LAG Hamm, Beschluss vom 02.10.2015 – 2 Ta 249/15

Juni 19, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 02.10.2015 – 2 Ta 249/15

1. Der der Bestellung eines Geschäftsführers einer GmbH zugrunde liegende Anstellungsvertrag kann im Einzelfall auch ein Arbeitsvertrag sein.

2. Haben die Parteien einen als “Anstellungsvertrag” bezeichneten Vertrag abgeschlossen, in dem u.a. “Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis” geregelt werden, Regelungen zur “Beendigung des Arbeitsverhältnisses” enthalten sind, “die Arbeitszeit sich jeweils nach den betrieblichen Erfordernissen richtet” und der die Verpflichtung zur Übernahme “einer seiner Aufgabenstellung vergleichbaren Position im In- und Ausland” regelt, liegt bei Geltendmachung von Zahlungsansprüchen eine arbeitsrechtliche Streitigkeit gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG vor, ohne dass es auf die Wirksamkeit und die tatsächliche Durchführung des Vertrages ankommt.
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wir der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 22.10.2014 – 3 Ca 604/15 abgeändert und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Der Gegenstandswert wird auf 151.631,84 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug um die Zulässigkeit des Rechtsweges für die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Zahlungsansprüche des Klägers.

Der Kläger ist promovierter Ingenieur, die Beklagte betreibt eine Ingenieurgesellschaft. Die geschäftlich Zusammenarbeit zwischen den Parteien begann mit der Gründung der Beklagten im Jahr 2007, wobei der Kläger für die Beklagte Ingenieur- und Beratungsleistungen zu einem Tagessatz von 640,00 € erbrachte, die er der Beklagten auch in Rechnung stellte.

Unter dem 08.05.2009 schlossen die Parteien einen als Anstellungsvertrag bezeichneten schriftlichen Vertrag, nach dem der Kläger “mit Wirkung zum 01.06.2009 oder zu einem späteren Zeitpunkt als technischer Geschäftsführer zu einem Jahresgehalt von 120.000,– €” tätig werden sollte. Dieser Anstellungsvertrag enthält u.a. folgende Regelung:

“1. Tätigkeit und Aufgabengebiet

Herr G wird als technischer Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft D GmbH eingesetzt. Seine Dienstobliegenheiten werden durch den/die Gesellschafter der Gesellschaft im Einzelnen festgelegt. Dazu wird als Anlage 2 zu diesem Anstellungsvertrag ein Geschäftsverteilungsplan mit den entsprechenden Aufgabenstellungen beigefügt. Die Bestellung zum Geschäftsführer wird unverzüglich im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht.

Herr G vertritt als technischer Geschäftsführer die Gesellschaft gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich.

Herr G verpflichtet sich, seine volle Arbeitskraft der Gesellschaft zu widmen und deren Interessen nach bestem Wissen und Gewissen zu wahren und zu vertreten. Herr G ist verpflichtet, auf Veranlassung des/der Gesellschaft/en auch in anderen Bereichen der Gesellschaft oder in Tochtergesellschaften in einer seiner Aufgabenstellung vergleichbaren Position im In- und Ausland tätig zu werden. Für die Übernahme einer anderen Tätigkeit, und zwar auch zum Eintritt in die Verwaltung anderer Gesellschaften, bedarf es der vorherigen Zustimmung der/des Gesellschafters, die jederzeit widerruflich ist.

Die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers ergeben sich aus diesem Vertrag, dem Gesellschaftsvertrag, ggf. aus eine noch zu vereinbarende Geschäftsordnung und ergänzenden gesetzlichen Regelungen. Dienstort ist der Firmensitz des Unternehmens D GmbH. Eine Änderung des Dienstortes kann nur im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen.

3. Gehaltszahlung

Bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit wird die gesetzlich festgelegte Gehaltsfortzahlung von der Gesellschaft erbracht.

4. Arbeitszeit

Lage und Dauer der Arbeitszeit richten sich nach den jeweiligen betrieblichen Erfordernissen.

5. Urlaub

Herr G hat Anspruch auf einen Erholungsurlaub von jährlich 30 Arbeitstagen. Der Zeitraum des Jahresurlaubs ist mit dem Geschäftsführerkollegen rechtzeitig abzustimmen.

6. Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis

Die Resultate der dienstlichen Arbeiten von G sind der Gesellschaft bekannt zu geben und stehen ausschließlich ihr zu. Für patent- und gebrauchsmusterfähige Erfindungen gilt das Arbeitnehmererfindungsgesetz. An sonstigen Erfindungen und vergleichbaren schöpferischen Leistungen steht der Gesellschaft ein umfassendes, ausschließliches, unbeschränktes und unbefristetes Nutzungsrecht zu, insbesondere die Befugnisse zur Umgestaltung und zur Übertragung und Einräumung von Nutzungsrechten jeder Art, dies gilt auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Vereinbarung vom 13. Januar zwischen G und der D GmbH wird auf das laufende Projekt als Anlage 4 beigefügt.

7.

Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.06. oder zu einem späteren Zeitpunkt (s. Anschreiben zum Anstellungsvertrag, Anlage 1).

Es ist mit einer Frist von einem halben Jahr erstmals zum 30.06.2012 kündbar. Danach ist es mit der gleichen Frist zum Ende eines jeweiligen 3-Jahres-Zeitraumes kündbar.

Das Arbeitsverhältnis endet ohne vorherige Kündigung spätestens am Schluss des Monats, in dem Herr G das 65. Lebensjahr vollendet hat.

…”

Wegen der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages wird auf Bl. 10-14 der Akte Bezug genommen.

Nach dem Gesellschafterbeschluss vom 03.06.2009 (Bl. 17 der Akte) war der Kläger als Fremdgeschäftsführer vertretungsberechtigt gemeinsam mit einem Prokuristen und einem weiteren Geschäftsführer. Er unterlag den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer wurde unter dem 02.07.2009 in das Handelsregister (Bl. 16 der Akte) eingetragen. Ob und in welchem Rahmen der Kläger tatsächlich für die Beklagte Tätigkeiten entfaltete, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 04.03.2010 (Bl. 18 der Akte) kündigte die Beklagte den Anstellungsvertrag des Klägers mit sofortiger Wirkung und erklärte auch seine Abberufung als Geschäftsführer. Mit Schreiben vom 25.03.2010 (Bl. 23 der Akte) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Kündigung vom 04.03.2010 sowie die angekündigte Abberufung als Geschäftsführer zurückgenommen worden seien.

Unter dem 13.12.2011 wurde die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen.

Der Kläger war vom Ende 2011 bis zum 27.08.2012 arbeitsunfähig krank, wobei er in der Zeit vom 14.02.2012 bis zum 15.03.2012 eine stationäre Rehabilitationsklinik in Bad A besuchte.

Im Zusammenhang mit der vom Kläger beantragten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bat der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 03.07.2012 (Bl. 96 der Akte) um eine Bestätigung, dass das Beschäftigungsverhältnis bei der Beklagten am 03.03.2010 durch die Beklagte gekündigt worden sei und nicht mehr bestehe.

Im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund wurde mit Bescheid vom 03.07.2013 (Bl. 27 der Akte) festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten in der Zeit vom 02.07.2009 bis zum 12.12.2011 im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in Kopie zur Klageschrift eingereichten Bescheid vom 03. Juli 2013 (Bl. 27 – 31 der Akte) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 10.07.2012 (Bl. 24 der Akte) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Arbeitsverhältnis nicht bestanden habe.

Unter dem 30.09.2013 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien erhoben und einen Weiterbeschäftigungsantrag geltend gemacht. Mit Klageerweiterung vom 30.12.2012 hat der Kläger Zahlungsansprüche in einer Gesamthöhe von 505.439,45 € geltend gemacht, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass zwischen den Parteien entsprechend der Stellenbeschreibung vom 03.06.2009 (Bl. 15 der Akte) seit dem 01.06.2009 ein Arbeitsverhältnis bestehe. Dabei zunächst bis 2008 Ingenieur- und Beratungsleistungen habe er für die Beklagte erbracht. Anlässlich einer Geschäftsreise im Oktober 2008 sei ihm das Angebot gemacht worden, für die Beklagte als Leiter der Verfahrenstechnik tätig zu werden. Er habe das Angebot angenommen. In einem Protokoll über diese Geschäftsreise vom 01.11.2008 (Bl. 183 ff. der Akte) werde er auch als “Leiter der Verfahrenstechnik D GmbH” bezeichnet und ihm seien auch entsprechende Visitenkarten ausgehändigt worden.

