LAG Hamm, Urteil vom 18.04.2019 – 17 Sa 1158/18

Juni 13, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 18.04.2019 – 17 Sa 1158/18

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 20.09.2018 – 7 Ca 1059/18 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2017 Entgelt aus der Entgeltgruppe 2 des Anhangs zu Teil A § 11 a – Eingruppierungsverzeichnis zum TVöD-NRW zu zahlen und die monatlichen Bruttodifferenzbeträge zwischen dem Entgelt aus der Entgeltgruppe 2 des Anhangs zu Teil A § 11 a – Eingruppierungsverzeichnis zum TVöD-NRW und der Entgeltgruppe 1 der Anlage 1 Entgeltordnung (VKA) A. I. für die Monate Januar 2017 bis April 2018 ab dem 26.05.2018 und ab Mai 2018 ab jeweiliger Fälligkeit gemäß § 24 Abs. 1 TVöD-VKA mit 5 % Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die 1957 geborene Klägerin ist seit dem 4. Mai 2009 als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 23,48 Stunden bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 20. April 2011 (Bl. 13 d. A.) zugrunde. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem TVöD-V und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts. Außerdem finden die für die Beschäftigten der Stadt C jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

Beide Parteien sind tarifgebunden.

Gemäß § 4 des Vertrages ist die Klägerin im Immobilienservicebetrieb – 230. 12 – beschäftigt, wobei ihr Einsatz in allen von der Beklagten zu reinigenden Gebäuden innerhalb des Stadtgebietes erfolgen kann. Nach § 5 des Arbeitsvertrages ist sie in die Entgeltgruppe 1 eingruppiert.

Im April 2018 erzielte sie ein Bruttomonatseinkommen von 1.165,21 € (Bl. 16 d. A.).

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 (Bl. 17 d. A.) beantragte sie ihre Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 2 des Anhangs zu § 11 a Teil A des zum 1. Januar 2017 zwischen ver.di und dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV NW) geschlossenen Tarifvertrags TVöD-NRW. Die Beklagte bestätigte ihr mit Schreiben vom 19. Dezember 2017 den Eingang des Antrags (Bl. 54 d. A.).

Zur Eingruppierung trifft der TVöD-VKA (im Folgenden TVöD-VKA) folgende Regelung:

§ 12 Eingruppierung

1. Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung VKA. Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.

2. Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z.B. vielseitige Fachkenntnisse) sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von den Sätzen 2 – 4 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der/des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein. …

In der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD-VKA heißt es:

Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf eine Sozialleistung, Betreuung einer Person oder einer Personengruppe, Durchführung einer Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Eine Anforderung im Sinne der Sätze 2 und 3 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe.

Die in § 12 Abs. 1 TVöD-VKA in Bezug genommene Anlage 1 – Entgeltordnung VKA – beinhaltet in ihrem Anhang folgende Regelungen:

Regelungskompetenzen

[Allgemeine Regelungen]

(1) Die Eingruppierung der Beschäftigten wird durch die Tarifvertragsparteien auf Bundesebene geregelt.

(5) Für den Bereich des Kommunalen Arbeitgeberverbandes NRW gelten ergänzend für die Entgeltgruppen 2 – 9 a die nachfolgenden besonderen Regelungen unter Beachtung der Maßgaben der §§ 12 (VKA) und 13 (VKA) und der Grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) zu allen Teilen der Entgeltordnung:

Für Beschäftige im Sinne des § 38 Abs. 5 Satz 2 TVöD gelten für die besonderen Teile der Verwaltung, Entsorgung und Flughäfen nachstehende Entgeltgruppen 2 – 9 a und Oberbegriffe sowie dazugehörige Regelungen nach dem TVöD-NRW:

[Besondere Regelungen für den KAV Nordrhein-Westfalen]

Entgeltgruppe 2

Ungelernte Beschäftigte, die durch landesbezirkliche Vereinbarung im Einzelnen festgelegt sind (Ausschließlichkeitskatalog).

Entgeltgruppe 3

Im landesbezirklichen Tarifvertrag zum TVöD im Bereich des Kommunalen Arbeitgeberverbandes in Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 20. Dezember 2016 (TVöD-NRW) heißt es unter § 11 a Eingruppierungsverzeichnis wie folgt:

Die Entgeltordnung zum TVöD für den Bereich der VKA gilt nicht für die Beschäftigten im Sinne des § 38 Abs. 5 Satz 2 TVöD – AT, die von den Besonderen Teilen der Verwaltung, Entsorgung und Flughäfen des TVöD erfasst werden oder in einem Arbeitsverhältnis zu einem Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalens stehen. Für diese Beschäftigten gilt das Eingruppierungsverzeichnis im Anhang zu § 11 a Teil A. Für die Überleitung gilt Abschnitt IV b TVÜ-VKA entsprechend.

In den Vormerkungen zu allen Entgeltgruppen des Anhangs zu Teil A § 11 a Eingruppierungsverzeichnis findet sich folgende Regelung:

Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen:

1. Die Beschäftigten sind in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die von ihnen nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte entspricht. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Satz 1 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung entsprechend erfüllt sein.

Im Eingruppierungsverzeichnis heißt es wie folgt:

Entgeltgruppe 1

Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten, zum Beispiel

– Essens- und Getränkeausgeber/innen

– Garderobenpersonal

– Spülen und Gemüseputzen und sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich

– Reiniger/innen in Außenbereichen wie Höfe, Wege, Grünanlagen, Parks

– Wärter/innen von Bedürfnisanstalten

– Servierer/innen

– Hausarbeiter/innen

– Hausgehilfe, Hausgehilfin

– Bote, Botin (ohne Aufsichtsfunktion)

Protokollerklärung zur Entgeltgruppe 1:

Die Entgeltgruppe 1 wurde aus der Entgeltordnung zum TVöD für den Bereich der VKA übernommen. Jede Änderung auf der VKA-Ebene wirkt sich unmittelbar ändernd hier aus.

