Gründe:
I.
FG Düsseldorf 4 K 2226/08 Erb
Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige, die mehr als 35 Jahre in den Niederlanden wohnt. Ihre Mutter, die ebenfalls deutsche Staatsangehörige ist und mehr als 50 Jahre in den Niederlanden wohnt, war Eigentümerin eines in Düsseldorf belegenen und mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. Mai 2007 übertrug die Mutter der Klägerin dieser das Grundstück unentgeltlich.
Das beklagte Finanzamt setzte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 24. Januar 2008 27.929 Euro Schenkungsteuer fest. Dabei zog es von dem Steuerwert für das Grundstück von 255.000 Euro einen Freibetrag von 1.100 Euro ab, so dass sich eine Bemessungsgrundlage von 253.900 Euro ergab, auf die ein Steuersatz von 11 vom Hundert erhoben wurde.
Den hiergegen von der Klägerin eingelegten Einspruch wies das beklagte Finanzamt mit Entscheidung vom 23. Mai 2008 zurück.
Die Klägerin hat Klage erhoben, mit der sie die Berücksichtigung eines Freibetrags von 205.000 Euro begehrt, der für Erwerbe von Kindern gesetzlich vorgesehen ist, wenn der Schenker oder Erwerber zur Zeit der Ausführung der Schenkung seinen Wohnsitz im Inland hat. Sie macht geltend, § 16 Abs. 2 des deutschen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes verstoße gegen die Art. 18, 39, 43 und 58 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG).
Das beklagte Finanzamt ist der Klage entgegengetreten und trägt vor: Die Klägerin unterliege mit dem ihr zugewendeten Grundstück der beschränkten Steuerpflicht. Daher sei nach § 16 Abs. 2 ErbStG nur ein Freibetrag von 1.100 Euro zu berücksichtigen.
II.
FG Düsseldorf 4 K 2226/08 Erb
Für die Entscheidung über die Vorlagefrage sind folgende Vorschriften des deutschen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 378), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 10. Oktober 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 2332), von Bedeutung:
§ 1 Steuerpflichtige Vorgänge
(1) Der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegen
1. der Erwerb von Todes wegen;
2. die Schenkungen unter Lebenden;
3. die Zweckzuwendungen…
(2) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über
die Erwerbe von Todes wegen auch für Schenkungen und Zweckzuwendungen, die Vorschriften über Schenkungen auch für Zweckzuwendungen unter Lebenden.
§ 2 Persönliche Steuerpflicht
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(1) Die Steuerpflicht tritt ein
1. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes,
der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der
Entstehung der Steuer .. ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall. Als
Inländer gelten
a) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen
Aufenthalt haben,
b) deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland
aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben…
3. in allen anderen Fällen für den Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes besteht…
§ 15 Steuerklassen
(1) Nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker werden die folgenden drei Steuerklassen unterschieden:
Steuerklasse I:
1. der Ehegatte,
2. die Kinder und Stiefkinder…
§ 16 Freibeträge
(1) Steuerfrei bleibt in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Erwerb
FG Düsseldorf 4 K 2226/08 Erb
1. des Ehegatten in Höhe von 307.000 Euro;
2. der Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im
Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 in Höhe von 205.000 Euro…
(2) An die Stelle des Freibetrags nach Absatz 1 tritt in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr.
3 ein Freibetrag von 1.100 Euro.
§ 19 Steuersätze
(1) Die Erbschaftsteuer wird nach folgenden Vomhundertsätzen erhoben:
Wert des steuerpflichtigen Erwerbs .. bis einschließlich … Euro | Vomhundertsatz in der Steuerklasse I … … |
52.000 | 7 |
256.000 | 11 |
Ferner ist folgende Vorschrift des Bewertungsgesetzes (BewG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1991 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 230), zuletzt geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 13. Dezember 2006 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 2378), von Bedeutung:
§ 121 Inlandsvermögen
Zum Inlandsvermögen gehören:
1. das inländische land- und forstwirtschaftliche Vermögen;
2. das inländische Grundvermögen…
III.
FG Düsseldorf 4 K 2226/08 Erb
Der Senat setzt das bei ihm anhängige Klageverfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 Unterabs. 2 EG die im Tenor formulierte Frage zur Vorabentscheidung vor. Die Entscheidung über die Klage hängt von der Beantwortung dieser Frage ab.
Der Senat hat Zweifel, ob § 16 Abs. 2 ErbStG mit Art. 56 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 58 EG vereinbar ist. Der EuGH hat bereits entschieden, dass Erbschaften, mit denen das Vermögen, das ein Verstorbener hinterlässt, auf eine oder mehrere Personen übergeht, unter den Begriff des Kapitalverkehrs im Sinne des Art. 56 Abs. 1 EG fallen (EuGH, Urteil vom 17. Januar 2008 Rs. C-256/06 Randnr. 25, 27; Urteil vom 11. September 2008 Rs. C-11/07 Randnr. 39, 41 sowie Urteil vom 11. September Rs. C-43/07 Randnr. 30, 32). Entsprechendes dürfte für Schenkungen zu gelten haben, die – wie im Streitfall – einen Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen.
