenbrief, Forderungen und Sterbegeldern im Gesamtbetrag von DM 54396 sowie aus dem Anteil der Erblasserin am Betriebsvermögen der Firma … der mit minus DM 34838 angegeben wurde (Bl.17/18 d.A.). Die Bilanz der … zum 31.12.1977 (Bl.27 bis 29 d.A.) weist Aktiva und Passiva (Verlust DM 149813,84) von je DM 1096486,26, die Gewinn- und Verlustrechnung für 1977 (Bl.30/31 d.A.) einen Aufwand und einen Ertrag von je DM 6801211,74 aus. Der Einheitswert des Betriebsvermögens war zum 1.1.1975 auf DM 286000 (Bl.21 d.A.) und zum 1.1.1977 auf DM 34000,– (Bl.22 d.A.) festgesetzt worden.

Die Erblasserin und deren Sohn … (Beteiligter zu 1) waren Gesellschafter der Firma … Obst- und Südfrüchtegroßhandel in … und zwar seit 1.1.1971 je mit einem Anteil von 50 %. In einem Nachtrag vom 20.11.1963 zum Gesellschaftsvertrag vom 17.12.1935 war u.a. folgendes vereinbart worden:

Unter Ziffer 2:

“Im Falle des Todes der Gesellschafterin … geht deren Anteil am Gesellschaftsvermögen einschließlich aller damit verbundenen Rechte und Pflichten, insbesondere dem Stimm-, Geschäftsführungs-, Entnahme- und Gewinnbezugsrecht, auf den Mitgesellschafter Franz … bzw. dessen Erben, soweit es sich um leibliche Nachkommen handelt, über.

Sind auf Grund gesetzlicher Erbfolge, durch Vertrag oder Testament weitere Erben und/oder Vermächtnisnehmer vorhanden, so haben diese keinen Anspruch auf Eintritt in die Gesellschaft und scheiden mit dem Todestag aus. Soweit solchen Erben und/oder Vermächtnisnehmern auf Grund Gesetz und/oder vertraglicher und/oder testamentarischer Verfügung ein Erb-, Pflichtteils- oder Vermächtnisanspruch zusteht, handelt es sich ausschließlich um einen geldmäßigen Anspruch, für dessen Festsetzung die Bestimmungen in Ziffer 5 maßgebend sind.

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Besteht die Gesellschaft im Falle des Todes von Frau … nur noch aus 2 Gesellschaftern, so gilt die vorstehende Regelung mit dem Recht, daß der Gesellschafter … die Gesellschaft als Einzelfirma unter Beibehaltung des Firmennamens fortführt.

Unter Ziffer 5:

“Ein Auseinandersetzungsanspruch, der sich aus den Bestimmungen in den Ziffern 2 bis 4 ergibt, erfolgt eine Auszahlung nur in der Höhe des Kapitalkontos (des verflossenen Jahres), welches innerhalb von 5 Jahren ausbezahlt wird.

Ein Ansatz von immateriellen Werten (Firmenwert, Kundschaftswert, good will usw.) erfolgt nicht. Ebenso unterbleibt ein Ansatz für stille Reserven im Anlage- und Umlaufvermögen sowie bei den Verbindlichkeiten, Rückstellungen und Wertberichtigungen.

Entsteht ein Auseinandersetzungsanspruch im Laufe eines Geschäftsjahres, so ist für seine Berechnung jeweils die Bilanz auf den letzten, vorhergehenden 31.Dezember maßgebend. Ein wertanteiliger Ansatz für Gewinn oder Verlust des laufenden Jahres unterbleibt.”