Nach Patentanmeldung des von ihm allein entwickelten “Verfahrens zur Herstellung eines hydraulischen Bindemittels und seiner Verwertung” habe er angefangen nach Lieferanten für Kieselgur zu recherchieren. Da er daran interessiert gewesen sei, sein Patent auf den Markt zu bringen, habe er eingewilligt, Geschäftsführer der Beklagten zu werden. Er habe den streitgegenständlichen Vertrag aber nicht ausgehandelt. Vielmehr sei ihm dieser Vertrag vorformuliert vorgelegt worden, auf dessen Grundlage er dann als technischer Projektverantwortlicher im Zusammenhang mit dem von ihm entwickelten Verfahren tätig geworden sei. Tatsächlich habe er auch nie die Funktion eines Geschäftsführers innegehabt. Zu keinem Zeitpunkt sei er ermächtigt gewesen, die Beklagte zu vertreten oder Entscheidungen zu treffen. Er sei in vollem Umfang weisungsabhängig gewesen, habe Arbeitsanweisungen empfangen und auch instruiert worden, welcher Mitarbeit er zu erbringen habe. Er habe die Interessen der Beklagten anlässlich mehrerer Reisen seit September 2009 im In- und Ausland wahrgenommen, die Beklagte repräsentiert und Kontakt zu potentiellen Kunden, insbesondere in Osteuropa und der Ukraine gepflegt. Er habe die Beklagte auf verschiedenen Messen vertreten und deren Kunden betreut. Im Rahmen der Weiterentwicklung des von ihm entwickelten Verfahrens sei er für die technische Leitung, die technische Dokumentation und Bewertung sowie für das Projekt Reporting gegenüber der kaufmännischen Verwaltung, für die Angebotserteilung bis zur Auftragsvergabe verantwortlich gewesen. Durch die Abberufung als Geschäftsführer sei seine Organstellung jedenfalls zum 12.12.2011 beendet gewesen, was aber auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien keinen Einfluss gehabt habe. Der streitgegenständliche Anstellungsvertrag sei als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren, so dass er Arbeitnehmer der Beklagten gewesen sei. Sowohl der Wortlaut als auch die vertragliche Ausgestaltung des Anstellungsvertrages sprächen für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages. Im Rahmen der geführten Vorkorrespondenz sei stets von einem Arbeitsvertrag die Rede gewesen, wobei auch die Gesamtumstände und Umsetzung des Vertrages ein stark weisungsgebundenes Arbeitsverhältnis gezeigt hätten. Entgegen dem Wortlaut des Anstellungsvertrages habe er nicht die Geschäftsführerverantwortung übernommen. Er sei angewiesen worden, erkennbar als Vertreter der Beklagten aufzutreten und habe für Briefe das Geschäftspapier der Beklagten verwenden müssen. Er habe auch stets berichten müssen, in welcher Phase er sich befinde und welche Fortschritte er mache. Meist sei auch die Vorgehensweise mit dem Generalbevollmächtigten, dem Vater des Geschäftsführers der Beklagten abgestimmt worden.

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten gerügt und die Auffassung vertreten, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bereits nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht eröffnet sei. Der Kläger selbst habe seit dem 01.06.2009 keinerlei Leistung für sie erbracht. Sämtliche von ihm behaupteten Tätigkeiten habe der Kläger bis Ende 2008 im Rahmen überschaubarer Tagesprojekte erbracht, die er ihr mit Rechnung vom 10.11.2008, 22.12.2008 und 14.01.2009 berechnet habe. Der Kläger sei weder weisungsabhängig noch in ihre Arbeitsorganisation eingebunden gewesen und habe auch zu keinem Zeitpunkt Arbeitsanweisungen erhalten. Der Vater ihres Geschäftsführers und der Kläger seien gemeinsam Entwickler der Projektidee “Verfahren zur Herstellung eines hydraulischen Bindemittels und seine Verwendung”, das von ihnen patentiert worden sei. Nutzer des Patents sollte sie sein, die auch komplett die Projektrealisierung durchgeführt habe. Um die Interessen des Klägers zu berücksichtigen, sei der Anstellungsvertrag vom 08.05.2009 gemeinschaftlich entworfen, fertig gestellt und unterschrieben worden. Die Wirksamkeit dieses Vertrages sei jedoch an die Bedingung der Projektfinanzierung durch die Banken geknüpft, die letztlich gescheitert sei.

