BGH IV ZR 328/20

September 18, 2022

BGH IV ZR 328/20, Urteil vom 29.09.2021

Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Die Klägerin, Pflichtteilsberechtigte nach ihrem Vater, verlangte vom Beklagten, dem testamentarischen Erben, die Ermittlung des Wertes eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks.

Der Beklagte hatte das Grundstück nach dem Erbfall veräußert.

Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Wertermittlung.

Das Oberlandesgericht änderte das Urteil ab und wies die Klage ab, da die Klägerin kein schutzwürdiges Interesse an der Wertermittlung mehr habe.

Zentraler Streitpunkt:

BGH IV ZR 328/20

  • Wertermittlungsanspruch: Hat der Pflichtteilsberechtigte auch dann einen Anspruch auf Wertermittlung eines Nachlassgegenstandes, wenn dieser vom Erben nach dem Erbfall veräußert wurde?

Entscheidung des Gerichts:

Der BGH hob das Urteil des OLG Dresden auf und änderte das Urteil des Landgerichts ab.

Der Beklagte wurde zur Wertermittlung verurteilt.

Begründung:

  • Anspruch auf Wertermittlung: Der BGH stellte klar, dass der Pflichtteilsberechtigte gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Wertermittlung der Nachlassgegenstände hat. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn der Nachlassgegenstand vom Erben nach dem Erbfall veräußert wurde.
  • Schutzwürdiges Interesse: Der Pflichtteilsberechtigte hat ein schutzwürdiges Interesse an der Wertermittlung, um das Risiko eines Rechtsstreits über den Pflichtteil besser beurteilen zu können. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Veräußerungserlös des Nachlassgegenstandes möglicherweise nicht dem tatsächlichen Verkehrswert entspricht.

BGH IV ZR 328/20

  • Veräußerung des Nachlassgegenstandes: Die Veräußerung des Nachlassgegenstandes durch den Erben steht dem Anspruch auf Wertermittlung nicht entgegen. Der Pflichtteilsberechtigte soll die Möglichkeit haben nachzuweisen, dass der Veräußerungserlös nicht dem tatsächlichen Wert entspricht.
  • Kosten der Wertermittlung: Die Kosten der Wertermittlung fallen nach § 2314 Abs. 2 BGB dem Nachlass zur Last.
  • Keine Bindung an den Veräußerungserlös: Der BGH stellte klar, dass die Rechtsprechung zur Wertbemessung nach § 2311 BGB (gemeiner Wert im Zeitpunkt des Erbfalls) nicht auf den Wertermittlungsanspruch nach § 2314 BGB anzuwenden ist.

Besonderheiten:

  • Unterschiedliche Wertangaben: Im vorliegenden Fall lagen bereits mehrere Gutachten zum Wert des Grundstücks vor, die stark differierende Werte auswiesen. Dies sprach für ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Wertermittlung.
  • Kein Anspruch auf öffentlich bestellten Sachverständigen: Der BGH stellte klar, dass der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch darauf hat, dass die Wertermittlung durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erfolgt.
  • Wertermittlung des Miterbenanteils: Da das Grundstück im Miteigentum des Erblassers stand, erstreckt sich der Wertermittlungsanspruch nur auf den Anteil des Erblassers an der Erbengemeinschaft.

BGH IV ZR 328/20

Fazit:

Der BGH hat entschieden, dass der Pflichtteilsberechtigte auch dann einen Anspruch auf Wertermittlung eines Nachlassgegenstandes hat, wenn dieser vom Erben nach dem Erbfall veräußert wurde.

Die Veräußerung steht dem Anspruch nicht entgegen, da der Pflichtteilsberechtigte die Möglichkeit haben soll, den tatsächlichen Wert des Nachlassgegenstandes zum Zeitpunkt des Erbfalls zu ermitteln.

Zusätzliche Anmerkungen:

  • Die Entscheidung des BGH stärkt die Rechte des Pflichtteilsberechtigten.
  • Der Fall zeigt, dass die Veräußerung eines Nachlassgegenstandes durch den Erben den Pflichtteilsberechtigten nicht daran hindern darf, den Wert des Nachlasses zu ermitteln.
  • Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die Praxis der Nachlassgerichte und die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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