Erbschaftsteuer – Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten § 10 V Nr 1 ErbStG – Stichtag – BFH II R 18/11

Juni 4, 2022

Erbschaftsteuer – Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten § 10 V Nr 1 ErbStG – Stichtag – BFH II R 18/11 – Urteil vom 04.07.2012

Zusammenfassung des Urteils “Erbschaftsteuer – Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten § 10 V Nr 1 ErbStG – Stichtag – BFH II R 18/11” von RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Die Kläger sind Erben ihrer im Dezember 2006 verstorbenen Schwester. Sie machten im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung die Abschlusszahlungen für die Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag der Erblasserin für das Todesjahr 2006 als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Das Finanzamt versagte den Abzug.

Entscheidung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die auf die Erben entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres, einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig sind.

Begründung:

  • Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen.
  • Das Stichtagsprinzip (§ 9 und § 11 ErbStG) steht dem Abzug dieser Steuerverbindlichkeiten nicht entgegen.
  • Als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist die Einkommensteuer-Abschlusszahlung i.S. des § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG.
  • Entsprechendes gilt für den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer.
  • Die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten sind mit ihrem Nennwert anzusetzen.

Hinweis:

Diese Zusammenfassung ist lediglich eine allgemeine Information und ersetzt keine Einzelfallprüfung durch einen Fachanwalt für Erbrecht.

Relevanz:

Die Entscheidung des BFH ist für alle Erben relevant, die für die vom Erblasser herrührenden Steuerschulden des Todesjahres aufkommen müssen.

Zum Entscheidungstext:

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Miterben zu je 1/2 ihrer im Dezember 2006 verstorbenen Schwester (S).

Aufgrund der Einzelveranlagung der S für das Todesjahr 2006 waren für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag –nach Anrechnung der Vorauszahlungen, des Zinsabschlags und der Kapitalertragsteuer– Abschlusszahlungen in Höhe von insgesamt 90.014,57 EUR (Einkommensteuer 76.229 EUR, Kirchensteuer 9.591,88 EUR, Solidaritätszuschlag 4.193,69 EUR) zu entrichten.

Die Kläger machten die Abschlusszahlungen für 2006 jeweils zur Hälfte als Nachlassverbindlichkeiten geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) versagte zuletzt in den Steuerbescheiden vom 14. Juni 2010 einen Abzug und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Kläger jeweils auf 210.171 EUR fest.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass die anteilig auf die Kläger als Erben entfallende Einkommensteuer des Todesjahres der S nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden könne, weil sie am maßgeblichen Stichtag noch nicht entstanden gewesen sei.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Erbschaftsteuerbescheide vom 14. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsbescheide vom 2. August 2010 dahin zu ändern, dass die Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag der S für 2006 in Höhe von insgesamt 90.014,57 EUR jeweils zur Hälfte als weitere Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Erbschaftsteuer – Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten § 10 V Nr 1 ErbStG – Stichtag – BFH II R 18/11 – Gründe

II.

Die Revision ist begründet.

Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsbescheide sowie zur Änderung der angefochtenen Erbschaftsteuerbescheide.

Die jeweils zur Hälfte auf die Kläger als Miterben entfallenden Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag der S für 2006 sind entgegen der Auffassung des FG im Rahmen der jeweiligen Erbschaftsteuerfestsetzungen als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.

Die Berechnung der jeweiligen Erbschaftsteuer wird dem FA übertragen.

1. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind von dem Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb oder Anteil an einem Gewerbebetrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits nach § 12 Abs. 5 und 6 ErbStG berücksichtigt worden sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.

Nachlassverbindlichkeiten in diesem Sinne sind auch die vom Erblasser herrührenden persönlichen Steuerschulden, die gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), § 45 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf den Erben übergegangen sind

(ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 17. Februar 2010 II R 23/09, BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641, m.w.N.).

Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten.

Das hierin für den Erbfall statuierte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge beschränkt sich nicht auf den Bereich des Zivilrechts, sondern erstreckt sich auch auf das Steuerrecht

(vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.I.).

So ordnet § 45 Abs. 1 Satz 1 AO an, dass bei der Gesamtrechtsnachfolge “die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über(gehen)”.

Ungeachtet des restriktiv gehaltenen Wortlauts des § 45 Abs. 1 Satz 1 AO leitet der BFH in ständiger Rechtsprechung aus dieser Bestimmung her, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich in einem umfassenden Sinne sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers eintritt

(vgl. BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.I.1., m.w.N.).

2. Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gehören nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen.

a) Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren.

Aus dem Begriff “herrühren” ergibt sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Zivilrechtlich gehen mit dem Erbfall auch “verhaltene”, noch werdende und schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben über

(ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 7. Juni 1991 V ZR 214/89, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1991, 2558, m.w.N.).

Deshalb sind Erblasserschulden i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre

(vgl. BGH-Urteil in NJW 1991, 2558).b)

Diese zivilrechtlichen Grundsätze sind auch für die Beurteilung der Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zu beachten

(vgl. BFH-Urteil vom 5. Juli 1978 II R 64/73, BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23;

Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz 51).

