Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21

Oktober 12, 2023

Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21 – Vorabentscheidungsersuchen über die Auslegung der Erbrechts-VO: Begriff der Einwendungen im Verfahren über die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses

Zusammenfassung RA und Notar Krau

In einem Vorabentscheidungsverfahren (AG Lörrach 23 VI 1236/21) werden Fragen zur Auslegung der Erbrechts-Verordnung (EU) 650/2012 an den Europäischen Gerichtshof gestellt:

  1. Betrifft der Begriff “Einwendungen” in Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) der Verordnung Einwände, die im Verfahren zur Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses selbst erhoben wurden oder nur Einwände, die in einem anderen Verfahren vorgebracht wurden?
  2. Wenn Einwände im Verfahren zur Ausstellung des europäischen Nachlasszeugnisses erhoben wurden, aber bereits im deutschen Erbscheinsverfahren geprüft wurden, darf das Europäische Nachlasszeugnis dennoch ausgestellt werden?
  3. Umfasst der Begriff “Einwendungen” auch unsubstantiierte Einwände, für die kein förmlicher Beweis erforderlich ist?
  4. Wenn Einwendungen nicht im Verfahren zur Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses geprüft werden müssen, wie sollen die Gründe für die Zurückweisung der Einwände und die Ausstellung des Zeugnisses angegeben werden?

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausgesetzt. Die Auslegung von Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO ist in Deutschland umstritten, insbesondere hinsichtlich der Prüfung von Einwendungen im Verfahren zur Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses.

Inhaltsverzeichnis

I. Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der Erbrechts-VO A. Einleitung

B. Vorlagefragen an den Europäischen Gerichtshof

1. Frage a: Einwendungen im Verfahren über die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses

2. Frage b: Prüfung von Einwendungen im Erbscheinsverfahren

3. Frage c: Unsubstantiierte Einwendungen und förmlicher Beweis

4. Frage d: Form der Gründe zur Zurückweisung von Einwendungen

C. Gründe für das Vorabentscheidungsersuchen

1. Darstellung des Streitgegenstandes und des Sachverhalts

2. Anwendbare nationale Vorschriften und Rechtsprechung

3. Vorlagegründe

4. Zweifel an der Auslegung des Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO

II. Zusammenfassung RA und Notar Krau

III. Tenor des AG Lörrach 23 VI 1236/21

Zum Entscheidungstext:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. b), Abs. 2 AEUV folgende Fragen zur Auslegung von Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) der VO (EU) 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (Erbrechts-VO) zur Entscheidung vorgelegt:

a) Ist Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO so auszulegen, dass damit auch Einwendungen gemeint sind, die im Ausstellungsverfahrens des europäischen Nachlasszeugnisses selbst erhoben worden sind und das Gericht diese nicht prüfen darf und damit nicht nur Einwendungen gemeint sind, die in einem anderen Verfahren geltend gemacht worden sind?

b) Falls a) mit ja beantwortet wird: Ist Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO dahingehend auszulegen, dass ein Europäisches Nachlasszeugnis selbst dann nicht ausgestellt werden darf, wenn Einwendungen im Verfahren über die Ausstellung des europäischen Nachlasszeugnisses erhoben worden sind, diese aber schon in dem Erbscheinsverfahren nach deutschem Recht geprüft worden sind?

c) Falls a) mit ja beantwortet wird: Ist Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO dahingehend auszulegen, dass damit jegliche Einwendungen gemeint sind, selbst wenn diese unsubstantiiert vorgetragen worden sind und über diese Tatsache kein förmlicher Beweis zu erheben ist?

d) Falls a) mit nein beantwortet wird: In welcher Form muss das Gericht die Gründe angeben, die das Gericht zur Zurückweisung der Einwendungen und zur Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses bewogen haben?


Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21 – Tenor

  1. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die nachfolgenden Vorlagefragen ausgesetzt.
  2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. b), Abs. 2 AEUV folgende Fragen zur Auslegung von Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) der VO (EU) 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (Erbrechts-VO) zur Entscheidung vorgelegt:

a) Ist Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO so auszulegen, dass damit auch Einwendungen gemeint sind, die im Ausstellungsverfahrens des europäischen Nachlasszeugnisses selbst erhoben worden sind und das Gericht diese nicht prüfen darf und damit nicht nur Einwendungen gemeint sind, die in einem anderen Verfahren geltend gemacht worden sind?

b) Falls a) mit ja beantwortet wird: Ist Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO dahingehend auszulegen, dass ein Europäisches Nachlasszeugnis selbst dann nicht ausgestellt werden darf, wenn Einwendungen im Verfahren über die Ausstellung des europäischen Nachlasszeugnisses erhoben worden sind, diese aber schon in dem Erbscheinsverfahren nach deutschem Recht geprüft worden sind?

c) Falls a) mit ja beantwortet wird: Ist Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO dahingehend auszulegen, dass damit jegliche Einwendungen gemeint sind, selbst wenn diese unsubstantiiert vorgetragen worden sind und über diese Tatsache kein förmlicher Beweis zu erheben ist?

d) Falls a) mit nein beantwortet wird: In welcher Form muss das Gericht die Gründe angeben, die das Gericht zur Zurückweisung der Einwendungen und zur Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses bewogen haben?

Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21 – Gründe


I. Darstellung des Streitgegenstandes und des maßgeblichen Sachverhalts


Der Erblasser war zuletzt wohnhaft in R. (Deutschland) und französischer Staatsangehöriger und verstarb am 15.09.2021. Am 23.11.2021 beantragte die Beteiligte 1, die ehemalige Ehefrau des Erblassers, vertreten durch den Verfahrensbevollmächtigten, ein europäisches Nachlasszeugnis, welches sie als Alleinerbin zeigt. Es existiert ein Testament mit folgendem Inhalt:


Gemeinschaftliches Testament

Wir, die Eheleute E. G.-T., geb. am 29.12.1937 und P. T., geb. am 12.12.1931, beide wohnhaft in der S-Straße, erklären wie folgt:

1) Wir sind durch frühere erbrechtliche Verfügungen nicht gebunden und haben keine erbrechtlichen Verfügungen getroffen. Vorsorglich widerrufen wir alle bisher von uns einseitig oder gemeinsam getroffenen Verfügungen.

2) Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Diese Erbeinsetzung erfolgt wechselbezüglich und mit Bindungswirkung. Der Längstlebende ist im Übrigen durch diese Bestimmung nicht beschränkt. Er ist frei, seinen Erbfall selbst zu regeln, und zwar auch schon vor dem Tod des Erstversterbenden, jedoch nur den Fall, dass er der Längstlebende wird.

3) Wir sind beide in Deutschland wohnhaft und wünschen die Anwendung des Deutschen Erbrechts, welches wir im Rahmen der Rechtswahl, soweit zulässig als das anzuwendende Recht bestimmen. Diese Bestimmung ist wechselbezüglich.

R., den 23.07.2020

E. G.-T.

Das ist auch mein Wille

P. T.

Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21


Dieses Testament ist handschriftlich von der Beteiligten G.-T. geschrieben und unterschrieben. Außerdem ist das Testament von dem Erblasser unterschrieben.


Außerdem existiert ein älteres Testament mit folgendem Inhalt (deutsche Übersetzung aus dem französischen):


Ich, P. M. J. T., geboren am 12.12.1931 in A., wohnhaft in T. L. R., SPANIEN

Widerrufe alle früheren Verfügungen von Todes wegen.

Ich vermache den verfügbaren Erbschaftsanteil meines Nachlasses meinen beiden Enkelkindern, den Söhnen von P.,

N. A. J. T., geboren am 12.10.1988 in A. und

J. N. J. T., geboren am 25.06.1993 in A..

Sie werden sich diesen zu gleichen Anteilen teilen.

Ich benenne meinen Sohn P. und nur ihn, meine Trauerfeier mit einer gregorianischen Messe und meine Beisetzung in D. in Spanien zu organisieren.

A., am 31. Mai 2001

Das ist mein Testament.

P. T.


Dieses Testament ist vom Erblasser handschriftlich geschrieben und unterschrieben.


Die Beteiligte 1 hält sich aufgrund des Testaments vom 23.07.2020 für die Alleinerbin. Die Beteiligten 2–4 halten dieses Testament für ungültig. Sie tragen vor, dass der Erblasser bei der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig gewesen und die Unterschrift nicht seine eigene sei.

Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21


Der Erblasser war aber noch testierfähig. Die Beteiligten 2–4 trugen lediglich vor, dass der Erblasser ab und zu verwirrt war. Dies genügt aber nicht, um von einer Testierunfähigkeit auszugehen oder diesem Einwand durch weitere Nachforschung nachzugehen. Dafür müsste konkrete vorgetragen werden, woraus sich Mängel ergeben könnten, die den Willen derart beeinträchtigten, dass der Erblasser die Bedeutung und Folgen eines Testaments nicht mehr verstand (BeckOGK/Grziwotz, 1.1.2023, BGB § 2229 Rn. 58).


Die Unterschrift stammt auch vom Erblasser. Dem Gericht wurden mehrere Unterschriften des Erblassers vorgelegt. Die einzige Unterschrift die abweicht, ist die Unterschrift aus dem Jahr 1956. Alle nachgehend Unterschriften entsprechen der Unterschrift auf dem Testament.


