freies Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis – Wirksamkeit ordentliche Kündigung + Urlaubsansprüche – BAG 9 AZR 145/21

April 2, 2022

freies Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis – Wirksamkeit ordentliche Kündigung + Urlaubsansprüche – BAG 9 AZR 145/21

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in diesem Fall entschieden, dass die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis vorliegt, anhand einer Gesamtbetrachtung aller Umstände zu beurteilen ist.

Dabei sind insbesondere die Weisungsgebundenheit, die Fremdbestimmtheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

Das Gericht hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache zurück, da das Landesarbeitsgericht nicht alle relevanten Tatsachen berücksichtigt

und die Gewichtung der einzelnen Kriterien nicht ausreichend begründet hatte.

Sachverhalt:

  • Der Kläger war seit 1990 als Sportfotograf für die Beklagte tätig.
  • Die Parteien hatten 1995 einen Pauschalistenvertrag geschlossen, der die Tätigkeit des Klägers als „freier Sportfotograf“ bezeichnete.
  • Die Beklagte kündigte das Vertragsverhältnis 2018.
  • Der Kläger klagte auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde, und auf Gewährung von Urlaubsansprüchen.
  • Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr teilweise statt.

Entscheidungsgründe:

freies Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis – Wirksamkeit ordentliche Kündigung + Urlaubsansprüche – BAG 9 AZR 145/21

  • Zulässigkeit der Klage: Das BAG bestätigte die Zulässigkeit der Klage, sowohl des Kündigungsschutzantrags als auch des (hilfsweise gestellten) Urlaubsantrags.
  • Abgrenzung Arbeitsverhältnis/freies Dienstverhältnis: Das BAG stellte klar, dass die Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnis und freiem Dienstverhältnis anhand einer Gesamtbetrachtung aller Umstände zu erfolgen hat. Dabei sind folgende Kriterien maßgeblich:
    • Weisungsgebundenheit: Der Arbeitnehmer ist weisungsgebunden, wenn er nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
    • Fremdbestimmtheit: Die Fremdbestimmtheit zeigt sich insbesondere in der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers.
    • Eigenart der Tätigkeit: Die Art der Tätigkeit und die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Berufsbild können den Vertragstyp beeinflussen.
    • Pressefreiheit: Bei redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern ist die Pressefreiheit des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
  • Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht: Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache zurück, da dieses nicht alle relevanten Tatsachen berücksichtigt und die Gewichtung der einzelnen Kriterien nicht ausreichend begründet hatte.
  • Hinweise für die erneute Entscheidung: Das BAG gab dem Landesarbeitsgericht folgende Hinweise für die erneute Prüfung:
    • Vertragsinhalt: Der Pauschalistenvertrag spricht zunächst für ein freies Dienstverhältnis, da er die Tätigkeit des Klägers als „freier Sportfotograf“ bezeichnet und keine Weisungsrechte der Beklagten enthält.
    • Tatsächliche Durchführung: Das Landesarbeitsgericht muss alle relevanten Umstände der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses berücksichtigen, einschließlich des Vortrags beider Parteien.
    • Gesamtbetrachtung und Abwägung: Das Landesarbeitsgericht muss alle relevanten Kriterien in einer Gesamtabwägung berücksichtigen und die Gewichtung der einzelnen Kriterien nachvollziehbar begründen.
    • Pressefreiheit: Bei der Abwägung ist ggf. auch die Pressefreiheit der Beklagten zu berücksichtigen.

Fazit:

Das Urteil des BAG verdeutlicht die Komplexität der Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnis und freiem Dienstverhältnis.

Es unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls und der nachvollziehbaren Begründung der gerichtlichen Entscheidung.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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