BGH V ZR 66/58

September 16, 2017

BGH V ZR 66/58 – Erbvertrag – Vermächtnis – Bindung – schuldhafte Nichtübertragung des Eigentums an die Klägerin

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. März 1958 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand BGH V ZR 66/58

Der am 17. Oktober 1954 verstorbene Erblasser der Beklagten, Lithograph Heinrich K.‚ war Eigentümer des Hausanwesens F. S.-Straße … in S. und des dazugehörigen Gemüsegartens.

Am 17. Oktober 1950 schloß er mit der Klägerin, einer langjährigen Nachbarin, über diese Grundstücke folgenden notariellen Vertrag:

“Erbvertrag

………

  • 1

Ich, Heinrich K. räume nach meinem Tode der Helene Sch. das Recht ein, meine Grundstücke … um den gemeinderätlichen Schätzwert käuflich zu übernehmen.…

  • 2

Ich, Helene Sch., nehme dieses eingeräumte Übernahmerecht hiermit an, wobei mir die Ausübung des Übernahmerechts vorbehalten bleibt. …”

Am 8. März 1951 erklärte er notariell die Anfechtung dieses Vertrags wegen Irrtums. Durch notariellen Vertrag mit der Klägerin vom 12. Februar 1952 erklärte er die Anfechtung für ungültig und bestätigte den Vertrag von 1950 seinem ganzen Inhalte nach.

Kurz vor seinem Tode, am 24. September 1954, verkaufte er den Grundbesitz durch notariell beurkundeten Vertrag zum Preise von 30 000 DM an die als seine Mieter in dem Hause wohnenden Eheleute Herbert und Ingeborg F. Kurz nach seinem Tode, im November 1954, wurden die Grundstücke durch eine von beiden Vertragsparteien bevollmächtigte Notariatsangestellte auf die Käufer aufgelassen und im Grundbuch auf sie umgeschrieben.

BGH V ZR 66/58

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch, und zwar in Höhe von 5 700 DM (Unterschied zwischen dem angeblichen Verkaufswert von 30 100 DM und dem vom Gemeinderat geschätzten Wert von 24 400 DM) sowie ursprünglich in Höhe von weiteren 129,10 DM (Kosten für Erbvertrag und Schätzung). Sie hält die Beklagten zum Ersatze dieser Beträge für verpflichtet, weil sie sowohl als Erben für vertragswidrigen Verkauf des Grundbesitzes durch den Erblasser einstehen müßten als auch in eigener Person für schuldhafte Nichtübertragung des Eigentums an die Klägerin zum Schätzwerte. Im übrigen habe der Erblasser durch den Abschluß des Kaufvertrages mit den Eheleuten F. in der Absicht gehandelt, die Klägerin zu beeinträchtigen.

Die Klägerin hatte in beiden Rechtszügen keinen Erfolg.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch unter Ermäßigung auf den Hauptbetrag (5 700 DM) weiter. Die Beklagten bitten um Verwerfung fürsorglich um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

A.

Die Revision ist zulässig, weil sie vom Oberlandesgericht zugelassen ist (§ 546 Abs. 1 Fall 1 ZPO). Die Wirksamkeit dieser Zulassung wird entgegen der Auffassung der Revisionsbeklagten nicht dadurch in Frage gestellt, daß sie unter anderem damit begründet wurde, über die Frage, ob § 2169 Abs. 4 BGB auch für das (erb)vertragliche Vermächtnis gelte, liege – soweit ersichtlich – noch keine höchstrichterliche Entscheidung vor. Auch wenn diese Annahme im Hinblick auf die kurz nach dem Berufungsurteil ergangene (damals wohl noch nicht veröffentlichte) Entscheidung BGHZ 26, 274 objektiv unzutreffend gewesen sein sollte – was dahingestellt bleiben kann -‚ wäre das unschädlich.

Denn tragend für die Revisionszulassung war ersichtlich weniger diese Erwägung als die schon räumlich vor ihr und unabhängig von ihr ohne Einschränkung gegebene Hauptbegründung, die genannte Frage des § 2169 Abs. 4 BGB sei von grundsätzlicher Bedeutung. Diese Begründung trifft zu und rechtfertigt die Revisionszulassung. Die Unwirksamkeit einer solchen Zulassung ist, wenn überhaupt, nur in ganz besonders liegenden Ausnahmefällen anzuerkennen (vgl. BGH in LM Nr. 4, 9, 11, 29, 32 zu § 546 ZPO); ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor.

BGH V ZR 66/58

Daß die hiernach zulässige Revision die allgemeine Nachprüfung des Berufungsurteils ohne Beschränkung auf die zum Anlaß der Zulassung gemachte Rechtsfrage (hier die des § 2169 Abs. 4 BGB) eröffnet, entspricht anerkannter Rechtsauffassung und wird auch von den Revisionsbeklagten nicht in Zweifel gezogen.

B.

Das Berufungsgericht verneint in Übereinstimmung mit dem Landgericht eine nach § 1967 BGB auf die Beklagten übergegangene Schadensersatzpflicht des Erblassers, weil dieser durch den Grundstücksverkauf vom Oktober 1954 nicht gegen die Vereinbarung von 1950/52 als reinen Erbvertrag verstoßen habe. Es verneint eine Schadensersatzpflicht der Beklagten aus eigener Pflichtverletzung, weil das Vermächtnis der Klägerin durch den späteren Grundstücksverkauf an die Eheleute F. nach § 2169 BGB unwirksam geworden sei; auch ein Wertersatzanspruch entsprechend § 2169 Abs. 3 BGB sei mangels dahingehenden Parteiwillens nicht gegeben. Das Berufungsgericht verneint schließlich Ansprüche aus § 2288 BGB; weil die dort geforderte Beeinträchtigungsabsicht nicht nachgewiesen sei.

Die Revisionsangriffe gegen das Urteil sind unbegründet.