II. Wortlaut der anwendbaren nationalen Vorschriften sowie einschlägige Rechtsprechung


§ 2267 BGB:


1Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nach § 2247 genügt es, wenn einer der Ehegatten das Testament in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet. 2Der mitunterzeichnende Ehegatte soll hierbei angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Orte er seine Unterschrift beigefügt hat.


§ 26 FamFG:


Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

§ 352e FamFG:


(1) 1Der Erbschein ist nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. 2Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. 3Der Beschluss wird mit Erlass wirksam. 4Einer Bekanntgabe des Beschlusses bedarf es nicht.


(2) 1Widerspricht der Beschluss dem erklärten Willen eines Beteiligten, ist der Beschluss den Beteiligten bekannt zu geben. 2Das Gericht hat in diesem Fall die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses auszusetzen und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückzustellen.

Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21


(3) Ist der Erbschein bereits erteilt, ist die Beschwerde gegen den Beschluss nur noch insoweit zulässig, als die Einziehung des Erbscheins beantragt wird.


§ 35 Internationales ErbrechtsverfahrensG:


(1) Soweit sich aus der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 und den Vorschriften dieses Abschnitts nichts anderes ergibt, ist das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden.


§ 39 Internationales ErbrechtsverfahrensG:


(1) 1Liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vor, entscheidet das Gericht durch Ausstellung der Urschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses. 2Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer beglaubigten Abschrift oder für die Verlängerung der Gültigkeitsfrist einer beglaubigten Abschrift vor, entscheidet das Gericht durch Erteilung einer beglaubigten Abschrift oder durch Verlängerung der Gültigkeitsfrist einer beglaubigten Abschrift. 3Im Übrigen entscheidet das Gericht durch Beschluss.


(2) Für die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses und die Erteilung einer beglaubigten Abschrift ist das Formblatt nach Artikel 67 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 81 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 zu verwenden.


Deutsche Rechtsprechung zu Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO:


OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.12.2020 – 8 W 342/20, NJW-RR 2021, 459;


Vorverfahren davon: AG Stuttgart, Beschluss vom 10. August 2020 – 30 VI 665/19


III. Vorlagegründe

  1. Vorlagefrage a)

Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21


Das Verfahren hängt von der Auslegung von Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO ab.

Die Beteiligten 2–4 haben Einwendungen gegen den Antrag der Beteiligten 1 erhoben.

Diese Einwendungen wurden geprüft und die Sache ist derart entscheidungsreif, dass das Gericht zu der Auffassung gelangt ist, dass die Beteiligte 1 Alleinerbin des Erblassers geworden ist.

Damit liegen die Voraussetzungen nach 67 Abs. 1 UAbs. 1 Erbrechts-VO zur Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vor.

Ein solches kann aber nicht ausgestellt werden, wenn 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO dahingehend auszulegen ist, dass auch Einwendungen gemeint sind, die im Verfahren über die Ausstellung des Nachlasszeugnisses gemeint sind. Solch eine Auslegung würde die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses verhindern, weil Einwendungen in diesem Verfahren erhoben worden sind.

  1. Vorlagefrage b)


Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten 1 hat angekündigt, dass er bei Aussetzung des Verfahrens einen Erbscheinsantrag stellen wird. In diesem Fall müssen die Einwendungen nach dem nationalen Recht geprüft werden.

Wenn die Einwendungen im Erbscheinsverfahren geprüft worden sind, stellt sich die Frage, ob anschließend noch Einwände nach Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO überhaupt vorhanden sind oder ob über diese bereits entschieden wurde und das Europäische Nachlasszeugnis ausgestellt werden muss.

  1. Vorlagefrage c)


Im Übrigen sind die Einwendungen der Beteiligten 2–4 nicht substantiiert vorgetragen worden, sodass das Gericht die Sache auch ohne förmliche Beweisaufnahme für entscheidungsreif hält.

Die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses hängt also davon ab, ob auch solche Einwendungen von Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO betroffen sind.

  1. Vorlagefrage d)


Falls von vornherein das Gericht die Einwände prüfen muss, dann stellt sich die Frage, wo dies dargestellt werden muss.

Für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses ist das Formblatt nach Artikel 67 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 81 Absatz 2 der Erbrechts-VO zu verwenden.

Dieses Formblatt enthält die Klausel:

Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21


Die Behörde bestätigt, dass sie alle erforderlichen Schritte unternommen hat, um die Berechtigten von der Beantragung eines Zeugnisses zu unterrichten, und dass zum Zeitpunkt der Erstellung des Zeugnisses keine der darin enthaltenen Angaben von den Berechtigten bestritten worden ist.


