Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB – OLG Hamm 10 W 35/21

Februar 13, 2022

Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB – OLG Hamm 10 W 35/21 -Beschluss vom 15.06.2021

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) im Fall OLG Hamm 10 W 35/21 betrifft die Entlassung des Testamentsvollstreckers gemäß § 2227 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Die Beschwerde der zweiten Beteiligten wurde abgewiesen, und die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden ihr auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

In dem Fall handelt es sich um die Kinder des Erblassers B A und seiner verstorbenen Ehefrau C A, die gemeinsam ein Testament erstellt hatten.

Darin wurde der erste Beteiligte als Testamentsvollstrecker eingesetzt.

Nach dem Tod des Erblassers trat der Testamentsvollstrecker in seine Funktion ein und beantragte die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses.

Die zweite Beteiligte erhob daraufhin Beschwerde und argumentierte, dass wichtige Gründe für die Entlassung des Testamentsvollstreckers gemäß § 2227 BGB vorlägen.

Sie war der Meinung, dass der Testamentsvollstrecker über einen längeren Zeitraum gegen die Interessen des Erblassers gehandelt und dessen Vermögen missbraucht hatte.

Das OLG Hamm wies die Beschwerde jedoch zurück, da keine ausreichenden Beweise für einen wichtigen Grund vorlagen, der die Entlassung des Testamentsvollstreckers rechtfertigen würde.

Das Gericht stellte fest, dass das Misstrauen der zweiten Beteiligten gegenüber dem Testamentsvollstrecker nicht auf konkreten Tatsachen beruhte, sondern auf Mutmaßungen und Spekulationen.

Es wurde festgestellt, dass der Testamentsvollstrecker seine Aufgaben ordnungsgemäß wahrgenommen hatte und kein Versagen in der Geschäftsführung vorlag.

Das Gericht betonte, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Erbe und Testamentsvollstrecker nicht zwingend erforderlich sei, um das Amt auszuüben, und dass das Misstrauen des Erben allein keinen ausreichenden Grund für die Entlassung des Testamentsvollstreckers darstellt.

Daher wurde die Beschwerde abgewiesen, die Kosten des Verfahrens wurden der zweiten Beteiligten auferlegt, und die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB – OLG Hamm 10 W 35/21 – Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

A. Vorstellung des Falls

B. Beschwerde der zweiten Beteiligten

II. Hintergrundinformationen zum Fall

A. Testamentarische Bestimmungen der Erblasser

B. Tätigkeit des Testamentsvollstreckers nach dem Tod des Erblassers

III. Beschwerde der zweiten Beteiligten

A. Vorbringen der Beschwerdeführerin

B. Argumentation für die Entlassung des Testamentsvollstreckers

IV. Standpunkt des Testamentsvollstreckers

A. Argumente des Beteiligten zu 1)

B. Verteidigung gegen die Vorwürfe der Beschwerdeführerin

V. Entscheidung des OLG Hamm

A. Beurteilung des wichtigen Grundes für eine Entlassung

B. Bewertung der vorgebrachten Vorwürfe

C. Schlussfolgerung und Beschluss

VI. Schlussbemerkungen

A. Zusammenfassung der Entscheidung

B. Festlegung der Kosten und Rechtsmittelhinweise

Zum Entscheidungstext:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 21.01.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Gütersloh vom 28.12.2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 1) und 3) trägt die Beteiligte zu 2).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 240.000,00 € festgesetzt

Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB – OLG Hamm 10 W 35/21 – Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Kinder des Erblassers B A und seiner am 12.05.2015 vorverstorbenen Ehefrau C A.

Am 13.02.2012 errichteten die Eheleute vor dem Notar D in E ein gemeinschaftliches Testament (UR-Nr. 00/2012), in dem sie u. a. unter Ziffer 1 und 2 jeweils Regelungen für den Fall ihres Vorversterbens trafen und in Ziffer 5 den Beteiligten zu 1) zum Testamentsvollstrecker nach dem Tod des Letztversterbenden von ihnen einsetzten, wobei er für seine Tätigkeit keine Vergütung erhalten soll.

