vorgehend Hessisches Finanzgericht , 12. November 2019, Az: 7 K 352/19
1. Erstattet eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter im Zuge der schadenersatzrechtlichen Rückabwicklung des Beteiligungserwerbs seine Einlage, handelt es sich beim Gesellschafter ertragsteuerrechtlich um einen Vorgang auf der Vermögensebene, der bei ihm nicht zu steuerbaren Einnahmen führt.
Unerheblich ist, wie die Gesellschaft die ursprüngliche Einlageleistung verwendet hat (Abgrenzung von BGH, Urteil vom 11.02.2014 – II ZR 276/12, BGHZ 200, 51, DStR 2014, 602).
2. Kosten für einen Zivilprozess und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren; sie können Werbungskosten sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden.
Geht es in dem Rechtsstreit um mögliche Einnahmen (oder den Ersatz von Aufwendungen) des Steuerpflichtigen, sind die Prozesskosten bei der Einkunftsart als Werbungskosten abziehbar, bei der die erstrebten Einnahmen zu erfassen wären.
3. Aufwendungen, die dem Zweck dienen, sich aus einer gescheiterten Investition zu lösen, können als Werbungskosten nur abgezogen werden, soweit es sich um vorab entstandene vergebliche Aufwendungen (sog. Aufgabeaufwendungen) handelt (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
Tenor BFH IX R 18/20
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 12.11.2019 – 7 K 352/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand BFH IX R 18/20
I.
- Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hielt seit Ende des Jahres 1996 eine Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds X-GmbH & Co. KG (KG). Die KG befindet sich in Liquidation. Die Beteiligungssumme betrug netto 61.355,02 € (120.000 DM) zuzüglich eines Agios in Höhe von 5 %, insgesamt somit 64.422,78 €. Aus der Beteiligung erzielte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
- Weil die Beteiligung die prospektierten Mieterträge nicht erreichte, beantragte der Kläger am 15.12.2011 bei der öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA) der Stadt Y die Einleitung eines Güteverfahrens gegen (1) die Z-Grundbesitz mbH und (2) die M-Bank mit dem Antrag, die gezahlte Einlage zuzüglich Agio und entgangenem Gewinn (37.927,66 €), abzüglich erhaltener Ausschüttungen (0 €), insgesamt 102.350,43 € Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung an ihn zurückzuzahlen.
- Für ihre Tätigkeit berechnete die ÖRA dem Kläger im Streitjahr (2012) Gebühren in Höhe von 745 €, ausgehend von einem Gegenstandswert von 102.350,43 €. Der vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt stellte bei einem Gegenstandswert von 61.355,03 € Gebühren von 1.825,32 € in Rechnung. Die Rechnungen beglich der Kläger im Streitjahr.
- Nachdem das Güteverfahren im November 2012 gescheitert war, erhob der Kläger beim Landgericht Klage gegen die M-Bank auf Schadenersatz wegen Prospekthaftung und Beratungsverschuldens.
- Die Klage blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos. Der ursprünglich auf 102.350,43 € festgesetzte Gebührenstreitwert wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 07.03.2014 auf 64.422,78 € herabgesetzt. Bei dem geltend gemachten Ersatz entgangenen Gewinns handele es sich um Zinsen als Entgelt für die Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit von Kapital und damit um eine nicht streitwerterhöhende Nebenforderung.
- BFH IX R 18/20
- Mit Bescheid vom 02.05.2014 für 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Ansatz der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.570 € als Sonderwerbungskosten des Klägers ab.
- Gegen den Feststellungsbescheid legte die KG durch ihren steuerlichen Berater innerhalb der Rechtsbehelfsfrist Einspruch ein und rügte u.a. die fehlende Berücksichtigung erklärter Sonderwerbungskosten.
- Über den Einspruch der KG ist ohne Mitteilung eines Grundes noch nicht entschieden. Mit Schreiben vom 03.07.2014 teilte der Kläger dem FA mit, er werde den Einspruch der KG fortführen. Eine Hinzuziehung des Klägers zum Einspruchsverfahren der KG unterblieb. Am 12.05.2015 erließ das FA gegenüber dem Kläger eine ablehnende Einspruchsentscheidung.
- Am 01.06.2015 hat der Kläger Klage erhoben, die das Hessische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 23.08.2016 – 7 K 1015/15 abgewiesen hat. Nach Zulassung der Revision hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen (BFH-Urteil vom 04.12.2018 – IX R 13/17, BFH/NV 2019, 397).
- Im zweiten Rechtsgang hat das FG mit Beschluss vom 18.03.2019 die in Liquidation befindliche KG zum Verfahren notwendig beigeladen (im Weiteren: Beigeladene) und das in den Verwaltungsakten fehlende Einspruchsschreiben der Beigeladenen beigezogen.
- Der Kläger hat sein Begehren weiterverfolgt und dazu u.a. vorgetragen, aufgrund der Beteiligung seien ihm in den Jahren 1996 und 1997 Anfangsverluste in Höhe von 84 % der Beteiligungssumme (ca. 106.000 DM) und in den Jahren 1998 bis 2000 weitere Verluste in Höhe von 4 % der Beteiligungssumme (ca. 5.000 DM) zugewiesen worden.
- Die Verluste hätten auf sofort abziehbaren Werbungskosten (insbesondere Schuldzinsen und Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes) beruht.
- Die von ihm (vergeblich) begehrte Einlagenrückgewähr hätte deshalb bei ihm zum Ersatz von Werbungskosten und mithin nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH-Urteil vom 23.03.1993 – IX R 67/88, BFHE 171, 183, BStBl II 1993, 748) zu Einnahmen (negativen Werbungskosten) aus Vermietung und Verpachtung geführt. Deshalb seien die vergeblich aufgewandten Rechtsberatungskosten notwendig durch die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung veranlasst.
