BFH II B 110/16

September 3, 2017

BFH II B 110/16 Verzinsung von hinterzogenem Solidaritätszuschlag – Zur Übertragung eines Rechtsstreits auf einen Einzelrichter gem. § 6 FGO

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2016  1 K 9084/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe BFH II B 110/16

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Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen, soweit sie überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt wurden, nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
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a) Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich bedeutsam, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Eine Rechtsfrage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, wenn sie sich ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes beantworten lässt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu entscheiden ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 9. September 2015 II B 28/15, BFH/NV 2015, 1668, Rz 3).

BFH II B 110/16

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b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger diese Voraussetzungen in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise schlüssig dargelegt hat. Jedenfalls ist die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig.
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aa) Nach Auffassung des Klägers ist klärungsbedürftig, ob auf den hinterzogenen Solidaritätszuschlag Hinterziehungszinsen nach § 235 der Abgabenordnung (AO) festzusetzen sind. Da es sich bei dem Solidaritätszuschlag um eine Ergänzungsabgabe und nicht um eine Steuer handle, sei er nicht vom Anwendungsbereich des § 235 AO erfasst.
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bb) Diese Rechtsfrage kann indes ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes beantwortet werden und ist offensichtlich so zu entscheiden, wie es das FG getan hat. Wie durch das FG ausgeführt, ist § 235 AO auf Steuern i.S. des § 3 Abs. 1 AO anwendbar; sind diese hinterzogen worden, sind sie nach dieser Vorschrift zu verzinsen. Der BFH hat bereits entschieden, dass es sich bei dem Solidaritätszuschlag um eine (gesondert neben der Einkommen- und der Körperschaftsteuer) zu erhebende Steuer handelt (vgl. z.B. Urteil vom 21. Juli 2011 II R 52/10, BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 11). Wird er hinterzogen, ist er daher –wie durch das FG entschieden– nach § 235 AO zu verzinsen. Die Rechtslage ist insoweit eindeutig. Die durch den Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bedarf keiner Klärung.
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2. Auch soweit der Kläger Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend macht, kann dahinstehen, ob er deren Voraussetzungen in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise schlüssig dargelegt hat. Denn sie liegen weder vor noch kann das Urteil auf ihnen beruhen.
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a) Wenn der Kläger rügt, durch die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter (§ 6 FGO) ohne seine vorherige Anhörung und entgegen seines Antrags vom 16. Juni 2015 sei er in seinem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes –GG–) verletzt worden, liegt kein Verfahrensmangel vor. Die Übertragung bedarf keiner vorherigen Anhörung der Beteiligten (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Januar 2009 VIII B 78/08, BFH/NV 2009, 779). Ein Einverständnis der Beteiligten mit der Übertragung ist ebenso wenig erforderlich (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juli 2003 XI B 202/02, BFH/NV 2003, 1541, unter 1.).

BFH II B 110/16

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Außerdem verletzt die Übertragung auf den Einzelrichter auch nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 119 Nr. 1 FGO). Der Beschluss nach § 6 Abs. 1 FGO ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar und kann regelmäßig auch im Rechtsmittelverfahren nicht überprüft werden. Eine Besetzungsrüge mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 FGO für eine Übertragung auf den Einzelrichter hätten nicht vorgelegen, kann deshalb nur ausnahmsweise Erfolg haben, so etwa dann, wenn sich die Übertragung auf den Einzelrichter als “greifbar gesetzeswidrig” erweist (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2006 IX B 9/06, BFH/NV 2007, 447, unter 2.). Das Vorliegen einer solchen Ausnahme hat der Kläger nicht dargelegt.
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b) Die Nichteinräumung einer im Termin zur mündlichen Verhandlung von dem Kläger beantragten Schriftsatzfrist verletzt nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG).

Ausweislich des Protokolls über den Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. November 2016 beantragte der Kläger keinen Schriftsatznachlass, um auf ein neues Vorbringen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) reagieren zu können (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2012 VI B 135/12, BFH/NV 2013, 569), sondern um auf von Seiten des Gerichts genannte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des BFH zur Einordnung des Solidaritätszuschlags als Steuer vorzutragen. Die rechtliche Einordnung des Solidaritätszuschlags bildete jedoch die Kernfrage des Rechtsstreits. Daher konnte von dem sachkundigen Kläger erwartet werden, dass er sich hierzu bereits vor der mündlichen Verhandlung vorbereitete.

11
Im Übrigen ist die Entscheidung des FG materiell rechtmäßig.
12
3. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 135 Abs. 2 FGO.
13
4. Die Entscheidung ergeht im Übrigen gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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