Mit weiterer Urkunde des gleichen Notars vom 01.04.2015 (UR-Nr. 00/2015) ergänzten die Eheleute dieses Testament im Hinblick auf lebzeitige, auf ihre Erbteile anzurechnende Zuwendungen an ihre Kinder, die Beteiligten zu 1) bis 3).

Nach Eintritt des Erbfalls am 12.06.2020 erklärte der Beteiligte zu 1) im Oktober 2020 gegenüber dem Nachlassgericht, dass er das Testamentsvollstreckeramt annehme.

Er beantragte mit Urkunde des Notars F in E vom 20.10.2020 die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (UR-Nr. 00/2020, Bl. 6 ff.). Den Nachlasswert gab er mit schätzungsweise 1,2 Mio. € an.

Nachdem die Beteiligte zu 2) ihren Antrag auf Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses vom 10.11.2020 entgegen einer Ankündigung zunächst nicht näher begründet hatte, stellte das Amtsgericht – Nachlassgericht – E mit Beschluss vom 28.12.2020 die zur Begründung des Antrags des Beteiligten zu 1) erforderlichen Tatsachen fest und bewilligte die Erteilung des beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer Beschwerde vom 21.01.2021.

Sie ist der Ansicht, es lägen wichtige Gründe für eine Entlassung des Beteiligten zu 1) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB vor, so dass bereits seine Ernennung unwirksam sei.

Der Beteiligte zu 1) habe über einen langen Zeitraum gegen die Interessen des Erblassers gehandelt und sei als nicht vertrauenswürdig und unfähig anzusehen. Er habe schon zu Lebzeiten des Erblassers die ihm erteilte Vollmacht missbraucht und über Jahre für eine persönliche Vorteilnahme genutzt.

So habe es jahrelang nicht nachvollziehbare unangemessene Barabhebungen vom Konto des Erblassers in Höhe von 2.500 € monatlich gegeben. In der Zeit vom 11.03. bis 17.05.2019 seien vom Konto des Erblassers Barbeträge in Höhe von 7.750,00 € abgehoben worden, wozu der Erblasser aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage gewesen sei.

Trotz guter Einkünfte aus Renten und Mieteinnahmen in Höhe von mehr als 5.500,00 €, die für eine alleinstehende Person im eigenen Haus mit Pflege durch eine ungelernte Kraft ausreichen sollten, habe eine dauerhafte Verschuldung des Erblassers vorgelegen, die immer wieder durch vom Beteiligten zu 1) vorgenommene Wertpapierverkäufe habe ausgeglichen werden müssen.

Konten des Erblassers seien jahrelang im Defizit geführt worden, was zu einer entsprechenden Zinsbelastung geführt habe.

Aus den Finanzübersichten der G-Bank vom 10.09.2017 und 22.08.2019 sei ein Vermögensabfluss in Höhe von rund 50.000,00 € in zwei Jahren erkennbar, ohne dass es hierfür eine Erklärung gebe.

Der Beteiligte zu 1) habe für die Geldgeschäfte die Bankkarte des Erblassers genutzt und die erheblichen Barabhebungen mit Schwarzgeldzahlungen für die Überstunden der Putz- und Pflegekraft erklärt.

Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB – OLG Hamm 10 W 35/21

Zudem habe der Beteiligte zu 1) ohne jegliche Information oder Rücksprache die Erstellung einer vollumfänglichen Bankvollmacht zugunsten der Putz- und Pflegekraft veranlasst.

Es sei davon auszugehen, dass viele Barabhebungen vom Konto des Erblassers mit Wissen bzw. auf Anweisung des Beteiligten zu 1) durch die Putz- und Pflegekraft erfolgt seien.

Diese Vollmachterteilung sei unverantwortlich gewesen und habe den Interessen des Erblassers widersprochen.