Eine Beschränkung des Kapitalverkehrs im Sinne des Art. 56 Abs. 1 EG liegt vor, wenn die Höhe einer Steuervergünstigung davon abhängig ist, dass der Erblasser in dem betreffenden Mitgliedstaat wohnhaft war (EuGH, Urteile vom 11. September 2008 Rs. C-11/07 Randnr. 46 sowie Rs. C-43/07 Randnr. 46). Daher dürfte die Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG gleichfalls eine Beschränkung des Kapitalverkehrs darstellen. Denn diese Bestimmung sieht in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG bei dem Erwerb eines im Inland belegenen Grundstücks (§ 121 Nr. 2 BewG) nur einen Freibetrag von 1.100 Euro vor, wenn weder der Schenker noch der Erwerber zur Zeit der Ausführung der Schenkung ein Inländer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG ist.
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Hätte die Mutter der Klägerin oder diese selbst im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung einen Wohnsitz im Inland gehabt, so könnte die Klägerin gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG den Abzug eines Freibetrags von 205.000 Euro beanspruchen. Dies hätte zur Folge, dass lediglich von einer Bemessungsgrundlage von 50.000 Euro auszugehen wäre (255.000 Euro – 205.000 Euro). Die Steuer gegen die Klägerin wäre bei Anwendung eines Steuersatzes von 7 vom Hundert gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG dann auf 3.500 Euro und nicht auf 27.929 Euro festzusetzen.
Der Senat bezweifelt, dass diese Beschränkung des Kapitalverkehrs gemäß Art. 58 EG gerechtfertigt ist. Zwar berührt Art. 56 EG nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln (Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a EG). Diese Maßnahmen und Verfahren dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs darstellen (Art. 58 Abs. 3 EG).
Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass eine nationale Steuerregelung, die hinsichtlich der Gewährung einer Steuervergünstigung zwischen einem Erblasser, der zum Zeitpunkt seines Ablebens in diesem Mitgliedstaat wohnte, und einem Erblasser, der zu diesem Zeitpunkt in einem anderen Mitgliedstaat wohnte, unterscheidet, nur dann mit den Art. 56 und 58 EG vereinbar ist, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (EuGH, Urteile vom 11. September 2008 Rs. C-11/07 Randnr. 59 und Rs. C-43/07 Randnr. 53).
Nach Auffassung des Senats dürfte die Situation eines unbeschränkt steuerpflichtigen Erwerbers, dem ein im Inland belegenes Grundstück zugewendet worden ist, und eines beschränkt steuerpflichtigen Erwerbers, dem ebenfalls ein im Inland belegenes Grundstück zugewendet worden ist, objektiv vergleichbar sein.
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Der Bundesfinanzhof hat zwar mit Urteil vom 21. September 2005 II R 56/03 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Band 210, Seite 522) entschieden, dass hinsichtlich der Gewährung der persönlichen Freibeträge zwischen beschränkt und unbeschränkt Erbschaftsteuerpflichtigen im Allgemeinen so erhebliche Unterschiede bestünden, dass der Gesetzgeber nach der deutschen Verfassung nicht zu einer Gleichbehandlung dieser Personengruppen verpflichtet gewesen sei.
Während bei unbeschränkt Erbschaftsteuerpflichtigen der gesamte Vermögensanfall (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG) der Erbschaftsteuer unterliege, sei die sachliche Steuerpflicht bei beschränkt Steuerpflichtigen auf das Inlandsvermögen beschränkt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Die Bemessungsgrundlage, auf die der in § 16 ErbStG vorgesehene Freibetrag anzuwenden sei, unterscheide sich bei unbeschränkter Steuerpflicht daher im Regelfall erheblich von der Bemessungsgrundlage, die sich bei einer beschränkten Steuerpflicht ergebe.
Der Senat hat Zweifel, ob die durch § 16 Abs. 2 ErbStG bewirkte unterschiedliche Behandlung beschränkt Steuerpflichtiger und unbeschränkt Steuerpflichtiger mit diesen Erwägungen auch bei der Erhebung der Schenkungsteuer gerechtfertigt werden kann. Denn bei der Schenkungsteuer unterliegt ausschließlich der zugewendete Vermögensgegenstand einer Besteuerung.
Eine unterschiedliche Bemessungsgrundlage gibt es für unbeschränkt und für beschränkt Steuerpflichtige bei der Zuwendung eines im Inland belegenen Grundstücks nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die unterschiedliche Behandlung unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtiger durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein könnte.
Hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 16 Abs. 2 ErbStG mit den Art. 39 und 43 EG dürfte Entsprechendes zu gelten haben. Denn die schenkungsteuerrechtlichen Auswirkungen gehören zu den Überlegungen, die ein Angehöriger eines Mitgliedstaats bei der Entscheidung, ob er von der im zustehenden Freizügigkeit Gebrauch machen soll oder nicht, anstellen darf (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 Rs. C-364/01, Slg. 2003, I-15013 Randnr. 75).