Folge der Erbausschlagung durch einen Vorerben – OLG München Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 31 Wx 30/11

Juli 7, 2020

Folge der Erbausschlagung durch einen Vorerben – OLG München Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 31 Wx 30/11

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Der Erblasser verstarb am 4. März 2010 und hinterließ ein handschriftliches Testament vom 2. November 2002. In diesem Testament setzte er seine Frau und seine drei Kinder zu Erben ein.

Er bestimmte, dass seine Frau 34 % und jedes seiner Kinder 22 % des Erbes erhalten sollte.

Die Tochter L. (Beteiligte zu 1) erhielt zusätzlich 10 % einer bestimmten Wohnung im Voraus, da die anderen beiden Kinder, A. (Beteiligte zu 4) und G. (Beteiligter zu 2), bereits beim Kauf der Wohnung jeweils 10 % erhalten hatten.

Es wurde angeordnet, dass von den Kindern nur blutsverwandte Abkömmlinge erben sollten und dass die Ehegatten der Kinder nicht erben sollten, falls dies gesetzlich möglich wäre.

Ferner bestimmte der Erblasser eine Testamentsvollstreckung für die Dauer von zehn Jahren nach dem Tod des letzten Elternteils und ernannte seine Tochter L. zur Testamentsvollstreckerin.

Sollte L. ausfallen, sollte G. die Aufgabe übernehmen. L. nahm das Amt an und ihr wurde ein Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt.

Erbscheinsverfahren und Konflikt

Folge der Erbausschlagung durch einen Vorerben – OLG München Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 31 Wx 30/11

Am 24. Juni 2010 schlug die Beteiligte zu 4 (A.) die Erbschaft form- und fristgerecht aus.

Die Beteiligte zu 1 (L.) beantragte daraufhin einen Erbschein, der sie und den Beteiligten zu 2 (G.) als Miterben zu je 1/2 ausweist, mit der Angabe, dass eine Testamentsvollstreckung angeordnet sei.

Sie argumentierte, dass durch die Ausschlagung der Beteiligten zu 4 (A.) deren Tochter, die Beteiligte zu 3, nicht an deren Stelle trete und dass § 2069 BGB in diesem Fall nicht anwendbar sei.

Das Nachlassgericht München wies den Antrag zurück und bewilligte stattdessen einen Erbschein, der L., G. und die Beteiligte zu 3 (Tochter von A.) als Miterben zu je 1/3 ausweist, mit dem Zusatz, dass bezüglich L. und G. Nacherbfolge angeordnet ist, die mit deren Tod eintritt.

Entscheidung des OLG München

Das OLG München bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts weitgehend und entschied, dass die Beteiligten zu 1 und 2 (L. und G.) nicht zu je 1/2 Miterben geworden sind, sondern dass die Beteiligte zu 3 (Tochter von A.) aufgrund der Ausschlagung der Erbschaft durch A. als Erbin an deren Stelle tritt.

Wesentliche Punkte der Entscheidung:

Vor- und Nacherbschaft:

Das Testament enthielt keine ausdrückliche Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft.

Dennoch folgerte das Gericht aus den Formulierungen des Testaments, dass der Erblasser einen zweimaligen Erbgang regeln wollte.

Die Regelung, dass nur blutsverwandte Abkömmlinge erben sollten, und die Bestimmung, dass die Ehegatten der Kinder nicht erben sollten, deuteten auf den Willen des Erblassers hin, seinen Nachlass langfristig innerhalb der Blutsverwandtschaft zu halten.

Folge der Erbausschlagung durch einen Vorerben – OLG München Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 31 Wx 30/11

Auslegung des Testaments:

Das Gericht interpretierte die Testamentsbestimmungen dahingehend, dass der Erblasser Vor- und Nacherbschaft anordnete.

Die Einleitung des Testaments hatte dabei nur eine ermahnende, nicht jedoch eine rechtlich gestaltende Bedeutung.

Ausschlagung und Ersatzerbschaft:

Die Ausschlagung durch A. führte nicht dazu, dass ihre Tochter von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Gemäß § 2102 Abs. 1 BGB trat die Tochter (Beteiligte zu 3) als Nacherbin an die Stelle der Vorerbin (A.).

Unrichtigkeit des Erbscheins:

Das Nachlassgericht hatte den Erbschein nicht korrekt formuliert, da es die Nacherbfolge nicht auf blutsverwandte Abkömmlinge beschränkt hatte.

Dieser Fehler konnte jedoch nicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens korrigiert werden, da kein entsprechender geänderter Erbscheinsantrag vorlag.

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Kostenentscheidung

Für das Beschwerdeverfahren fielen keine Gerichtskosten an, und jeder Beteiligte musste seine außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.

Fazit

Das OLG München bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts München, dass die Beteiligte zu 3 aufgrund der Ausschlagung der Erbschaft durch ihre Mutter (Beteiligte zu 4) an deren Stelle tritt und Erbin wird.

Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft wurde aus den testamentarischen Verfügungen des Erblassers abgeleitet, auch wenn diese nicht ausdrücklich formuliert war.

Der Erbschein musste entsprechend den Feststellungen angepasst werden, um den Willen des Erblassers korrekt widerzuspiegeln.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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