LAG Hessen, 22.07.2015 – 1 Ta 248/15 Die Veränderung des Beendigungstermins nach Ausspruch einer Kündigung im Wege des Vergleichs führt zu keinem Vergleichsmehrwert gegenüber dem Gegenstandswert der Kündigung nach § 42 Abs. 2 GKG.

April 22, 2019

LAG Hessen, 22.07.2015 – 1 Ta 248/15
Die Veränderung des Beendigungstermins nach Ausspruch einer Kündigung im Wege des Vergleichs führt zu keinem Vergleichsmehrwert gegenüber dem Gegenstandswert der Kündigung nach § 42 Abs. 2 GKG.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägervertreter wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 2015 – 5 Ca 1002/15 – aufgehoben.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG wird für das Verfahren auf € 21.495,00 und für den Vergleich auf € 25.795,00 festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Klägervertreter haben die hälftige Beschwerdegebühr zu tragen.
Gründe

I.

Die Beschwerde der Klägervertreter hat nur zum Teil Erfolg.

Mit der Klage hat sich die Klägerin gegen die ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 6. Februar 2015 zum 31. März 2015 gewandt, verbunden mit einem allgemeinen Feststellungsantrag, einem bedingten Weiterbeschäftigungsantrag sowie einer Klage auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Das Bruttogehalt der Klägerin bei der Beklagten hatte zuletzt € 5.373,75 betragen. Außergerichtlich haben die Parteien Gespräche über der Klägerin noch zustehende Bonusansprüche geführt, wobei eine Pauschale hierfür in Höhe von € 4.000,00 erörtert wurde.

Mit Beschluss vom 17. März 2015 stellte das Gericht das Zustandekommen eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO fest, wobei für den Inhalt des Vergleichs auf Bl. 51 f. d.A. Bezug genommen wird.

Auf Antrag der Klägervertreter setzte das Arbeitsgericht – nach vorheriger Anhörung der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten – den Gegenstandswert für das Verfahren auf € 21.495,00 und für den Vergleich auf € 21.795,00 durch Beschluss vom 7. Mai 2015 fest (Bl. 66 d.A.), wobei hinsichtlich der Begründung und Zusammensetzung der Wertfestsetzung auf den angegriffenen B schluss verwiesen wird. Gegen diesen, ihnen am 11. Mai 2015 zugestellten Beschluss haben die Klägervertreter mit einem am 18. Mai 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 69-71 d.A.) Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 19. Mai 2015 (Bl. 76 d.A.) nicht abgeholfen hat. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift und im Schriftsatz vom 6. Juli 2015 (Bl. 81-86 d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Klägervertreter ist nur in Teilen begründet.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich – auf den sich die Beschwerde allein bezieht – ist auf € 25.795,00 festzusetzen.

Dabei bemisst sich der Vergleichsmehrwert wie folgt:

Ziffer 1 des Vergleichs wirkt nicht werterhöhend. Mit dieser Regelung haben die Parteien keine den Gegenstandswert nach § 42 Abs. 2 GKG übersteigende Vereinbarung getroffen, sondern lediglich festgelegt, dass die Kündigung nicht zu einer zunächst von der Beklagten angestrebten Beendigung am 31. März 2015, sondern erst zu einer Beendigung am 31. Juli 2015 führt.

Eine solche einvernehmliche Verschiebung des Beendigungstermins hat keinen Einfluss auf die Gegenstandswertermittlung. Unter Berücksichtigung des sozialen Zwecks von § 42 Abs. 2 GKG, Bestandsschutzstreitigkeiten für den Arbeitnehmer kostenmäßig besonders günstig zu gestalten, muss es bei dem Vierteljahreswert für die Beendigungsregelung bleiben, gleichgültig ob eine Beendigung zu den vom Arbeitgeber mit der Kündigung beabsichtigten Termin vereinbart wird, ob zur Erledigung des Kündigungsrechtsstreits eine unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. die Beendigung zu einem späteren als dem vom Arbeitgeber intendierten Termin vereinbart wird oder gar zu einem früheren Termin – gegebenenfalls mit einer entsprechenden Erhöhung der Abfindung (vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 11 September 2014 – 3 Ta 119/14, juris; LAG Köln vom 6. Januar 2014 – 11 Ta 344/13, juris Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 21. März 2011 – 1 Ta 259/10, juris). Für die Frage der Bemessung des Gebührenstreitwerts kommt es auch nicht darauf an, welche Leistungen sich die Parteien im Wege des gegenseitigen Nachgebens im Rahmen eines Vergleiches versprechen. Entscheidend ist vielmehr, welche Streitgegenstände durch den Vergleich bereinigt werden (vgl. LAG Schleswig-Holstein a.a.O. und LAG Köln a.a.O.).

Aus den vorstehenden Gründen erhöht sich der Vergleichswert auch nicht aufgrund der in Ziffer 6 des Vergleichs getroffenen Regelung, nach der die Klägerin den ihr überlassenen Firmenwagen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nutzen kann. Die Beschwerdeführer haben – trotz eines gerichtlichen Hinweises – nicht dargelegt, dass der Klägerin im bestehenden Arbeitsverhältnis der Firmenwagen nicht auch zur privaten Nutzung überlassen worden war. Mithin stellt die in Ziffer 6 getroffene Regelung nur die Umsetzung der Vertragslage dar und ihr kommt kein Mehrwert zu.

