LAG Hamm, Beschluss vom 13.08.2019 – 7 Ta 263/19

Juni 13, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 13.08.2019 – 7 Ta 263/19

Tenor

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss desArbeitsgerichts Detmold vom 07.06.2019 – 3 BV 28/18 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Arbeitgeberin in Höhe einer Gebühr von 50,00 Euro zu tragen.
Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren (LAG Hamm 13 TaBV 56/19) begehrt die Arbeitgeberin nach Erteilung der Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung die Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung eines für die Dauer eines Jahres befristet einzustellenden Systemadministrators. Grundlage des Zustimmungsbegehrens ist eine Stellenbeschreibung, aus der die Arbeitgeberin letztendlich eine andere tariflich zutreffende Vergütungsgruppe ableitet als der Betriebsrat. Anzuwenden sind die Tarifverträge der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie Westfalens. Erstinstanzlich hat das Arbeitsgericht dem Arbeitgeberantrag entsprochen; die Beschwerde ist anhängig, s.o.

Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 07.06.2019 den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 45.291,42 Euro festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass es dem Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der aktuellen Fassung folge, weshalb der 36-fache Unterschiedsbetrag zwischen der in Aussicht genommenen und der vom Betriebsrat als zutreffend erachteten Vergütung unter Berücksichtigung eines 25%-igen Abschlages maßgeblich sei (II. 14.3 des Streitwertkataloges, Beschluss Bl. 116, 117 d.A.). Gegen den am 13.06.2019 zugestellten Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin am 18.06.2019 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 18.06.2019 nicht abgeholfen hat. Zur Begründung hat die Arbeitgeberin ausgeführt, dass die vorliegende Rechtsprechung beider Beschwerdekammern des LAG Hamm in Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG bei Eingruppierungsfragen nicht nur einen 25%-igen Abschlag vom 36-fachen Unterschiedsbetrag wegen der begrenzten Rechtskraftwirkung, sondern darüber hinaus einen weiteren Abschlag von 20% vorgesehen hat. Damit ergebe sich ein Gegenstandswert von 36.233,14 Euro.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrates ist der Auffassung, die bisherige von der Arbeitgeberin herangezogene Rechtsprechung des LAG Hamm sei durch die Schaffung des Streitwertkataloges überholt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet, da das Arbeitsgericht den Gegenstandswert zutreffend auf den 36-fachen Unterschiedsbetrag unter Berücksichtigung eines Abschlages von 25% festgesetzt hat.

1. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.

a) § 23 Abs. 3 RVG stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Weg nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm v. 24.11.1994, 8 TaBV 144/94; LAG Hamm v. 12.06.2001, 10 TaBV 50/01; LAG Hamm v. 28.04.2005, 10 TaBV 11/05).

b) Die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigt es, in Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG, in denen es um die Einstellung, Umgruppierung oder Versetzung von Arbeitnehmern geht, sich an dem Streitwertrahmen des § 42 Abs. 2 GKG zu orientieren. Folgerichtig wird bei der Wertfestsetzung in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten nach den §§ 99 ff. BetrVG vielfach auf die Bewertung einer entsprechenden Klage im Urteilsverfahren, also auf § 42 Abs. 2 GKG zurückgegriffen (so auch der aktuelle Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit unter II.14.3).

aa) Soweit die Beschwerdekammern des LAG Hamm vor Schaffung des aktuellen Streitwertkataloges in Streitigkeiten über die zutreffende Eingruppierung nach § 99 BetrVG einen Abschlag vom 36-fachen Unterschiedsbetrag der Vergütungen von 25% vorgenommen haben, wird hieran – wie auch im Streitwertkatalog vorgeschlagen – festgehalten. Dieser Abschlag rechtfertigt sich aus der Bedeutung der Sache, die eine Einschränkung in der gegenüber der individualrechtlichen Eingruppierungsklage verminderten Rechtskraftwirkung erfährt. Hierüber streiten die Beteiligten auch nicht, so dass auf eine weitergehende Begründung verzichtet wird.

bb) An der Rechtsprechung wird allerdings nicht länger festgehalten, soweit sie einen weiteren Abschlag von 20% wegen eines “Feststellungsbegehrens” vorgesehen hat. Vielmehr folgen die Beschwerdekammer wie auch das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung in diesem Punkt den Empfehlungen des aktuellen Streitwertkataloges unter II.14.3, der eben diesen weiteren Abschlag nicht vorsieht. Maßgeblich hierfür ist, dass eine Übertragung der Streitwertmaßstäbe zur individualrechtlichen Eingruppierungsfeststellungsklage auf das Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG in diesem Punkt nicht zwingend ist, da das gesetzliche vorgesehene Beschlussverfahren nicht als Feststellungsverfahren, sondern als Zustimmungsersetzungsverfahren und damit als Leistungsverfahren zu führen ist.

cc) Ein weiterer Abschlag wegen der in der Betriebsratsinformation angegebenen zeitlich befristeten Dauer der beabsichtigten Einstellung und damit der Eingruppierung war hier nicht vorzunehmen (vgl. bei befristeten Einstellungen z.B. LAG Hamm v. 15.10.2015, 13 Ta 52/15). Denn der Streit der Beteiligten entzündete sich – wie sowohl die Betriebsratsinformation als auch die Formulierung der Zustimmungsverweigerung zeigen – an der vorgelegten abstrakten Stellenbeschreibung. Damit kann jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht von einer eingeschränkten Bedeutung im o.g. Sinne ausgegangen werden.

2. Die Konstellation eines “echten” Feststellungsantrages (“festzustellen, dass die verweigerte Zustimmung … als erteilt gilt”) war vorliegend nicht zu entscheiden.

III.

Die Entscheidung über die Auferlegung einer Gebühr in Höhe von 50,– € wegen des Unterliegens der Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde beruht auf § 1 Abs. 4 GKG i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG.

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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