LAG Hamm, Beschluss vom 02.04.2019 – 8 Ta 396/18

Juni 13, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 02.04.2019 – 8 Ta 396/18

Tenor

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12. Juli 2018 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 11. Juli 2018 – 3 Ca 1475/17 – wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung des Gebührenstreitwerts für ein durch Prozessvergleich erledigtes Bestandsschutzverfahren.

I.

Der Kläger war bei der beklagten Partei, die bundesweit Elektro- bzw. Elektronikmärkte betreibt, als Fachberater gegen ein Monatsentgelt in Höhe von durchschnittlich 2.484,29 € brutto beschäftigt. Mit Schreiben vom 12. August 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos. Gegen diese Kündigung wandte sich der durch den Beschwerdeführer anwaltlich vertretene Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage vom 21. August 2017. Neben einem punktuellen Kündigungsschutzantrag gem. §§ 13 Abs. 1 S. 2, 4 S. 1 KSchG ließ einen nicht näher begründeten allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO (sog. Schleppnetzantrag), einen Weiterbeschäftigungsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Bestandsschutzbegehren und zwei Zeugnisanträge (Zwischen- und Endzeugnis in einem Haupt- und Hilfsverhältnis) ankündigen.

Im Termin vom 27. Juni 2018 schlossen die Parteien einen Prozessvergleich über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2017 gegen Zahlung einer Abfindung. Unter der dortigen Ziffer 2. vereinbarten sie eine Regelung über eine in der Kündigungsfrist erfolgte Freistellung unter Abwicklung von Urlaubsansprüchen und entsprechend eines etwaigen Zeitguthabens. Ziffer 5. begründet die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit guter Führungs- und Leistungsbeurteilung unter begleitender Einräumung eines im Übrigen weitreichenden Vorschlagsrechts für den Kläger.

Mit Beschluss vom 11. Juli 2018, auf den Bezug genommen wird, setzte das Arbeitsgericht den Gebührenstreitwert für Verfahren und Vergleich auf 12.421,45 € fest. Zur Begründung verwies es darauf, dass der Kündigungsschutzantrag nach § 42 Abs. 2 S. 1 GKG mit dem Vierteljahresverdienst des Klägers und daneben der Beschäftigungsantrag sowie die Zeugnisanträge in ihrer Gesamtheit mit je einem weiteren Monatseinkommen zu berücksichtigen seien. Ein Vergleichsmehrwert sei nicht begründet.

Mit aus eigenem Recht aufgerufenem Rechtsbehelf vom 12. Juli 2018 wendet sich der Beschwerdeverführer gegen diese Festsetzung. Während gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts keine Einwände zu erheben seien müsse, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, jedoch von einem Vergleichsmehrwert in Höhe eines Monatseinkommens ausgegangen werden. Dieser folge aus den inhaltlichen Festlegungen zur Abfassung und Gestaltung des Arbeitszeugnisses, wobei diese Fragen nicht bereits streitgegenständlich gewesen wären. Insoweit sei von der Beilegung entsprechender Rechtsunsicherheit und zugleich von einer Regelung zur Vermeidung eines Folgeprozesses auszugehen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten des Beschwerdeverfahrens wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.

II.

Die nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i. V. m. §§ 63 Abs. 2, 68 Abs. 1 S. 1 GKG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und zulässigerweise aus eigenem Recht verfolgte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die vom Arbeitsgericht Iserlohn vorgenommene Festsetzung des Gebührenstreitwerts bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Gegenstandswert des Kündigungsschutzantrags bemisst sich, wie vom Arbeitsgericht rechtskonform festgesetzt, in Anwendung des § 42 Abs. 2 S. 1, 1. HS GKG nach dem Vierteljahresverdienst des Klägers aus dem beendeten Arbeitsverhältnis. Dieser beträgt nach den vorliegend unangefochtenen Feststellungen des Arbeitsgerichts 7.452,87 €. Die im Vergleich vereinbarte Abfindung erhöht den Streitwert nicht, § 42 Abs. 2 S. 1, 2. HS GKG. Dem allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO (hier Antrag zu 2.), vorliegend als sog. Schleppnetzantrag ohne gesonderte Einführung eines weiteren Beendigungstatbestands gestellt, kommt – wie vom Arbeitsgericht angenommen – neben dem bereits mit dem Vierteljahresverdienst berücksichtigten Kündigungsschutzantrag kein zusätzlicher eigener Gegenstandswert zu.