Entgeltgruppe 2

Ungelernte Beschäftigte, die im Einzelnen festgelegt sind (Ausschließlichkeitskatalog)

1. Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung (in Zeiten des Publikumsverkehrs oder der Öffnungszeiten/Bürozeiten) oder mit selbstfahrenden Reinigungsmaschinen

Im TVÜ-VKA in der Fassung vom 17. Juli 2017 heißt es auszugsweise wie folgt:

§ 29 Grundsatz

(1) Für die in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten (§ 1 Abs. 1) sowie für die zwischen dem Inkrafttreten des TVöD und dem 31. Dezember 2016 neu eingestellten Beschäftigten (§ 1 Abs. 2), deren Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 2016 hinaus fortbesteht, gelten ab dem 1. Januar 2017 für Eingruppierungen § 12 (VKA) und § 13 (VKA) TVöD in Verbindung mit der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD. Diese Beschäftigten sind zum 1. Januar 2017 gemäß den nachfolgenden Regelungen in die Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) übergeleitet.

(2) Mit dem Inkrafttreten des § 12 (VKA) und des § 13 (VKA) TVöD in Verbindung mit der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD treten die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigte mit handwerklichen Tätigkeiten an die Stelle der bisherigen Oberbegriffe in den Lohngruppenverzeichnissen. Soweit Tätigkeitsmerkmale in Lohngruppenverzeichnissen auf besondere körperliche Belastungen oder besondere Verantwortung abstellen, bleiben diese unberührt. Spezielle Eingruppierungsregelungen in Lohngruppenverzeichnissen gelten bis zur Vereinbarung neuer Regelungen auf der Bundesebene bzw. auf Ebene eines kommunalen Arbeitgeberverbandes fort. Die Lohngruppen der Lohngruppenverzeichnisse sind gemäß Anlage 3 den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet.

§ 29b Höhergruppierungen

(1) Ergibt sich nach der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eine höhere Entgeltgruppe, sind die Beschäftigten auf Antrag in der Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach § 12 (VKA) TVöD ergibt. Der Antrag kann nur bis zum 31. Dezember 2017 gestellt werden (Ausschlussfrist) und wirkt auf den 1. Januar 2017 zurück; nach dem Inkrafttreten der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eingetretene Änderungen der Stufenzuordnung in der bisherigen Entgeltgruppe bleiben bei der Stufenzuordnung nach den Absätzen 2 bis 5 unberücksichtigt. Ruht das Arbeitsverhältnis am 1. Januar 2017, beginnt die Frist von einem Jahr nach Satz 1 mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit; der Antrag wirkt auf den 1. Januar 2017 zurück.

(2) Die Stufenzuordnung in der höheren Entgeltgruppe richtet sich nach den Regelungen für Höhergruppierungen (§ 17 Abs. 4 TVöD in der bis zum 28. Februar 2017 geltenden Fassung). War die/der Beschäftigte in der bisherigen Entgeltgruppe der Stufe 1 zugeordnet, wird sie/er abweichend von Satz 1 der Stufe 1 der höheren Entgeltgruppe zugeordnet; die bisher in Stufe 1 verbrachte Zeit wird angerechnet.”

Die Klägerin ist als Reinigungskraft in dem Objekt Grundschule Xschule in C eingesetzt. Es handelt sich um eine offene Ganztagsschule (OGS), die von montags bis donnerstags in der Zeit bis 16.30 Uhr und am Freitag bis 16.00 Uhr geöffnet ist. Die Klägerin leistet ihre Arbeitszeit von montags bis freitags zwischen 15.00 Uhr und 20.05 Uhr.

Am 8. Januar 2018 beschloss die Einigungsstelle bei der Beklagten unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters T, der Beklagten zu empfehlen, unter anderem die Reinigungskraft B, die ebenfalls in einer OGS Reinigungsarbeiten teilweise innerhalb der Öffnungszeiten der Schule verrichtet, aus der Entgeltgruppe 2 TVöD – NRW zu vergüten. Wegen der Einzelheiten des Spruchs der Einigungsstelle wird auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 9. August 2018 vorgelegte Kopie (Bl. 96 – 106 d. A.) verwiesen.

Mit ihrer am 22. Mai 2018 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage begehrt sie die Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, sie aus der Entgeltgruppe 2 des Anhangs zu Teil A § 11 a – Eingruppierungsverzeichnis zum TVöD-NRW (im Folgenden EG 2 TVöD-NRW) zu vergüten und die Differenzbeträge ab Fälligkeit zu verzinsen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung, und hat unter Verweisung auf die Ausführungen von ver.di zum Entgeltverzeichnis TVöD-NRW (Bl. 18 – 53 d.A) ausgeführt:

Es sei gemäß § 12 TVöD-VKA auf Arbeitsvorgänge abzustellen. Entgegen der Vorbemerkung 1 zum Eingruppierungsverzeichnis TVöD-NRW komme es nicht darauf an, dass ihre Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte den Tätigkeitsmerkmalen der EG 2 TVöD-NRW entspreche.

Das Reinigen von Gebäuden stelle einen Gesamtarbeitsvorgang dar. Geschuldet sei die ordnungsgemäße Reinigung des zugewiesenen Objektes. Diese Tätigkeit lasse sich nicht in Zeiten aufspalten, in denen die Reinigung im laufenden Betrieb erfolge, und solchen, bei denen die genannten besonderen Anforderungen der EG 2 TVöD-NRW nicht vorlägen. Sei bei der Eingruppierung nicht auf Arbeitsvorgänge, sondern die Tätigkeit abzustellen, lasse sich ihre Tätigkeit aus diesen Gründen nur als Gesamttätigkeit bewerten.

