Einziehung von Geschäftsanteilen – prozentuale Beteiligung der verbleibenden Geschäftsanteile – OLG München 31 Wx 16/22

April 19, 2024

Einziehung von Geschäftsanteilen – prozentuale Beteiligung der verbleibenden Geschäftsanteile – OLG München 31 Wx 16/22

Inhaltsverzeichnis RA und Notar Krau:

  1. Tenor
    • Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts München vom 09.12.2021
    • Anweisung an das Registergericht zur Aufnahme der Gesellschafterliste
  2. Gründe
    1. Sachverhalt und Vorgeschichte
      • Eintragung der Beschwerdeführerin im Handelsregister
      • Einziehung von Geschäftsanteilen 2016 ohne Aufstockung der Nennwerte
      • Einreichung der Gesellschafterliste im Dezember 2021
      • Ablehnung der Aufnahme durch das Amtsgericht München
      • Begründung des Amtsgerichts zur Berechnung der Beteiligungsquoten
      • Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des Amtsgerichts
      • Aufstockung der Nennwerte Anfang 2022 und Übersendung einer aktualisierten Gesellschafterliste
    2. Rechtliche Würdigung
      • Erfolg der zulässigen Beschwerde
      • Fortbestehende Rechteverletzung gemäß § 59 Abs. 1 FamFG
      • Pflicht zur Übersendung der historischen Gesellschafterliste gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG
      • Bestimmung der prozentualen Beteiligung gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG
      • Wortlaut und Gesetzesbegründung zur Berechnung der Beteiligungsquoten
      • Vergleich mit der Anwachsung in Personengesellschaften
  3. Kostenentscheidung
    • Keine Veranlassung zur Kostenentscheidung und Geschäftswertfestsetzung

Zum Entscheidungstext:


Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts München – Registergericht vom 09.12.2021 (HRB 223341 – Fall 6) wird aufgehoben.

Das Registergericht wird angewiesen, die Aufnahme der Gesellschafterliste vom 15.09.2016 in das Handelsregister nicht aus den im Beschluss vom 09.12.2023 genannten Gründen zu versagen.


Einziehung von Geschäftsanteilen – prozentuale Beteiligung der verbleibenden Geschäftsanteile – OLG München 31 Wx 16/22 – Gründe


I.

Die Beschwerdeführerin ist im Handelsregister eingetragen.

Im Jahr 2016 wurden Geschäftsanteile eingezogen, ohne die Nennwerte der verbleibenden Geschäftsanteile aufzustocken.

Ende 2021 reichte die Beschwerdeführerin eine auf den 15.01.2016 datierte Gesellschafterliste zur Dokumentation dieser Einziehung beim Handelsregister ein.

In dieser Gesellschaftsliste bleibt die Summe der Nennbeträge der verbliebenen Geschäftsanteile hinter dem Stammkapital zurück, und die Beteiligungsquoten der verbliebenen Geschäftsanteile wurden als Verhältnisse des jeweiligen Nennwerts zur Summe der Nennwerte aller Geschäftsanteile berechnet.

Das Amtsgericht München – Registergericht lehnte mit Beschluss vom 09.12.2021 (HRB 223341 – Fall 6) die Aufnahme dieser Gesellschafterliste in das Handelsregister ab.

Die Beteiligungsquote eines Geschäftsanteils müsse als Verhältnis seines Nennwerts zum Stammkapital berechnet werden, da eine Einziehung von Geschäftsanteilen keine Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaftsanteilen bewirke.

Die Beschwerdeführerin legte gegen diesen Beschluss, der ihr am 14.12.2021 zugestellt wurde, Beschwerde ein.

Die Beteiligungsquote eines Geschäftsanteils spiegele dessen wirtschaftliche Beteiligung an der Gesellschaft wieder.

Diese Beteiligung verändere sich infolge einer Einziehung und sei deshalb in Bezug auf die Summe der Nennwerte der verbleibenden Geschäftsanteile zu berechnen.

Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab.

Anfang 2022 wurden die Nennwerte der vorhandenen Geschäftsanteile aufgestockt und eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister übersandt.


II.

Einziehung von Geschäftsanteilen – prozentuale Beteiligung der verbleibenden Geschäftsanteile – OLG München 31 Wx 16/22

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Beschwerde ist prozessual nicht überholt, da die Beschwerdeführerin durch die Entscheidung des Registergerichts weiterhin im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG in ihren Rechten verletzt ist.

Die Übersendung der aktuellen Gesellschafterliste ließ die Pflicht gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG zur Übersendung der Gesellschafterliste vom 15.01.2016 nicht entfallen, da der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, Informationen über vorangegangene Gesellschafterverhältnisse aus der Abfolge historischer Gesellschafterlisten entnehmen zu lassen

(vgl. BeckOK GmbHG/Heilmeier, 57. Ed., § 40 GmbHG, Rn. 9).

Die Beschwerde ist begründet, weil die prozentuale Beteiligung der Geschäftsanteile am Stammkapital gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG bezüglich der Summe der Nennwerte der Geschäftsanteile zu bestimmen ist.

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift.

Dieser spricht ausdrücklich von der durch den Nennbetrag eines Geschäftsanteils vermittelten prozentualen Beteiligung am Stammkapital und nicht von dessen prozentualer Beteiligung am Stammkapital.

Gleiches ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung.

Dort heißt es: „Die Beteiligungsquote ergibt sich im Verhältnis des betreffenden Nennbetrags zu den Nennbeträgen der anderen Geschäftsanteile“ (vgl. BT-Drs. 18/11555, S. 174).

Damit bewirkt die Einziehung, dass ein zuvor existierender Geschäftsanteil nicht mehr dem bisher Berechtigten zusteht, sondern eine anteilige Veränderung der Beteiligungsquoten der übrigen Gesellschafter bewirkt, die zwar nicht rechtlich, wohl aber im Ergebnis der „Anwachsung“ des Anteils an einer Personengesellschaft entspricht

(vgl. BGH vom 20.11.2018 – II ZR 12/17, Rn. 30).


III.

Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde ist eine Kostenentscheidung (§ 25 Abs. 1 GNotKG) und eine Geschäftswertfestsetzung nicht veranlasst.

Einziehung von Geschäftsanteilen – prozentuale Beteiligung der verbleibenden Geschäftsanteile – OLG München 31 Wx 16/22

Rechtsanwalt Andreas Krau

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Nachtragsliquidator

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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