Der in Ziffer 8 vereinbarte Kauf des Druckers zum Wert von € 300,00 erhöht den Vergleichsmehrwert um diesen Betrag. Dies hat das Arbeitsgericht entsprechend berücksichtigt. Aufgrund des im Verfahren nach § 33 RVG geltenden Verschlechterungsverbot (Verbot der “reformatio in peius”; vgl. Hess. LAG vom 21. Januar 1999 – 15/6 Ta 630/98, NZA-RR 1999, 156; Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, Teil 1 A. Rn A 688) scheidet eine Wertminderung aus, so dass es insoweit auf die Einschätzung des Beschwerdegerichts nicht ankommt.

Die Regelung zur Abrechnung der Reisespesen in Ziffer 9 des Vergleichs kann mangels eines vollstreckungsfähigen Inhalts zu keiner Werterhöhung führen. Mit ihr wird im Hinblick auf die in Ziffer 14 enthaltene Ausgleichsklausel lediglich festgehalten, dass eventuell noch offene Reise- und andere Spesen der Klägerin noch erstattet werden sollen. Ob und in welcher Höhe der Klägerin insoweit Ansprüche zustehen, steht nicht fest. Mithin kann aus dieser Klausel die Erfüllung der selbigen nicht vollstreckt werden. Insoweit kann die Wertermittlung, die für die Aushändigung von Arbeitspapieren gilt, auch nicht entsprechend herangezogen werden.

Die Festlegung in Ziffer 5 des Vergleichs zum Inhalt des Arbeitszeugnisses wirkt ebenfalls nicht werterhöhend, da die Parteien bereits mit einem Klageantrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses gestritten haben (vgl. I. Nr. 25.3 Streitwertkatalog 2014, dieser ist veröffentlicht auf der Internetseite des Hessischen Landesarbeitsgerichts unter Service/Wertfestsetzung, abgedruckt in NZA 2014, 745 ff.). Die Beschwerdekammer verkennt nicht, dass der von der Streitwertkommission erarbeitete Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist. Sie orientiert ihre Rechtsprechung jedoch im Interesse einer möglichst einheitlichen Gestaltung der Streitwertbemessung für bestimmte, typische Fallkonstellationen an diesem Katalog (vgl. auch LAG Nürnberg vom 12. Dezember 2013 – 4 Ta 133/13, BeckRS 2014, 03679 und vom 21. Juni 2013 – 7 Ta 41/13, BeckRS 2013, 7121; LAG Sachsen vom 28. Oktober 2013 – 4 Ta 172/13, BeckRS 2014, 67070).

Ziffer 14 des Vergleichs erhöht den Vergleichsmehrwert um € 4.000,00, da durch die Ausgleichsklausel der außergerichtliche Streit um die Frage weiterer Bonusansprüche der Klägerin gegen die Beklagte miterledigt worden ist.

Nach der von der Beschwerdekammer vertretenen Auffassung, wird ein Vergleichsmehrwert bei unstreitigen und gewissen Ansprüchen, deren Durchsetzung jedoch ungewiss ist, für das Titulierungsinteresse mit 20% des Wertes des Anspruchs angenommen (siehe Streitwertkatalog 2014 I. Nr. 22.2). Haben die Parteien in einem Vergleich aber nicht nur unstreitige Ansprüche im Sinne einer Titulierungsregelung einbezogen, sondern festgehalten, dass streitige außergerichtliche Ansprüche in vollem Umfang mit der vergleichsweisen Regelung abgegolten sind und nicht mehr geltend gemacht werden können, müssen diese Ansprüche bei der Gegenstandswertbemessung für den Vergleich wertmäßig berücksichtigt werden (vgl. Hess. LAG vom 31. Januar 2014 – 1 Ta 275/13 n.v. und vom 31. Januar 2014 – 1 Ta 93/13, n.v.). Hierbei ist es nur gerechtfertigt, einen Abschlag vorzunehmen, wenn die Realisierung der Forderung zweifelhaft ist (vgl. Bader NZA-RR 2005, 346).

Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze ergibt sich aus der vorgelegten Korrespondenz, dass Bonusansprüche in einer Größenordnung von € 4.000,00 zwischen den Parteien noch im Streit standen. Diese sind mittelbaren durch die Ausgleichsklausel über Ziffer 14 des Vergleichs vom 17. März 2015 in die Vergleichsregelung eingeflossen. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen geschlossen werden kann, dass ihre Durchsetzbarkeit problematisch sein könnte. Es kann insoweit nicht auf die Erfolgsaussichten einer möglichen Zahlungsklage abgestellt werden. Bedenken hinsichtlich der Realisierbarkeit der Forderungen sind jedenfalls im Hinblick auf die wirtschaftliche Bonität der Beklagten nicht zu erkennen, so dass im Streitfall ein Abschlag nicht gerechtfertigt ist.

Eine weitergehende Erhöhung hat nicht zu erfolgen. Weder haben die Parteien über eine Sozialplanforderung außergerichtlich gestritten noch über eine Outplacementberatung. Dass die Beklagte für sich – wie sich der vorgelegten Korrespondenz entnehmen lässt – bestimmte Berechnungsfaktoren als wirtschaftlichen Rahmen für ihre Vergleichsbereitschaft gesetzt hat, führt nicht dazu, dass die dort aufgeführten Werte in den Vergleichswert miteinzufließen hätten. Letztlich folgt dies auch aus der Argumentation der Beschwerdeführer, dass anstelle einer Abfindungszahlung die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses, als die für die Klägerin interessantere Beendigungsvariante von den Parteien gewählt wurde. Dies hat entsprechend der oben stehenden Ausführungen wertmäßig keine Auswirkungen, sondern wird vom Gegenstandswert der Beendigungsregelung mitumfasst.

Da die Beschwerde nur zum Teil Erfolg hatte, haben die Klägervertreter als Beschwerdeführer die hälftige Beschwerdegebühr zu tragen (Nr. 8614 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Eine weitergehende Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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