Ihre Arbeitszeit liege mit einem erheblichen Anteil in den Öffnungszeiten der OGS. Dabei sei typischerweise von Erschwernissen durch den laufenden Betrieb auszugehen. Es existiere zwar ein Reinigungsplan, wie beispielhaft mit Schriftsatz vom 9. August 2018 vorgelegt (Bl. 107 d. A.). Diesen könne sie jedoch nicht einhalten, da sie regelmäßig nicht wisse, welche Räume in der OGS belegt seien. Sie müsse täglich selbständig und eigenverantwortlich ihre Arbeit unter Berücksichtigung belegter Räume organisieren. Störfaktoren seien z.B. Raumbelegungen durch Klassenkonferenzen, Zusammentreffen von Fördervereinen, Durchführung von Elternsprechtagen und Elternnachmittagen sowie von Theateraufführungen und sonstigen schulischen Veranstaltungen. Die Lehrer nutzten die Räumlichkeiten für Besprechungen und zur Unterrichtsvorbereitung. Ein Raum sei regelmäßig belegt, weil Studenten Nachhilfeunterricht oder Hausaufgabenhilfe anböten.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr Vergütung aus der Entgeltgruppe 2 des Anhangs zu Teil A § 11 a – Eingruppierungsverzeichnis zum TVöD-NRW ab dem 1. Januar 2017 zu zahlen und den monatlichen Differenzbetrag ab jeweiliger Fälligkeit mit 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin verrichte ihre Tätigkeit nicht mit einem Anteil von mindestens 50 % der Arbeitszeit unter den Voraussetzungen der EG 2 TVöD-NRW, und hat vorgetragen:

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei nicht auf Arbeitsvorgänge iSd. § 12 TVöD-VKA abzustellen. Das ergebe sich aus den Vorbemerkungen zum TVöD-NRW.

Die Reinigung müsse unter besonderen Anforderungen aufgrund des laufenden Betriebes zu erledigen sein. Diese müssten sich unmittelbar aus der Tätigkeit ergeben. Die gegebenenfalls während der Reinigungstätigkeit genutzten OGS-Räume befänden sich im Erdgeschoss. Die Klägerin beginne mit der Reinigung im ersten Obergeschoss und wechsle erst gegen ca. 16.30 Uhr in das Erdgeschoss. Anlässlich einer Begehung am 19. Juni 2018 sei festgestellt worden, dass im ersten Obergeschoss nur zwei Räume belegt gewesen seien, die nach dem Reinigungsplan an diesem Tag nicht hätten gereinigt werden müssen.

Das Arbeitsgericht Bielefeld hat die Klage mit Urteil vom 20. September 2018 abgewiesen.

Es hat ausgeführt:

Die Feststellungsklage sei gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin erfülle nicht die Anforderungen der EG 2 Nr. 1 1. Alternative TVöD-NRW. Es reiche nicht aus, dass sie bei laufendem Betrieb in der Einrichtung reinige, sondern die Reinigung im laufenden Betrieb müsse mit besonderen Anforderungen verbunden sein. Das ergebe die Auslegung der Tarifnorm.

Es sei deshalb unzureichend, dass die Klägerin darlege, in Zeiten des Publikumsverkehrs in der Schule tätig zu werden. Hätten die Tarifvertragsparteien gewollt, dass der laufende Betrieb der Einrichtung ausreiche, um die besonderen Anforderungen festzustellen, hätten sie dies auch entsprechend formulieren und festlegen können. Sie hätten klarstellen können, dass durch den laufenden Betrieb der Einrichtung immer besondere Anforderungen an die Reinigung gestellt würden. Davon hätten sie jedoch abgesehen, sondern vielmehr die Formulierung gewählt, dass Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung in die EG 2 TVöD-NRW eingruppiert seien. Der Wortlaut spreche dafür, dass nicht allein die Reinigung während des laufenden Betriebs zu einer entsprechenden Höhergruppierung führe.

Entsprechend habe die Klägerin darzulegen gehabt, dass an ihre Reinigungstätigkeit während der Öffnungszeiten der Xschule besondere Anforderungen gestellt würden. Insoweit habe sie auf Störfaktoren wie Klassenkonferenzen und Ähnliches hingewiesen. Zwischen den Parteien sei allerdings unstreitig, dass sie die Räumlichkeiten der OGS nicht während der Öffnungszeiten reinige, sondern erst überwechsle, wenn die OGS geschlossen sei. Bei der Begehung habe sich ergeben, dass sie keine belegten Räumlichkeiten habe reinigen müssen.

Es stelle keine besondere Anforderung dar, wenn sie sich bei Belegung von Räumen merken müsse, welche Räume gereinigt seien, welche Räume noch gereinigt werden müssten. Eine besondere Organisation sei hierin nicht erkennbar, so dass die Kammer die Arbeit noch unter dem Begriff “einfachste Tätigkeiten” zusammenfasse.

Selbst wenn man besondere Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung als gegeben ansähe, könne offenbleiben, ob für die Eingruppierung die Beurteilung nach Arbeitsvorgängen oder aber nach den Anteilen der Arbeitsleistung, die auf die besonderen Anforderungen entfielen, maßgeblich sei. Selbst wenn eine Betrachtung nach Arbeitsvorgängen maßgeblich wäre, so sei eine Reinigung mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb nicht in rechtlich erheblichem Ausmaß gegeben.

Die Klägerin habe zur Begründung der besonderen Anforderungen hauptsächlich Ausnahmeerscheinungen im Reinigungsverlauf wie Raumbelegungen durch Klassenkonferenzen, Fördervereine, Elternsprechtage etc. aufgeführt. Zumindest bei der Belegung durch Klassenkonferenzen, Fördervereine, Elternsprechtage etc. handle es sich um Ausnahmeerscheinungen, die eher selten gegeben seien. Dem Vortrag der Klägerin ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, wie häufig diese Ereignisse vorkämen.

Soweit sie behaupte, in der Schule würden werktägig Besprechungen bzw. Unterrichtsvorbereitungen in den Klassenräumen stattfinden, so habe die Beklagte diesen Vortrag substantiiert mit dem Hinweis bestritten, bei einer Begehung seien solche Belegungen nicht festgestellt worden. Die Klägerin hätte näher darlegen müssen, wann und zu welcher Zeit tatsächlich werktäglich Unterrichtsvorbereitungen oder Besprechungen der Lehrer stattfänden. Auch die Nachhilfe bzw. Hausaufgabenhilfe durch Studenten sei nicht näher belegt worden. Die Klägerin hätte einen gewissen zeitlichen Rahmen und ein gewisses Ausmaß darlegen müssen. Sie habe unstreitig nicht sämtliche Räume täglich zu reinigen, hätte entsprechend darlegen müssen, inwiefern die von ihr zu reinigenden Räume belegt würden.

