Kammergericht Berlin 22 W 36/22

Februar 8, 2023

Kammergericht Berlin 22 W 36/22- Amtsniederlegung eines Geschäftsführers

Zum Nachweis der Beendigung der Vertretungsbefugnis durch Amtsniederlegung eines Geschäftsführers hat der anmeldende Geschäftsführer Unterlagen vorzulegen, aus denen sich der Zugang der Niederlegungserklärung bei dem Bestellungsorgan ergibt.

Als Unterlage kommt auch das rein elektronisch erstellte Protokoll einer Gesellschafterversammlung in Betracht.

Verfahrensgang Kammergericht Berlin 22 W 36/22 –

vorgehend AG Charlottenburg, kein Datum verfügbar, 83 HRB 219519

Tenor Kammergericht Berlin 22 W 36/22 –

Die Zwischenverfügung vom 14. April 2022 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1), eine UG (haftungsbeschränkt), ist seit dem 7. Juli 2020 in das Handelsregister Abteilung B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen.

Mit einer notariell beglaubigten elektronischen Erklärung vom 1. März 2022 meldete der Beteiligte zu 2), der als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beteiligten zu 1) eingetragen ist, sein Ausscheiden als Geschäftsführer zum Register an.

Der Anmeldung war das undatierte Protokoll einer Gesellschafterversammlung als elektronisches Dokument beigefügt, das die Erklärung des Beteiligten zu 2) über seine Niederlegung aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Eintragung enthält.

Darüber hinaus haben die Gesellschafter der Abtretung der Geschäftsanteile des Beteiligten zu 2) an die Gesellschaft im Beschlusswege zugestimmt.

Die Unterschriften der Gesellschafter bzw. ihrer Organvertreter enthalten den Vermerk „DocuSigned“.

Auf diese Anmeldung hin hat das Amtsgericht mit Schreiben vom 15. März 2022 mitgeteilt, dass die Anmeldung nicht vollzogen werden könne.

Der Gesellschafterbeschluss nebst weiterer Erklärungen sei mit Hilfe des Programms „DocuSign“ elektronisch unterzeichnet.

Diese Signatur könne durch das Registergericht nicht überprüft werden, so dass nicht von wirksamen Unterschriften ausgegangen werden könne.

Die Unterschrift werde in Abwesenheit des Unterzeichners durch den Dienstleister vorgenommen. Vorzulegen seien deshalb ein von dem Beteiligten zu 2) und einem weiteren Gesellschafter unterzeichneter Gesellschafterbeschluss nebst weiterer Erklärungen.

Soweit eine rechtsmittelfähige Zwischenverfügung gewünscht werde, werde um entsprechende Mitteilung gebeten. Diese forderte der Verfahrensbevollmächtigte mit Schreiben vom 8. April 2022 ein.

Gegen diese dem Schreiben vom 15. März 2022 entsprechende Verfügung vom 14. April 2022, die am 19. April 2022 zugestellt worden ist und anders als das Schreiben vom 15. März 2022 mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, hat der Verfahrensbevollmächtigte mit Schreiben vom 19. Mai 2022 Beschwerde eingelegt.

Diesem Rechtsmittel hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 23. Mai 2022 zur Entscheidung vorgelegt.

Kammergericht Berlin 22 W 36/22

II.

1.Die als im Namen der Gesellschaft eingelegt anzusehende Beschwerde ist nach § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist fristgerecht innerhalb der Monatsfrist nach § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt, auch der Beschwerwert nach § 61 Abs. 1 FamFG wird erreicht.
Die Beteiligte zu 1) ist in eigenen Rechten beeinträchtigt, weil es um eine sie betreffende Eintragung geht, so dass die Voraussetzungen nach § 59 Abs. 1 und 2 FamFG gegeben sind.
Die Beschwerdeeinlegung erfolgte formgerecht.

2.Die Beschwerde hat auch Erfolg.
Die in der Zwischenverfügung aufgeführten Eintragungshindernisse bestehen nicht.
Sie ist aus diesem Grund aufzuheben.
Das Amtsgericht hat neu über den Eintragungsantrag zu entscheiden.

Kammergericht Berlin 22 W 36/22

a) Die formellen Voraussetzungen für den Vollzug der beantragten Entscheidung liegen vor.

Der Beteiligte zu 2) ist anmeldebefugt, weil sein Amt erst mit der Eintragung endet.

Die entsprechende Bedingung bezieht sich nicht auf die Anmeldung als Verfahrenshandlung, die bedingungsfeindlich ist.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegen die notwendigen Unterlagen zum Vollzug des angemeldeten Ausscheidens des Beteiligten zu 2) als Geschäftsführer vor.