  1. Die Erblasserin hinterließ ein von ihr eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes, am 12.12.1978 eröffnetes Testament ohne Datum, das folgenden Wortlaut hat (Bl.11 d.A.):

“Mein letzter Wunsch ist auch daß … + … wen sie nichts zuschulden komen immer in der Firma arbeiten, sie haben mir in den schlechtesten Tagen geholfen und sollen auch in besseren bei uns sein. Nach meinen Tode geht ab sofort mein gesamter Geschäftsanteil, und alles was in der Firma (ist) ist gehört … Was außerhalb ist gehört meine Töchter zu gleichen Teilen. Persönliche Sachen gehören; (… O + die schö.Pole. … Pelzmantel Perlen Kette, Anhänger m.Stein + Ring Moni, Muttergottes gehört auch …, E meine Oringe + zwei schöne Nadeln, H meine Pelzjacke, Und teilt Euch die andern Sachen schön miteinander, und Streitet nicht. Solte M etwas zustoßen und ich bin nicht mehr da, falls sie kein Kind hat, so geht alles wieder an zurück an ihre Schwestern

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Ich will noch ein paar Zeilen hinzu fügen mein Sohn F hat seit seinem Vater seinen Tod nur für seine Spesen gearbeitet meinen Anteil auch mit, da hab ich noch ein Armband daß gehört der kleinen M zum Andenken an mich ich bin ihre Patin

Lieber F halte alles schön zusamen, und spare recht das du vorwärz komst. Du hast drei Kinder + die brauchen ihren Vater und der kleinen M ihre Augen nicht!

Lebt Wohl auf Wiedersehn Euhre … Mama!”

Der Beteiligte zu 1) beantragte am 12.12.1978 die Erteilung eines Erbscheins, in dem bezeugt werden soll, daß er auf Grund des Testaments die Erblasserin allein beerbt habe, da ihr Anteil am Betriebsvermögen der oHG jedenfalls zur Zeit der Testamentserrichtung den wesentlichsten Teil ihres Vermögens ausgemacht habe; zudem habe sie auch ihre Sparguthaben und Wertpapiere für Betriebsschulden verpfändet.

Die Beteiligte zu 2) beantragte dagegen die Erteilung eines Erbscheins, in dem bezeugt werden soll, daß die fünf Töchter der Erblasserin (Beteiligte zu 2) bis 6) aufgrund des Testaments je zu einem Fünftel Erben geworden seien und daß die Beteiligten zu 2) bis 5) Nacherben hinsichtlich des Anteils der Beteiligten zu 6) seien, falls diese ohne Abkömmlinge sterbe.

Sie meint, der Gesellschaftsanteil der Erblasserin gehöre auf Grund des Nachtrags vom 20.11.1963 zum Gesellschaftsvertrag nicht zum Nachlaß, die Erblasserin habe darüber nicht mehr letztwillig verfügen können und sonach ihr gesamtes (restliches) Vermögen den Töchtern zugewandt. Das Testament sei erst nach dem 9.3.1973 errichtet worden, weil darin ihre damals verstorbene Schwester A …, welche die Erblasserin keinesfalls übergangen hätte, nicht erwähnt sei.

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Mit Beschluß vom 17.12.1979 wies das Amtsgericht — Nachlaßgericht — Nürnberg den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) zurück (Nr.1). Gleichzeitig kündigte es, falls gegen diesen Beschluß nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung Beschwerde eingelegt werde, die Erteilung eines Erbscheins gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 2) an (Nr.2).

Dagegen legte der Beteiligte zu 1) Beschwerde ein, die vom Landgericht Nürnberg-Fürth mit Beschluß vom 6.3.1980 zurückgewiesen wurde. Das Landgericht vertrat ebenso wie das Amtsgericht die Ansicht, daß der Gesellschaftsanteil der Erblasserin im Gesellschaftsvertrags-Nachtrag vom 20.11.1963 durch Rechtsgeschäft unter Lebenden auf den Todesfall formwirksam auf den Beteiligten zu 1) übertragen worden sei, der Gesellschaftsanteil sonach nicht zum Nachlaß gehöre und die Erblasserin daher über ihn nicht mehr letztwillig habe verfügen können. Weiter führte das Landgericht aus:

Dem Beteiligten zu 1) seien auch nicht die unter Nrn.2 und 3 des Nachlaßverzeichnisses aufgeführten Vermögenswerte (Sparguthaben, Bausparguthaben und Wertpapiere im Gesamtbetrag von DM 45175) zugewendet worden. Denn diese hätten zu dem — außerhalb der Firma befindlichen, den Beteiligten zu 2) bis 6) zugewandten — Privatvermögen der Erblasserin gehört; sie seien durch die Verpfändung für Betriebsschulden nicht notwendiges Betriebsvermögen geworden. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Erblasserin diese Vermögenswerte als Bestandteile des Firmenvermögens angesehen habe.