C.

a) Das Gesetz unterscheidet grundsätzlich zwischen Rechtsgeschäften (Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften) unter Lebenden und Rechtsgeschäften (Verfügungen) von Todes wegen; jene erzeugen Rechte oder Pflichten bereits bei Lebzeiten des Erklärenden (Erblassers), diese erst bei seinem Tod. Die Verfügungen von Todes wegen sind im Regelfall des normalen Testaments frei widerruflich (§ 2253 BGB). In den Ausnahmefällen des gemeinschaftlichen Testaments (unter besonderen Voraussetzungen) und des Erbvertrags sind sie bindend (§§ 2271 Abs. 2, 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB).

BGH V ZR 66/58

Diese Bindung bedeutet jedoch grundsätzlich nur eine Bindung von Todes wegen, nicht auch unter Lebenden (§ 2286 BGB, der anerkanntermaßen für das gemeinschaftliche Testament entsprechend gilt, Entscheidungen des erkennenden Senats in DNotZ 1951, 343, 345 sowie V ZR 29/58 vom 22. Oktober 1958, auszugsweise mitgeteilt in BWNotZ 1959, 205/6): der Verfügende (Erblasser) kann keine von der früheren Verfügung (Ersatzgeschäft) abweichenden Rechtsgeschäfte (Zweitgeschäfte) von Todes wegen vornehmen (insbesondere nicht Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auflage, Teilungsanordnung);

dagegen ist er an Zweitgeschäften unter Lebenden grundsätzlich nicht gehindert, auch wenn sie den Zuwendungsgegenstand des Erstgeschäfts berühren; er kann trotz bindender Erbeinsetzung sein Vermögen oder Teile davon, trotz bindender Vermächtnisanordnung den vermachten Gegenstand zu seinen Lebzeiten veräußern oder belasten, oder sich hierzu verpflichten, ohne dadurch auch nur schuldrechtliche Pflichten aus dem Erstgeschäft zu verletzen, denn solche Pflichten (etwa zur ordnungsmäßigen Verwaltung oder auch nur zur Erhaltung des Zuwendungsgegenstands für den Erstbedachten) werden durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament nicht begründet (RG SeuffA 77 Nr. 60; BGHZ 8, 23, 30; Kipp/Coing, Erbrecht 10. Bearb. § 34 I, III Anfang; BGB RGRK 10. Aufl. Vorbem. 3 vor § 2274).

Nur für den Fall der absichtlichen Beeinträchtigung des vertragsmäßigen Erben oder Vermächtnisnehmers gibt das Gesetz dem bindend Bedachten in gewissem Umfang schuldrechtliche Ausgleichsansprüche gegen den Erben oder den Zweitbedachten (§§ 2287, 2288 BGB, die ebenfalls für das gemeinschaftliche Testament entsprechend gelten). Von diesem Ausnahmefall abgesehen ist also nach dem Grundgedanken des Gesetzgebers die Bindung einer Verfügung von Todes wegen gegenständlich auf dasjenige Vermögen beschränkt, das der Erblasser bei seinem Tod hinterläßt; in welchem Umfang er Vermögen hinterläßt, darüber hat er, solange er lebt, trotz der bindenden Verfügung von Todes wegen volle Entschließungsfreiheit.

b) Für das Vermächtnis eines bestimmten Gegenstands ordnet § 2169 BGB – vorbehaltlich eines ausnahmsweise abweichenden Parteiwillens – an, daß es dann unwirksam ist, wenn der vermachte Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört. Das gilt unbestritten auch für den Fall, daß der vermachte Gegenstand zur Zeit der Vermächtnisanordnung zum Vermögen des Erblassers gehörte und sein späteres Ausscheiden daraus auf einem nachträglichen Willensakt des Erblassers, insbesondere einer Veräußerung beruht (Planck/Flad, BGB 4. Aufl. § 2169 Anm. 2 b; RGRK BGB 10. Aufl. § 2169 Anm. 1 Ende).

BGH V ZR 66/58

Dieser Vorschrift liegt nach richtiger Auffassung nicht der Gedanke eines nachträglichen stillschweigenden Widerrufs des Vermächtnisses zugrunde (vgl. zur ademptio legati: Mot. z. BGB V 153; allerdings auch Prot. V 6904/5 zum jetzigen § 2172 BGB sowie Planck/Flad aaO § 2169 Anm. 2 b mit § 2172 Anm. 2, ferner Kipp/Coing aaO § 52 I), sondern der Gedanke eines schon von vornherein (zur Zeit der Vermächtnisanordnung) dahingehenden (mindestens hypothetischen) Parteiwillens. (Daran, daß es nur auf den Parteiwillen zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts, nicht auf eine spätere Willensänderung ankommen kann, muß für § 2169 BGB ebenso wie für andere Auslegungsregeln auch des Erbrechts gegenüber den eingehenden, aber nicht überzeugenden Ausführungen von Foer, AcP 153, 492, 505 ff festgehalten werden; vgl. für § 2077 BGB das Senatsurteil V ZR 97/58 vom 6. Mai 1959, Betrieb 1959, 790).

Die Regelung des § 2169 BGB beruht ebenfalls auf dem Grundsatz der Entschließungsfreiheit des Erblassers. Diese Entschließungsfreiheit erstreckt sich allerdings im Normalfall des Testaments, für den § 2169 BGB unmittelbar gilt, wegen dessen Widerruflichkeit sowohl auf widersprechende Zweitgeschäfte unter Lebenden als auch auf solche von Todes wegen. Im Hinblick auf widersprechende Zweitgeschäfte von Todes wegen ergibt sich jedoch für den normalen Testamentsfall die Unwirksamkeit des Vermächtnisses bereits aus § 2253 BGB. Infolgedessen beschränkt sich die Bedeutung des § 2169 BGB nicht nur nach seinen Wortlaut, sondern auch nach seinem Sinn auf die Fälle widersprechender Zweitgeschäfte unter Lebenden.

