Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge

Juni 22, 2025

Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge

RA und Notar Krau

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 11. Juni 2020 ein wichtiges Urteil zur Kündigungsfrist von Geschäftsführern gefällt (Aktenzeichen: 2 AZR 374/19). Es ging darum, welche gesetzliche Kündigungsfrist für Geschäftsführerverträge gilt, die keine Arbeitsverträge sind.

Der Fall: Eine Geschäftsführerin und ihre Kündigung

Eine Frau war seit 2009 Geschäftsführerin einer Rehaklinik im Land Brandenburg. Ihr Vertrag sah ein Jahresgehalt von 100.000 Euro vor, zahlbar in zwölf monatlichen Raten. Im Juli 2017 schrieb sie mit anderen Geschäftsführern einen kritischen Brief an den Aufsichtsrat des Muttervereins. Darin warfen sie dem Vereinsvorstand Untätigkeit und Fehlverhalten vor.

Daraufhin wurde sie im August 2017 in ihrer Vertretungsbefugnis eingeschränkt und im Februar 2018 ordentlich gekündigt. Die Kündigung sollte zum 31. Mai 2018 wirksam werden. Zu diesem Zeitpunkt war die Geschäftsführerin auch ehrenamtliche Richterin an einem Arbeitsgericht.

Sie klagte gegen die Kündigung. Sie meinte, sie sei zum Zeitpunkt der Kündigung eigentlich eine Arbeitnehmerin gewesen, und die Kündigung sei wegen ihres Engagements als ehrenamtliche Richterin unwirksam. Außerdem sei die Kündigungsfrist falsch berechnet worden; ihr Vertrag hätte erst Ende August 2018 enden dürfen.

Das Arbeitsgericht gab ihr zunächst recht. Das Landesarbeitsgericht entschied aber, dass ihr Vertrag bereits Ende Juni 2018 geendet habe. Die Frau ging daraufhin in Revision zum Bundesarbeitsgericht.


Die wichtigsten Fragen vor Gericht

Das Bundesarbeitsgericht musste mehrere Punkte klären:

  1. War die Geschäftsführerin eine Arbeitnehmerin? Das ist wichtig, weil Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz genießen.
  2. War die Kündigung aus anderen Gründen unwirksam? Zum Beispiel, weil sie ehrenamtliche Richterin war oder weil sie den Vorstand kritisiert hatte.
  3. Welche Kündigungsfrist galt wirklich für ihren Vertrag?

Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG wies die Klage der Geschäftsführerin ab und bestätigte, dass ihr Anstellungsverhältnis zum 30. Juni 2018 geendet hatte.

1. Kein Arbeitnehmerstatus für die Geschäftsführerin

Das Gericht stellte klar, dass die Klägerin keine Arbeitnehmerin war.

  • Geschäftsführer sind in der Regel keine Arbeitnehmer: Ein Geschäftsführer ist normalerweise kein Arbeitnehmer, sondern arbeitet auf Basis eines freien Dienstvertrags. Er hat zwar Weisungen zu befolgen, aber die Gesellschaft kann ihm als „Unternehmer“ Weisungen erteilen. Eine so starke Abhängigkeit wie bei einem Arbeitnehmer gibt es selten.
  • Einschränkung der Befugnisse ändert nichts: Auch wenn ihre Vertretungsbefugnisse eingeschränkt wurden, änderte das nichts an ihrem Status als Geschäftsführerin. Sie verkörperte weiterhin die Arbeitgeberin als gesetzliche Vertreterin der GmbH. Das unterscheidet Geschäftsführer grundlegend von normalen Angestellten.
  • Keine „arbeitnehmerähnliche“ Person: Auch als „arbeitnehmerähnliche“ Person wurde sie nicht eingestuft. Solche Personen sind zwar wirtschaftlich abhängig, aber ihre Tätigkeit ist sozial nicht mit der eines Arbeitnehmers vergleichbar. Das hohe Jahresgehalt und die allgemeine Stellung eines Geschäftsführers sprechen dagegen.