Dem Testament könne nicht entnommen werden, daß dem Beteiligten zu 1) außer dem Gesellschaftsanteil noch weitere Vermögenswerte zufallen sollten. Da die verpfändeten Sparguthaben und Wertpapiere den überwiegenden Teil des Privatvermögens der Erblasserin ausmachten, würde die vom Beteiligten zu 1) vorgenommene Testamentsauslegung dazu führen, daß den Töchtern nichts zugewendet wäre und ihnen lediglich Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen ihren Bruder zustünden; dies würde nicht dem niedergelegten Willen der Erblasserin entsprechen.

Hieran ändere sich auch nichts, wenn das Kapitalkonto der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung negativ gewesen sein sollte. Das negative Kapitalkonto besage nichts über den wirklichen Wert des Gesellschaftsanteils der Erblasserin gerade für den Beteiligten zu 1), der durch den Erwerb dieses Anteils Alleininhaber der Firma geworden sei. Er habe bei der Testamentseröffnung selbst die Auffassung vertreten, daß die Sparguthaben in ihrer Bedeutung an den Geschäftsanteil nicht heranreichten.

Die Erblasserin hätte deshalb keine Veranlassung gehabt, nur deshalb, weil ihr Kapitalkonto negativ gewesen sei, dem Beteiligten zu 1) zusätzliche Teile ihres Privatvermögens zuzuwenden.

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Gegen diese Entscheidung des Landgerichts richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 14./16.4.1980, mit der der Erbscheinsantrag vom 12.12.1978 weiterverfolgt wird.

Die Beteiligte zu 2) beantragt die Zurückweisung der weiteren Beschwerde.

Am 20.3.1980 hatte das Amtsgericht Nürnberg die Erteilung des mit Beschluß vom 17.12.1979 angekündigten Erbscheins bewilligt; dieser war am 9.4.1980 der Beteiligten zu 2) übersandt und dem Finanzamt Nürnberg-Ost in Abschrift mitgeteilt worden (Bl.98 R d.A.).

II.

Die — an keine Frist gebundene — weitere Beschwerde ist statthaft und formgerecht erhoben (§§ 27, 29 Abs.1 Sätze 1 und 2 FGG). Die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 1) ergibt sich schon aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde durch das Landgericht (§ 29 Abs.4, § 20 FGG; BGHZ 31, 92/95; BayObLGZ 1978, 205/206); sie folgt — ebenso wie für das Erstbeschwerdeverfahren — auch daraus, daß das von ihm in Anspruch genommene Erbrecht durch die Entscheidungen der Vorinstanzen beeinträchtigt wird (§ 20 Abs.1 FGG) und sein Erbscheinsantrag (§ 2353 BGB) zurückgewiesen worden ist (§ 20 Abs.2 FGG).

Die weitere Beschwerde ist nicht dadurch gegenstandslos geworden, daß das Amtsgericht den angekündigten Erbschein inzwischen bewilligt und erteilt hat. Sie bleibt mit dem Ziel der Einziehung des erteilten Erbscheins und der Erteilung des vom Beschwerdeführer beantragten Erbscheins zulässig (BayObLGZ 1979, 215/220; BayObLG FamRZ 1976, 101/103; Keidel/Kuntze/Winkler FGG 11.Aufl.§ 84 RdNrn.2, 4).

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Das mithin zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 1) und zur Anordnung der Einziehung des erteilten Erbscheins sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht — Nachlaßgericht — Nürnberg.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhen auf der rechtsirrtümlichen Ansicht, der Wert des Anteils der Erblasserin an der oHG gehöre nicht zu ihrem Nachlaß; sie sind daher aufzuheben.a)

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 22, 186; 68, 225/229 ff.), der der Senat beitritt, vollzieht sich die Nachfolge in den Anteil an einer Personengesellschaft im Falle des Todes eines Gesellschafters (vgl.§§ 137 bis 139 HGB) in der Regel nach Erbrecht, sofern die gesellschaftsvertraglichen Klauseln den Weg dazu öffnen.