Für Zweitgeschäfte unter Lebenden besteht aber, wie oben (a) dargelegt, nach § 2286 BGB Entschließungsfreiheit des Erblassers auch gegenüber unwiderruflichen Erstverfügungen von Todes wegen (Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament). Infolgedessen steht die Regelung des § 2169 BGB mit der Bindungswirkung von Erbvertrag und gemeinschaftlichem Testament nicht im Widerspruch, sondern völlig im Einklang. Daraus ergibt sich, daß § 2169 BGB nicht nur – unmittelbar – für das (normalerweise widerrufliche) testamentarische Vermächtnis gilt, sondern auch – über § 2279 Abs. 1 BGB – für das erbvertragliche Vermächtnis und ebenso auch für das Vermächtnis in einem bindenden gemeinschaftlichen Testament (im Ergebnis ebenso: BGHZ 12, 115, 118; 26, 274, 279; Johannsen bei LM Nr. 1 zu § 2169 BGB und LM Nr. 6 zu § 2271 BGB;

ferner die Erläuterungsbücher bei Erörterung des § 2288 BGB, der als Ergänzung oder Modifikation des sonst nach § 2169 BGB allzu schutzlosen Vermächtnisnehmers bezeichnet wird: Staudinger/Herzfelder, BGB 9. Aufl. § 2169 Anm. 3 und § 2279 Anm. 1; Kregel in RGRK aaO § 2288 Anm. 1 a und 1; die Aufzählung der nach § 2279 BGB entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Testamentsrechts in RGZ 67, 66 und dem folgend in einem Teil der Erläuterungsbücher ist ersichtlich nicht vollständig gemeint – so ausdrücklich Palandt/Rechenmacher, BGB, 18. Aufl. § 2279 Anm. 1: “insbesondere” -‚ die dortige Nichterwähnung des § 2169 BGB steht daher der Einbeziehung dieser Vorschrift in § 2279 BGB nicht entgegen).

Dabei macht es entgegen der Auffassung der Revision keinen Unterschied, ob Vermächtnisnehmer ein Dritter oder der Erbvertragsgegner selbst ist; denn die dargelegte Entschließungsfreiheit des Erblassers besteht auch und gerade dem Vertragspartner gegenüber.

BGH V ZR 66/58

Von diesem Standpunkt aus bestehen auch gegen die Anwendung von Abs. 4 des § 2169 BGB auf erbvertragliche oder in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltene) Vermächtnisse keinerlei Bedenken. Auch diese Bestimmung ist ein Ausfluß der Entschließungsfreiheit des Erblassers unter Lebenden. Sie erstreckt die aus ihr abgeleitete gesetzliche Vermutung (Abs. 1), daß nicht (mehr) im Nachlaß befindliche Gegenstände (von vornherein) nicht vermacht werden sollten, auf den Fall, daß das Ausscheiden des Gegenstands aus dem Erblasservermögen zur Zeit des Erbfalls zwar schuldrechtlich eingeleitet, aber noch nicht dinglich vollzogen ist.

Auch diese Auslegungsregel hält sich durchaus im Rahmen der Entschließungsfreiheit des Erblassers unter Lebenden, die nach § 2286 BGB auch gegenüber bindenden Erstverfügungen von Todes wegen gewahrt bleibt. Infolgedessen ist nach § 2279 BGB die Anwendung auch des § 2169 Abs. 4 BGB auf Erbverträge (und entsprechend auf gemeinschaftliche Testamente) geboten.

Hiernach kommt es bei einander widersprechenden Geschäften sowohl hinsichtlich des Erst- wie des Zweitgeschäfts darauf an, ob es ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder ein Rechtsgeschäft von Todes wegen darstellt.

a) Das Erstgeschäft läßt dem Erblasser nur dann Entschließungsfreiheit unter Lebenden, wenn es sich dabei um eine Verfügung von Todes wegen und nur um eine solche handelt.

Es ist möglich, daß sich der Erblasser nicht nur (erbvertraglich) von Todes wegen, sondern außerdem auch noch unter Lebenden bindet. Er kann nämlich durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zwar nicht mit dinglicher Wirkung seine Befugnis zur Verfügung unter Lebenden beschränken (§ 137 Satz 1 BGB), aber sich schuldrechtlich verpflichten, eine Verfügung unter Lebenden zu unterlassen (§ 137 Satz 2 BGB; vgl. Mot. z. BGB V 327; Planck/Greiff, BGB 4. Aufl. § 2286 Anm. 2; Staudinger/Herzfelder aaO § 2285 Anm. 2; Pritsch in LM Nr. 2 zu § 883 BGB); die schuldhafte Verletzung einer solchen Pflicht könnte nach allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts einen Schadensersatzanspruch bereits gegen den Erblasser begründen.

Zu einer solchen schuldrechtlichen Verpflichtung bedarf es eines Vertrags (§ 305 BGB), der normalerweise keine Form benötigt (vgl. RGZ 72, 16; Gruch 49, 615, 625; RGRK § 311 Anm. 1 und § 315 Anm. 1) und daher auch stillschweigend abgeschlossen werden kann; ob für ihn bei Verbindung mit einem Erbvertrag der vorliegenden Art die Form des § 313 BGB erforderlich werden könnte, braucht hier nicht entschieden zu werden.

BGH V ZR 66/58

Ob neben der erbvertraglichen Bindung auch ein derartiges Verpflichtungsgeschäft unter Lebenden abgeschlossen wurde, bedarf in jedem Einzelfalle sorgfältiger Prüfung, insbesondere nach der Richtung, ob die Parteien des Erbvertrags, auch wenn sie zu Lebzeiten des Erblassers dessen Partner noch kein positives Recht auf den Zuwendungsgegenstand einräumen wollten (sonst wäre es kein Erbvertrag, oben 1 a), doch wenigstens eine negative Bindung dahin zu begründen wünschten, daß der Erblasser auch schon zu seinen Lebzeiten über den Zuwendungsgegenstand nicht anderweitig zu verfügen sich verpflichtete.