Es könne offenbleiben, wie die Vorbemerkungen des TVöD-NRW auszulegen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 126 – 142 d. A. Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 18. Oktober 2018 zugestellte Urteil am 9. November 2018 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Januar 2019 am 17. Januar 2019 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend begründet.

Sie rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auf Arbeitsvorgänge abzustellen. Wegen ihres diesbezüglichen Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 16. Januar 2019 (Bl. 185 – 188 d. A.) verwiesen.

Im Übrigen könne diese Frage offen bleiben, da ihre Reinigungstätigkeit zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit zusammen- zufassen sei. Es bestehe das einheitliche Arbeitsziel, die Sauberkeit der Schule unter geringstmöglicher Störung aller Abläufe und Wahrung der Sicherheit zu gewährleisten. Ihre Tätigkeit könne nicht weiter aufgespalten werden. Der Schulbetrieb und die Ganztagsbetreuung bildeten eine Einheit.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei es für die Eingruppierung der Klägerin in EG 2 TVöD-NRW ausreichend, dass sie Reinigungsarbeiten während des laufenden Betriebs der Einrichtung durchführe. Darüber hinausgehende weitere besondere Anforderungen seien nicht zu stellen.

Die von den Tarifvertragsparteien gewählte Formulierung “Reinigung … mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung” bedeute nichts anderes, als dass das Reinigen im laufenden Betrieb bereits eine besondere Anforderung gegenüber dem Reinigen ohne laufenden Betrieb darstelle. Mit der Verwendung des Wortes “durch” werde eine Verknüpfung zwischen den Begriffen “besondere Anforderungen” und “laufender Betrieb” hergestellt. Der laufende Betrieb stelle die besondere Anforderung dar.

Hätten die Tarifvertragsparteien dagegen gewollt, dass über den laufenden Betrieb hinausgehend besondere Anforderungen an die Reinigungstätigkeit gestellt werden müssten, hätten sie dies auch konkret formulieren müssen.

Die EG 2 TVöD-NRW enthalte einen Ausschließlichkeitskatalog. Nur die konkret genannten Tätigkeiten führten zu einer entsprechenden Eingruppierung. Ein Ausschließlichkeitskatalog sei die konkreteste Art der Eingruppierungsregelung, die weitestgehend ohne unbestimmte Rechtsbegriffe auskomme. So seien die maßgeblichen Tätigkeiten in EG 2 Nr. 1 bis 5 TVöD-NRW durch schlichte Aufzählung konkretisiert worden. In der Aufzählung seien keine unbestimmten Begrifflichkeiten zu finden, die für die Zuordnung der Tätigkeit erst definiert werden müssten. Das Auslegungsergebnis des Arbeitsgerichts passe nicht in Struktur und Systematik des Ausschließlichkeitskatalogs.

Selbst wenn der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts gefolgt werde, seien besonderen Anforderungen gegeben. Es habe fehlerhaft ihre Reinigungstätigkeit in Tätigkeiten in der Xschule und Tätigkeiten in der offenen Ganztagsschule aufgespalten, um so zu dem Ergebnis zu gelangen, das Reinigen der Betreuungsräume finde nicht im laufenden Betrieb statt. Die Xschule sei eine OGS.

Der Bereich, in dem die Schülerinnen und Schüler außerhalb der Unterrichtszeit betreut würden, befinde sich unstreitig im Erdgeschoss in der Schule. Die Schule sei immer geöffnet und damit im laufenden Betrieb, wenn der nachmittägliche Betreuungsbereich geöffnet sei.

Lehrer bereiteten sich regelmäßig außerhalb der Unterrichtszeit im Schulgebäude auf den Unterricht vor. In der Schule seien 16 Lehrer beschäftigt.

Bis etwa zu Beginn des Rechtsstreits erster Instanz habe das Team der Nachmittagsbetreuung regelmäßig Unterrichtsräume in allen Etagen der Schule genutzt.

Das Ende der Betreuungszeit am Nachmittag könne nicht mit dem Ende des Schulbetriebes gleichgesetzt werden. Raumnutzungen fänden regelmäßig auch außerhalb der Regelöffnungszeiten der Ganztagsbetreuung statt. In einer dreizügigen Grundschule fänden in erheblichem Maße schulische Veranstaltungen wie Elternpflegschaftsversammlungen und Ähnliches statt. Das bedeute, dass naturgemäß auch die Flure und Toiletten genutzt würden.

Dass sie den Betreuungsbereich reinige, wenn der Betrieb dort beendet sei, sei selbstverständlich, schließe jedoch eine Reinigung im laufenden Betrieb der Einrichtung nicht aus.

Wenn das Arbeitsgericht darauf hinweise, sie habe eingeräumt, keine belegten Räume reinigen zu müssen, so vermittle sich der Eindruck, das Gericht habe angenommen, ein Reinigen im laufenden Betrieb liege nur dann vor, wenn das Personal sozusagen um die Füße der Gebäudenutzer herumputzen müsse. Das sei jedoch nicht der Fall.

Der laufende Betrieb führe dazu, dass Raumnutzungen stets berücksichtigt werden müssten, eine herausragende Anforderung, weil stets zwei Belange gleichzeitig zu berücksichtigen seien, nämlich die Sauberkeit des Gebäudes einerseits und die geringstmögliche Störung der Nutzer andererseits. Raumbelegungen müssten auch bei der Entscheidung berücksichtigt werden, welche Flure und Toilettenanlagen zunächst zurückgestellt werden müssten.

Die Reinigung im laufenden Betrieb bringe es weiter mit sich, dass sie immer wieder vom Publikum oder Mitarbeitern der Schule angesprochen werde. Sie müsse Besucher und Nutzer der Schule höflich und achtsam behandeln und auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nehmen. Im laufenden Betrieb der Schule seien praktisch täglich nicht beaufsichtigte Kinder im Schulgebäude anzutreffen. Auf ihre Belange müsse sie in besonderem Maße achten.

