LAG Hamm, Beschluss vom 27.10.2015 – 7 TaBV 19/15

Juni 19, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 27.10.2015 – 7 TaBV 19/15

Es stellt keine unzulässige Wahlbeeinflussung i.S.d. § 20 Abs. 2 BetrVG dar, wenn es der Arbeitgeber unterlässt, die übrigen Wahlbewerber von sich aus über eine Wahlwerbeidee zu informieren, die eine andere Wahlbewerberliste an ihn wegen der Nutzung betrieblicher Ressourcen herangetragen hat.
Tenor

1. Auf die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 27.01.2015 – 1 BV 16/14 – abgeändert und der Antrag abgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Unwirksamkeit der am 15.04.2014 durchgeführten Betriebsratswahl.

Die Antragsteller – aktuell im Beschwerdeverfahren noch sechs Beschäftigte der Arbeitgeberin im Betrieb in H – betreiben die Anfechtung der Wahl des beteiligten 13-köpfigen Betriebsrates, der bei der ebenfalls beteiligten Arbeitgeberin gewählt wurde. Die Arbeitgeberin betreibt ein Call-Center mit Sitz in H, in dem zum Wahlzeitpunkt 823 wahlberechtigte Beschäftigte ihrer Arbeit nachgingen. Zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl handelte es sich um einen Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen, die zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung entweder auf die jetzt beteiligte Arbeitgeberin, die B T, verschmolzen worden sind oder deren Arbeitsverhältnisse letztendlich jedenfalls auf die B T übergegangen sind.

Die Arbeitgeberin ist im Bereich der telefonischen Beratung wie auch der Telefonakquise z.B. für Telefongesellschaften tätig. Die seitens der Arbeitgeberin vorgegebene Beratungssprache ist Deutsch; in den Stellenbeschreibungen für den sogenannten “Call-Center-Agent” ist unter der Rubrik “Fachkenntnisse” ausdrücklich aufgeführt, dass akzentfreie Deutschkenntnisse verlangt werden (Stellenbeschreibung Bl. 311, 312 d.A.). Die Arbeitgeberin beschäftigt ca. 100 Arbeitnehmer, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit aufweisen. Die Informationen zur Betriebsratswahl des Jahres 2014 wie auch das Wahlausschreiben hierzu wurden – wie bei den vergangenen Betriebsratswahlen auch – ausschließlich in deutscher Sprache veröffentlicht. Mitte Januar 2014 nahmen mehrere Mitglieder des Wahlvorstandes an einer Schulung über Betriebsratswahlen teil, bei der auch das Thema Sprachkenntnisse der Beschäftigten behandelt wurden.

Die streitgegenständliche Betriebsratswahl wurde als Listenwahl durchgeführt; es gab insgesamt vier Bewerberlisten. Auf die Liste 1 entfielen 94, auf die Liste 2 161, auf die Liste 3 36 und auf die Liste 4 245 Stimmen (Wahlniederschrift Bl. 141, 142 d.A.).

Im Vorfeld der Betriebsratswahl sprach die jetzige Betriebsratsvorsitzende als ehemalige Führerin der Liste 4 den Abteilungsleiter “Sales” an, ob sie auf den Monitoren in dessen Abteilung Werbung für ihre Liste machen könne. Diese Monitore dienen der Anzeige bestimmter Kennzahlen; insoweit ist im Termin zur Anhörung vor der Beschwerdekammer unstreitig geworden, dass auf den Monitoren jeweils ein Bild mit den Köpfen der Liste 4 zu sehen war, was jeweils dann, wenn das Einblenden von Kennzahlen im betrieblichen Ablauf erforderlich war, ausgeblendet wurde. Der Abteilungsleiter entsprach dieser Bitte, sodass diese Wahlwerbung so gestaltet wurde. Weder die Liste 1, noch die Liste 2 oder die Liste 3 sind mit einer solchen Bitte zur Nutzung der Monitore an den Abteilungsleiter herangetreten.

Die Auszählung der Stimmen am Wahltage durch den Wahlvorstand ergab letztendlich die bereits genannten Zahlen; bei einer ersten Auszählung waren für die Liste 1 104 Stimmen gezählt worden; ausweislich der Wahlniederschrift (Bl. 185, 186 d.A.) ergab eine Kontrollauszählung bei Liste 1 eine Abweichung von minus 10 Stimmen, was durch eine zweite Kontrollauszählung bestätigt wurde.

Mit dem am 24.04.2014 vorab per Telefax beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen eingegangenen Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens haben die Antragsteller die Unwirksamkeit der am 15.04.2014 durchgeführten Betriebsratswahl geltend gemacht.

Sie haben hierzu die Auffassung vertreten, dass das Wahlausschreiben wie auch die weiteren Wahlinformationen in die Muttersprachen der dort beschäftigten ausländischen Mitarbeiter hätten übersetzt werden müssen. Jedenfalls seien einige Mitarbeiter trotz der Einstellungsvoraussetzung der Beherrschung der deutschen Sprache nicht in der Lage, komplizierte Wahlinformationen zu verstehen. Einige dieser Mitarbeiter hätten bestimmte Leitfäden lediglich in deutscher Sprache auswendig gelernt.