Grundsätzlich bedarf sonach jede erbrechtliche Nachfolgeregelung im Gesellschaftsvertrag, soweit sie nicht der gesetzlichen Erbfolge entspricht, der Ergänzung und Ausfüllung durch Testamente der Gesellschafter; auch bei einer sog. qualifizierten Nachfolgeklausel (BGHZ 68, 225/237 unten), wie sie hier vorliegt, wird die im Gesellschaftsvertrag bezeichnete Person nur dann Nachfolger, wenn sie kraft Gesetzes oder Testaments auch Erbe des verstorbenen Gesellschafters geworden ist (Haegele/Litfin Handbuch der Familienunternehmen Rz V 30; Sudhoff Handbuch der Unternehmensnachfolge 2.Aufl.§ 17 S.89; derselbe Das Familienunternehmen § 59 S.209 ff.).

Sie erwirbt in diesem Falle auf erbrechtlichem Wege den Anteil beim Tode des Gesellschafters unmittelbar im Ganzen (BGHZ 68, 225 LS c), 229, 237 f.; Haegele/Litfin Rz V 24; Ulmer in Großkomm HGB 3.Aufl.§ 139 Anm.49 ff. und BB 1977, 805 ff.; Schlegelberger HGB 4.Aufl.§ 139 Anm.25 a; Wiedemann Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften S.193 ff.).

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Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklauseln in Gesellschaftsverträgen sind zwar dann möglich und wirksam, wenn die als Nachfolger bezeichnete Person (wie hier der Beteiligte zu 1) Mitgesellschafter und insoweit an der Vereinbarung der Klausel selbst beteiligt ist (BGHZ 68, 225/231 ff.). Kann aber nach dem Ergebnis der Ermittlungen (§ 12 FGG) im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ob die beteiligten Gesellschafter eine rechtsgeschäftliche oder eine erbrechtliche Nachfolgeklausel gewollt haben, so ist — dem vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsatz entsprechend (vgl.BGHZ 22, 186 ff.; 68, 225 LS a, 233 f.) — eine erbrechtliche Nachfolge anzunehmen (Haegele/Litfin aaO Rz V 13, 16, 19; Ulmer in Großkomm HGB aaO und BB 1977, 805/807 f.; Priester DNotZ 1977, 558/560; vgl.BayObLG MittBayNot 1978, 230/232 = Rpfleger 1978, 450 f. = DB 1979, 86 f.).

b) Entgegen diesen Rechtsprechungsgrundsätzen hat das Landgericht die Nachfolgeklausel im Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag ohne Auslegung und ohne Begründung als rechtsgeschäftliche Klausel behandelt und damit gegen 133 BGB und § 25 FGG verstoßen. Für eine rechtsgeschäftliche Anteilsübertragung unter Lebenden mit Wirkung auf den Todesfall (vgl.§§ 2301, 328/331 BGB) bieten weder die Vereinbarung der Gesellschafter noch das Vorbringen der Beteiligten und der übrige Sachverhalt genügende Anhaltspunkte.

Der gesamte Inhalt sowohl der gesellschaftlichen Nachfolgevereinbarung als auch des Testaments sowie die Lebenserfahrung (vgl.BGHZ 68, 225/234; Haegele/Litfin aaO Rz V 13, 19) sprechen vielmehr dafür, daß die Erblasserin gemäß ihrer familiären und gesellschaftlichen Stellung mit der gesellschaftsvertraglichen Regelung ihrem Sohn noch kein unentziehbares Recht auf ihren Gesellschaftsanteil einräumen und daß sie damit noch nicht darauf verzichten wollte, durch letztwillige Verfügung — wie geschehen — endgültig zu bestimmen, was nach ihrem Tode im Rahmen des gesellschaftsrechtlich Zulässigen mit ihrem Gesellschaftsanteil werden solle.

Dementsprechend hat auch der am Abschluß des Nachtrags zum Gesellschaftsvertrag beteiligte Mitgesellschafter F … in dem von ihm eingereichten Nachlaßverzeichnis nebst Anlage den Wert des Anteils der Erblasserin am Betriebsvermögen der Firma — seinen Vorstellungen als Partei des Gesellschaftsvertrags und der Lebenswirklichkeit folgend (vgl.Haegele/Litfin aaO Rz 13 Abs.3 — als zum Nachlaß gehörig behandelt.