Zudem habe die Frau zugleich im Münzgeschäft des Beteiligten zu 1) gearbeitet, so dass sich die Vermutung aufdränge, dass ihre dortige Mitarbeit durch Mittel des Erblassers finanziert worden sei.

Nachdem ihre eigene Bankkarte für die Konten des Erblassers abgelaufen gewesen sei, habe die Bank auf ihren Antrag hin eine neue Karte an den Erblasser geschickt, die jedoch nie an sie weitergeleitet worden sei.

Der Beteiligte zu 1) habe seinerzeit den gesamten Posteingang des Erblassers kontrolliert. Dieser Vorfall zeige, dass offensichtlich versucht worden sei, seine Tätigkeiten im Widerspruch zu den Wünschen des Erblassers zu verstecken.

Misstrauen werde auch dadurch begründet, dass den Kindern des Beteiligten zu 1) teure mehrwöchige Sprachreisen, ein Aufenthalt in Kanada für ein Jahr und mehrmalige Luxusurlaube finanziert worden seien, obwohl dessen Geschäft nach eigenen Angaben kurz vor der Insolvenz gestanden habe. Einer Aufforderung zur Auskunftserteilung über die im Rahmen der Vollmacht getätigten Verfügungen sei der Beteiligte zu 1) nicht nachgekommen.

Zudem versuche er sie, die Beteiligte zu 2), aus ihrer Erbenstellung heraus zu drängen, indem er die haltlose Behauptung aufstelle, sie habe nach dem Tod ihrer Mutter gegen eine Pflichtteilsstrafklausel verstoßen, die jedoch nur für den Fall gelten sollte, dass der Erblasser vor seiner Ehefrau versterbe.

Die Entlassung eines Testamentsvollstreckers sei dann gerechtfertigt, wenn Umstände vorlägen, die den Erblasser, wenn er noch lebte, mutmaßlich zum Widerruf der Ernennung des Testamentsvollstreckers veranlasst hätten. Davon sei hier auszugehen.

Der Erblasser habe erhebliche Vorbehalte gegen das Finanzgebaren des Beteiligten zu 1) gehegt, ohne vor seinem Tod in der Lage gewesen zu sein, diesem Einhalt zu gebieten oder die Einsetzung als Testamentsvollstrecker zu widerrufen.

Aus der vorgelegten E-Mail des Herrn H, eines Vertrauten des Erblassers, vom 07.11.2018 ergebe sich das zerrüttete Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Beteiligten zu 1).

Der Zeuge H habe Einblick in die finanziellen Vorgänge des Erblassers gehabt und die Beteiligte zu 2) eindringlich vor dem Beteiligten zu 1) gewarnt.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

den angefochtenen Beschluss des AG Gütersloh aufzuheben und den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1) trägt vor, seine Eltern hätten ihn als Testamentsvollstrecker eingesetzt, weil er das volle Vertrauen seiner Eltern genossen habe und aufgrund seiner beruflichen Qualifikation als Diplom-Kaufmann hierfür bestens geeignet sei.

Die Beteiligte zu 2) habe ihrerseits nach dem Tod der gemeinsamen Mutter massive Auseinandersetzungen mit dem Erblasser hinsichtlich ihrer Pflichtteilsansprüche geführt. Die jetzt aufgestellten haltlosen Behauptungen seien lediglich Ausdruck der inneren Abkehr der Beteiligten zu 2) vom Familienband.

Die pauschalen Behauptungen, er sei nicht vertrauenswürdig, unfähig, habe die Vollmacht für den eigenen Vorteil missbraucht und jahrelange nicht nachvollziehbare Barabhebungen vom Konto des Erblassers getätigt, seien substanzlos und nicht einlassungsfähig. Für den Vorwurf der Barabhebungen durch ihn gebe es keine konkreten Anhaltspunkte.