Darüber hinaus habe die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl unzulässig beeinflusst, indem sie ausschließlich der Liste 4 die Möglichkeit eingeräumt hätte, die genannten Fernsehmonitore zu nutzen. Es sei bekannt, dass die Nutzung über Monitore einen starken Einfluss auf die Meinungsbildung habe. Es sei zwar richtig, dass die Listen 1, 2 und 3 nicht nach Nutzung der Monitore gefragt hätten; insoweit sei die Arbeitgeberin zur Vermeidung einer Wahlbeeinflussung allerdings verpflichtet gewesen, aktiv auf die Listen 1, 2 und 3 zuzugehen, um ihnen die Nutzung der Fernsehmonitore anzubieten.

Darüber hinaus sei es den Listen 1 und 4 erlaubt gewesen, während der Arbeitszeit Wahlwerbung zu betreiben, nicht hingegen der Liste 2, die an Wahlwerbung teilweise sogar gehindert worden sei. Mehrere Abteilungsleiter hätten für die Liste 4 in ihren Abteilungen während der Arbeitszeit Wahlwerber rekrutiert. Hierzu hätten Mitarbeiter-Meetings stattgefunden, zu denen ausschließlich Listenvertreter der Listen 1 und 4 eingeladen worden seien. Abteilungsleiter hätten dort klargemacht, insbesondere die Listen 1 und 4 seien zu wählen. Aus einer E-Mail des Geschäftsleiters Personal vom 11.04.2014 ergebe sich, dass dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden, jetzigen Antragsteller zu 1., untersagt worden sei, als Betriebsrat Mitarbeiter während der Arbeitszeit zu informieren. Diese E-Mail hat folgenden Wortlaut:

“Sehr geehrter Q,

aus gegebenen Anlass und unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange darf ich Sie darauf Aufmerksam machen, dass auch in dieser heißen Endphase vor der anstehenden Betriebsratswahl, gewisse Spielregeln eingehalten werden sollten.

Bevor unsere Kollegen in der Fläche und an deren Arbeitsplätzen aufgesucht werden, sollten zwingend im Vorfeld die zuständigen Führungskräfte informiert werden, damit ggf. ein, die Produktion so gering wie möglich belastender Termin, abgestimmt werden kann. Sollte das aus Gründen, die im betrieblichen Ablauf zugrunde liegen, nicht möglich sein, so können die Informationen des BR in den regelmäßigen Pausen und/oder produktionsfreien Zeiten erfolgen. Gerne auch vor oder nach Dienstbeginn.

Der Arbeitsablauf innerhalb der Produktion und bei unseren Mitarbeitern darf durch solche Besuche am Arbeitsplatz nicht gestört werden und zu qualitativen und quantitativen Einbußen führen.

Insbesondere muss darauf Wert gelegt werden, dass durch diesen Informationsaustausch keine unaufschiebbaren Arbeiten und dringende Projekte gefährdet werden und bittet daher um umgehende Beachtung.

…”

Auf die Kopie Bl. 14 d.A. wird Bezug genommen.

Am 14.04.2014 habe der Geschäftsführer zusammen mit der zweiten stellvertretenden Konzernbetriebsratsvorsitzenden Informationen in die Abteilung gegeben, die der Betriebsrat hätte erteilen wollen. Dies habe u.a. der Wahlvorstand zum Anlass genommen, einen IG Metall-Bevollmächtigten einzuladen. Der Geschäftsführer habe jenem Hausverbot angedroht.

Am Wahltag selbst hätte bereits um 9.00 Uhr der Listenführer der Liste 1 im Wahllokal selbst Werbung für seine Liste gemacht und dabei herumgepöbelt. Bewerber der Listen 2 und 3 habe er schlecht gemacht. Die damalige Konzernbetriebsratsvorsitzende, die nicht Angehörige des H Betriebes sei, sei durch ein Fenster in das Wahllokal gestiegen und habe dort lauthals Werbung gemacht und dabei aufgefordert, nicht die Liste 2 zu wählen.

Der Grundsatz der geheimen Wahl sei nicht sichergestellt gewesen, da jeder Wähler, der das Wahllokal betreten habe, auf der Wählerliste abgehakt worden und sodann von einem Mitglied des Wahlvorstandes an den sogenannten Wahltisch geführt worden sei. Der Wähler habe dort den Wahlzettel ausgefüllt, in einen Wahlumschlag gestellt, um ihn sodann in die Wahlurne einzuwerfen.

Nachdem die Wahl bereits um 18.00 Uhr geendet habe, sei das Auszählen der Stimmen erst um 18.30 Uhr durchgeführt und in der Zwischenzeit das Wahllokal abgebaut worden. Fraglich sei, ob eine Bewachung der Wahlurne stattgefunden habe. Es sei nicht auszuschließen, dass ein Unbefugter noch Unterlagen hätte einwerfen oder aus der Urne herausfischen können.

Bei der Stimmauszählung, an der der Wahlvorstand insgesamt beteiligt gewesen sei, sei sehr fahrig und schnell vorgegangen worden. Eine falsche Zuordnung von Stimmzetteln in vorbereite vier Kartons sei nicht ausgeschlossen. Die weitere Stimmauszählung müsse wohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden haben.

Schließlich seien auch die Briefwahlunterlagen nicht ordnungsgemäß aufbewahrt worden. Sämtliche Unterlagen hätten in einem Karton in einem sogenannten Wertfach gelegen, für das zwar jeder Mitarbeiter einen eigenen Schlüssel habe. Jedoch würde der Schlüssel auf jedes zehnte Fach passen und die Wertfächer seien ohne Einbruchspuren aufzudrücken. Daher sei eine Manipulation nicht ausgeschlossen.