Nach § 39 Abs. 2 GmbHG sind der Anmeldung über die Veränderungen in den Personen der Geschäftsführung die Urkunden über die Bestellung oder Beendigung in Urschrift oder beglaubigter Abschrift beizufügen.

Wegen der Form der einzureichenden Unterlagen gilt seit der Einführung des elektronischen Handelsregisters nach § 8 Abs. 5 GmbHG die Regelung des § 12 Abs. 2 HGB entsprechend.

Danach sind Dokumente elektronisch einzureichen.

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Soweit eine Urschrift einzureichen ist, reicht danach die Einreichung einer elektronischen Aufzeichnung. Im Falle einer Amtsniederlegung ist aus diesem Grund die Amtsniederlegung und ihr Zugang bei mindestens einem der Gesellschafter durch eine elektronische Aufzeichnung nachzuweisen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. September 2001 – II ZR 378/99 –, BGHZ 149, 28-32 Rn. 9; Urteil vom 8. Februar 1993 – II ZR 58/92 –, BGHZ 121, 257-262 Rn. 19).

Derartige Unterlagen liegen aber vor. Aus dem eingereichten Protokoll ergibt sich, dass der Beteiligte zu 2) den anderen Gesellschaftern gegenüber die Niederlegung seines Geschäftsführeramtes aufschiebend bedingt erklärt hat.

Damit ist nicht nur die Abgabe der entsprechenden Erklärung belegt, sondern auch ihr Zugang beim Bestellungsorgan.

Dass die Wiedergabe dieses Vorgangs unzutreffend ist, die dortigen Angaben also falsch sind, macht auch das Amtsgericht nicht geltend. Anhaltspunkte hierfür, die Ermittlungen des Registergerichts rechtfertigen könnten, sind auch nicht ersichtlich.

Dieses Protokoll ist in ausreichender Form eingereicht worden, auch wenn der Signierablauf nahelegt, dass es originär elektronisch erstellt ist. Denn auch ein solches Dokument genügt den Anforderungen nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 HGB (vgl. Schmidt-Kessel/Leutner/Müther, Handelsregisterrecht, 2010, § 12 HGB Rn. 50).

Soweit davon ausgegangen wird, ein elektronisches Dokument sei immer aus einem Papierdokument zu erstellen, dies ergebe sich aus dem Begriff der Aufzeichnung (so wohl Münchener Kommentar HGB/Krafka, 5. Aufl., § 12 Rn. 59), teilt der Senat diese Auffassung nicht, weil der Begriff der Aufzeichnung auch die Festhaltung des zu dokumentierenden Vorgangs bezeichnen kann.

Ausreichend ist die Erstellung eines Dokuments, das dauerhaft wiedergegeben werden kann. Dies entspricht auch dem § 48 Abs. 2 GmbHG, nach dem Beschlüsse der Gesellschafter in Textform gefasst werden können. Reicht danach eine elektronische Aufzeichnung, ist es auch nicht erforderlich, dass diese durch den Notar erstellt wird (vgl. dazu DNotI-Report 2018, 25).

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b)

Auch materiell-rechtlich ist damit von einer wirksamen Niederlegung des Geschäftsführeramtes durch den Beteiligten zu 2) auszugehen. Denn die Niederlegungserklärung kann, wie mit der Beschwerde zu Recht geltend gemacht wird, formfrei abgegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1993 – II ZR 58/92 –, BGHZ 121, 257-262 Rn. 19; Beschluss vom 21. Juni 2011 – II ZB 15/10 –, juris Rn. 8; Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 38 Rn. 77; Noack/Servatius/Haas/Beurkens, GmbHG, 23. Aufl., § 38 Rn. 76).

Soweit das Amtsgericht bemängelt, eine Fernbeglaubigung nach dem Verfahren docuSign sei nicht rechtswirksam, kommt es hierauf daher nicht an. Dies gilt erst Recht für die Unterschriften der beiden weiteren Gesellschafter, die im Zusammenhang mit der Niederlegung überhaupt keine Willenserklärungen abgeben müssen.

Dass die Niederlegung aufschiebend bedingt erfolgt ist, schadet nicht. Eine solche Bedingung ist wirksam (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 – II ZB 15/10 –, juris Rn. 8; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. Juni 1998 – 3 W 130/98 –, juris Rn. 4).

3.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen.

Gerichtskosten fallen nicht an, die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet aus.

Die Rechtsbeschwerde kann nicht zugelassen werden, weil es an einem Beschwerten fehlt.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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