Der Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tod des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), eine rechtliche Verpflichtung bestanden haben muss

(vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1963 II 166/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 83, und in BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23).

Bei einem Erwerb von Todes wegen wirken sich auch Steuerschulden aus der Veranlagung des Erblassers für das Todesjahr bereicherungsmindernd aus, obwohl sie beim Erbfall noch nicht rechtlich entstanden waren.

Denn der Erbe hat diese Steuerschulden zu tragen.

Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb “für den Erblasser” als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.

c) Das für das Erbschaftsteuerrecht maßgebliche Stichtagsprinzip (§ 9 und § 11 ErbStG) steht dem Abzug dieser Steuerverbindlichkeiten nicht entgegen.

Bereits zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, also beim Tod des Erblassers steht fest, dass die Belastung kraft Gesetzes mit Ablauf des Todesjahres eintreten wird (nachfolgend unter II.2.e).

Dabei ist unschädlich, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls die Belastung durch Steuerverbindlichkeiten der Höhe nach nicht genau feststeht, weil noch mögliche Wahlrechte ausgeübt werden oder besondere steuerrelevante Ereignisse eintreten können.

Erbschaftsteuer – Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten § 10 V Nr 1 ErbStG – Stichtag – BFH II R 18/11

d) Soweit aus den hauptsächlich zum Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung ergangenen Entscheidungen des BFH entnommen werden könnte bzw. kann, dass der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG “nur” bei einer zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehenden rechtlichen Verpflichtung möglich ist, hält der Senat daran jedenfalls für die kraft Gesetzes aufgrund einer Tatbestandsverwirklichung des Erblassers entstehenden Steueransprüche nicht mehr fest

(vgl. hierzu BFH-Urteile vom 24. März 1999 II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339;

vom 15. Januar 2003 II R 23/01, BFHE 200, 413, BStBl II 2003, 267;

vom 14. Dezember 2004 II R 35/03, BFH/NV 2005, 1093;

vom 14. November 2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574;

in BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641;

BFH-Beschluss vom 15. Mai 2009 II B 155/08, BFH/NV 2009, 1441;

differenzierend BFH-Urteil vom 27. Juni 2007 II R 30/05, BFHE 217, 190, BStBl II 2007, 651, unter II.3.a).

Es verbleibt jedoch dabei, dass der Abzug einer Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG –abweichend vom Zivilrecht– zusätzlich voraussetzt, dass sie eine wirtschaftliche Belastung darstellt

(vgl. BFH-Urteil vom 2. März 2011 II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147, unter III.7.c aa aaa)

.e) Nach diesen Grundsätzen sind die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres, einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig

(vgl. Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz 82;

Gebel in Troll/ Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz 119, 140;

Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 32, unter a und c;

Kämper/Milatz, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge –ZEV– 2011, 70;

Billig, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2012, 61;

a.A. Weinmann, a.a.O., § 10 ErbStG Rz 54;

Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 10 Rz 134;

Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 10 Rz 121;

Hartmann, Der Erbschaft-Steuer-Berater 2007, 170, unter 3.c;

Gleichlautender Ländererlass vom 18. Januar 2010, ZEV 2010, 107;

R E 10.8 Abs. 3 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011, BStBl I Sonder-Nr. 1/2011, 2, 23 f.).

aa) Stirbt ein Steuerpflichtiger vor Ablauf des Kalenderjahres, sind zum Zeitpunkt des Erbfalls zwar noch keine Einkommensteuerverbindlichkeiten für das Todesjahr entstanden.

Der Steuerpflichtige hat aber bis zu seinem Ableben selbst Steuertatbestände verwirklicht und damit
das spätere Entstehen der Steuerverbindlichkeiten begründet.

Mit seinem Ableben tritt der Erbe in die Rechtsstellung des Verstorbenen (Erblasser) ein; der durch den Erblasser (Steuerpflichtiger) begründete, mit Ablauf des Todesjahres entstehende Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis geht auf den Erben über.

Erbschaftsteuer – Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten § 10 V Nr 1 ErbStG – Stichtag – BFH II R 18/11

bb) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO).

Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer (§ 2 Abs. 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für 2006 maßgeblichen Fassung –EStG–), die nach § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht.

Sie wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat, soweit nicht nach § 46 EStG eine Veranlagung unterbleibt (§ 25 Abs. 1 EStG).

Stirbt der Steuerpflichtige vor Ablauf des Kalenderjahres und endet damit seine persönliche Steuerpflicht, wird der Veranlagung für das Todesjahr (Kalenderjahr) ein abgekürzter Ermittlungszeitraum zugrunde gelegt.

Die Veranlagung ist auf das bis zum Tod des Steuerpflichtigen erzielte Einkommen zu beschränken

(vgl. BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.III.1.).

Im Hinblick darauf, dass das Einkommen des Erblassers erfasst und damit an die Verwirklichung des Steuertatbestands durch den Erblasser angeknüpft wird, ist die Einkommensteuer des Todesjahres unmittelbar in der Person des Erblassers (Steuerpflichtiger) begründet.