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c) Ist sonach davon auszugehen, daß der Beteiligte zu 1) den Gesellschaftsanteil seiner Mutter nicht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden, sondern auf erbrechtlichem Wege erlangt hat, so gehört der Wert des Anteils zum Nachlaß (BGHZ 68, 225/238; Ulmer in Großkomm HGB § 139 Anm.56 und BB 1977, 805/807; Priester aaO S.559; vgl. Sudhoff Das Familienunternehmen S.223; Wiedemann aaO S.157 ff., 207 ff.).

Da der Anteilswert nach den sich aus dem Testament und dem Vorbringen des Beteiligten zu 1) ergebenden Vorstellungen der Erblasserin wirtschaftlich jedenfalls einen ganz erheblichen Bruchteil des Vermögens der Erblasserin ausmacht, wäre die Zuwendung an den Beteiligten zu 1) als Erbeinsetzung ( 2087 Abs.1 BGB) anzusehen, sofern die Erblasserin in ihrem Testament nicht lediglich Teilungsanordnungen (§ 2048 BGB) und Vorausvermächtnisse (§ 2150 BGB) für ihre Kinder als gesetzliche Erben der ersten Ordnung (§ 1924 Abs.1 BGB) treffen wollte.

Jedenfalls besteht kein Anhalt dafür, daß der Beteiligte zu 1) nach dem Willen der Erblasserin nicht (testamentarischer oder gesetzlicher) Erbe, somit von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 1938 BGB) sein sollte. In diesem Falle hätte ihm der Gesellschaftsanteil der Erblasserin nicht unmittelbar als Erbe oder Miterbe im Ganzen zukommen können, was von der Erblasserin ersichtlich nicht gewollt war.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind sonach aufzuheben, soweit sie den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) betreffen. Der auf Antrag der Beteiligten zu 2) erteilte Erbschein ist unrichtig und daher einzuziehen (§ 2361 Abs.1 Satz 1 BGB; BGHZ 40, 54/56 f.; BayObLGZ 1977, 59/61 f.; 1966, 233/236). Da das Rechtsbeschwerdegericht den Erbschein nicht selbst einziehen kann, war die Einziehung durch das Nachlaßgericht anzuordnen (BayObLGZ 1979, 215/220 mit Nachw.; OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 95).

d) Hinsichtlich des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 1) ist die Sache an das Amtsgericht — Nachlaßgericht — Nürnberg zurückzuverweisen, da insoweit weitere Ermittlungen erforderlich sind, die das Rechtsbeschwerdegericht nicht vornehmen kann (Keidel/Kuntze/Winkler § 27 FGG RdNr.66 c). Hierzu ist zu bemerken:

aa) Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) könnte dann begründet sein, wenn der ihm zugewendete Vermögensteil (“gesamter Geschäftsanteil und alles, was in der Firma ist”) nach den Vorstellungen der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung praktisch den ganzen Nachlaß ausmacht (vgl.BGH FamRZ 1972, 561; BayObLGZ 1965, 77/84 f.; 1958, 248/250 f.) und die Erblasserin ihre wirtschaftliche Stellung durch ihren Sohn fortgesetzt wissen wollte (vgl. BayObLGZ 1965, 457/460).

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Um dies feststellen zu können, wird das Nachlaßgericht den gesamten Testamentsinhalt sowie das Vorbringen der Beteiligten zu würdigen und — erforderlichenfalls durch Erholung eines Sachverständigengutachtens — den Wert des Gesellschaftsanteils der Erblasserin im maßgeblichen Zeitpunkt der Errichtung des Testaments zu ermitteln haben.

Des weiteren wird es, insbesondere durch Vorlage der einschlägigen Verträge über die “Verpfändung” der Sparguthaben und Wertpapiere der Erblasserin, noch näher zu ermitteln und festzustellen haben, ob oder inwieweit diese Gegenstände in das Firmenvermögen übergegangen sind (vgl.BFH BStBl 1964 III 502) und/oder auf Grund der Vereinbarungen zwischen der Erblasserin und der oHG beim Erbfall noch Befreiungs- und Auslösungsansprüche der Erblasserin gegen die oHG bestanden haben.