Ein solcher (zusätzlicher) Verpflichtungswille kann beim Abschluß des Erbvertrags etwa dann vorliegen, wenn die erbvertragliche Zuwendung den Bedachten nach der Vorstellung der Vertragsparteien während der künftigen Lebenszeit des Erblassers zu irgend einem für diesen günstigen Verhalten veranlassen soll. Andererseits besteht entgegen der mündlich vorgetragenen Auffassung der Revisionsklägerin keine rechtliche oder tatsächliche Vermutung für das Vorliegen eines solchen Verpflichtungsvertrags neben einem Erbvertrag; beweispflichtig dafür ist nach allgemeinen Grundsätzen der Erbvertragsgegner oder der bedachte Dritte, der sich auf eine solche Verpflichtung des Erblassers beruft.

b) Das Zweitgeschäft ist gegenüber einer bindenden Erstverfügung von Todes wegen darin gültig, wenn es Rechtsgeschäft unter Lebenden ist, dagegen dann ungültig, wenn es Rechtsgeschäft von Todes wegen ist. Ob das eine oder andere vorliegt, ist Auslegungsfrage. Eine “Aushöhlung” des Erbvertrags, die nach allerdings umstrittener Auffassung auch ein Zweitgeschäft unter Lebenden ausnahmsweise ungültig machen könnte, ist im vorliegenden Fall nicht gegeben; eine Stellungnahme zu dieser Frage erübrigt sich deshalb hier.

D.

Hiernach haben die Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum die Klage als unbegründet angesehen.

Bindung des Erblassers.

1 a) Im Erstgeschäft (Vereinbarung zwischen Erblasser und Klägerin von 1950, Bestätigung von 1952) sieht das Berufungsgericht eine Verfügung von Todes wegen, nämlich einen Erbvertrag, der ein vertragsmäßiges Vermächtnis zum Inhalt hat (§ 1939 BGB). Diese Auffassung wird von der Revision nicht angegriffen, sie läßt auch keinen Rechtsirrtum erkennen.

BGH V ZR 66/58

Zwar schließt der Umstand, daß ein Recht erst im Todeszeitpunkt praktisch werden soll, die Annahme eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden nicht grundsätzlich aus (BGHZ 8, 23, 30 ff); ob ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder eine Verfügung von Todes wegen vorliegt, hängt davon ab, ob die Beteiligten schon zu Lebzeiten Rechte und Pflichten begründen wollten, auch wenn sie erst beim Tod des einen von ihnen (Erblasser) voll wirksam werden sollten (insbesondere bedingte Rechte, BGHZ aaO), oder ob eine Bindung des Erblassers zu seinen Lebzeiten nicht gewollt war (RG HRR 1930, 1464). Die Entgeltlichkeit der Zuwendung kann für die Annahme eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden sprechen (OLG Hamburg, MDR 1950, 615 und ihm folgend RGRK Vorbem. 3 zu § 2274; siehe dazu jedoch Kipp/Coing, 9. Bearb. § 61 III 2 d und 10. Bearb. § 61 V). Aber letzteres kommt nur dann in Betracht, wenn die Gegenleistung für die Zuwendung des Erblassers vom Partner bereits erbracht ist (so im Falle des OLG Hamburg aaO).

Im vorliegenden Fall trifft das nicht zu; vielmehr sollte die Gegenleistung der bedachten Klägerin, nämlich die Zahlung des Übernahmepreises, selbst ebenfalls erst nach dem Tod des Erblassers erbracht, ja sogar die Verpflichtung dazu erst nach diesem Zeitpunkt (durch Ausübung des Übernahmerechts, unten b) begründet werden. Zugewendet ist zwar das Recht, die Grundstücke gegen Entgelt (Zahlung des Schätzpreises) zu übernehmen; diese Zuwendung selbst (deren wirtschaftlicher Wert insbesondere in dem im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Unterschied zwischen Schätzungspreis und Verkehrswert der Grundstücke besteht) ist aber ohne Entgelt erfolgt.

Nach der von der Revision nicht bekämpften Feststellung des Berufungsgerichts war die Frage, ob der Klägerin ein sofort wirksames Übernahmerecht zukommen oder ob dieses Recht erst mit dem Tod des Erblassers entstehen sollte, vom Notar vor der Beurkundung “klar besprochen” worden; der Notar hatte den Erblasser über die verschiedenen Möglichkeiten belehrt, der Klägerin das Grundstück zukommen zu lassen (Verfügung von Todes wegen, Vorkaufsrecht, Übernahmerecht); nach der Bekundung des Notars entsprach es dem Willen des Erblassers, daß das Recht erst mit dem Tod entstehen sollte, deshalb wurde die Rechtsfigur des Erbvertrags gewählt.

Allerdings kommt es hier, da es sich um einen Vertrag handelt, nicht nur auf den (damaligen) Willen des Erblassers allein an, sondern auch auf den Willen der Klägerin und darauf, wie die beiderseitigen Willensverlautbarungen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von der Gegenseite zu verstehen waren (§ 157 BGB; die Streitfrage, ob diese Bestimmung auch bei vertraglichen Verfügungen von Todes wegen gilt – vgl. Kipp/Coing, § 33 I; Johannsen, Anm. in LM Nr. 3 zu § 2289 BGB; sowie für den Fall des gemeinschaftlichen Testaments BGH IV ZR 4/50 vom 26. April 1951 in NJW 1951, 959, 960, insoweit in BGHZ 2, 35 nicht abgedruckt – kann erst dort auftreten, wo der Charakter des Rechtsgeschäfts als Verfügung von Todes wegen außer Frage steht); und aus den genannten Feststellungen des Berufungsgerichts geht nicht hervor, inwieweit auch die Klägerin an jener Aufklärung und Willensbildung teilgenommen hat (nach dem Zeugnis des Notars besprach dieser sich zunächst mit dem Erblasser allein, die Klägerin wurde erst später zugezogen und in das Besprochene eingeweiht).

BGH V ZR 66/58

Aber das erschüttert nicht die entscheidende Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Vertragsinhalt nicht auf die Begründung eines Rechts der Klägerin schon zu Lebzeiten des Erblassers ging.

Denn dafür spricht maßgebend bereits der Vertragswortlaut, insbesondere seine Bezeichnung als Erbvertrag, worauf auch das Berufungsgericht in erster Linie abhebt; und Anhaltspunkte für einen vom Wortlaut abweichenden Parteiwillen (sei es auch nur der Klägerin allein) sind weder von der Klägerin geltend gemacht, noch ersichtlich.