Das Arbeitsgericht hat zunächst mit Beschluss vom 22.10.2014 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten insgesamt für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Arnsberg verwiesen. Im Hinblick auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 30.03.2015 hat das Arbeitsgericht unter teilweiser Abänderung des Beschlusses vom 22.10.2014 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die Anträge zu 1) bis 3) aus der Klageschrift für zulässig erklärt und im Übrigen der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung für die verneinte Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten für die geltend gemachten Zahlungsansprüche hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten nicht unter dem Gesichtspunkt eines Sic-Non-Falles angenommen werden könne, da die insoweit geltenden Grundsätze nur für solche Anträge anwendbar seien, bei denen der Bestand des Arbeitsverhältnisses sowohl für die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten als auch für die Begründetheit der Klage sei. Dementsprechend reiche für die Begründung der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten nicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, dass er Arbeitnehmer der Beklagten sei. Dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Die Parteien hätten unter dem 08.05.2009 einen Anstellungsvertrag geschlossen, der die unverzügliche Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer vorgesehen und seine Rechte und Pflichten als Geschäftsführer festgelegt habe. Die Vertragsbeziehungen der Parteien seien somit von Anfang an auf die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer ausgelegt. Nach dem Anstellungsvertrag sei eine Tätigkeit als Arbeitnehmer überhaupt nicht vorgesehen gewesen. Auch nach dem Gesellschafterbeschluss vom 03.06.2009 sei von Beginn an die Bestellung zum Geschäftsführer beschlossen worden, was die daraufhin erfolgte Eintragung des Klägers als Geschäftsführer in das Handelsregister verdeutliche. Sei somit der Kläger Organvertreter, reiche seine Rechtsansicht, dass er Arbeitnehmer der Beklagten gewesen sei, für die Annahme der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten nicht aus. Zwischen den Parteien habe zunächst unstreitig überhaupt kein Arbeitsverhältnis bestanden, da der Kläger auf Rechnungsbasis für die Beklagte tätig gewesen sei. Da somit vor Abschluss des streitgegenständlichen Anstellungsvertrages vom 08.05.2009 zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, sei für die Annahme, dass nach der Abberufung neben dem Anstellungsvertrag noch ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, kein Raum. Durch den Abberufungsakt als solchen werde das Anstellungsverhältnis nicht automatisch zum Arbeitsverhältnis. Vielmehr müssten weitere Umstände hinzukommen, aus denen folgen könnte, dass der Anstellungsvertrag in Folge der Abberufung zum Arbeitsvertrag geworden sei. Die Eintragung der Abberufung als Geschäftsführer in das Handelsregister und damit das Ende der formalen Organstellung erfolgten am 13.12.2011. Danach sei der Kläger erkrankt gewesen und nicht vorgetragen, inwieweit er überhaupt tatsächlich für die Beklagte Leistungen in persönlicher Anhängigkeit bei Eingliederung in ihrem Betrieb erbracht habe. Der Ansicht des Klägers, dass das Anstellungsverhältnis wegen starker interner Weisungsabhängigkeit ein Arbeitsverhältnis gewesen sei, dass sich nach seiner Abberufung als Geschäftsführer fortgesetzt habe, könne nicht gefolgt werden, weil der Kläger insoweit nicht im einzelnen dargelegt habe, dass er und warum er in so erheblichem Umfang weisungsabhängig gewesen sei, dass trotz seiner Geschäftsführerstellung ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. Der Kläger habe auch nicht im einzelnen konkret dargelegt, dass und warum er weisungsabhängige Tätigkeit für die Beklagte verrichtet habe, sondern lediglich wiederholt pauschal vorgetragen, dass er tatsächlich die Befugnisse eines Geschäftsführers nicht gehabt habe und weisungsabhängig gewesen sei.

Zur Begründung der sofortigen Beschwerde trägt der Kläger vor, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses abgelehnt habe. Denn der Kläger sei trotz seiner vorübergehend bestehenden formalen Stellung als Geschäftsführer tatsächlich Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die Funktion des Geschäftsführers innegehabt, was auch die Beklagte selbst nicht vorträgt. Jedenfalls die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und Eintragung der Abberufung als Geschäftsführer im Handelsregister lange vor Klageerhebung habe einen Wegfall der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG zur Folge, so dass die Arbeitsgerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen seien.

Die Beklagte hat im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Wegen des Parteienvorbringens im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Unrecht angenommen, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht nach § 2 Abs.1 Nr. 3 a ArbGG eröffnet ist. Denn der Kläger macht Zahlungsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG geltend.