Die Antragsteller haben beantragt,

die Betriebsratswahl im Gemeinsamen Betrieb der U T1 GmbH, U D GmbH, U Q1 T2 GmbH, U D1 D2 F GmbH, Mstraße 12 in H (jetzt: B T) vom 15.04.2014 für unwirksam zu erklären.

Betriebsrat und Arbeitgeberin haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, eine Übersetzung der Wahlinformationen und des Wahlausschreibens in die jeweilige Muttersprache der etwa 100 nicht deutschstämmigen Beschäftigten sei nicht erforderlich gewesen, da sämtliche Mitarbeiter akzentfrei deutsch sprächen.

Selbstverständlich wären auch den übrigen Listen die Monitore für etwaige Wahlwerbung zur Verfügung gestellt worden, wenn diese danach gefragt hätten. So hätten beispielsweise die Listen 2 und 3 Infostände gehabt; was bei den anderen Listen nicht der Fall gewesen wäre. Keinesfalls bestehe eine Pflicht der Arbeitgeberin, aktiv auf andere Listen zuzugehen, um diese über besondere Wahlwerbeaktionen zu unterrichten.

Kein Abteilungsleiter hätte Wahlbewerber rekrutiert. Insbesondere der Abteilungsleiter Flaschel sei erstes Ersatzmitglied des Wahlvorstandes gewesen und habe lediglich Fragen zur Wahl beantwortet. Zusammenkünfte, in denen seitens der Abteilungsleiter zur Wahl der Vertreter der Listen 1 und 4 aufgefordert worden sei, habe es nicht gegeben. Die E-Mail vom 11.04.2014 sei schon vom Wortlaut her keine Untersagung von Wahlwerbung, sondern beschreibe lediglich betriebliche Notwendigkeiten bei der Information von Beschäftigten durch den Betriebsrat. Sämtliche Listentreffen hätten in Absprache mit den Vorgesetzten der jeweiligen Bewerber stattgefunden, was selbstverständlich jeder Liste erlaubt gewesen sei.

Der Vertreter der Gewerkschaft IG Metall habe kein Hausverbot erhalten, sondern sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass er sich aus Datenschutzgründen nur nach Unterschrift unter eine Verschwiegenheitserklärung auf der “Fläche” aufhalten dürfe.

Während des Wahlvorganges habe niemand im Wahllokal herum gepöbelt. Der von den Antragstellern genannte Mitarbeiter habe lediglich die Listenvertreter der Liste 2 darauf aufmerksam gemacht, dass diese im Wahlbüro keine ‚Liste 2 – Buttons‘ tragen dürften. Die damalige Konzernbetriebsratsvorsitzende habe sich durch das Betreten des Wahllokals durch das Fenster lediglich einen Umweg gespart; Wahlwerbung habe sie nicht gemacht.

Der Wahlvorgang selbst sei ordnungsgemäß abgelaufen; insbesondere seien die Grundsätze der geheimen Wahl gewahrt gewesen. Der Stimmzettel sei an einem nicht einsehbaren Wahltisch ausgefüllt worden. Die Wahlurne sei eine sogenannte Datenschutztonne gewesen, bei der unmöglich gewesen sei, irgendwelche Unterlagen zu entnehmen. Nach jedem Einwurf eines Stimmzettels sei der Einwurfschlitz abgedeckt worden. Die Wahlurne sei im Übrigen auch nach Stimmabgabeschluss ständig bewacht und deren Einwurfschlitz zugeklebt worden. Bei der Stimmauszählung, die vollständig öffentlich stattgefunden habe, habe man festgestellt, dass man sich um zehn Stimmen verzählt habe, weshalb zwei Kontrollzählungen durchgeführt worden seien. Auch an der zweiten Auszählung einschließlich der weiteren Kontrollauszählung seien noch drei Wahlvorstandsmitglieder sowie drei Ersatzmitglieder des Wahlvorstandes und einige Arbeitnehmer anwesend gewesen.

Auch die Briefwahlunterlagen seien ordnungsgemäß aufbewahrt worden. Diese seien in einem Pappkarton gewesen, den der Wahlvorstandsvorsitzende im Schreibtischcontainer im Wahlvorstandsbüro verschlossen gelagert habe. Nur wenn das Wahlvorstandsbüro nicht verschlossen gewesen sei und der Wahlvorstandsvorsitzende sich dort nicht aufgehalten habe, habe er den Karton in seinem Wertach eingeschlossen. Diese Wertfächer seien nicht manipulierbar.

Schließlich könne dem Vorbringen der Antragsteller nicht entnommen werden, wie durch die einzelnen angeblichen Verstöße das Wahlergebnis hätte beeinflusst werden können.

Durch Beschluss vom 27.01.2015, dem Vertreter der Arbeitgeberin am 20.02.2015 und der Vertreterin des Betriebsrats am 23.02.2015 zugestellt, hat das Arbeitsgericht Gelsenkirchen dem Antrag stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Nutzung der Fernsehmonitore durch die Liste 4 eine unzulässige Beeinflussung der Betriebsratswahl darstelle. Insoweit bestehe eine gewisse Vermutung, dass das Medium “Fernsehmonitor” in besonderer Weise geeignet sei, den Wählerwillen zu beeinflussen und dass darüber hinaus die Beschäftigten, die diese Bilder gesehen hätten, als Multiplikatoren ihre Eindrücke in die Belegschaft getragen hätten. Da es sich um Betriebsmittel der Arbeitgeberin handele, hätte sie allen anderen Listen aktiv diese Möglichkeit der Wahlwerbung anbieten oder den Antrag der Liste 4 ablehnen müssen.