Das Berufungsgericht hätte in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen können, daß der Erblasser auch von seiner damaligen freundschaftlichen Einstellung zur Klägerin aus keinerlei Anlaß hatte, sich bereits zu seinen Lebzeiten hinsichtlich der Grundstücke zu binden, und daß diese Sachlage ersichtlich auch für die Klägerin erkennbar war.

b) Gegenstand des zugewendeten Vermächtnisses sind die umstrittenen Grundstücke selbst.

Der der Klägerin zugewendete Vermögensvorteil (§ 1939 BGB) bestand allerdings wortlautmäßig in dem Recht, das Grundstück gegen Zahlung des Schätzpreises “käuflich” zu Eigentum zu erwerben. Hierin lag aber vernünftigerweise nicht die bloße Zuwendung des Rechts auf Abschluß eines Kaufvertrags mit den Erben (die ihrerseits nach § 2174 BGB bloß schuldrechtlichen Charakter gehabt hätte), sondern bereits die Zuwendung unmittelbar eines Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums am Grundstück, allerdings mit der aufschiebenden (Potestativ-)Bedingung, daß die bedachte Klägerin nach dem Erbfall vom Übernahmerecht Gebrauch machte und sich zur Zahlung des Übernahmepreises verpflichtete.

BGH V ZR 66/58

Diese Auslegung ist für das Übernahmerecht eines Miterben – soweit es Vermächtnis und nicht Teilungsanordnung ist – als Regel anerkannt (OGHZ 1, 161, 165 = MDR 1949, 287; Boehmer, Anm. ebenda; Erman/Bartholomeyczik, BGB 2. Aufl. § 2048 Anm. 2 a und § 1939 Anm. 4); es muß aber, wenn nicht ausnahmsweise besondere Gründe für eine andere Auslegung sprechen, auch für das Übernahmerecht eines Nichterben gelten (wo Teilungsanordnung ausscheidet).

Das Übernahmerecht ist allerdings ein Gestaltungsrecht; seine Ausübung durch den Übernahmeberechtigten und seine (damit verbundene) Erklärung, sich zur Zahlung des Übernahmepreises zu verpflichten, sind einseitige, empfangs-, aber nicht formbedürftige Willenserklärungen (so mit Recht Boehmer aaO gegenüber der mißverständlichen Formulierung des OGH aaO); Rechtsgrund der Übereignungspflicht ist die Verfügung von Todes wegen (hier der Erbvertrag), Rechtsgrund der Zahlungspflicht die Verpflichtungserklärung der Klägerin (ebenso wohl auch Boehmer aaO).

Wird aber der Übereignungsanspruch bereits durch den Erbvertrag selbst (ohne Zwischenschaltung eines Kaufvertrags) begründet, so sind entgegen der Meinung der Revision die Grundstücke selbst und nicht nur das (zur Erfüllung der Bedingung auszuübende) Gestaltungsrecht Gegenstand des Vermächtnisses; denn das Wesen des Vermächtnisses besteht in nichts anderm als in der Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs des Bedachten auf Leistung des vermachten Gegenstands (§ 2174 BGB), wobei eine Bedingung nicht entgegensteht (vgl. § 2177 BGB).

c) Den Abschluß eines darüber hinausgehenden Rechtsgeschäfts unter Lebenden, wodurch sich der Erblasser gegenüber der Klägerin verpflichtet hätte, über die Zuwendungsgegenstände nicht zu verfügen (§ 137 Satz 2 BGB), hält das Berufungsgericht für nicht erwiesen. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Bejahung einer solchen Unterlassungspflicht in materieller und verfahrensmäßiger Hinsicht überspannt (§§ 133, 157 BGB, § 286 ZPO). Die Rüge ist unbegründet.

Das Berufungsgericht führt aus: Der Erblasser habe wohl in einem Brief vom 9 Februar 1952 an den Ehemann der Klägerin u.a. geschrieben: “… da ja nur davon die Rede war, daß mein Haus Ihnen nicht wegverkauft würde …”. Auch Bezirksnotar E. habe bekundet, daß der Erblasser bei Abschluß des Erbvertrags geäußert habe, von der Heimat trenne man sich nicht, und die Möglichkeit des Hausverkaufs weit von sich gewiesen habe. Bezirksnotar E. habe auch gemeint, daß der Erblasser damals nicht beabsichtigt habe, das Grundstück zu veräußern. Dies allein reiche aber nicht aus zu einer sicheren Feststellung, daß der Beklagte (gemeint: der Erblasser) auf sein Recht, unter Lebenden über die Grundstücke zu verfügen, verzichtet habe.

BGH V ZR 66/58

Der Notar habe selbst zugeben müssen, daß bei den Vertragsverhandlungen “ausdrücklich bestimmt nicht gesagt worden sei”, der Erblasser übernehme eine solche Unterlassungspflicht, sowie dass der Erblasser “einen ausdrücklichen Verzicht, das Grundstück nicht zu verkaufen, nicht abgegeben habe”.

Diese Würdigung läßt entgegen der Auffassung der Revision keinen Rechtsirrtum erkennen.

Was die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen anlangt, so gibt das Berufungsurteil keinen Anhaltspunkt dafür, daß das Oberlandesgericht an die Möglichkeit des formlos-stillschweigenden Abschlusses einer solchen Vereinbarung – seine rechtliche Wirksamkeit einmal unterstellt (vgl. oben C 2 a) – nicht gedacht hätte; die – übrigens nur als Inhalt der Zeugenaussage des Notars wiedergegebenen – Ausführungen darüber, daß eine ausdrückliche Verpflichtung nicht übernommen worden sei, werden nicht als Hauptbegründung gebracht, sondern nur anhangsweise und erst im Anschluß an die schon unmittelbar zuvor getroffene Würdigung des Gesamtsachverhalts dahin, er reiche zu einer sicheren Feststellung einer solchen Verpflichtung (“Verzicht”) nicht aus.

