LAG Hamm, Beschluss vom 03.06.2019 – 14 Ta 56/19

Juni 13, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 03.06.2019 – 14 Ta 56/19

1. Eine vollständige Abweisung der beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nur dann zulässig, wenn die erforderlichen Angaben und Unterlagen ganz fehlen oder so unvollständig sind, dass eine Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens nicht möglich ist.

2. Allein der Umstand, dass nicht alle von der Partei behaupteten Belastungen vollständig belegt sind, kann für sich genommen nicht die Ablehnung der Prozesskostenhilfebewilligung rechtfertigen.

3. Konnte bis zum Abschluss der Instanz oder bis zum Ablauf einer Nachfrist Prozesskostenhilfe nur insgesamt abschlägig beschieden werden, weil die erforderlichen Unterlagen nicht vorlagen oder nur eine abweisende Entscheidung – etwa gemäß § 115 Abs. 4 ZPO – rechtfertigten, kann eine solche Entscheidung nicht mehr durch Vorlage neuer oder ergänzender Belege abgeändert werden.

4. Erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Anordnung von Ratenzahlungen, kann die Prozesskostenhilfepartei auch nach Beendigung der Instanz oder Ablauf einer Nachfrist noch im Beschwerdeverfahren Angaben ergänzen und Unterlagen vorlegen, die eine niedrigere Rate oder den Entfall der Ratenzahlung rechtfertigen.
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 17. Januar 2019 (1 Ca 1431/18) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde vom 17. Januar 2019 ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen einer unzureichenden Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zur Beendigung der Instanz durch den am 16. Januar 2019 abgeschlossenen bestandskräftigen Vergleich zurückgewiesen.

1. Das Prozesskostenhilfegesuch muss vollständig begründet und belegt bis zur Beendigung einer Instanz bzw. einer Verfahrensbeendigung eingereicht sein. Vollständig ist die Prozesskostenhilfeantragstellung, wenn die Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erfüllt sind. § 117 Abs. 4 ZPO schreibt für die Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Benutzung des amtlichen Vordrucks vor. Diesem sind nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO die entsprechenden Belege beizufügen.

a) Eine vollständige Abweisung der beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist aber nur dann zulässig, wenn die erforderlichen Angaben und Unterlagen ganz fehlen oder so unvollständig sind, dass eine Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens nicht möglich ist. Hat die Partei jedenfalls das Einkommen vollständig belegt und verbleiben keine Unsicherheiten, ob die Partei über ein Vermögen verfügt, aus welchem sie die entstandenen Kosten auf einmal begleichen könnte, so kann allein der Umstand, dass ggf. nicht alle von der Partei behaupteten Belastungen vollständig belegt sind, für sich genommen nicht die Ablehnung der Prozesskostenhilfebewilligung rechtfertigen. Auch in diesem Fall können die Voraussetzungen für die Bewilligung überprüft werden, ob die Partei aus eigenen Mitteln die Kosten der Prozessführung bestreiten kann, ohne ihr Existenzminimum anzugreifen (vgl. für den Fall der Nachprüfung nach § 120a ZPO LAG Hamm 12. Juli 2016 – 5 Ta 159/16 – juris, Rn. 11). Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur insoweit zurückgewiesen werden, als Angaben und Belege fehlen und innerhalb der gerichtlich gesetzten Frist nicht nachgereicht werden. Das bedeutet bei vollständigen und glaubhaft gemachten Angaben zu Einkommen und Vermögen lediglich, dass gewisse Belastungen mangels Nachweises nicht berücksichtigt werden können (vgl. LAG Hamm 12. Dezember 2016 – 5 Ta 229/16 – juris, Rn. 8).

b) Im Übrigen ist trotz Fristsetzung nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO jedes Vorbringen zu berücksichtigen, das vor Beendigung des Rechtszuges, für welchen Prozesskostenhilfe beantragt wurde, oder vor Ablauf einer gerichtlich über die Instanzbeendigung hinaus gesetzten Frist (sog. Nachfrist) vorgetragen wird (vgl. LAG Hamm 1. Juli 2015 – 14 Ta 6/15 – juris, Rn. 42 f., 52 f.; 2. November 2009 – 14 Ta 109/09 – juris, Rn. 3). Konnte bis zum Abschluss der Instanz oder bis zum Ablauf der Nachfrist Prozesskostenhilfe nur insgesamt abschlägig beschieden werden, weil die erforderlichen Unterlagen nicht vorlagen oder nur eine abweisende Entscheidung – etwa gemäß § 115 Abs. 4 ZPO – rechtfertigten, kann eine solche Entscheidung nicht durch Vorlage neuer oder ergänzender Belege abgeändert werden (vgl. vgl. LAG Hamm 23. März 2018 – 5 Ta 135/17 – juris, Rn. 12). Anders verhält es sich, wenn aufgrund der vorliegenden Unterlagen jedenfalls die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgen kann. Erfolgt dieses mit Anordnung von Ratenzahlungen, kann die Prozesskostenhilfepartei auch nach Beendigung der Instanz oder Ablauf einer Nachfrist noch im Beschwerdeverfahren Angaben ergänzen und Unterlagen vorlegen, die eine niedrigere Rate oder den Entfall der Ratenzahlung rechtfertigen (vgl. LAG Hamm 23. März 2018 – a. a. O.; 1. Juli 2015 – a. a. O., Rn. 54 ff.).