Auch könnten insbesondere die testamentarische Formulierung “Lieber F, halte alles schön zusammen” sowie der Hinweis der Erblasserin, F habe seit dem Tode des Vaters nur für seine Spesen gearbeitet, dafür sprechen, daß sie ihren Sohn als ihren wirtschaftlichen Nachfolger und Alleinerben angesehen hat und daß sie den Töchtern nur je ein Fünftel des Bargeldes, der Sparguthaben und Wertpapiere — soweit außerhalb der Firma befindlich — sowie die teils einzeln bezeichneten “persönlichen Sachen” vermächtnisweise ( 2087 Abs.2 BGB) zuwenden wollte.

Soweit die Töchter danach im Hinblick auf den dem Beteiligten zu 1) zugewandten Wert des Gesellschaftsanteils der Erblasserin und aller in der Firma befindlichen Gegenstände im Zeitpunkt des Erbfalls weniger als den Pflichtteil (§ 2303 Abs.1 BGB) erhalten haben sollten, bliebe es ihnen vorbehalten, diesen zu beanspruchen (§ 2307 Abs.1 BGB).

bb) Je nach dem Ergebnis der Ermittlungen über Umfang und Wert der den Beteiligten zugewandten Vermögensgruppen könnten die im Testament bedachten Beteiligten zu 1) bis 6) nach dem Verhältnis der Werte des innerhalb und des außerhalb der Firma befindlichen Vermögens und ihrer Anteile daran als Miterben zu behandeln sein (vgl.Palandt BGB 38.Aufl.§ 2087 Anm.1 a mit Nachw.).

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cc) Möglich erscheint es allerdings auch, daß die Erblasserin — wie ihr verstorbener Ehemann (vgl.Erbschein vom 6.9.1958 — Bl.5 d.A.) — die gesetzliche Erbfolge ihrer Kinder (Beteiligte zu 1 bis 6) unberührt lassen und mit dem Testament lediglich Teilungsanordnungen ( 2048 BGB) und/oder Vorausvermächtnisse (§ 2150 BGB) verfügen wollte (vgl.Sudhoff Handbuch der Unternehmensnachfolge S.91).

Bei einer solchen Auslegung des Testaments müßte allerdings — wie auch im Falle bb) — zunächst ein entsprechender Erbscheinsantrag (§ 2353 BGB) der Beteiligten gestellt werden. Auch im Falle der gesetzlichen Erbfolge der Beteiligten zu 1) bis 6) würde die Ausgleichsproblematik (vgl. §§ 2305, 2306 BGB) zwischen den Miterben außerhalb des Erbscheinsverfahrens auszutragen sein (vgl.dazu: BGHZ 68, 225/238; Haegele/Litfin aaO Rz V 25; Priester aaO S.560 f.; Sudhoff Das Familienunternehmen § 59 S.212 f.Buchst.c; Ulmer BB 1977, 805/807).

dd) Die Bestimmungen der Nummern 2 und 5 des Nachtrags zum Gesellschaftsvertrag sprechen zwar dafür, daß Auseinandersetzungsansprüche “weiterer Erben und/oder Vermächtnisnehmer” gesellschaftsvertraglich nicht ausgeschlossen sein sollten; der Testamentsinhalt läßt aber darauf schließen, daß die Erblasserin Ausgleichsansprüche der Beteiligten zu 2) bis 6) zum Schutze des Beteiligten zu 1) — ihres Geschäftsnachfolgers — auf die ihnen zugewandten Vermögensteile beschränken wollte.

Eine solche Beschränkung ist bis zur Grenze der Pflichtteilsrechte der Beteiligten zu 2) bis 6) zulässig (Haegele/Litfin aaO; vgl.Sudhoff Das Familienunternehmen § 62 S.222 ff.; vgl. Soergel/Siebert BGB 10.Aufl.§ 727 RdNr.28; Ulmer aaO).

Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten (Keidel/Kuntze/Winkler § 13a FGG RdNr.36, 37).

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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