Was die Auslegung des vom Notar bezeugten Verhaltens des Erblassers im übrigen anlangt, so verkennt die Revision den Unterschied zwischen dem tatsächlichen Willen zur Unterlassung und dem rechtsgeschäftlichen Willen, sich zur Unterlassung zu verpflichten; nur für jenen, nicht für diesen ergibt das festgestellte Verhalten des Erblassers wesentliche Anhaltspunkte. Allerdings ist auch hier, wo ausschließlich ein Vertrag unter Lebenden in Frage steht, wiederum ausschlaggebend nicht auf den inneren Willen des einen oder anderen Teils abzustellen, sondern darauf, wie das beiderseitige Verhalten vom jeweils anderen Teil verkehrsüblich zu verstehen war (§ 157 BGB); aber auch hier ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht dies verkannt hätte.

Schließlich ist auch eine Verletzung des § 286 ZPO nicht erkennbar. Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Beweisergebnisses nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei, und im Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Diesen Verpflichtungen ist das Oberlandesgericht nachgekommen.

Es ist anerkannten Rechts, daß es für eine einwandfreie Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Berufungsgericht keineswegs eines ausdrücklichen Eingehens auf jedes einzelne Vorbringen der Partei oder auf jede einzelne Zeugenaussage sowie einer ausdrücklichen Auseinandersetzung damit bedarf, wenn sich nur ergibt, daß eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat (vgl. BGHZ 3, 162, 175).

BGH V ZR 66/58

Es ist weder von der Revision im einzelnen angegeben noch sonst erkennbar, daß das Berufungsgericht einen Teil der Aussagen etwa der Klägerin oder des genannten Zeugen oder sonstigen Streitstoff übersehen oder sie nicht im Zusammenhang gewürdigt hätte.

Nach der an anderer Stelle getroffenen und von der Revision nicht beanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts war das Motiv zum Abschluß des Erbvertrags für den Erblasser, daß sich die Klägerin des Erblassers längere Zeit angenommen und ihm beim Wiederaufbau seines Hauses etwas geholfen hatte, und vor allem, daß er der mit ihrer Familie in Streit lebenden Klägerin nach seinem Tod einen ruhigen Lebensabend in seinem Haus ermöglichen wollte; also Dankbarkeit für frühere Hilfeleistung der Klägerin und Gefälligkeit, nicht etwa die Erwartung künftiger Leistungen der Klägerin, was ein Anzeichen für den genannten Verpflichtungswillen hätte sein können.

Sonach bleibt nur ein verfahrensrechtlich unzulässiger Angriff gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung übrig.

Unter diesen Umständen ist zwar richtig, aber unerheblich, daß die Auffassung der Vertragsparteien selbst und nicht eine etwa abweichende Auffassung des beurkundenden Notars entscheidend ist, sowie daß der Erblasser an eine einmal begründete Unterlassungspflicht gebunden gewesen wäre.

Liegt hiernach im Verhältnis zwischen Erblasser und Klägerin lediglich eine Verfügung von Todes wegen vor, so bestand zu Lebzeiten des Erblassers weder ein Recht für die Klägerin (BGHZ 12, 115), noch eine Beschränkung für ihn selbst, was Rechtsgeschäfte unter Lebenden anlangt. Die Bindung des Erblassers erschöpfte sich darin, daß er keine widersprechenden Verfügungen von Todes wegen treffen konnte (§ 2289 BGB). Unter Lebenden konnte er über den Zuwendungsgegenstand nicht nur dinglich wirksam verfügen (§ 2286 BGB), sondern ihn traf auch keine bloß schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber der Klägerin, den Zuwendungsgegenstand für sie ordnungsmäßig zu verwalten oder auch nur überhaupt zu erhalten. Ein anderweitiges Zweitgeschäft unter Lebenden stellte daher keine Verletzung des Erbvertrages dar und erzeugte infolgedessen keine Schadensersatzpflicht, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt.

BGH V ZR 66/58

Die Vereinbarung zwischen dem Erblasser und den Eheleuten F. vom September 1954 war nach ihrem eindeutigen Wortlaut, Sinn und Zweck ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, nämlich ein normaler Kaufvertrag. Sie kann auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt der Aushöhlung des Erbvertrags (oben C 2 b) einer Verfügung von Todes wegen deshalb gleichbehandelt werden, weil der dingliche Vollzug des Grundstücksverkaufs erst nach dem Tode des Erblassers stattfand.

Der Wille des Erblassers beim Zweitgeschäft ging deutlich dahin, die Änderung der Vermögenslage hinsichtlich der fraglichen Grundstücke nicht nur selbst anzubahnen und die Durchführung auf die Zeit nach seinem Tode hinauszuschieben, sondern den Vollzug so bald wie möglich noch zu seinen Lebzeiten folgen zu lassen. Diese Willensrichtung ist entscheidend, nicht der äußere Umstand, daß der Erblasser dann doch noch vor dem dinglichen Vollzug der Grundstücksveräußerung gestorben ist.

Hiernach hat das Berufungsgericht den Zweitvertrag (Kaufvertrag F.) mit Recht als reines Rechtsgeschäft unter Lebenden behandelt. Infolgedessen war er nicht nur nicht nach § 2289 BGB unwirksam (§ 2286 BGB), sondern bedeutete auch keine Verletzung von Rechten der Klägerin, die eine Schadensersatzpflicht des Erblassers hätte begründen können.

Haftung aus Vermächtnis.

Ohne Rechtsirrtum nimmt das Berufungsgericht an, daß das Vermächtnis nach § 2169 Abs. 1 und 4 BGB unwirksam ist.

Das Vorliegen des gesetzlichen Ausnahmefalles, daß die den Gegenstand des Vermächtnisses bildenden Grundstücke der Klägerin auch für den Fall der Nichtzugehörigkeit zur Erbschaft zugewendet sein sollten (Halbs. 2 von § 2169 Abs. 1, Verschaffungsvermächtnis), wird vom Berufungsgericht ersichtlich verneint. Die Revision greift das nicht an; ein Rechtsirrtum ist nicht erkennbar. Maßgebend ist der Parteiwille zur Zeit der Vermächtnisanordnung (oben C 1 b), und zwar in erster Linie der wirkliche Wille, den die Beteiligten damals hatten, hilfsweise der hypothetische Wille, den sie damals gehabt hätten, wenn sie die spätere Entwicklung der Verhältnisse bedacht hätten (Senatsurteil V ZR 97/58 vom 6. Mai 1959, Betrieb 1959, 790; ebenso Foer aaO).