Die gesetzliche Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, nach der für Streitigkeiten zwischen einem Organvertreter und der juristischen Person aus dem der Geschäftsführerbestellung zugrundeliegenden Anstellungsvertrag der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist, steht der Annahme der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten nicht entgegen. Denn diese gesetzliche Fiktion gilt nur für die Dauer der Geschäftsführerbestellung, so dass für die Zeit danach die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten bei einer Zahlungsklage davon abhängig, dass eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt (vgl. BAG, Beschl. v. 03.12.2014 – 10 AZB 98/14, NZA 2015, 180).

Die Tatsache allein, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die vom Kläger erhobene Feststellungsklage eröffnet ist, weil beim Vorliegen eines sog. sicnon-Falles für die Annahme der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten die bloße Rechtsansicht des Klägers ausreichend ist, dass ein Arbeitsverhältnis vorliege, reicht allerdings für die Begründung der Zulässigkeit des Rechtsweges bei Vergütungsansprüchen nicht aus. Denn das Bestehen der Vergütungsansprüche setzt nicht zwingend den Bestand eines Arbeitsverhältnisses voraus. Dass das Bestehen des vom Kläger geltend gemachten Vergütungsansprüche von dem von ihm geltend gemachten vom Bestand eines wirksamen Vertragsverhältnisses abhängig ist, reicht für die Begründung der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten unter dem Gesichtspunkt einer Zusammenhangsklage im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbGG ebenfalls nicht aus. Denn § 2 Abs. 3 ArbGG findet zur Vermeidung einer Rechtswegerschleichung und der Umgehung des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG keine Anwendung, wenn die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für die Zusammenhangsklage allein aus einer Verbindung mit einem sicnon-Antrag folgen kann (vgl. BAG, Beschluss v. 11.06.2003 – 5 AZB 43/02, NJW 2003, 1906; LAG Köln, Beschluss v. 15.10.2009 – 10 Ta 129/09, ZTR 2010, 379; LAG Hamm, Beschl. v. 28.12.2012 – 2 Ta 163/12, juris).

Es ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass der Geschäftsführer einer GmbH aufgrund seiner organschaftlichen Stellung und der Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen grundsätzlich kein Arbeitnehmer ist, sondern aufgrund eines Dienstvertrages im Sinne des § 611 BGB tätig ist (vgl. BAG, Urt. v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, NZA 2006, 366; Urt. v. 12.03.1987 – 2 AZR 336/86, NZA 1987, 845).

Zu Recht ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Abberufung des Kläger als Geschäftsführer der Beklagten ausschließlich ein körperschaftlicher Rechtsakt ist, der für sich allein ebenso wie die Geschäftsführerbestellung keinen Einfluss auf den Fortbestand des der Organbestellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses hat. Dementsprechend ändert sich der rechtliche Charakter des Anstellungsvertrages eines Organvertreters nicht allein dadurch, dass er als Organvertreter abberufen wird. Durch den Abberufungsakt allein wird das Anstellungsverhältnis also nicht zum Arbeitsverhältnis (vgl. BAG, Urteil v. 05.06.2008 – 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002; LAG Hamm, Beschl. v. 28.12.2012 – 2 Ta 163/12, juris).

Vorliegend war aber der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten deshalb zu bejahen, weil der Kläger Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Nr. 3 a ArbGG auch dann geltend macht, wenn die Ansicht der Beklagten zutreffen sollte, dass zwischen den Parteien trotz des Abschlusses des schriftlichen Anstellungsvertrages gar kein Vertragsverhältnis besteht. Denn das Vorliegen einer Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Br. 3 a ArbGG setzt nicht voraus, dass das Arbeitsverhältnis aus dem die Ansprüche hergeleitet werden auch tatsächlich besteht oder nichtig ist (vgl. BAG, Beschl. v. vom 10.05.2000 – 5 AZB 3/00, juris; LAG Hamm, Beschl. v. 24.07.2013 – 2 Ta 81/13, LAGE § 2 ArbGG 1979 Nr. 54).