Der Erblasser habe sein Leben selbst wirtschaftlich gestaltet und Bankgeschäfte eigenständig getätigt. Die Vollmacht für die Putz- und Pflegekraft könne nur der Kontoinhaber erteilt haben, das sei der Erblasser gewesen. Diese Vollmachterteilung sei auch sinnvoll gewesen, da er wegen seines Wohnortes in I nicht ständig vor Ort habe sein können.

Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB – OLG Hamm 10 W 35/21

Die Barabhebungen in der Zeit vom 11.03.2019 bis 17.05.2019 seien zur Bezahlung von Betreuungspersonen erforderlich gewesen, die nach einem durch einen Autounfall bedingten Ausfall der Haushaltshilfe und Pflegerin kurzfristig hätten organisiert werden müssen.

Der Dienstleister habe auf einer Barzahlung der Pflegekräfte bestanden, welche dokumentiert sei. Der Erblasser sei noch im Jahr 2020 in der Lage gewesen, mit Hilfe Dritter selbst Geld abzuheben.

Er habe – schon allein aufgrund des Umstandes, dass er nicht in E gewohnt habe – weder die Post des Erblassers entgegen genommen, noch diese kontrolliert. Wenn der Erblasser eine Bankkarte nicht an die Beteiligte zu 2) weitergeleitet habe, werde er dafür seine Gründe gehabt haben. Er selbst habe dies nicht veranlasst.

Der Erblasser habe seiner Tochter J einmalig eine Beihilfe in Höhe von 500,00 € zu einer Sprachreise gewährt. Ansonsten habe er selbst mit seinen auskömmlichen Einnahmen aus dem Münzhandel den Unterhalt, Ausbildungen etc. seiner Kinder finanziert.

Solange nicht feststehe, ob die Beteiligte zu 2) Miterbin sei, schulde er dieser weder eine Auskunft noch die Herausgabe der Vollmacht. Die Beteiligte zu 2) habe bislang die ihr offen stehenden Möglichkeiten, ihre Miterbenstellung klären zu lassen, nicht genutzt.

Die von Herrn H aufgestellten Vermutungen hätten den Erblasser nicht zu einem anderen Verhalten veranlasst, der Erblasser habe die zu seinen Gunsten erteilte Vollmacht zu Lebzeiten nicht widerrufen und auch keine Veranlassung gesehen, die Änderung der Person des Testamentsvollstreckers vorzunehmen.

Noch im Jahr 2019 habe der Erblasser in einem Brief der Ehefrau des Herrn H mitgeteilt, diese solle sich aus den Familienangelegenheiten heraushalten.

Die Beteiligte zu 2) stütze ihr Vorbringen allein auf Mutmaßungen.

Die Beteiligte zu 3) unterstützt das Vorbringen des Beteiligten zu 1).

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.02.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen nach §§ 59 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist unbegründet.

Zu Recht hat das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss die zur Erteilung des beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

1. Der Beteiligte zu 1) ist in dem Testament der Erblasser vom 13.02.2012 wirksam zum Testamentsvollstrecker ernannt worden und hat dieses Amt nach dem Erbfall angetreten.

Das Testamentsvollstreckeramt ist auch noch nicht wegen Aufgabenerfüllung erloschen.

2. Es liegt kein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 BGB für die Entlassung des Beteiligten zu 1) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers vor.

Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB – OLG Hamm 10 W 35/21

Nach § 2227 BGB kann das Nachlassgericht bei entsprechendem Antrag den Testamentsvollstrecker aus seinem Amt entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, insbesondere – mithin beispielhaft – eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.

Nach weitaus überwiegender Auffassung ist diese Regelung so zu verstehen, dass das Gericht zunächst beurteilen muss, ob der unbestimmte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes erfüllt ist, und sodann sein Versagungsermessen auszuüben hat; mit anderen Worten muss das Gericht beim Vorliegen eines wichtigen Grundes den Testamentsvollstrecker nicht zwingend entlassen, vielmehr hat es zu prüfen, ob nicht überwiegende Gründe für sein Verbleiben im Amt sprechen.