BGH V ZR 66/58

Die Bekundungen des Zeugen E. über die Äußerungen des Erblassers anläßlich der Beurkundung des Erbvertrags (von der Heimat trenne man sich nicht usw.) machen wahrscheinlich, daß die Beteiligten (Erblasser und Klägerin) damals eine anderweitige Veräußerung der Grundstücke noch zu seinen Lebzeiten für völlig unmöglich gehalten und infolgedessen für diesen Fall einen wirklichen rechtsgeschäftlichen Willen nicht gehabt haben.

Hätten sie aber mit einer solchen Möglichkeit schon damals gerechnet, dann wäre ein Wille des Erblassers, die Grundstücke auch für diesen Fall der Klägerin zuzuwenden, kaum verständlich gewesen. Mindestens fehlt es sowohl für einen wirklichen als auch für einen hypothetischen Willen zum Gegenteil an jedem Nachweis. Daher liegt nicht der Ausnahmefall (Verschaffungsvermächtnis), sondern der Regelfall von § 2169 Abs. 1 und 4 BGB vor.

Da die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auch auf Erbverträge (§ 2279 BGB) zu bejahen ist (oben C 1 b) und da die Grundstücke selbst Vermächtnisgegenstand sind (oben D 1 b), ergibt sich also, daß das Vermächtnis infolge des späteren Verkaufs der Grundstücke an die Eheleute F. unwirksam ist.

Etwas anderes ergäbe sich übrigens auch dann nicht, wenn man als Vermächtnisgegenstand nur das Übernahmerecht ansähe. Es ist zwar ein Gestaltungsrecht, kann aber, weil weniger weitgehend, den Bedachten nicht wohl besser stellen, als wenn die zu übernehmenden Grundstücke selbst Vermächtnisgegenstand sind.

In diesem Fall wäre eine (wenigstens entsprechende) Anwendung des § 2169 BGB geboten. Ob für andere Fälle von Gestaltungsrechten die Anwendung des § 2169 BGB ausgeschlossen ist, wie Staudinger/Seybold, BGB 11. Aufl. § 2169 Randn. 1 unter unzutreffender Bezugnahme auf RG DR 1944, 292 annehmen, kann dahingestellt bleiben.

BGH V ZR 66/58

Der Klaganspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Wertersatzvermächtnisses begründet.

Ein Wertersatzanspruch aus § 2169 Abs. 3 BGB wird vom Berufungsgericht zutreffend verneint. Die gesetzliche Vermutung, daß statt des nicht mehr in der Erbschaft befindlichen Gegenstands ein dem Erblasser dafür zustehender Wertersatzanspruch vermacht sein soll, gilt nur für den Fall, daß der vermachte Gegenstand dem Erblasser ohne seinen Willen entzogen wurde, und nicht, auch nicht entsprechend, für den Fall, daß er ihn willentlich weggegeben hat (BGHZ 22, 357); auch diese verschiedene Behandlung hängt mit dem Grundgedanken des Gesetzes von der Entschließungsfreiheit unter Lebenden (oben C 1 a) zusammen, der im letzteren, aber nicht im ersteren Fall zum Zug kommt.

Allerdings kann auch für den Fall freiwilliger entgeltlicher Weggabe unter Lebenden (durch Veräußerung oder Veräußerungsverpflichtung, § 2169 Abs. 1 und 4 BGB) nicht nur ein Verschaffungsvermächtnis auf die Sache selbst (§§ 2169 Abs. 1 Halbs. 2, 2170 BGB), sondern stattdessen auch ein Vermächtnis auf Wertersatz, insbesondere auf die dem Erblasser für die Veräußerung gebührende Gegenleistung gewollt sein (RGRK § 2169 Anm. 7), was im vorliegenden Fall im Ergebnis auf ein Vermächtnis der in Streit befindlichen Wertdifferenz hinausliefe; dabei kann es sich wieder um einen wirklichen Willen oder um einen (durch ergänzende Erbvertragsauslegung zu ermittelnden) hypothetischen Willen handeln. Aber ein derartiger Wille der Beteiligten wird nicht vermutet, sondern muß im Einzelfall bewiesen werden (BGHZ 22, aaO; Johannsen, Anm. dazu bei LM Nr. 1 zu § 2169).

Wenn Zweck des Vermächtnisses Zuwendung gerade dieses Gegenstands war, etwa wegen des besonderen Interesses des Bedachten an ihm oder weil der Erblasser ihn in der Hand des Bedachten am besten aufgehoben glaubte, spricht das gegen den Willen zum Wertersatzvermächtnis; wenn Vermächtniszweck in erster Linie die Zuwendung eines wirtschaftlichen Wertes überhaupt an einen besonders Nahestehenden war, wobei der vermachte Gegenstand nur eines von mehreren möglichen Mitteln zur Verwirklichung dieser Absicht ist, spricht das für ein Wertersatzvermächtnis (BGH aaO).

Im vorliegenden Fall erwägt das Berufungsgericht: Aus dem Erbvertrag ergäben sich keine unmittelbaren Anhaltspunkte.

BGH V ZR 66/58

Die Tatsache, daß der Erblasser der Klägerin die Grundstücke lediglich zum gemeinderätlichen Schätzungswert zukommen lassen wollte und dies in der Bestätigung nochmals wiederholt habe, nachdem er in der Zwischenzeit bemüht war, die Klägerin zur Bezahlung eines höheren Übernahmepreises zu verpflichten, spreche möglicherweise dafür, daß er der Klägerin etwas (gemeint: einen wirtschaftlichen Wert als solchen) zukommen lassen wollte, zumal Bezirksnotar E. bestätigt habe, der Erblasser habe ihm bei der Vertragsverhandlung erklärt, daß die Klägerin sich seiner angenommen habe, daß er in ihrem Haus verkehre und daß die Familie der Klägerin ihn auch beim Wiederaufbau seines Hauses etwas unterstützt habe.

