LAG Hessen, 22.07.2015 – 1 Ta 212/15 Ein bedingter Weiterbeschäftigungsanspruch führt nur zu einem Vergleichsmehrwert, wenn gemäß § 45 Abs. 1 S. 2GKG i.V.m. § 45 Abs. 4 GKG eine Entscheidung über ihn ergeht.

April 22, 2019

LAG Hessen, 22.07.2015 – 1 Ta 212/15
Ein bedingter Weiterbeschäftigungsanspruch führt nur zu einem Vergleichsmehrwert, wenn gemäß § 45 Abs. 1 S. 2GKG i.V.m. § 45 Abs. 4 GKG eine Entscheidung über ihn ergeht.

Deshalb ist ein bedingt gestellter Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zu bewerten, wenn über ihn weder entschieden noch diesbezüglich im Vergleich eine Regelung getroffen worden ist. Die bloße Tatsache, dass ein Prozessvergleich abgeschlossen worden ist, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Tag zum Gegenstand hat und im Übrigen der Rechtsstreit erledigt ist, ohne dass explizit irgendeine Regelung bezüglich der Frage der Weiterbeschäftigung getroffen worden ist, reicht nicht aus, um eine inhaltliche Regelung im vorstehenden Sinne anzunehmen.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägervertreterin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 2015 – 4 Ca 6944/14 – aufgehoben.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG wird für das Verfahren auf € 14.936,81 und für den Vergleich auf € 17.318,08 festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Klägervertreterin hat die hälftige Beschwerdegebühr zu tragen.
Gründe

I.

Die Beschwerde der Klägervertreterin hat nur zum Teil Erfolg.

Mit der Klage hat sich der Kläger zunächst gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. September 2014 und gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 2. Oktober 2014 gewandt, verbunden mit einem bedingten Weiterbeschäftigungsantrag (für den Fall des Obsiegens der Kündigungsschutzklage) und einem Antrag auf Entfernung der Abmahnungen vom 10. Februar 2014, 26. Juni 2014 und vom 1. Juli 2014 aus der Personalakte. Die Monatsbruttovergütung des Klägers bei der Beklagten hatte € 2.381,23 betragen.

Im Termin vom 11. November 2014 schlossen die Parteien einen Vergleich mit dem sich aus Bl. 34 d.A. ergebenden Inhalt. Auf Antrag der Klägervertreterin setzte das Arbeitsgericht – nach vorheriger Anhörung des Klägers und seiner Prozessbevollmächtigten – den Gegenstandswert für das Verfahren auf € 9.524,92 und den Vergleich auf € 11.906,15 durch Beschluss vom 3. März 2015 fest (Bl. 48 d.A.). Gegen diesen, ihr am 9. März 2015 zugestellten Beschluss hat die Klägervertreterin mit einem am 25. März 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 53 d.A.) Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 14. April 2015 (Bl. 54 d.A.) nicht abgeholfen hat. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 15. Juli 2015 (Bl. 60 f. d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Klägervertreterin ist nur teilweise begründet. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren ist auf € 14.936,81 festzusetzen.

Hierbei sind – anders als die Klägervertreterin meint – für die beiden Kündigungen keine 6 Gehälter in Ansatz zu bringen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts zu Folgekündigungen erhöht sich der Verfahrenswert durch die weiteren angegriffenen Kündigungen nur um € 649,43.

Der Gegenstandswert bemisst sich bei mehreren Kündigungen nach folgenden Grundsätzen: Für eine angegriffene Folgekündigung, die zu keiner Veränderung des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses führt, erfolgt keine Erhöhung des Gegenstandswertes. Führt die weitere Kündigung zu einer Veränderung des Beendigungszeitpunktes, errechnet sich der Wert für jede Folgekündigung aus der Entgeltdifferenz zwischen den verschiedenen Beendigungszeitpunkten, maximal jedoch in Höhe der Vergütung für ein Vierteljahr für jede Folgekündigung. Die erste Kündigung – bewertet nach den vorstehenden Grundsätzen – ist stets die mit dem frühesten Beendigungszeitpunkt, auch wenn sie später ausgesprochen und später angegriffen wird. Insoweit folgt die Beschwerdekammer dem von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalog, an dem sie sich im Interesse einer möglichst einheitlichen Wertrechtsprechung in arbeitsgerichtlichen Verfahren nunmehr orientiert (dort I. Nr. 20.3; der Streitwertkatalog 2014 ist veröffentlicht auf der Internetseite des Hessischen Landesarbeitsgerichts unter Service/Wertfestsetzung und abgedruckt in NZA 2014, 745 ff., vgl. Hess. LAG vom 1. August 2014 – 1 Ta 139/14). Dabei verkennt die Beschwerdekammer nicht, dass der von der Streitwertkommission erarbeitete Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist. Sie orientiert ihre Rechtsprechung jedoch im Interesse einer möglichst einheitlichen Gestaltung der Streitwertbemessung für bestimmte, typische Fallkonstellationen an diesem Katalog (vgl. auch LAG Nürnberg vom 12. Dezember 2013 – 4 Ta 133/13, BeckRS 2014, 03679 und vom 21. Juni 2013 – 7 Ta 41/13, BeckRS 2013, 7121; LAG Sachsen vom 28. Oktober 2013 – 4 Ta 172/13, BeckRS 2014, 67070).