Eine etwaige Einkommensteuerschuld für das Todesjahr des Erblassers bleibt trotz des Übergangs auf den Erben eine vom Erblasser herrührende Steuerschuld. Insoweit ist unerheblich, dass der Einkommensteuerbescheid für den Erblasser gegenüber dem Erben als Gesamtrechtsnachfolger ergeht.

Soweit der Erbe selbst einkommensteuerrelevante Tatbestände verwirklicht, wie z.B. beim Zufluss nachträglicher Einnahmen aus einer ehemaligen Tätigkeit des Erblassers nach § 24 Nr. 2 EStG

(vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1996 X R 14/94, BFHE 179, 406, BStBl II 1996, 287, unter 3.),

sind die darauf entfallenden Einkommensteuerzahlungen des Erben keine Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.

Obwohl der Erblasser die Grundlage für den Zufluss von Einnahmen gesetzt hat, wird der Steuertatbestand in diesen Fällen erst mit dem Zufluss der Einnahmen durch den Erben als Steuerpflichtigen verwirklicht

(vgl. BFH-Urteil in BFHE 179, 406, BStBl II 1996, 287).

cc) Eine bereits am Todestag des Erblassers bestehende rechtliche Verpflichtung als Voraussetzung für den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nur rechtlich entstandene Steuererstattungsansprüche zum Erwerb i.S. des § 10 Abs. 1 ErbStG zählen.

Nach der Rechtsprechung des BFH fallen Einkommensteuererstattungsansprüche, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, jedenfalls bei einer Zusammenveranlagung mit dem überlebenden Ehegatten nicht in den steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG, weil sie erst mit Ablauf des Todesjahres entstehen

(vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 2008 II R 30/06, BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626).

Erbschaftsteuer – Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten § 10 V Nr 1 ErbStG – Stichtag – BFH II R 18/11

Für Erwerbe ab dem 1. Januar 2009 gilt zudem § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG (i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008, BGBl I 2008, 3018, BStBl I 2009, 140).

Danach sind Steuererstattungsansprüche des Erblassers zu berücksichtigen, wenn sie rechtlich entstanden sind (§ 37 Abs. 2 AO).

Das Anknüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen für den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten einerseits und für den Ansatz von Steuererstattungsansprüchen als Erwerb andererseits beruht auf den unterschiedlichen Regelungen in § 10 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.

Denn für den Abzug von Schulden als Nachlassverbindlichkeiten kommt es nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nur darauf an, dass sie vom Erblasser “herrühren”.

Für eine einschränkende Auslegung des Begriffs “herrühren” im Sinne von “rechtlich entstanden” ist ein zwingender Grund nicht ersichtlich.

Eine solche Auslegung würde auch dem im Erbschaftsteuerrecht geltenden Bereicherungsprinzip zuwiderlaufen, weil der Erbe in Höhe der entstehenden und von ihm zu begleichenden Steuerschulden für das Todesjahr des Erblassers nicht bereichert ist.dd)

Als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist die Einkommensteuer-Abschlusszahlung i.S. des § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG, also diejenige Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der vom Erblasser entrichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen und der durch Steuerabzug erhobenen anrechenbaren Einkommensteuer (vgl. § 36 Abs. 2 EStG) ergibt.

Es kommt dabei allein auf die materielle Rechtslage und nicht auf die Steuerfestsetzungen an (vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626).ee)

Entsprechendes gilt gemäß § 51a Abs. 1 und § 36 Abs. 1 EStG für den mit Ablauf des Kalenderjahres entstehenden Solidaritätszuschlag (vgl. § 1 Abs. 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes) sowie für die ebenfalls an das Einkommen anknüpfende, nach Landesrecht festzusetzende Kirchensteuer.

3. Die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).

Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen

(§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes –BewG–).

Für Steuerverbindlichkeiten, die mit Ablauf des Todesjahres entstehen, verbleibt es beim Ansatz mit dem Nennwert, obwohl die zu einer Abschlusszahlung führende Festsetzung erst nach dem Stichtag für die Entstehung der Erbschaftsteuer erfolgt.

Besondere Umstände, die eine Abweichung vom Nennwert rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Eine Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG scheidet ebenfalls aus, weil es an einem von vornherein bestimmten Zeitpunkt für den Eintritt der Fälligkeit der Einkommensteuer, der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags fehlt und somit die Berechnungs- oder Schätzungsgrundlagen für eine Abzinsung fehlen

(vgl. BFH-Urteile vom 17. Januar 1996 II R 4/93, BFH/NV 1996, 649, unter II.3.b;

in BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626, betr. Einkommensteuererstattungsansprüche).

Einkommensteuernachforderungen sind im Übrigen nur innerhalb des in § 233a Abs. 2 AO bestimmten Zeitraums unverzinslich.

4. Danach mindern im Streitfall die Abschlusszahlungen in Höhe von insgesamt 90.014,57 EUR für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag der S für 2006 als Nachlassverbindlichkeiten jeweils zur Hälfte, also in Höhe von jeweils 45.008 EUR (gerundet) den Erwerb der Kläger.

Die Berechnung der jeweiligen Erbschaftsteuer wird dem FA übertragen (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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