Bei der Prüfung der Frage, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 BGB vorliegt, ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich einerseits bei dem Testamentsvollstrecker um die von dem Erblasser bestimmte Vertrauensperson handelt, andererseits jedoch das Entlassungsverfahren praktisch die einzige effektive Möglichkeit des Erben darstellt, das Testamentsvollstreckerverfahren zu beeinflussen.

Es ist daher auf der einen Seite zu berücksichtigen, ob bestimmte Umstände den Erblasser, wenn er noch leben würde, mutmaßlich zu einem Widerruf der Ernennung des Testamentsvollstreckers bewegen würden, was in der Regel nicht für solche Umstände gilt, die dem Erblasser bereits bei dessen Berufung bekannt waren.

Auf der anderen Seite können nur solche Umstände Berücksichtigung finden, die zu einer ernstlichen Gefährdung der Interessen und Rechte der Erben führen

(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2017, I-3 Wx 20/16, FamRZ 2017, 1272 ff., m. w. N, zitiert nach juris).

a) Ein wichtiger Grund in Form der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung liegt vor, wenn auf längere Sicht nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Testamentsvollstrecker seinen Aufgaben ordnungsgemäß nachkommen kann.

Dies kann auf einer etwa durch Krankheit bedingten dauerhaften oder längeren Verhinderung des Testamentsvollstreckers beruhen, sich aber auch aus völliger Nichteignung, Untätigkeit, Insolvenz oder Vermögensverfall des Testamentsvollstreckers oder Ableistung der eidesstattlichen Versicherung ergeben (BeckOGK/Tolksdorf, 1.3.2021, BGB § 2227 Rn. 9; MüKoBGB/Zimmermann, 8. Aufl. 2020, BGB § 2227 Rn. 9, 10).

Eine Unfähigkeit des Beteiligten zu 1) zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des Erblassers kann dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entnommen werden.

Diese hat den Beteiligten zu 1) zwar pauschal als unfähig bezeichnet. Konkrete Tatsachen, die eine solche grundsätzliche Unfähigkeit begründen würden, hat sie jedoch nicht vorgebracht.

b) Aus dem Vorbringen der Beteiligten zu 2) ergibt sich vielmehr, dass sie diesem im Hinblick auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung des Testamentsvollstreckeramtes misstraut.

Auch wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen Erbe und Testamentsvollstrecker keine zwingende Voraussetzung für die Ausübung des Testamentsvollstreckeramtes ist, so kann im Einzelfall ein Misstrauen des Erben gegen den Testamentsvollstrecker einen wichtigen Grund im Sinne des § 2227 BGB darstellen.

Damit es der Erbe jedoch nicht in der Hand hat, durch eigenes feindseliges Verhalten einen ihm nicht genehmen Testamentsvollstrecker loszuwerden, sind an das Vorliegen eines solchen Entlassungsgrundes hohe Anforderungen zu stellen.

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 BGB kann dann zu bejahen sein, wenn Feindschaft und Misstrauen durch Tatsachen begründet sind, die bei einem objektiven Betrachter die begründete Besorgnis hervorrufen, dass der Testamentsvollstrecker seine Aufgabe nicht ordnungsmäßig erfüllt und dadurch die von ihm zu berücksichtigenden Interessen schädigt oder erheblich gefährdet (MüKoBGB/Zimmermann, 8. Aufl. 2020, BGB § 2227 Rn. 11 m. w. N.).

Dabei müssen sich die das Misstrauen begründenden Umstände nicht aus der Amtsführung als Testamentsvollstrecker ergeben, sondern können auch auf einem Verhalten des Testamentsvollstreckers vor der Amtsannahme beruhen (OLG Hamm, Beschluss vom 11.09.1967, 15 W 387/67, NJW 1968, 800 m. w. N.).

Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB – OLG Hamm 10 W 35/21

Das Misstrauen der Beteiligten zu 2) gegen den Beteiligten zu 1) beruht nach dem Inhalt ihres Vortrages nicht auf Tatsachen, die bei einem objektiven Dritten die Besorgnis einer nicht ordnungsgemäßen, die Interessen der Erben gefährdenden Amtsführung durch den Beteiligten zu 1) begründen könnten.

Soweit die Beteiligte zu 2) vorbringt, der Beteiligte zu 1) habe schon zu Lebzeiten des Erblassers dessen Vermögensinteressen missachtet und diesem wirtschaftlichen Schaden zugefügt, so beruht dies erkennbar auf bloßen Mutmaßungen und Spekulationen.

Der Beteiligte zu 1) hat im Beschwerdeverfahren unwidersprochen vorgetragen, dass der Erblasser sein Leben selbst wirtschaftlich gestaltet und Bankgeschäfte eigenständig getätigt habe.

Es gibt daher schon keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die vorgetragenen monatlichen Barabhebungen vom Konto des Erblassers in Höhe von 2.500,00 € nicht von dem Erblasser selbst veranlasst worden sind.

Dieser Betrag überstieg auch schon nach dem eigenen Vorbringen der Beteiligten zu 2) nicht die finanziellen Verhältnisse des Erblassers, da dieser über monatliche Renten- und Mieteinkünfte in Höhe von mehr als 5.500,00 € verfügt haben soll.

Unzutreffend ist weiter die Behauptung, es habe eine dauerhafte Verschuldung des Erblassers vorgelegen. Unterstellt, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Finanzübersichten der G-Bank, die weder eine Angabe von Kontoinhaber, Kontonummer noch Datum des Saldenstands enthalten, beträfen tatsächlich die Kontostände des Erblassers zu den Druckdaten 10.09.2017 und 22.08.2019, so geht aus diesen ein Habensaldo von 163.410,40 € bzw. 113.225,24 € hervor.

Soweit im Jahr 2019 einzelne Konten im Soll geführt worden sind, lässt dies nicht den Rückschluss darauf zu, der Beteiligte zu 1) habe sich eigenmächtig an diesen Konten bereichert.

Es ist ebenso denkbar, dass der Erblasser bewusst das negative Guthaben dieser Konten nicht ausgeglichen hat, weil z. B. Wertpapiere, die durchgehend in sechsstelliger Größenordnung vorhanden waren, nicht zu ungünstigen Konditionen veräußert werden sollten.

Auch das Gesamtvermögen des Erblassers, das der Beteiligte zu 1) in seinem Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses mit etwa 1,2 Mio. € beziffert hat, spricht gegen die pauschal behauptete dauerhafte Verschuldung. Jedenfalls gibt es über die Vermutungen der Beteiligten zu 2) hinaus keinen Anhaltspunkt dafür, dass die dargelegte Vermögenssituation des Erblassers in den Jahren 2017 bis 2019 Folge missbräuchlicher Verfügungen durch den Beteiligten zu 1) war.

Soweit die Beteiligte zu 2) zudem einen namhaften Vermögensabfluss in Höhe von ca. 50.000,00 € vom Konto des Erblassers in einem Zeitraum von etwa 2 Jahren anführt, so rechtfertigt dies kein Misstrauen gegen den Beteiligten zu 1).

Zum einen gibt es wie dargelegt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Vermögensabfluss auf eigenmächtigen Verfügungen des Beteiligten zu 1) beruht.

Zum anderen gibt allein die Größenordnung des Vermögensabflusses schon keinen Anlass für ein Misstrauen.

Der Gesamtbetrag entspricht einem monatlichen Verbrauch von etwas mehr als 2.000,00 €.

Dieser Betrag ist für den Lebensunterhalt eines wohlhabenden alleinstehenden Erblassers, der im eigenen Haus lebt und dort von einer angestellten Pflegekraft versorgt wird, nicht so hoch, dass sich eine zweckwidrige Verwendung des Geldes praktisch aufdrängen müsste.