Wegen der Einzelheiten der angegriffenen Entscheidung wird auf den Beschluss vom 27.01.2015, Bl. 341 ff. d.A, Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit der vorliegenden, vorab per Fax am 20.03.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 20.05.2015 mit Schriftsatz vom 20.05.2015, ebenfalls vorab per Telefax eingegangen, begründeten Beschwerde.

Ebenso wendet sich der Betriebsrat mit seiner am 23.03.2015 vorab per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 26.05.2015 – vorab per Telefax am 22.05.2015 eingegangen -, begründeten Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss.

Arbeitgeberin und Betriebsrat tragen vor:

Das Arbeitsgericht habe in der angegriffenen Entscheidung den Sachverhalt nicht richtig erfasst. Es sei seitens der Wahlbewerber der Liste 4 nicht um mehrere Monitore, sondern um einen einzigen kleinen 32 Zoll Monitor in der Abteilung WinBack gegangen. Dort sei auch lediglich ein Standbild (Kopie Bl. 462 d.A.) gezeigt worden; keine bewegten Bilder. Schon vor dem Hintergrund dieser Dimension sei die vom Arbeitsgericht angesprochene “Lebenserfahrung”, wonach die Nutzung bewegter Fernsehbilder einen erheblichen Einfluss auf das Wahlverhalten haben könne, nicht haltbar.

Schließlich komme es darauf nicht an, da jedenfalls die Arbeitgeberin nicht verpflichtet gewesen wäre, die anderen Listen von dem Ansinnen der Liste 4 zur Nutzung dieses Fernsehmonitors zu unterrichten. Wäre diese Auffassung in der angegriffenen Entscheidung zutreffend, könne die Arbeitgeberin nur alles falsch machen: Entweder sie verbiete ohne sachlichen Grund die Monitornutzung, so würde sie gegebenenfalls die Betriebsratswahl behindern, oder sie gestatte die Nutzung der einen Liste, so würde es sich dann um eine Wahlbeeinflussung handeln oder aber sie unterrichte alle Listen von einer Idee der Wahlwerbung nur einer einzigen Liste, was dann gegebenenfalls wieder als Wahlbeeinflussung betrachtet werden könne. Das Bundesarbeitsgericht habe in seiner maßgeblichen Entscheidung, auf die auch der Betriebsrat Bezug nehme, ausdrücklich nur die aktive finanzielle und materielle Unterstützung eines Wahlbewerbers oder einer Liste durch den Arbeitgeber als unzulässige Wahlbeeinflussung betrachtet. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass es die Verpflichtung des Arbeitgebers, aktiv auf andere Listen zuzugehen, um sie über beabsichtigte Wahlwerbung anderer Listen zu unterrichten, nicht gebe.

Da das Arbeitsgericht von seinem Standpunkt aus in der angegriffenen Entscheidung zu den übrigen von den Antragstellern vorgebrachten Gründen, die nach deren Ansicht zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl führen können, keine Stellung bezogen hat, werde vollinhaltlich auf den erstinstanzlichen Vortrag hierzu Bezug genommen.

Ergänzend sei anzumerken, dass die Antragsteller in keinem Fall auch nur einen einzigen Beschäftigten hätten benennen können, der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei. Es werde erneut darauf hingewiesen, dass es ausschließlich Mitarbeiter gebe, die in der Lage sind, im Rahmen der Tätigkeit als Call-Center-Agent deutsch zu sprechen und unter Nutzung der deutschen Sprache zu verkaufen und zu beraten.

Soweit die Antragsteller im Protokoll zur mündlichen Anhörung vor der Kammer in erster Instanz am 27.01.2015 weitere Aussagen getätigt hätten, seien diese in sich widersprüchlich; in keinem Fall seien sie so substantiiert, dass eine Stellungnahme hierzu möglich wäre.

Was im Übrigen die Wahlvorgänge als solche angehe, so sei der Wahlvorstand nicht verpflichtet, den praktischen Ablauf des Wahlverfahrens so auszugestalten, dass er gegen jedwede theoretisch denkbare Manipulation abgesichert sei. Dem habe der Wahlvorstand sowohl durch die Aufbewahrung der Briefwahlunterlagen, wie auch durch die Ausgestaltung des Wahllokales und die Verwendung der Datenschutztonne als Wahlurne Rechnung getragen.

Schließlich verbleibe es dabei, dass selbst unter Zugrundelegung der von denAntragstellern behaupteten Verstöße eine Beeinflussung des Wahlergebnisses nicht hätte stattfinden können.

Schließlich bestünden mittlerweile Zweifel am Rechtsschutzinteresse, da sämtliche Antragsteller mit Ausnahme der Antragstellerin zu 4. seit Abschluss der Betriebsratswahl arbeitsunfähig erkrankt seien und die Antragstellerin zu 4. sich in Elternzeit befinde.