Die Klägerin beantragt unter Berufungsrücknahme im Übrigen,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 20.09.2018 – 7 Ca 1059/18 – festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 1. Januar 2017 Entgelt aus der Entgeltgruppe 2 des Anhangs zu Teil A § 11 a – Eingruppierungsverzeichnung zum TVöD-NRW und der Entgeltgruppe 1 der Anlage 1 Entgeltordnung (VKA) A. I. für die Monate Januar 2017 bis einschließlich April 2018 ab Rechtshängigkeit (ab 26.05.2018) und ab Mai 2018 ab jeweiliger Fälligkeit gemäß § 24 Abs. 1 TVöV- VKA mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Vorbemerkung Nr. 1 zum Eingruppierungsverzeichnis TVöD-NRW maßgeblich. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten wird auf ihren Schriftsatz vom 15. März 2019 (Bl. 211 – 217 d. A.) verwiesen. Die Tätigkeit der Klägerin entspreche nicht mindestens zur Hälfte den Tätigkeitsmerkmalen der EG 2 TVöD-NRW.

Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass ihre Tätigkeit tatsächlich mit besonderen Anforderungen verbunden sein müsse und es nicht ausreiche, dass sie während des laufenden Betriebs reinige. Durch die Verwendung des Wortes “durch” werde klargestellt, dass sich die besonderen Anforderungen aus dem laufenden Betrieb ergeben müssten. Ver.di habe ursprünglich vorgeschlagen zu formulieren:

1. Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden

Ergänzung:

“…in Zeiten des Publikumsverkehrs, der Öffnungszeiten, der Bürozeiten, auf selbstfahrenen Reinigungsmaschinen.

Insoweit verweise sie auf den von ver.di mit E-Mail vom 22. März 2016 vorgelegten Textvorschlag (Bl. 218 – 221 d. A.).

Mit diesem Vorschlag habe sich ver.di sich nicht durchgesetzt, da am Ende die besonderen Anforderungen vorgeschaltet worden seien. Zum Abschluss habe der Konsens bestanden, dass es nicht ausreiche, nur während der Öffnungszeiten zu reinigen.

Die Auffassung der Klägerin, die Tarifvertragsparteien hätten in der EG 2 TVöD-NRW weitestgehend auf unbestimmte Rechtsbegriffe verzichten wollen, sei unzutreffend. Es werde mehrfach der Rechtsbegriff “einfach” genannt.

Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz neue Tatsachen vortragen, werde der Vortrag als verspätet gerügt.

Sie erfülle entsprechend der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichtes nicht die Eingruppierungsvoraussetzung der “besonderen Anforderungen”. Bei einer Wochenarbeitszeit von 23,48 Stunden reinige sie in weniger als 50 % ihrer Arbeitszeit während der Öffnungszeiten der Schule, in denen eine Nutzung stattfinde. Sie habe bereits erstinstanzlich klargestellt, dass die Klägerin in ihrem Revier zunächst Räume und Flure reinige, die nicht mehr genutzt würden, und später in den zunächst frequentierten Bereich wechsle, wenn die Nutzung beendet sei. Insoweit sei gar kein Kontakt mit dem laufenden Betrieb der Einrichtung gegeben.

Eine besondere Anforderung ergebe sich nicht allein daraus, dass sich die Klägerin merken müsse, welcher Raum schon gereinigt sei und welcher Raum noch gereinigt werden müsse. Eine besondere Organisation sei insoweit nicht erforderlich.

Entgegen ihrer Auffassung sei sie nicht für das Aufschließen von Räumen, die Herausgabe von Fundsachen oder Auskünfte zu schulischen Belangen zuständig.

Die schulischen Veranstaltungen außerhalb der Öffnungszeiten des Gebäudes würden vom Hausmeister betreut. Er organisiere in Ansehung der Veranstaltungen die Durchführung der Reinigung. Er schließe das Schulgebäude regelmäßig zwischen 16.30 Uhr und 17.00 Uhr ab.

Die Nutzung von Unterrichtsräumen durch das Team der Nachmittagsbetreuung sei in der Vergangenheit einmal wöchentlich nach 15.00 Uhr bis maximal 17.00 Uhr erfolgt. Inzwischen sei den Nutzern mitgeteilt worden, dass die Nutzung bis maximal 16.00 Uhr stattfinden könne und die Reinigung nicht beeinträchtigt werden dürfe.

Besondere Anforderungen ergäben sich auch nicht aus dem Reinigungsvorgang selbst.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Gründe

A.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist begründet.

I. Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, wie das erstinstanzliche Gericht zu Recht festgestellt hat.

1. Es handelt sich bei der Klage auf Feststellung des Anspruchs auf Vergütung aus der EG 2 TVöD-NRW um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen, wenn durch die Entscheidung Rechtsfrieden geschaffen wird und die Parteien – wie hier – nicht über weitere Faktoren streiten, die die Vergütungshöhe bestimmen (BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16 – Rn. 14, BAGE 162, 81; 27. August 2014 – 4 AZR 518/12 – Rn. 15, ZTR 2015, 219; 17. Oktober 2007 – 4 AZR 1005/06 – Rn. 15, BAGE 124, 240; 11. Juni 1997 – 10 AZR 613/96 – Rn. 31, ZTR 1997, 512).

Auch die Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die nachzuzahlenden Differenzbeträge ab Rechtshängigkeit bzw. ab Fälligkeit zu verzinsen, ist zulässig. Selbst wenn die Parteien über den Zinsanspruch nicht streiten, dient die Feststellung der Klarstellung, ab wann und in welcher Höhe eine Verzinsung von nachzuzahlenden Vergütungsdifferenzen zu erfolgen hat. Das ist wegen der Frage des Vorliegens von Schuldnerverzug auf Seiten der Beklagten nicht unproblematisch. Die Feststellung dient der Klärung der Frage in prozessökonomischer Weise (BAG 28.02.2018 aaO. Rn. 14; 11. Juni 1997 aaO. Rn. 33).