- Das FG hat die mangels Einspruchs zu Unrecht gegen den Kläger erlassene Einspruchsentscheidung ersatzlos aufgehoben und die Klage im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Die Kosten der Rechtsverfolgung teilten das steuerliche Schicksal des Gegenstands des Rechtsstreits. Betreffe der Rechtsstreit die private Vermögenssphäre, seien sie nicht als Werbungskosten abziehbar. Die geltend gemachten Rechtsberatungskosten seien nicht durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst.
- BFH IX R 18/20
- Die begehrte Rückzahlung der Einlage (nebst Agio) betreffe steuerlich die private Vermögensebene. Sie ziele auf die Rückabwicklung der Anschaffung der Einkunftsquelle und auf die Beendigung der Einkünfteerzielung. Die Rückzahlung der Einlage hätte auch nicht zum Ersatz von Werbungskosten geführt. Negative Werbungskosten (Einnahmen) hätte der Kläger nur versteuern müssen, wenn er zusätzlich zur Rückzahlung seiner Einlage die Erstattung der auf ihn entfallenden Werbungskosten (explizit) geltend gemacht hätte.
- Das sei aber nicht der Fall. Der Aufwand sei auch nicht deshalb abziehbar, weil sich der Kläger aus einer gescheiterten Investition habe lösen wollen. Diese Rechtsprechung gelte nur für den Abzug vorab entstandener Werbungskosten, insbesondere bei Leistungsstörungen im Anschaffungsvorgang.
- Im Streitfall habe der Kläger jedoch 15 Jahre lang Einkünfte aus der Beteiligung erzielt. Außerdem sei seine Investition nicht gescheitert, wie sich aus den beiden Urteilen der Zivilgerichte ergebe.
- Soweit der Kläger auch entgangenen Gewinn geltend gemacht habe, handele es sich steuerlich um Schuldzinsen, die nicht zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, sondern allenfalls zu Einnahmen aus Kapitalvermögen geführt hätten.
- Sie könnten schon nicht Gegenstand des Feststellungsverfahrens sein. Auf die Durchsetzung dieser Teilforderung eventuell entfallende Gebührenbestandteile wären deshalb auf keinen Fall Sonderwerbungskosten.
- Mit der Revision erhebt der Kläger die Sachrüge. Er meint, die schadenersatzrechtliche Rückabwicklung des Beteiligungserwerbs hätte im Erfolgsfall (Rückzahlung der Einlage nebst Agio) bei ihm zu steuerpflichtigen Zuflüssen geführt, zumindest in Höhe der Verlustzuweisungen in den Anfangsjahren von 88 %.
- Hiervon gehe auch der Bundesgerichtshof (BGH) aus und lehne deshalb die Vorteilsanrechnung ab. Das FG habe dies verkannt und den Vorgang im Ergebnis wie eine Anteilsveräußerung behandelt, obwohl es sich um eine nicht marktoffenbare Rückabwicklung gehandelt hätte.
- Die Ansicht des FG, wonach der Kläger, um negative Werbungskosten zu erzielen, ergänzend auf Rückzahlung der Werbungskosten hätte klagen müssen, verkenne die zivilrechtlichen Gegebenheiten. Seine Investition sei auch gescheitert gewesen, denn sie habe über 15 Jahre keine positiven Ergebnisse erwirtschaftet. Unerheblich sei dagegen, ob die Zivilgerichte eine Verletzung von Aufklärungspflichten beim Erwerb verneint hätten.
- Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als darin die Änderung des Feststellungsbescheids vom 02.05.2014 abgelehnt worden ist und diesen Bescheid dahingehend zu ändern, dass für ihn Sonderwerbungskosten in Höhe von 2.570,32 € festgestellt werden,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
BFH IX R 18/20
- Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen. - Das FA meint, die Aufwendungen des Klägers seien nicht durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst gewesen und könnten deshalb auch nicht als Sonderwerbungskosten abgezogen werden. Nach Auffassung des FA besteht kein Zusammenhang zwischen der Einlageleistung/Rückzahlung der Einlage und den auf Ebene der Gesellschaft bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abgezogenen Absetzungen für Abnutzung (AfA) und Sonder-AfA.
- Zwar würden die AfA aus den Anschaffungskosten abgeleitet, eine konsequente Trennung zwischen Vermögenssphäre und Einkünfteerzielung sei jedoch nicht erfolgt. Die Einlageleistung habe beim Kläger nicht zu Werbungskosten geführt; ihre Erstattung führe deshalb auch nicht zu negativen Werbungskosten.
- Werbungskosten seien nur die laufenden Aufwendungen (der Gesellschaft); diese seien aber im Zivilprozess nicht geltend gemacht worden. Wäre das geschehen, hätten auch steuerlich sämtliche Verlustzuweisungen rückgängig gemacht werden müssen.
- Auch das sei nicht geschehen. Für die AfA gelte nichts anderes. Zwar wirke sich die Einlageleistung mittelbar anteilig auf die AfA-Bemessung aus, es fehle aber an einer konsequenten Trennung der Vermögens- von der Einkünfteebene.
- Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass er sich aus einer gescheiterten Investition habe lösen wollen. Zumindest könne es ihm nicht darum gegangen sein, weitere Zahlungen zu vermeiden, denn nach Leistung seiner Einlage habe er als Kommanditist keine Nachzahlungen gewärtigen müssen.
- Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.