Unter Beachtung dieser Grundsätze zur Bewertung von Folgekündigungen bemisst sich der Wert der Kündigungsschutzklage für die beiden ausgesprochenen Kündigungen auf € 7.793,12 (drei Gehälter zuzüglich der Vergütungsdifferenz aufgrund Veränderung des Beendigungszeitpunktes zwischen der außerordentlichen Kündigung vom 24. September 2014 bis zum 2. Oktober 2014) (vgl. Hess. LAG vom 1. August 2014 – 1 Ta 139/14, ).

Hinzu kommt ein Betrag von € 7.149,90 aufgrund der Klage gegen die drei benannten Abmahnungen.

Die Bewertung eines Antrags auf Widerruf, Rücknahme und oder Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte erfolgt nach §§ 48 GKG i.V.m. 3 ZPO. Nach der vom Beschwerdegericht vertretenen Rechtsauffassung bemisst sich der Wert einer Klage auf Entfernung einer Abmahnung unabhängig von der Anzahl und Art der Vorwürfe auf ein Bruttomonatsgehalt. Greift ein Kläger in einem Verfahren mehrere Abmahnungen an, werden diese grundsätzlich mit maximal dem Vierteljahresentgelt bewertet. Die Deckelung nach oben folgt aus der Überlegung, dass der Gegenstandswert einer Klage auf Entfernung von Abmahnungen, die in der Regel einer verhaltensbedingten Kündigung vorausgehen müssen, wertmäßig das den Bestand des Arbeitsverhältnis in Frage stellende Kündigungsschutzverfahren nicht übersteigen soll. Auch insoweit folgt die Beschwerdekammer den Empfehlungen der Streitwertkommission zur Vereinheitlichung der Streitwerte in Arbeitsgerichtsverfahren zu dem in diesem Punkt nunmehr geänderten Streitwertkatalog 2014 (dort I. Nr. 2) (vgl. Hess. LAG vom 30. Juli 2014 – 1 Ta 23/14, ).

Folglich bemisst sich der Wert des Klageantrags zu 2) in Höhe des Vierteljahreseinkommens der Klägerin, dh. in Höhe von € 7.149,90, woraus sich ein Gesamtverfahrenswert von € 14.936,81 errechnet.

Der nur bedingt gestellte Weiterbeschäftigungsanspruch wirkt nicht werterhöhend.

Zwar wird der unbedingt gestellte Weiterbeschäftigungsanspruch wertmäßig in Höhe einer Bruttomonatsvergütung bemessen (vgl. Streitwertkatalog 2014, I. 24). Vorliegend wurde der Weiterbe schäftigungsantrag aber nur für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage, bedingt gestellt.

Gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG wird ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch nur zusammengerechnet, wenn eine Entscheidung über ihn ergeht. Nach § 45 Abs. 4 GKG sind die Absätze 1 bis 3 im Falle einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich entsprechend anzuwenden. Deshalb ist ein bedingt gestellter Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zu bewerten, wenn über ihn weder entschieden noch diesbezüglich im Vergleich eine Regelung getroffen worden ist (vgl. Hess. LAG vom 8. Oktober 2012 – 1 Ta 188/12, ). Wenn das Gesetz in § 45 Abs. 4 GKG von einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich und einer entsprechenden Anwendung von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG spricht, erfordert dies, dass im Vergleich – nur so ist auch die Parallele zu der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG gewahrt – eine inhaltliche Regelung speziell der Frage der Weiterbeschäftigung notwendig ist, an der es hier fehlt. Die bloße Tatsache, dass ein Prozessvergleich abgeschlossen worden ist, der zum Gegenstand hat, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Tag endet und damit der Rechtsstreit erledigt ist, ohne dass explizit irgendetwas bezüglich der Frage der Weiterbeschäftigung geregelt wird, kann nicht ausreichen, um eine inhaltliche Regelung im vorstehenden Sinne anzunehmen (vgl. Hess. LAG vom 8. Oktober 2012 a.a.O.).

In Bezug auf den Weiterbeschäftigungsanspruch haben die Parteien im Vergleich vom 11. November 2014 keine Regelung über eine Weiterbeschäftigung des Klägers nach Ablauf der Kündigungsfrist getroffen. Das Arbeitsverhältnis hat vielmehr mit Auslaufen der Kündigungsfrist bereits am 30. September 2014 geendet.

Aufgrund der Regelung in Ziffer 4 des Vergleichs vom 11. November 2014 zum Arbeitszeugnis erhöht sich der Gegenstandswert für den Vergleich um ein Bruttomonatsgehalt auf insgesamt € 17.318,08.

Ein Vergleichsmehrwert fällt nur an, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Dies gilt zum Beispiel, wenn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung eine Regelung zum Arbeitszeugnis mit inhaltlichen Festlegungen vereinbart wird. Dann ist dies mit dem Wert der Hauptsache, dh. von einem Bruttogehalt zu bewerten. Auch insoweit folgt die Beschwerdekammer dem Streitwertkatalog 2014 (dort I. Nr. 22.1)

Da es sich vorliegend um eine verhaltensbedingte Kündigung gehandelt hat, kommt der Zeugnisregelung mit inhaltlichen Festlegungen im Leistungs- und Führungsverhalten ein Mehrwert im Umfang eines Bruttogehalts zu (vgl. Hess. LAG vom 22. August 2014 – 1 Ta 457/14, ).

Da die Beschwerde nur zum Teil Erfolg hatte, hat der Klägervertreter als Beschwerdeführer die hälftige Beschwerdegebühr zu tragen (Nr. 8614 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Eine weitergehende Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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