Arbeitgeberin und Betriebsrat beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 27.01.2015 – 1 BV 16/14 – abzuändern und den Antrag abzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung als zutreffend und tragen darüber hinaus vor, die Wahlwerbung sei über sämtliche Monitore des Betriebes, und zwar während der ganzen Zeit des Wahlkampfes gelaufen. Zutreffend habe das Arbeitsgericht auf die Einflussnahme durch Fernsehwerbung auf das Wahlverhalten der Beschäftigten hingewiesen, worüber gegebenenfalls auch ein psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen sei.

Es werde ausdrücklich bestritten, dass auch die anderen Listen die Möglichkeit zur Werbungseinblendung über die fraglichen Monitore gehabt hätten. Dieser Vortrag erfolge erst in zweiter Instanz, was am Wahrheitsgehalt zweifeln lasse.

Der Antragsteller Herr Q zu 1. habe sich über die Bevorzugung der anderen Liste beschwert. Die Arbeitgeberin hätte die technische Möglichkeit bereitstellen müssen, woraus sich eine Bevorzugung der Liste 4 ebenso ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.

B.

I. Die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrates sind zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden gemäß § 87 Abs. 2 i.V.m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO.

II. Die Beschwerden sind begründet, da die Betriebsratswahl bei der Arbeitgeberin vom 15.04.2014 weder im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG anfechtbar, noch nichtig und damit wirksam war.

1. Der Antrag ist zulässig.

a. Die Antragsteller verfolgen ihr Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, da sämtliche Frage im Zusammenhang mit der Ordnungsgemäßheit einer Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG darstellen.

b. Die Verfahrensvoraussetzungen des § 19 Abs. 2 BetrVG liegen vor. Nach dieser Vorschrift bedarf es für die Anfechtungsberechtigung u.a. eines Quorums von mindestens drei Wahlberechtigten und der Einhaltung einer Frist von zwei Wochen vom Tage der Bekanntmachung des Wahlergebnisses an gerechnet (vgl. zur Anfechtungsberechtigung als Zulässigkeitsvoraussetzung BAG, Beschluss vom 10.06.1983, 6 ABR 50/82, juris Rdnr. 13).

c. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Tatsachen zur Arbeitsunfähigkeit bzw. zur Elternzeit der Antragsteller bleiben ohne Auswirkung auf die Anfechtungsberechtigung, da die verbliebenen Antragsteller sämtlichst weiterhin Arbeitnehmer des Betriebes und damit im Sinne des § 7 BetrVG wahlberechtigt sind. Jedenfalls liegt kein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor, was gegebenenfalls aber auch die Anfechtungsberechtigung nicht gehindert hätte (vgl. BAG, Beschluss vom 23.07.2014, 7 ABR 23/12), worauf es jedoch vorliegend aus den genannten Gründen nicht ankam.

d. Schließlich wurde die Betriebsratswahl vom 15.04.2014 von mindestens drei Wahlberechtigten angefochten, § 19 Abs. 2 Satz 1BetrVG. Dabei geht die Beschwerdekammer mit allen Beteiligten davon aus, dass grundsätzlich keine (weiteren) Zweifel bestehen, dass es sich bei den Antragstellern um Wahlberechtigte im Sinne des § 7 BetrVG handelt.

2. Der Antrag ist nicht begründet, da die Wahl des Betriebsrates am 15.04.2014 nicht anfechtbar ist, weil im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist.

a. Der Anfechtungs- und damit Unwirksamkeitsgrund einer unzulässigen Wahlbeeinflussung durch die Arbeitgeberin im Sinne des § 20 Abs. 2 BetrVG liegt nicht vor.

aa. Vorauszuschicken ist, dass die Vorschrift des § 20 Abs. 2 BetrVG zwar selbst die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit und damit die Unwirksamkeit einer Betriebsratswahl nicht beschreibt; indessen gehen die Wirkungen einer unzulässigen Wahlbeeinflussung über die Tatsache, dass es sich um eine Straftat im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG handeln kann, hinaus, da ansonsten mögliche Auswirkungen auf die Betriebsratswahl als solche sanktionslos blieben (BAG, Beschluss vom 04.12.1986, 6 ABR 48/85 juris; vgl. auch Fitting u.a., BetrVG 27. Aufl., § 20 BetrVG Rdnr. 31).

bb. Allerdings hat die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl nicht im Sinne des § 20 Abs. 2 BetrVG beeinflusst. Wenn auch eine tatsächliche und finanzielle Unterstützung einer Gruppe von Kandidaten im Rahmen einer Betriebsratswahl je nach Umständen des Einzelfalles eine Wahlbeeinflussung im Sinne des § 20 Abs. 2 BetrVG darstellen kann (BAG, Beschluss vom 04.12.1986 aaO.), so liegt allerdings in der Bereitstellung der Monitornutzung für die Bewerber der Liste 4 als Wahlwerbung eine solche unzulässige Wahlbeeinflussung nicht vor.