2. Der Kläger hat zwar eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 25. September 2018 mit seinem Antrag zur Gerichtsakte gereicht. Dabei hatte er bei den Fragen zu seinen Einnahmen das bisherige Arbeitseinkommen trotz der bereits ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung vom 21. September 2018 angegeben. Die Fragen zu den Einkünften seiner Ehefrau hatte er verneint. Zudem hatte er nicht mitgeteilt, ob er oder seine Ehefrau Kindergeld für ihr gemeinsames Kind bezieht.

Mit Schreiben vom 8. November 2018 forderte das Arbeitsgericht den Kläger auf mitzuteilen, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreite. Soweit er Arbeitslosengeld beantragt habe, solle der Bescheid eingereicht werden, sobald er vorliege; andere Angaben seien durch Vorlage geeigneter Belege glaubhaft zu machen. Zudem fragte das Arbeitsgericht, ob der Kläger Kindergeld erhalte. Zur Erledigung der Anfrage wurde eine Frist bis zum 29. November 2018 gesetzt; auf die Möglichkeit einer Ablehnung der Prozesskostenhilfebewilligung für den Fall einer nicht fristgerechten Mitwirkung wurde der Kläger hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 27. November 2018 trug der Kläger vor, dass er Arbeitslosengeld beantragt habe, aber noch keine Leistungen erhalte. Die Familie lebe vom Einkommen der Ehefrau, welche sich seit dem 13. Oktober 2018 in einer Vollzeitbeschäftigung befinde. Eine Lohnabrechnung liege allerdings noch nicht vor. Kindergeld würde nicht bezogen, der Antrag sei gestellt, aber noch nicht beschieden.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 bat das Arbeitsgericht den Kläger um Mitteilung, ob die Anträge auf Arbeitslosengeld und Kindergeld beschieden worden seien sowie gegebenenfalls um die Vorlage einer Kopie der Bewilligungsbescheide. Soweit der Kläger weiterhin durch seine Ehefrau unterstützt werde, sei dies schriftlich durch die Eheleute zu bestätigen. Zudem sei die Lohnabrechnung der Ehefrau für den Monat November 2018 vorzulegen. Dem Kläger wurde eine Frist bis zum 10. Januar 2019 gesetzt und unter Bezugnahme auf das vorherige Schreiben des Gerichts erneut auf die Folgen einer nicht fristgerechten Mitwirkung hingewiesen. Auf diese Auflage reagierte der Kläger bis zum Erlass der hier angefochtenen Entscheidung nicht mehr.

3. Danach hat der Kläger bis zur Instanzbeendigung keine vollständige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, welche eine Überprüfung seiner aktuellen Einkommens- und Vermögenssituation ermöglichte und eine Bewilligung rechtfertigen konnte. Dies schließt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus. Es ist unerheblich, dass sein Antrag auf Arbeitslosengeld nicht beschieden wurde. Trotz entsprechenden Hinweises in dem gerichtlichen Schreiben vom 13. Dezember 2018 hat der Kläger weder innerhalb der gesetzten Frist noch im Termin vom 16. Januar 2019 hierauf hingewiesen und eine Fristverlängerung beantragt. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht geschehen ist. Im Übrigen fehlen weiterhin Angaben und Belege zum Bezug von Kindergeld und zum Einkommen seiner Ehefrau.

Seine erst im Beschwerdeverfahren nach Abschluss der Instanz vorgelegte eidesstattliche Versicherung kann nicht mehr berücksichtigt werden. Diese ist auch sachlich für einen Glaubhaftmachung unzureichend. Selbst wenn man es für ausreichend ansehen wollte, dass er den bislang ausbleibenden Leistungsbezug an Eides statt versichert hat, fehlen zur Beurteilung seiner Einkommenssituation Angaben zu dem Bezug von Kindergeld und den Einkünften seiner Ehefrau.

4. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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