II. Die Klage ist begründet.

1. Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung aus der EG 2 Nr. 1 1. Alternative TVöD-NRW.

a. Die Eingruppierungsvorschriften des TVöD-NRW sind auf das Arbeitsverhältnis kraft Tarifbindung der Parteien und arbeitsvertraglicher Verweisung in § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags vom 20. April 2011 anwendbar. Es gelten weiter der TVöD-VKA und der TVÜ-VKA.

b. Die Klägerin hat den Anspruch auf Höhergruppierung aus der EG 1 der Entgeltordnung zum TVöD-VKA in die EG 2 TVöD-NRW mit Schreiben vom 6. Oktober 2017 fristgerecht gemäß § 29 b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA mit Rückwirkung zum 1. Januar 2017 geltend gemacht. Die Vorschrift ist gemäß § 11 a Satz 3 TVöD-NRW auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.

Die in § 29 b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA geregelte Ausschlussfrist geht der in § 37 Abs. 1 TVöD-VKA geregelten Ausschlussfrist jedenfalls hinsichtlich des Wechsels in das neue Tarifsystem als speziellere Regelung vor (offen gelassen BAG 28.02.2018 aaO. Rn. 48; Breier/Dassau/Faber/Hoffmann, TVöD, Entgeltordnung VKA, § 29 b TVÜ-VKA Rn. 12).

c. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der EG 2 Nr. 1 TVöD-NRW. Sie ist Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung in Zeiten des Publikumsverkehrs.

aa. Es kann dahinstehen, ob die Eingruppierung unter Bildung von Arbeitsvorgängen entsprechend § 12 Abs. 2 TVöD-VKA oder ohne Bildung von Arbeitsvorgängen tätigkeitsbezogen zu erfolgen hat.

(1) Bei Anwendung des § 12 Abs. 2 TVöD-VKA ist die Klägerin in die Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.

Hiernach ist Bezugsobjekt der tariflichen Bewertung der Arbeitsvorgang. Für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis maßgebend. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist. Zur Tätigkeit rechnen dabei auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben des Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger “Atomisierung” der Arbeitseinheiten nicht getrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind.

Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge außer Betracht. Erst nachdem der Arbeitsvorgang bestimmt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Tarifvertragsparteien verschiedene Beispiele für schwierige Tätigkeiten angeführt haben. Damit haben sie die Bewertung von Einzeltätigkeiten festgelegt, nicht aber die Bestimmung von Arbeitsvorgängen vorgegeben, die gerade nicht nach der Wertigkeit der Einzeltätigkeiten, sondern vielmehr ohne Rücksicht auf diese vorzunehmen ist. An der früher vertretenen Auffassung, tatsächlich trennbare tariflich verschieden zu bewertende Tätigkeiten könnten nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden, hält das Bundesarbeitsgericht seit längerem nicht mehr fest. Es kommt für die tarifliche Bewertung nicht darauf an, ob und inwieweit Einzelaufgaben verwaltungstechnisch verschiedenen Beschäftigten zugewiesen werden könnten, solange sie im Zusammenhang als eine einheitliche Arbeitsaufgabe tatsächlich einer Person übertragen sind. Stellt die Eingruppierungsvorschrift auf qualifizierte Merkmale wie beispielsweise das Merkmal der “schwierigen Tätigkeiten” ab, so ist dieses im Umfang von mindestens der Hälfte erfüllt, wenn Arbeitsvorgänge, die mindestens die Hälfte der gesamten Arbeitszeit der Person in Anspruch nehmen, schwierige Tätigkeiten enthalten. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die für die Höherwertigkeit maßgebenden Einzeltätigkeiten innerhalb des Arbeitsvorgangs zeitlich überwiegend anfallen. Vielmehr genügt es, dass die Anforderungen in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde (BAG 28. Februar 2018 aaO. Rn. 22 – 25, 38).

Die Tätigkeit einer Reinigungskraft stellt danach einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Die Einzeltätigkeiten des Reinigungsvorgangs, die einzelnen Arbeitsschritte können gerade nicht von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt werden. Alle Arbeitsschritte dienen dem einzigen Arbeitsergebnis der Reinigung der schuleigenen Räumlichkeiten. Dabei ist es unerheblich, wann der Schulbetrieb endet, wann die Ganztagsbetreuung beginnt und endet. Die Reinigungstätigkeit kann auch nicht organisatorisch nach Reinigung des Obergeschosses und des Erdgeschosses getrennt werden. Tatsächlich hat die Klägerin das ihr zugewiesene Objekt in mehreren Arbeitsschritten in einen sauberen Zustand zu versetzen. Der so bestimmte Arbeitsvorgang macht 100 % ihrer Tätigkeit aus.

Für die Bewertung dieses maßgeblichen Arbeitsvorgangs reicht es aus, dass die Tarifmerkmale in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß erfüllt sind, dass ohne die Erfüllung der in den tariflichen Merkmalen gestellten Anforderungen ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt wird. Es ist gerade nicht erforderlich, dass die für die Höherwertigkeit maßgebenden Einzeltätigkeiten innerhalb des Arbeitsvorgangs zeitlich überwiegend anfallen, wobei dahinstehen kann, ob das rechtserhebliche Ausmaß überhaupt quantitativ bestimmt werden kann. (BAG 28. Februar 2018 aaO. Rn. 38).

(2) Nichts anderes ergibt sich, wenn die Eingruppierung entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten tätigkeitsbezogen vorgenommen wird, indem entsprechend dem Wortlaut der Vorbemerkung 1 zum Eingruppierungsverzeichnis TVöD-NRW darauf abgestellt wird, ob die Tätigkeitsmerkmale der begehrten Entgeltgruppe für die nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit mindestens zur Hälfte erfüllt sind, soweit nicht in einem anderen Tätigkeitsmerkmal ein abweichendes zeitliches Maß bestimmt ist.

Auch bei Abstellen auf die Tätigkeit der Klägerin ist im tariflichen Sinne von einer Gesamttätigkeit auszugehen. Die Tatsache, dass die Tarifvertragsparteien des TVöD-NRW nicht auf Arbeitsvorgänge abgestellt haben, steht der Zusammenfassung der Einzeltätigkeiten zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit oder mehreren jeweils eine Einheit bildenden Tätigkeiten für deren jeweils einheitliche tarifliche Bewertung nicht entgegen. Dafür gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs, lediglich die anzuwendenden Maßstäbe sind weniger streng (BAG 20. Mai 2009 – 4 AZR 315/08 – Rn. 22, NZA-RR 2010, 160; 28. Januar 2009 – 4 ABR 92/07 – Rn. 23, BAGE 129, 238; 7. August 2008 – 4 AZR 484/07 – Rn. 17, BAGE 127, 305; 11. Oktober 2006 – 4 AZR 534/05 – Rn. 23, ZTR 2007, 141).

So hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2009 die Tätigkeit von Mitarbeitern im Reinigungsservice eines Pflegeheims, die eine Sicht- und Unterhaltsreinigung der Räume nach vorgegebenen Reinigungsplänen unter Beachtung des Desinfektionsplans umfasste, zu einer Gesamttätigkeit zusammengefasst, zu der als Zusammenhangstätigkeiten auch die Meldung des Reinigungsmittelbedarfs und das Ausfüllen der Reinigungschecklisten sowie der während der Reinigungstätigkeit auftretende Kontakt zu Bewohnern des Pflegeheims gehören (BAG 28. Januar 2009 aaO. Rn. 24).

Auch die Tätigkeiten eines Straßenreinigers können zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit zusammengefasst werden, die in der Leerung von städtischen Papierkörben z.B. an Bushaltestellen einschließlich der Anfahrt und der Ablieferung des Abfalls besteht (BAG 11. Oktober 2006 aaO. Rn. 23).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Reinigungstätigkeit der Klägerin als Gesamttätigkeit anzusehen, bei der es – wie bei einem einheitlichen Arbeitsvorgang – ausreicht, dass das Tätigkeitsmerkmal der Gebäudereinigung mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung in nicht unerheblichem Maße erfüllt ist. Es kommt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, dass mindestens die Hälfte der Reinigungstätigkeit das Merkmal erfüllt.

(1) Die Klägerin arbeitet innerhalb ihrer Schichtzeiten von montags bis freitags von 15.00 Uhr bis 20.05 Uhr, innerhalb der Zeit von montags bis donnerstags von 15.00 Uhr bis 16.30 Uhr und am Freitag von 15.00 Uhr bis 16.00 Uhr im laufenden Betrieb der Schule. Mit sieben von unstreitig 23,48 Wochenstunden verrichtet sie ihre Arbeit in einem ausreichend gewichtigem Umfang unter den in der Entgeltgruppe 2 Nr. 1 1. Fall TVöD-NRW beschriebenen Bedingungen. Das Bundesarbeitsgericht hat ein rechtserhebliches Maß bei 11,54 % des Gesamtarbeitsvorgangs bzw. der Gesamttätigkeit gesehen (BAG 28.02.2018 aaO. Rnr. 41).

(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht zu fordern, dass die Reinigung im laufenden Betrieb der Einrichtung mit besonderen zusätzlichen Anforderungen verbunden ist. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehend. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28. Januar 2009 aaO. Rn. 26).

(a) Die EG 2 TVöD-NRW enthält anders als die EG 1 des Eingruppierungsverzeichnisses zum TVöD-NRW, die deklaratorisch aus der Entgeltordnung zum TVöD-VKA übernommen wurde, keine Tätigkeitsbeispiele, sondern ausweislich der Überschrift einen Ausschließlichkeitskatalog für ungelernte Beschäftigte.

(b) Nach Nr. 1 1. Alternative der Tarifnorm sind in die EG 2 ungelernte Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb eingruppiert. Unter Betrieb einer Einrichtung ist das Betreiben der Einrichtung, sind Geschäftstätigkeit, lebhaftes Treiben, reger Verkehr zu verstehen (Duden Wörterbuch “Betrieb”). Ein Betrieb läuft, wenn er gerade abläuft, gegenwärtig ist (Duden Wörterbuch “laufend”). Die “besonderen Anforderungen” und der “laufende Betrieb der Einrichtung” sind sprachlich durch die Präposition “durch” verbunden. Damit wird gekennzeichnet, dass die “besonderen Anforderungen” durch den “laufenden Betrieb” verursacht werden, aufgrund, infolge des laufenden Betriebs entstehen.

Der Wortlaut lässt auf den ersten Blick das von der Beklagten vertretene Verständnis zu, dass der laufende Betrieb nicht schon an sich die besonderen Anforderungen begründet, sondern darüber hinaus noch Erschwerungen hinzukommen müssen. Nach Auffassung der Kammer zeigt aber der Klammerzusatz als Erläuterung der besonderen Anforderungen, dass die Tarifvertragsparteien diese bereits dann gesehen, wenn die Arbeit in Zeiten des Publikumsverkehrs und/oder der Öffnungszeiten, Bürozeiten verrichtet wird, ohne dass die Tätigkeit unter noch darüber hinausgehenden Erschwernissen, Belastungen verrichtet werden muss. Publikumsverkehr, die Anwesenheit von Mitarbeitern und Kunden bedeuten schon an sich, dass die Arbeiten nicht durchgehend systematisch, plangerecht durchgeführt werden können, sondern flexibel reagiert werden muss, im Fall der Klägerin z.B. von Lehrern, Eltern und/oder Schülern besetzte Räumlichkeiten zunächst hintenangestellt werden müssen. Im laufenden Betrieb ist auch damit zu rechnen, dass die Reinigungskraft vom Publikum, von Mitarbeitern und Kunden angesprochen wird, mag sie auch für die Beantwortung von Fragen nicht zuständig sein. Auch daraus ergeben sich Störungen.

Für das Verständnis der Kammer spricht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits die EG 1 der Entgeltordnung zum TVöD-VKA dahin zu verstehen ist, dass sie auch Reinigungsarbeiten in Gebäuden erfasst, obwohl diese in den tariflichen Beispielen nicht aufgeführt sind, soweit es sich um einfachste Tätigkeiten handelt (BAG 28. Januar 2009 aaO. Rn. 21, 35). Entsprechend wird die Klägerin gegenwärtig tatsächlich aus der EG 1 der Entgeltordnung zum TVöD-VKA vergütet.