1) Die Beschwerdekammer ist davon ausgegangen, dass allein Vertreter der Liste 4 den zuständigen Abteilungsleiter nach der Nutzungsmöglichkeit für die Wahlwerbung via Monitor gefragt haben. Diese Tatsache hatte die Arbeitgeberin bereits erstinstanzlich mit der Antragserwiderung vom 17.06.2014, dort Bl. 21 (Bl. 165 d.A.) und der Betriebsrat mit seiner Antragserwiderung vom 17.06.2014, dort Bl. 3 (Bl. 131 d.A.) ausdrücklich vorgetragen, ohne dass die Antragsteller hierzu eine Stellungnahme abgegeben haben. Im Gegenteil: Im Schriftsatz vom 24.10.2014, dort S. 2 (Bl. 230 d.A.) haben sie ausdrücklich ihre Rechtsauffassung geäußert, die Arbeitgeberin hätte die Anfrage der Liste 4 zur Nutzung von Betriebsmitteln ablehnen oder allen Listen aktiv zur Verfügung stellen müssen. Im Rahmen der alle Beteiligten im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren treffenden Mitwirkungspflicht (§ 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) ist daher davon auszugehen, dass Listenbewerber der Listen 1, 2 und 3 sich nicht nach entsprechenden Möglichkeiten erkundigt haben. An dieser Feststellung ändert auch das Bestreiten der Antragsteller in der Beschwerdeinstanz hinsichtlich der Möglichkeit von Werbungseinblendung für andere Listen nichts, da nach wie vor unstreitig geblieben ist, dass die Listen 1, 2 und 3 hiernach nicht gefragt hatten.

2) Zur Vermeidung unzulässiger Wahlbeeinflussung im Sinne des § 20 Abs. 2BetrVG war die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, die anderen Listen vom Ansinnen der Liste 4 zu unterrichten, Monitore für Wahlwerbezwecke zu nutzen.

Bei dem Vorgehen der Liste 4 zur Nutzung der Monitore handelt es sich um Wahlwerbung, die zulässig ist. Sie ist sowohl nach allgemeinen Grundsätzen des Wahlrechts, wie auch durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG bei Betriebsratswahlen geschützt. Eine Beeinflussung von Wahlberechtigten ist Bestandteil eines demokratischen Wahlverfahrens, solange keine unzulässigen Mittel verwandt werden (LAG Niedersachsen, Beschluss vom 16.06.2008, 9 TaBV 14/07 juris Rdnr. 58). Die Wahlwerbung als solche ist damit, solange sie nicht andere Wahlbewerber diskriminiert oder beleidigt, ein zulässiges Instrument der Beeinflussung von Wählern; aufgrund der den Arbeitgeber treffenden Neutralitätspflicht im Wahlverfahren ist es dem Arbeitgeber allerdings verwehrt, unter Verstoß gegen die Gleichheit der Chancen von Listen einseitig einen Wahlbewerber oder eine Liste entweder finanziell oder mit Betriebsmitteln zu unterstützen (BAG Beschluss vom 04.12.1986, aaO.). Das Verbot der einseitigen Unterstützung eines Bewerbers/einer Liste bedeutet allerdings nicht, dass die Arbeitgeberin gehalten gewesen wäre, von sich aus auf die anderen Listen zuzugehen und ihnen die Nutzung der Monitore anzubieten. Denn Wahlwerbung beinhaltet zugleich, sich durch kreative und ansprechende Ideen gegenüber anderen Wahlbewerbern Vorteile zu verschaffen, was – wie bereits dargelegt – nicht nur legitim, sondern Bestandteil einer jeden demokratischen Wahl ist. Würde man nun die Arbeitgeberin verpflichten, jegliche Wahlwerbeidee, die mit der Nutzung von Betriebsmitteln verbunden ist, vor deren Einräumung anderen Wahlbewerbern und/oder Listen mitzuteilen oder anderenfalls zu untersagen, so würde durch aktives Eingreifen der Arbeitgeberin ein eventuell zu erzielender Vorsprung durch geschickte und kreative Wahlwerbung zunichte gemacht. Ohne dass es einer Entscheidung der Beschwerdekammer hierzu bedurfte, spricht vieles dafür, dass eher dieser Fall eine unzulässige Wahlbeeinflussung im Sinne des § 20 Abs. 2 BetrVG darstellen könnte, als der von den Antragstellern ins Feld geführte. Ein Schweigen der Arbeitgeberin auf das Ansinnen zur Durchführung bestimmter Wahlwerbung einzelner Listen kann somit keinen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Arbeitgebers bei den Betriebsratswahlen darstellen (so ausdrücklich OVG Münster, Beschluss vom 10.11.2005, 1 A 5076/04.PVL juris Rdnr. 27 ff.; ArbG Essen, Beschluss vom 09.07.2010, 2 BV 123/09 juris Rdnr. 66 ff. m.w.N.).

Liegt nach alledem eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch die Arbeitgeberin durch das Bereitstellen der Fernsehmonitore/des Fernsehmonitors für die Liste 4 nicht vor, bedurfte es keiner weiteren Auseinandersetzung der Beschwerdekammer mit der Frage, welchen Einfluss die Darstellung auf Fernsehmonitoren auf das Wählerverhalten hat. Ebenso bedurfte es keiner weiteren Aufklärung, wie viele Monitore in welchen Abteilungen genutzt wurden und welche Anzahl von Mitarbeitern die Möglichkeit hatte, die Wahlwerbung einzusehen.

b. Bei der Betriebsratswahl am 15.04.2014 wurde auch nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht dadurch verstoßen, dass die Wahlinformationen wie auch das Wahlausschreiben nicht in die jeweilige Muttersprache der etwa 100 nicht deutschstämmigen Beschäftigten der Arbeitgeberin übersetzt wurden.