Es stellt sich die Frage, wo dargestellt werden muss, dass Einwände erhoben wurden, diese aber zurückgewiesen werden.

Dies ist vor dem Hintergrund fraglich, weil das Verfahrensrecht keinen begleitenden Beschluss zu der Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses vorsieht.


IV. Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel an der Auslegung des Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO hat


Die Auslegung von Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO ist in Deutschland umstritten. Einerseits wird die Meinung vertreten, dass die Erbrechts-VO ein konsensuelles Verfahren vorsieht. Deshalb meine Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) Erbrechts-VO Einwendungen, die im Verfahren über die Ausstellung des Nachlasszeugnisses selbst erhoben worden sind

(MüKoBGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO Art. 67 Rn. 5-7;

MüKoFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, EU-ErbVO Art. 67 Rn. 6, 7;

Kleinschmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Art. 67 EuErbVO (Stand: 01.03.2020)).

Hauptgründe sind, dass das Verfahrensrecht der Erbrechts-VO kein streitiges Verfahren zulasse.

Es sei als einvernehmliches Verfahren ausgestaltet, welches keine streitige Entscheidung vorsehe.


Die andere Meinung vertritt, dass das Gericht die Einwände selbst prüfen kann

(BeckOGK/J. Schmidt, 1.2.2023, EuErbVO Art. 67 Rn. 9; BeckOGK/J. Schmidt, 1.2.2023, EuErbVO Art. 67 Rn. 9;

Steiner: Einstweiliger Rechtsschutz gegen das Europäische Nachlasszeugnis? (ZEV 2016, 487)).

Es seien nur Einwände gemeint, die in einem anderen Verfahren erhoben worden sind.

Dies entspreche auch Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. b) Erbrechts-VO. Art. 66 Abs. 1 S. 2 Erbrechts-VO sehe auch den Amtsermittlungsgrundsatz vor, wenn das nationale Recht das vorsieht, wie in Deutschland in § 26 FamFG.

Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21


Das OLG Stuttgart hat in seiner Entscheidung OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.12.2020 – 8 W 342/20, NJW-RR 2021, 459; ECLI:DE:OLGSTUT:2020:1215.8W342.20.00 entschieden, dass ein streitiges Verfahren durchzuführen sei.

Dabei hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung sei und noch nicht höchstgerichtlich entschieden wurde.

In der Literatur wurde diese Entscheidung dahingehend kritisiert, dass das OLG Stuttgart dem EuGH diese Auslegungsfrage nicht vorgelegt hat (Lamberz, ErbR 2021, 356). Die Rechtsbeschwerde wurde nicht eingelegt, weshalb das Verfahren nicht zum BGH gelangte, der zur Vorlage verpflichtet gewesen wäre nach Art. 267 Abs. 3 AEUV.


Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten 1 hat vorgetragen, dass falls Vorlagefrage a) mit ja zu beantworten ist, eine Situation entstehen könne, dass dem wahren Erben gar kein Europäisches Nachlasszeugnis ausgestellt werden darf.

In der Literatur wird dagegen erwogen, dass zumindest das Beschwerdegericht Einwendungen prüfen könne und damit zwischen der Ausstellungsbehörde und dem Beschwerdegericht (Art. 72 Erbrechts-VO) unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe gelten.

(MüKoBGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO Art. 67 Rn. 6).

Außerdem wird erwogen, dass das Europäische Nachlasszeugnis ausgestellt werden müsse, wenn die Einwendungen bereits in einem anderen Verfahren geprüft worden sind

(MüKoBGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO Art. 67 Rn. 6;

Kleinschmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Art. 67 EuErbVO (Stand: 01.03.2020), Rn. 29).

Dies könnte das Erbscheinsverfahren nach deutschem Recht sein, worauf Vorlagefrage b) abzielt, weil im deutschen Erbscheinsverfahren die Einwendungen von Amts wegen geprüft und ermittelt werden.


Um untragbare Folgen zu vermeiden, wird in der Literatur vorgeschlagen, missbräuchliche Einwendungen unberücksichtigt zu lassen

(Kleinschmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Art. 67 EuErbVO (Stand: 01.03.2020), Rn. 28).

Darauf zielt Vorlagefrage c).

In diesem Verfahren sind die Einwendungen nicht missbräuchlich, aber derart unsubstantiiert vorgetragen worden, dass über diese keine förmliche Beweiserhebung notwendig ist.

Europäisches Nachlasszeugnis – AG Lörrach 23 VI 1236/21

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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