Der Kläger leitet seine Zahlungsansprüche aus dem schriftlichen Anstellungsvertrag vom 08.09.2009, dessen Bezeichnung für die Rechtsnatur keinen Aussagewert hat. Denn mit der Bezeichnung wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es sich dabei um den Anstellungsvertrag handelt, der der Geschäftsführerbestellung zugrundliegt. Der der Geschäftsführerbestellung zugrunde liegende Anstellungsvertrag ist zwar regelmäßig, aber nicht zwingend ein Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB. Vielmehr kann es sich im Einzelfall auch um ein Arbeitsverhältnis handeln. Denn die Bestellung zum Geschäftsführer kann nach ständiger Rechtsprechung de Bundesarbeitsgericht, der die Beschwerdekammer folgt, auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen (vgl. BAG, 15.11.2013 – 10 AZB 28/13, GmbHR 2014, 137; Beschl. v. 26.10.2012 – 10 AZB 55/12, juris). Dies ist vorliegend entsprechend der Ansicht des Klägers nach dem Wortlaut und dem Inhalt des schriftlichen Anstellungsvertrages der Fall, sodass es nicht darauf ankommt, ob der Vertrag wirksam, inwieweit tatsächlich durchgeführt worden ist und dem Kläger die geltend gemachten Zahlungsansprüche zustehen, da dies Fragen der Begründetheit der Klage sind.

In dem Anstellungsvertrag vom 08.05.2009 wird zum einen an keiner Stelle die Bezeichnung Dienstvertrag, sondern durchgängig das Wort Arbeitsverhältnis verwendet. In Ziffer 6 des Anstellungsvertrages werden ausdrücklich “Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis” geregelt. Ziffer 7 des Anstellungsvertrages regelt die “Dauer des Arbeitsvertrages”, wobei im dritten Absatz die Beendigung “des Arbeitsverhältnisses” mit Vollendung des 65. Lebensjahres festgeschrieben wird. In Ziffer 3. des Arbeitsvertrages ist geregelt, dass bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit die gesetzlich festgelegte Gehaltsfortzahlung von der Gesellschaft erbracht wird, die aber nur für Arbeitnehmer im Entgeltfortzahlungsgesetz gesetzlich geregelt ist. Ziffer 5 des Anstellungsvertrages sieht einen jährlichen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen vor, wobei der Jahresurlaub mit den Geschäftsführer Kollegen abzustimmen ist. In der Ziffer 1. des Anstellungsvertrages wird zwar geregelt, dass der Kläger als technischer Geschäftsführer eingesetzt wird. Ebenfalls geregelt ist aber auch, dass der Kläger seine volle Arbeitskraft der Gesellschaft zu widmen hat und verpflichtet ist, auf Veranlassung des/der Gesellschafter hin auch in anderen Bereichen der Gesellschaft oder in Tochtergesellschaften in einer seiner Aufgabenstellung vergleichbaren Position im Innenund Ausland tätig zu sein, so dass der Beklagten hinsichtlich der Tätigkeit auch das einem Arbeitgeber nach § 106 GewO zustehende Direktionsrecht im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zustehen sollte, wobei sich die Arbeitszeit des Klägers entsprechend Ziffer 4 des Anstellungsvertrages nach den jeweiligen betrieblichen Erfordernissen richten sollte. Da nach § 84 Abs. 1 S. 2 AGB, der eine allgemeine gesetzgeberische Wertung für die Abgrenzung zwischen einem Selbstständigen und einem Arbeitnehmer enthält, Selbstständig derjenige ist, der im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, war dies bei dem Kläger nach dem Anstellungsvertrag vom 08.05.2009 gerade nicht der Fall. Denn in diesem Vertrag wird das Vertragsverhältnis nicht nur durchgängig als Arbeitsverhältnis bezeichnet, sondern es werden auch Rechte und Pflichten des Klägers festgelegt, die typischer Inhalt eines Arbeitsverhältnisses sind, so dass der Kläger nach dem Wortlaut und dem Inhalt dieses Anstellungsvertrages in persönlicher Abhängigkeit und damit aufgrund eines Arbeitsverhältnisses für die Beklagte als Geschäftsführer tätig sein sollte, so dass eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG vorliegt (vgl. dazu BAG, Beschl. v. 08.09.2015 – 9 AZB 21/15, juris). Auf die Wirksamkeit dieses Vertragsverhältnisses kommt es im Rahmen des Rechtswegbestimmungsverfahrens ebenso wenig an wie auf das Vorliegen der geltend gemachten Zahlungsansprüche. Aus alledem folgt, dass der Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten zu bejahen war.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO die Beklagte zu tragen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 17 a Abs.4 GVG liegen nicht vor, da bei der Rechtswegentscheidung im vorliegenden Einzelfall die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts zugrunde gelegt worden sind.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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