aa. Allerdings handelt es sich bei der Vorschrift des § 2 Abs. 5 WOBetrVG, wonach der Wahlvorstand dafür sorgen soll, dass ausländische Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vor Einleitung der Betriebsratswahl in geeigneter Weise unterrichtet werden. Trotz Ausgestaltung dieser Bestimmung als “Soll-Vorschrift” ist nach zutreffender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass es sich hierbei um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG handelt, deren Verletzung zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigt (BAG, Beschluss vom 13.10.2004, 7 ABR 5/04 m. zahlreichen N.).

bb. Jedoch setzt § 2 Abs. 5 WOBetrVG voraus, dass es Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen sein müssen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Hiervon konnte die Beschwerdekammer nach dem Vorbringen der Beteiligten und den vorgelegten Unterlagen nicht ausgehen: streitlos ist der Geschäftszweck der Arbeitgeberin dadurch bestimmt, für bestimmte Kunden Aufgaben telefonischer Beratung und Akquise zu erledigen. Hierzu ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass im Anforderungsprofil für die Besetzung einer Stelle als sogenannter Call-Center-Agent die Beherrschung der deutschen Sprache vorgegeben ist. Ebenso ist im Termin zur mündlichen Anhörung vor der Beschwerdekammer am 27.10.2015 übereinstimmend erläutert worden, dass ein anrufender Kunde sich nicht aussuchen kann, von welchem Mitarbeiter mit welchen Sprachkenntnissen er konkret beraten wird. Dies hat zur Folge, dass es eher dem Zufall überlassen ist, ob ein gegebenenfalls ausländisch sprechender Interessent bei einem Telefonat mit einem Mitarbeiter der Arbeitgeberin einen gleichsprachigen Call-Center-Agent antrifft, um sich sodann gegebenenfalls in der gemeinsamen Muttersprache auszutauschen. Dies hat allerdings nichts mit der Frage zu tun, dass dieser Call-Center-Agent dann auch gleichwohl in einem nächsten Telefonat auf einen deutsch sprechenden Kunden zugehen muss oder von diesem angerufen wird und in diesem Zusammenhang dann die Beratung oder die Akquise in deutscher Sprache zu erfolgen hat. Damit aber steht fest, dass der Zweck der Vorschrift des § 2 Abs. 5 WOBetrVG, nämlich ausländischen Arbeitnehmern die wesentlichen Grundsätze über die durchzuführende Betriebsratswahl zu vermitteln, um ihnen in gleicher Weise wie deutschen Arbeitnehmern die Wahrnehmung ihres aktiven und passiven Wahlrechts zu ermöglichen, eine Übersetzung der Wahlunterlagen und der Wahlinformationen bei der Arbeitgeberin nicht erforderte. Entscheidend ist nämlich (BAG, Beschluss vom 13.10.2004 aaO.), dass die Deutschkenntnisse ausreichen, um die zum Teil komplizierten Wahlvorschriften und den Inhalt eines Wahlausschreibens verstehen zu können.

Zum Beispiel in den Fällen, in denen im Betrieb eine größere Zahl ausländischer Arbeitnehmer im gewerblichen Bereich mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt ist, muss der Wahlvorstand von unzureichenden Deutschkenntnissen ausgehen. Dass diese Voraussetzungen bei den Beschäftigten der Arbeitgeberin nicht vorliegen, liegt nach der vorstehend geschilderten Tätigkeit und den Ausführungen der Beteiligten im Termin zur Anhörung vor der Beschwerdekammer am 27.10.2015 auf der Hand: sämtliche Beschäftigte der Arbeitgeberin sind nicht mit einfachen Hilfsarbeiten im gewerblichen Bereich beschäftigt, die auf wenige Anweisungen in deutscher Sprache zurückgreifen müssen. Vielmehr erfolgen Beratungen wie auch Kundenwerbung ausschließlich in deutscher Sprache, woraus sich zweifelsfrei ergibt, dass die deutsche Sprache genau das Medium ist, welches die Beschäftigten zur Ausfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Aufgaben benötigen. Dementsprechend ist der Wahlvorstand zu Recht davon ausgegangen, dass es einer Übersetzung der Unterlagen zur Betriebsratswahl einschließlich der erforderlichen Aushänge nicht bedurfte,

c. Eine Behinderung der Betriebsratswahl im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die in der E-Mail vom 11.04.2014 enthaltene Anweisung an den Antragsteller zu 1. liegt nicht vor. Schon vom Wortlaut her – darauf haben Arbeitgeberin und Betriebsrat zutreffend hingewiesen – ergibt sich keine Einflussnahme auf etwaige Aktivitäten zur Wahlwerbung oder dergleichen für die bevorstehende Betriebsratswahl. Vielmehr wird in dieser E-Mail darauf hingewiesen, dass “Informationen des BR” so gestaltet werden sollen, dass ein die Produktion möglichst wenig belastender Termin abgestimmt werden kann und eine Störung des Arbeitsablaufs innerhalb der Produktion nicht erfolgt. Ein Zusammenhang mit einer Beeinflussung der bevorstehenden Betriebsratswahl ist damit nicht gegeben; ob sich der antragstellende Beteiligte zu 1. als Wahlbewerber subjektiv eingeschränkt sah, ist insoweit für die Frage der Wahlbehinderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht maßgeblich. Gleiches gilt im Übrigen für die zum Teil streitigen Vorgänge im Zusammenhang mit der Einladung des Gewerkschaftssekretärs der IG-Metall. Hier ergibt sich bereits aus der Antragsschrift Seite 4 (Bl. 12 d.A.), dass dem Gewerkschaftssekretär gegenüber kein Hausverbot verhängt, sondern nach eigenem Vortrag der antragstellenden Beteiligten angedroht worden sei. Der von den Antragstellern im Zusammenhang mit dem Gewerkschaftssekretär angesprochene innerbetriebliche Zusammenhang wird als “Betriebsvereinbarung Flex” bezeichnet. Inwiefern diese Vorgänge etwas mit der bevorstehenden Betriebsratswahl zu tun haben und aus welchem Grunde der Wahlvorstand neben dem Betriebsrat die Diskussion über diese Betriebsvereinbarung zum Anlass nahm, den IG-Metall Bevollmächtigten einzuladen, erschließt sich insoweit nicht.