Im Gegenteil ist völlig plausibel, dass der Betrag für den vermutlich gehobenen Lebensunterhalt des Erblassers verbraucht worden ist.

Den Hintergrund der Barabhebungen in Höhe von 7.750,00 € in der Zeit vom 11.03.2019 bis 17.05.2019 hat der Beteiligte zu 1) plausibel dargelegt, ohne dass die Beteiligte zu 2) dem entgegen getreten wäre.

Gleiches gilt für die behauptete Vollmachterteilung zugunsten der Putz- und Pflegekraft und der unterbliebenen Weiterleitung einer Bankkarte an die Beteiligte zu 2).

Ein berechtigtes Misstrauen der Beteiligten zu 2) ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Beteiligte zu 1) die angeforderte Auskunftserteilung und Rechnungslegung über die von ihm als Bevollmächtigtem des Erblassers getätigten Geschäfte verweigert hat.

Die Verweigerung erfolgte deshalb, weil der Beteiligte zu 1) die Miterbenstellung der Beteiligten zu 2) aufgrund der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem Tod der gemeinsamen Mutter und damit das Bestehen entsprechender Auskunftsansprüche in Frage stellt.

Dieser rechtliche Standpunkt des Beteiligten zu 1) ist nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments der Erblasser mindestens vertretbar, so dass das Verhalten des Beteiligten zu 1) bei einem objektiven Dritten keine Zweifel an dessen ordnungsgemäßer Amtsführung wecken würde.

Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB – OLG Hamm 10 W 35/21

Schließlich kann die Beteiligte zu 2) ihr Misstrauen auch nicht berechtigterweise auf die von ihr vorgelegte E-Mail des Herrn H an sie selbst vom 07.11.2018 stützen.

Zunächst lässt der Inhalt der E-Mail schon keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Verfasser tatsächlich konkrete eigene Erkenntnisse über einen Vollmachtsmissbrauch und eine Vermögensschädigung des Erblassers durch den Beteiligten zu 1) hatte, da dieser ausdrücklich auf eine Sachverhaltsschilderung durch die Beteiligte zu 2) Bezug nimmt.

Jedenfalls will der Verfasser der E-Mail nach deren Inhalt mit dem Erblasser über den Verdacht der Schädigung durch den Beteiligten zu 1) gesprochen und diesem einen Widerruf der zugunsten des Beteiligten zu 1) erteilten Vollmacht angeraten haben.

Zu einem solchen Widerruf ist es jedoch zu Lebzeiten nicht gekommen, so dass die angeblichen Mitteilungen durch Herrn H für den Erblasser offensichtlich kein Anlass für entsprechende Maßnahmen waren.

Dann kann hierauf jedoch auch nicht ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 BGB gestützt werden.

Soweit die Beteiligte zu 2) in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, der Erblasser habe erhebliche Vorbehalte gegen das Finanzgebaren des Beteiligten zu 1) gehegt, sei aber vor seinem Tod nicht dazu in der Lage gewesen, diesem Einhalt zu gebieten oder die Einsetzung als Testamentsvollstrecker zu widerrufen, so ist dieses pauschale Vorbringen ohne jede Substanz.

Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Erblasser in der Zeit zwischen dem angeblichen Gespräch zwischen ihm und Herrn H am 05.11.2018 und seinem Ableben etwas mehr als 1 ½ Jahre später gehindert gewesen wäre, ein etwaiges Misstrauen gegen den Beteiligten zu 1) zu äußern und Konsequenzen daraus zu ziehen.

Aus den dargelegten Gründen bietet das pauschale Vorbringen der Beteiligten zu 2) keine Veranlassung für weitere Ermittlungen des Senats im Rahmen der Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die hierfür nach § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Geschäftswertfestsetzung ergibt sich aus §§ 79 Abs. 1, 61, 40 Abs. 5 GNotKG.

Angesichts des Wert des Nachlasses von 1,2 Mio. € beträgt der Geschäftswert des Verfahrens auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses 240.000,00 €.

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