2. Gegen die weitere Wertfestsetzung obwalten insoweit keine durchgreifenden Bedenken, als das Arbeitsgericht auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1, 39 Abs. 1, 45 Abs. 4, 48 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 3, 5 ZPO – jeweils ausgehend vom Streitgegenstand – den Beschäftigungsantrag und die Zeugnisanträge mit je einem weiteren Monatseinkommen berücksichtigt hat. Über die Frage der Weiterbeschäftigungspflicht über den 12. August 2017 hinaus ist im Vergleich vom 27. Juni 2018, jedenfalls bei für den Beschwerdeführer denkbar günstigster Lesart, mit der Regelung zur dortigen Ziffer 2. eine Vereinbarung getroffen worden. Selbige lässt die Berücksichtigung dieses nicht durch Urteil beschiedenen Antrags, obwohl als unechter Hilfsantrag gestellt, nach § 45 Abs. 4 GKG zu. Der für die Zeugnisanträge insgesamt auf ein Monatseinkommen angenommene Streitwert entspricht dem Vorschlag des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 9. Februar 2018 (u. a. NZA 2018, S. 498 ff), dort I. Nr. 29.3. An den – wenngleich nicht bindenden – Vorschlägen des Streitwertkatalogs orientiert sich auch die Beschwerdekammer in ständiger Spruchpraxis.

3. Ein Vergleichsmehrwert entsteht nach I. Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs i. d. F. vom 9. Februar 2018 nur dann, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder ein über die Streitgegenstände des Verfahrens hinausgehender außergerichtlicher Streit erledigt bzw. eine Ungewissheit über ein konkretes nicht bereits streitgegenständliches Rechtsverhältnis bzw. eine die Parteien betreffende Streitfrage beseitigt wird. Der Wert des Vergleiches erhöht sich hingegen nicht um den Wert dessen, was eine Partei oder die Parteien durch den Vergleich erlangen oder wozu sie sich dort verpflichten (vgl. I. Nr. 22.1 des Streitwertkatalogs i. d. F. vom 5. April 2016). Dabei muss gerade über die Frage des Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweils im Vergleich getroffene Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben. Durch die Bestimmung von Leistungen oder Gegenleistungen, die zur Beilegung des Rechtsstreits vereinbart oder gewährt werden, wird hingegen kein Vergleichsmehrwert begründet.

Diese Überlegungen des Streitwertkatalogs korrespondieren mit den gesetzlichen Anforderungen des Gebührentatbestands nach Nr. 1000 VV-RVG Anm. Abs. 1.

Denn dort wird ebenfalls die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages verlangt, der den Streit oder die Ungewissheit über ein (weiteres) Rechtsverhältnis beseitigt, soweit sich der Vertrag nicht lediglich auf ein Anerkenntnis beschränkt.

4. Gemessen an diesen Maßstäben stellt sich die Annahme des Arbeitsgerichts, ein Vergleichsmehrwert sei vorliegend nicht begründet, als zutreffend dar.

Soweit ein Zeugnisrechtsstreit, sei er isoliert oder als Teilbegehren bei objektiver Klagehäufung geführt, durch Vergleich über die Erteilung des Zeugnisses, deren Modalitäten und zugleich wesentliche inhaltliche Fragen beigelegt wird, treffen die Parteien eine Regelung über den bzw. einen Streitgegenstand des Verfahrens. Denn der Zeugniserteilungsanspruch als solcher und ein Zeugnisberichtigungsanspruch bzw. eine darüber vereinbarte Zeugnisgestaltungsregelung betreffen den Zeugnisanspruch aus § 109 Abs. 1 S. 3 GewO und dessen Erfüllung. Ein neben dem Erfüllungsanspruch bestehender gesonderter Berichtigungsanspruch ist dem Gesetz fremd (TZA/Ziemann, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, Teil 1 A Rn 604 m. w. N.). Vielmehr erfüllt ein mit inhaltlichen Mängeln behaftetes Zeugnis den Zeugnisanspruch als solchen bereits nicht (ErfK/Müller-Glöge, 18. Auflage 2018, § 109 GewO Rn 67 m. w. N.). Ein Prozessvergleich, der einen auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses gerichteten Klageantrag durch Begründung einer titulierten Erteilungsverpflichtung nebst Festlegung inhaltlicher Maßgaben insoweit erledigt, betrifft danach allein den Streitgegenstand des Zeugnisbegehrens selbst und geht nicht darüber hinaus. Für die Annahme eines Vergleichsmehrwertes ist unter diesen Voraussetzungen, wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt, kein Raum. Der gesamte Zeugniskomplex ist in dieser Konstellation vielmehr mit der Festsetzung eines Streitwerts in Höhe eines Bruttomonatseinkommens ausreichend und umfassend bewertet (LAG Hessen, Beschluss vom 20. November 2018 – 2 Ta 66/18 – juris).

5. Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens und der Ausschluss der Kostenerstattung ergeben sich unmittelbar aus § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i. V. m. § 68 Abs. 3 GKG.

Schlagworte

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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