Einfachste Tätigkeiten sind nach dieser Entscheidung jedoch unter anderem nicht mehr gegeben, wenn es im Einzelfall zur Durchführung der übertragenen Tätigkeit – hier der Reinigung des Schulgebäudes – regelmäßig einer Abstimmung mit anderen Personen wie Beschäftigten und Kunden bedarf. Die erforderliche Absprache kann nach dieser Entscheidung bei der Gesamtbeurteilung ein Aspekt sein, der gegen eine gleichförmige und gleichartige Tätigkeit spricht, weshalb im Ergebnis eine einfachste Tätigkeit ausgeschlossen sein könnte (BAG 28. Januar 2009 aaO. Rn. 50). Diesem Aspekt haben die Tarifvertragsparteien des TVöD-NRW ersichtlich durch die ab dem 1. Januar 2017 gültige Regelung in der EG 2 Nr. 1 1. Alternative TVöD-NRW Rechnung tragen wollen. Wie sich aus der Begründung des Textentwurfes zu der EG 2 Nr. 1 TVöD-NRW ergibt, den ver.di am 22. März 2016 dem Vertreter des KAV Slawik übermittelt hat, sollte mit der vorgeschlagenen Formulierung “Beschäftigte für die Reinigung von Gebäuden in Zeiten des Publikumsverkehrs, der Öffnungszeiten, der Bürozeiten, auf selbstfahrenden Reinigungsmaschinen” eine Abgrenzung zu den einfachsten Tätigkeiten der EG 1 TVöD-VKA geschaffen werden. Die von ver.di vorgeschlagene Formulierung ist zwar nicht wortgleich in die endgültige Fassung übernommen worden, ohne dass sich allerdings dem Parteivorbringen entnehmen lässt, dass sich die Tarifvertragsparteien einig wurden, dass die Erschwernisse des Publikumsverkehrs etc. an sich nicht ausreichen, die Eingruppierung in die EG 2 TVöD-NRW zu begründen. Die Beklagte hat lediglich auf einen entsprechenden Konsens verwiesen, ohne darzulegen, dass sich die Tarifvertragsparteien ausdrücklich dahin verständigt haben, dass über die Erschwernisse des laufenden Betriebs hinaus noch weitere besondere Einschränkungen, Unzuträglichkeiten gegeben sein müssen.

Aus den Erläuterungen von ver.di zu dem Entgeltverzeichnis des TVöD-NRW (Bl. 18 ff. d. A.) ergibt sich vielmehr, dass nach gewerkschaftlichem Verständnis mit dem Tätigkeitsmerkmal in der EG 2 “Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung” eine Heraushebung aus der EG 1 verbunden ist, die den geänderten Arbeitsbedingungen Rechnung tragen soll, da in vielen Bereichen (in Verwaltungsgebäuden/(Ganztags-)Schulen) die Reinigung nicht mehr im Zustand geschlossener Gebäude erfolgt, sondern sie in Zeiten des Publikumsverkehrs oder in Zeiten zu verrichten ist, in denen die Büros durch Beschäftigte belegt sind.

Das Tarifverständnis der Beklagten führt dazu, dass grundsätzlich Reinigungsarbeiten im laufenden Betrieb, in Zeiten des Publikumsverkehrs, während der Öffnungszeiten, der Bürozeiten der EG 1 TVöD-VKA zuzuordnen wären, es sei denn, es träten über die Beeinträchtigungen durch den laufenden Betrieb hinausgehende Anforderungen auf.

Bei der Tarifauslegung ist auch zu prüfen, ob das gefundene Auslegungsergebnis zu einer sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung führt. Wie der vorliegende Fall zeigt, erforderte ein Verständnis der Tarifnorm dahin, dass gesteigerte Anforderungen an die Tätigkeit während des laufenden Betriebs zu stellen sind, eine aufwendige Prüfung des Einzelfalls. Es wäre stets zu prüfen, ob die konkrete Reinigung eines Objektes bei laufendem Betrieb zu besonderen Erschwernissen führt, die über die üblichen Störungen durch Mitarbeiter, Kunden, Publikum hinausgehen. Soweit Kommunen noch eigene Reinigungskräfte beschäftigen, sind diese jedenfalls in größeren Kommunen in großer Zahl angestellt und in vielen unterschiedlichen Objekten eingesetzt, in denen sich die Reinigungsbedingungen häufig ändern können. Das gilt namentlich für die Reinigung von Schulen. Im Ergebnis wären eine genaue Dokumentation der Arbeitsbedingungen und eine ständige Überprüfung der Eingruppierung geboten. Werden die besonderen Anforderungen dagegen schon bei Reinigung im laufenden Betrieb bejaht, ist eine Feststellung der Eingruppierungsvoraussetzungen ungleich einfacher zu handhaben. Zeiten des Publikumsverkehrs, Öffnungszeiten und Bürozeiten sind verlässlich feststellbar, nicht ständigen Änderungen unterworfen.

2. Der Feststellungsantrag ist auch bezüglich der begehrten Verzinsung der Bruttodifferenzbeträge begründet.

Für die Monate Januar 2017 bis April 2018 folgt der Anspruch aus §§ 291, 288 Abs. 1, 247 BGB ( dazu BAG 11. Juni 1997 – 10 AZR 613/96 – Rn. 64, ZTR 1997, 512; Groeger/Schlewing, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 2. Aufl., Teil 7 – Rn. 280), für die Monate ab Mai 2018 aus §§ 291 Satz 1 2. Hs., 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 24 Abs. 1 TVöD-VKA, §§ 288 Abs. 1, 247 BGB).

B. Die Kosten des Rechtsstreits waren der Beklagten aufzuerlegen. Soweit die Klägerin ihre Berufung im Hinblick auf den Verzinsungszeitpunkt teilweise gemäß § 516 Abs. 1 ZPO zurückgenommen hat, waren ihr trotz der Regelung in § 516 Abs. 3 ZPO die Kosten nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 ZPO nicht anteilig aufzuerlegen. Die anfängliche Zuvielforderung hat keine höheren Kosten veranlasst und wirkt sich deshalb in der Kostenentscheidung nicht zugunsten der Beklagten aus.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung der Tätigkeitsmerkmale der EG 2 Nr. 1 1. Alternative TVöD-NRW für die Beklagte zuzulassen.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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