2. Kündigung war nicht unwirksam

  • Kein Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Da sie keine Arbeitnehmerin war, galt für sie nicht der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG). Dieses Gesetz schützt nur Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Kündigungen.
  • Kein Schutz als ehrenamtliche Richterin: Das Gericht befand, dass die Kündigung auch nicht wegen ihrer Tätigkeit als ehrenamtliche Richterin unwirksam war. Die entsprechenden Gesetze schützen nur Arbeitnehmer. Ein Zusammenhang zwischen ihrer Richtertätigkeit und der Kündigung wurde nicht festgestellt.
  • Kritik am Vorstand war kein Kündigungsgrund nach Gesetz, aber…: Die Kündigung war auch nicht „sittenwidrig“ oder „treuwidrig“, weil die Geschäftsführerin den Vorstand kritisiert hatte. Das Gericht sah den Vertrauensverlust der Gesellschaft gegenüber der Geschäftsführerin als „einleuchtenden Grund“ für die Kündigung an. Die Kündigung muss bei einem Geschäftsführer nicht zwingend auf einem „Grund“ basieren, da er keine Kündigungsschutzrechte wie ein Arbeitnehmer hat.

3. Die richtige Kündigungsfrist

Das ist der Kernpunkt des Urteils:

  • § 621 BGB gilt für Geschäftsführerverträge: Da der Vertrag der Geschäftsführerin kein Arbeitsvertrag war und keine eigene Kündigungsfrist enthielt, sondern auf die „gesetzliche Kündigungsfrist“ verwies, galt § 621 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
  • Die alte Rechtsprechung wurde nicht angewendet: Früher hatte der Bundesgerichtshof (BGH) manchmal § 622 BGB (das ist das Gesetz für Arbeitnehmer) auf Geschäftsführer angewandt. Das BAG hat dies jedoch für die heutige Fassung von § 622 BGB abgelehnt. Es fehlt eine „Regelungslücke“, die eine Anwendung von § 622 BGB auf Geschäftsführer zulassen würde. Außerdem wurde § 622 BGB bewusst für Arbeitsverhältnisse geschaffen. Es wäre widersprüchlich, diesen Paragraphen auf Geschäftsführer anzuwenden, wenn er nicht einmal auf „arbeitnehmerähnliche Personen“ angewandt wird, die einem Arbeitnehmer sozial ähnlicher sind.
  • Sechs Wochen zum Quartalsende: Da das Gehalt im Vertrag jährlich bemessen war, obwohl es monatlich ausgezahlt wurde, greift § 621 Nr. 4 BGB. Danach beträgt die Kündigungsfrist sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahrs.
  • Die Kündigung war eindeutig: Die Kündigung war so formuliert, dass sie „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ mit der gesetzlichen Frist wirken sollte. Da die Kündigung Ende Februar 2018 zugestellt wurde, endete das Anstellungsverhältnis sechs Wochen nach dem 28. Februar 2018 zum nächsten Quartalsende, also zum 30. Juni 2018.

Was bedeutet das Urteil?

Dieses Urteil ist wichtig, weil es klarstellt, dass Geschäftsführer in Deutschland in der Regel nicht als Arbeitnehmer gelten und daher nicht den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes genießen. Für die Kündigungsfristen ihrer Verträge ist in der Regel § 621 BGB maßgeblich, insbesondere wenn im Vertrag keine spezifischen Fristen festgelegt sind und auf „die gesetzliche Kündigungsfrist“ verwiesen wird. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit hat hier, anders als bei Arbeitnehmern, keinen Einfluss auf die Kündigungsfrist.

Es verdeutlicht auch, dass der Vertrauensverlust der Gesellschaft gegenüber einem Geschäftsführer ein ausreichender Grund für eine ordentliche Kündigung sein kann.


Haben Sie weitere Fragen zu den Rechten und Pflichten von Geschäftsführern oder zu Kündigungen?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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