d. Die Betriebsratswahl vom 15.04.2014 ist auch nicht gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 WOBetrVG anfechtbar. Nach letztgenannter Bestimmung muss die Wahlurne verschlossen und so eingerichtet sein, dass die Wahlumschläge nicht wieder herausgenommen werden können, ohne dass die Urne geöffnet wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach Abschluss der Stimmabgabe die Wahlurne zu versiegeln ist. Hierzu haben sich die Antragsteller darauf beschränkt, die Vermutung zu äußern, dass nicht sicherzustellen sein, dass Wahlunterlagen nach Stimmabgabeschluss eingeworfen bzw. wieder hätten herausgefischt werden können.Allerdings hat die Arbeitgeberin wie auch der Betriebsrat darauf hingewiesen, dass für die Stimmabgabe eine sogenannte Datenschutztonne verwendet worden ist und dass der Einwurfschlitz dieser Tonne nach Schluss der Stimmabgabe mit einem Klebestreifen versiegelt worden ist. Damit ergeben sich aber vom tatsächlichen Ablauf her keine Anhaltspunkte für die von den Antragstellern geäußerte Vermutung.

Trotz Amtsermittlungspflicht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (§ 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) war die Beschwerdekammer nicht gehalten, hierzu eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben, da insoweit eine Mitwirkungspflicht der am Verfahren Beteiligten gemäß § 83 Abs. 1 Satz 2 besteht, die es in Fällen wie dem vorliegenden erfordert, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der möglicherweise die Ungültigkeit der durchgeführten Wahl begründen kann, also nicht schon auf den ersten Blick unerheblich ist. Der Sachverhalt muss Anlass dazu geben können, es sei bei der Wahl gegen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes verstoßen worden. Erst dann kommt eine Amtsermittlungspflicht in Betracht. Hypothetische Vorwürfe der Antragsteller, wie auch die weitere Darstellung, die Auszählung sei “fahrig” durchgeführt worden, reichen hierzu nicht aus (so ausdrücklich LAG Niedersachsen, Beschluss vom 16.06.2008, aaO. Rdnr . 48 m. zahlreichen N.).

e. Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß auch für die weiteren, von den Antragstellern vorgebrachten Gründe, die ihrer Ansicht nach Zweifel an der Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 15.04.2015 begründen.

Soweit in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Frage der Verwahrung der Briefwahlunterlagen angesprochen worden ist, schließt sich die Beschwerdekammer der zutreffenden Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 16.09.2011, 10 TaBV 33/11) an, wonach der Wahlvorstand das Wahlverfahren in seinem praktischen Ablauf nicht so auszugestalten hat, dass es gegen jedwede theoretisch denkbare Manipulation der das Wahlverfahren betreffenden Unterlagen abgesichert ist. Der hypothetisch denkbare Fall, dass das abschließbare Wertfach mit einem gegebenenfalls passenden Schlüssel aufgeschlossen oder ohne Einbruchspuren zu hinterlassen aufgebrochen werden kann, hat einen Abstrahierungsgrad, der im Sinne des vorgenannten Beschlusses des LAG Niedersachen vom 16.06.2088 aaO keine konkreten Anhaltspunkte für die Beschwerdekammer bietet, im Wege der Amtsermittlung herauszufinden, ob tatsächlich ein Aufdrücken des Wertfaches oder ein Öffnen mittels eines eventuell zweiten passenden Schlüssels stattgefunden hat.

3. Der Antrag ist auch nicht wegen Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 15.04.2014 begründet. Wenn die Antragsteller sich auch nicht ausdrücklich auf die Nichtigkeit der Wahl berufen haben, so ist mit dem Antrag gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl gleichwohl auch die Nichtigkeit geltend gemacht (BAG, Beschluss vom 10.06.1993, 6 ABR 50/82, aaO. Rdnr. 9). Erweist sich jedoch die Betriebsratswahl nicht im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG als anfechtbar, so kann sie keinesfalls nichtig sein, da die Anforderungen an die Nichtigkeit der Betriebsratswahl deutlich über die des § 19 Abs. 1 BetrVG hinausgehen. Es müssten Mängel im Wahlverfahren festgestellt werden, die der Wahl jeglichen Anschein einer demokratischen Wahl nehmen würden (BAG, Beschluss vom 27.07.2011, 7 ABR 61/10, NZA 2012, S. 345 ff.; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2013, 9 TaBVGa 5/13, juris). Tatsachen hierfür sind nicht ersichtlich.

Nach alledem hatten die Beschwerden der Arbeitgeberin wie auch des Betriebsrates Erfolg.

III. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne des § 92 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor; es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der die Beschwerdekammer in den wesentlichen Rechtsfragen die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegt hat.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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