LAG Hamm, Beschluss vom 21.02.2014 – 7 Ta 7/14

Juni 28, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 21.02.2014 – 7 Ta 7/14

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 06.12.2013 – 3 BV 12/13 – abgeändert.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.800,00 € festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren hat die Arbeitgeberin die Zustimmungsersetzung zur Einstellung von drei Leiharbeitskräften ab 17.06.2013 bis 30.09.2013 nebst der Feststellung der sachlichen Rechtfertigung der vorläufigen Maßnahme beantragt; das Verfahren ist nach Erledigungserklärung wegen Zeitablaufs durch Beschluss eingestellt worden.

Insgesamt hat die Arbeitgeberin entsprechende Anträge beim Arbeitsgericht Iserlohn in drei getrennten Verfahren (3 BV 10/13, 3 BV 12/13 und 3 BV 16/13) rechtshängig gemacht.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 06.12.2013 den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 5.400,00 € festgesetzt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass alle drei Verfahren als Masseverfahren einheitlich betrachtet werden müssten und deshalb in Anwendung der Rechtsprechung des LAG Hamm für die personellen Maßnahmen entsprechende Abschläge vorzunehmen seien.

Gegen den am 12.12.2013 zugestellten Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 20./23.12.2013 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 27.12.2013 nicht abgeholfen hat.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates sind der Auffassung, bei der Bemessung des Wertes des Streitgegenstandes müsse jedes von der Arbeitgeberseite betriebenes Verfahren einzeln betrachtet werden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ist begründet.

Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war gemäß § 23 Abs. 3 RVG auf 10.800,00 € festzusetzen.

1.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.

a)

1. § 23 Abs. 3 RVG stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Weg nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, 24.11.1994 – 8 TaBV 144/94 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, 12.06.2001 – 10 TaBV 50/01 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 50 = NZA-RR 2002, 472; LAG Hamm, 28.04.2005 – 10 TaBV 11/05 – NZA-RR 2005, 435).

Die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigt es, in Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG, in denen es um die Einstellung, Umgruppierung oder Versetzung von Arbeitnehmern geht, sich an dem Streitwertrahmen des § 42 Abs. 2 GKG zu orientieren. Folgerichtig wird bei der Wertfestsetzung in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten nach den §§ 99 ff. BetrVG vielfach auf die Bewertung einer entsprechenden Klage im Urteilsverfahren, also auf § 42 Abs. 24 GKG zurückgegriffen (LAG Hamm, 18.04.1985 – 8 TaBV 41/85 – LAGE ZPO § 3 Nr. 3; LAG Hamm, 19.03.1987 – 8 TaBV 2/87 – LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70; LAG Hamm, 22.02.1989 – 8 TaBV 146/88 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 12). Dieser Rechtsprechung sind auch die des erkennenden Gerichts in ständiger Rechtsprechung gefolgt (LAG Hamm, 04.03.2003 – 10 TaBV 53/03 -; LAG Hamm, 17.11.2004 – 10 TaBV 106/04 -; LAG Hamm, 28.04.2005 – 10 TaBV 11/05 – NZA-RR 2005, 435). Das wirtschaftliche Interesse an der Einstellung eines Arbeitnehmers drückt sich regelmäßig in dem zu zahlenden Arbeitsverdienst aus. Aus dieser Sicht muss der Streitwert eines Zustimmungsersetzungsverfahrens im Rahmen des § 23 Abs. 3 RVG unter analoger Heranziehung der Streitwertbegrenzungsnorm des arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens in § 42 Abs. 2 GKG gebildet werden. An dieser Rechtsauffassung der zuständigen Beschwerdekammern des LAG Hamm wird festgehalten.

Neben einem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG muss auch der nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG gestellte Antrag auf Feststellung, dass die vorläufige Durchführung der Einstellung dieser Arbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, zusätzlich bewertet werden. Dieser Antrag legitimiert nämlich die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG.

Wenn alle – im Verfahren – streitgegenständlich gewesenen Einstellungen auf eine einheitliche unternehmerische Entscheidung zurückzuführen waren und keine Besonderheiten aufwiesen, ist es nach der Rechtsprechung des LAG Hamm (z. B. Beschl. v. 10.01.2005 – 13 TaBV 100/04; Beschl. v. 22.02.2005 – 13 TaBV 119/04; Beschl.v. 15.12.2005 – 13 TaBV 156/05) gerechtfertigt, in Anlehnung an die Staffelung der Arbeitnehmerzahlen in § 9 BetrVG den Wert jeder einzelnen Einstellung typisierend festzulegen, um auf diese Weise zu einer gleichförmigen und damit dem Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen. Dabei sind für die personellen Einzelmaßnahmen 2 – 20 jeweils 25% des Ausgangswertes zu berücksichtigen.

b)

Ausgehend hiervon ergibt sich, dass der Streitwert für das vorliegende Beschlussverfahren auf 10.800,00 Euro festzusetzen war, wie der Vertreter des Betriebsrates zutreffend berechnet hat (Schriftsatz vom 03.12.2013, Bl. 113 d.A.).

Wegen der personellen Maßnahme – auch der ersten im Verfahren – war der Streitwertrahmen des § 42 Abs. 2 GKG nicht voll ausschöpfbar, da es sich um eine zeitlich begrenzte Maßnahme handelte; aus diesem Grunde waren für die erste Maßnahme zwei Bruttogehälter anzusetzen.

Der Streitwert war verfahrensbezogen zu bestimmen, da allein die Antragstellung für den Wert des jeweils formulierten Antrages/der jeweils formulierten Anträge maßgeblich ist. Entschließt sich die Arbeitgeberseite demnach, Verfahren nach § 99 BetrVG auch bei ggfls. einheitlichen personellen Maßnahmen getrennt zu betreiben – wofür es gute Gründe geben mag – so muss jedes Verfahren eben für sich betrachtet werden.

Auf die vom Verfahrensbevollmächtigten aufgeworfenen Fragen zum Streitwertkatalog in der Arbeitsgerichtsbarkeit kam es nicht an.

III.

Eine Gebühr war gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4; Abs. 5 GKG i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG nicht zu erheben.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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