Notar E. habe auch gemeint, der Erblasser habe aus gewisser Dankbarkeit der Klägerin gegenüber den Erbvertrag abgeschlossen. Andererseits spreche aber entscheidend gegen einen Willen zum Wertersatzvermächtnis, daß der Erblasser nach der Bekundung des Zeugen E. der Klägerin vor allem deshalb das Übernahmerecht habe vermachen wollen, weil die Klägerin mit ihrer Familie in Streit lebte und er ihr deshalb nach seinem Tod einen ruhigen Lebensabend in diesem Haus ermöglichen wollte.

Daraus ergebe sich, daß es dem Erblasser darauf angekommen sei, der Klägerin gerade das Haus zukommen zu lassen. Auch der Brief des Erblassers an den Ehemann der Klägerin vom 9. Februar 1952 spreche gegen eine ergänzende Auslegung (im Sinn eines Wertersatzvermächtnisses); dort sei angeführt, daß er wegen der Streitereien Mitleid mit der Klägerin gehabt habe), was ihn zum Abschluß des Vertrags bewogen habe.

Schließlich sei der Erblasser auch immer bestrebt gewesen, die Klägerin zur Bezahlung eines höheren Preises als des Schätzwertes zu veranlassen. Angesichts dieser Umstände lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, daß es dem Willen des Erblassers entsprochen hätte, der Klägerin im Falle der Veräußerung des Grundstücks dessen Wertersatz zukommen zu lassen. Endlich habe zwischen der Klägerin und dem Erblasser auch keinerlei verwandtschaftliches Verhältnis bestanden.

Diese Erwägungen stehen mit den oben angeführten Rechtsgrundsätzen in Einklang und lassen auch im übrigen keinen Rechtsirrtum erkennen.

BGH V ZR 66/58

III. Beeinträchtigungsabsicht.

Veräußert ein Erblasser den bindend vermachten Gegenstand durch Zweitgeschäft anderweit in der Absicht, den Bedachten zu beeinträchtigen, so ist der Erbe gegenüber dem Bedachten zur Verschaffung des Gegenstands verpflichtet (§ 2288 Abs. 2 Satz 1 BGB; Verschaffungsvermächtnis kraft Gesetzes, dem eigentlichen – gewillkürten – Verschaffungsvermächtnis des § 2169 Abs. 1 Halbs. 2 gleichgestellt, §§ 2170 2288 aaO BGB).

Da es sich bei dieser Regel um eine Ausnahme vom gesetzlichen Grundgedanken der Entschließungsfreiheit des Erblassers handelt (oben C 1 a), ist die Vorschrift entgegen der Auffassung der Revision nicht ausdehnend, sondern eng auszulegen.

Mit Recht fordert deshalb die Rechtsprechung, daß Absicht im technischen Sinn vorliegt, d.h. daß der Wille, den Bedachten zu benachteiligen, wenn auch nicht das einzige, so doch das bestimmende Motiv, der treibende (leitende) Beweggrund gewesen sein muß, daß also der auf den Benachteiligungserfolg gerichtete Wille (direkter Vorsatz) und erst recht der bloß bedingte Vorsatz nicht genügen (BGH LM Nr. 1 zu KO § 146; BGH FamRZ 1957, 17). Auch der Meinung der Revision, “beeinträchtigen” sei ein weiterer Begriff als “benachteiligen”, ist nicht beizutreten.

Die Anwendung des § 2288 BGB scheitert im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Revision auch nicht schon daran, daß der Erblasser den Vermögensgegenstand noch gar nicht dinglich veräußert, sondern sich nur schuldrechtlich dazu verpflichtet hat.

BGH V ZR 66/58

Auf diesen Fall ist vielmehr mit dem Berufungsgericht § 2288 Abs. 2 BGB trotz seines Ausnahmecharakters im Hinblick auf § 2169 Abs. 4 BGB entsprechend anzuwenden (in dieser Weise, nicht, wie die Revision meint, durch Nichtanwendung des § 2169 Abs. 4 BGB auf das Vertragsvermächtnis, ist die sonst entstehende Lücke in der rechtlichen Regelung zu schließen): § 2288 Abs. 2 BGB gilt auch, wenn sich der Erblasser in der Absicht den Bedachten zu beeinträchtigen, zur (anderweitigen) Veräußerung des vermachten Gegenstands (nur) verpflichtet hat.

Das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigungsabsicht wird vom Berufungsgericht jedoch ohne Rechtsirrtum verneint. Zu Unrecht rügt die Revision Verletzung des § 286 ZPO. Die Würdigung des Oberlandesgerichts, daß der Erblasser den Grundbesitz an die Eheleute F. verkauft habe, um sich die Pflege und Versorgung durch die Käufer zu erhalten und deren Auszug aus dem Hause zu verhindern, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Feststellung, daß die Eheleute F. den Erblasser insbesondere in den letzten Monaten vor seinem Tode weitgehend versorgten und verpflegten, ist weder nach den Denkgesetzen noch nach der Lebenserfahrung unvereinbar mit dem Umstand, daß sie beide tagsüber berufstätig waren; das Berufungsgericht stellt ohne Beanstandung durch die Revision fest, daß sie dem Erblasser mehrfach wöchentlich das Abendessen gaben und daß Frau F. ihm nach ihrer Bekundung wöchentlich einmal das Zimmer richtete.

Im übrigen wendet sich die Revision in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Würdigung durch das Berufungsgericht, die einen Verstoß gegen Denkgesetze, Auslegungsgrundsätze und Verfahrensvorschriften nicht erkennen läßt.

Hiernach war die Revision als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

BGH V ZR 66/58

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

cemetery with bare trees

Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22

April 18, 2024
Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22Zusammenfassun…
paragraph, a book, law

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

April 18, 2024
Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 232…
paragraph, gold, law

Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23

April 18, 2024
Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23Inhaltsverzeichnis:…