Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 262/15

Juni 27, 2020

Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 262/15

Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.11.2014 – 2 Ca 482/14 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen des Arbeitsverhältnisses des Klägers.

Der 1964 geborene ledige Kläger ist seit Juni 1987 als Arbeiter und anschließend seit Januar 1989 als Angestellter bei dem beklagten Land in dem Polizeipräsidium C beschäftigt. Dort war er zuletzt bis Juni 2013 als Sachbearbeiter in der Personalverwaltung tätig und wurde sodann als Mitarbeiter in der Materialausgabe und Druckerei eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-L Anwendung. Der Kläger ist eingruppiert in der Entgeltgruppe 8, Stufe 6, und erzielte zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von 3.000,00 Euro. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist gemäß § 34 Abs. 2 TV-L nur noch aus wichtigem Grund kündbar.

Ab dem 28.11.2013 betrug der Grad der Behinderung bei dem Kläger 20. Unter dem 27.05.2015 teilte der Widerspruchsausschuss bei dem LWL-Integrationsamt Westfalen, Münster, den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass dieser keinen An- trag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen gemäß § 68 Abs. 2 SGB IX gestellt hat und dass damit feststeht, dass der Kläger nicht den besonderen Kündigungsschutz nach dem Sozialgesetzbuch IX in Anspruch nehmen kann. Mit weiterem Schreiben des Widerspruchsausschusses vom 12.06.2015 stellte dieser, nach dem der Kläger seinen Widerspruch zurückgenommen hatte, das Widerspruchsverfahren ein.

Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 26.08.2013 wurde der Kläger angeklagt, tateinheitlich pornografische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben, sonst zugänglich gemacht zu haben, es ferner unternommen zu haben, sich den Besitz von kinderpornografischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben bzw. kinderpornografische Schriften besessen zu haben, und schließlich es unternommen zu haben, sich den Besitz von pornografischen Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Personen im Alter von 14 bis 18 Jahren zum Gegen-stand haben, zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben bzw. solche jugendpornografischen Schriften besessen zu haben. Grundlage dieser dem Kläger zur Last gelegten strafbaren Vergehen war ein bei ihm auf privaten elektronischen Speichermedien gefundener, aus insgesamt 6.600 Bild- und Videodateien bestehender Gesamtdatenbestand eines Volumens von 25,1 Gigabyte. Der Anklage vorausgegangen waren Durchsuchungen sowohl der Privaträume des Klägers als auch seiner Büroräume im Polizeipräsidium C. Auf dem dienstlichen Computer des Klägers fanden sich keine belastenden Bild- oder Videodateien.Die Anklage war Grund der Versetzung des Klägers von der Personalverwaltung in die Materialausgabe und Druckerei im Juni 2013. Zu dieser Zeit war die Angelegenheit in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt und damit auch nicht bei allen Mitarbeitern des Polizeipräsidiums. Der Kläger selbst hatte sich in dem Ermittlungsverfahren nicht zur Sache eingelassen.

In der Strafverhandlung vor dem Amtsgericht Bochum am 13.02.2014 zeigte sich der Kläger voll geständig und wurde zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, ausgesetzt zur Bewährung für drei Jahre, sowie einer Geldstrafe von 1.500,00 Euro zu Gunsten eines Kinderheims verurteilt. Die Urteilsbegründung hob hervor, dass sich der Kläger geständig gezeigt habe. Zu Ungunsten des Klägers führte das Amtsgericht den hohen Datenbestand auf dem Rechner des Klägers an. Es liege nahe, dass er sich die Dateien aufgrund einer pädophilen Neigung verschafft habe (Amtsgericht Bochum 74 Ls – 39 Js 31/13 – 81-/13). Das Urteil wurde noch am selben Tag rechtskräftig. Das beklagte Land stellte den Kläger sodann mit Wirkung ab dem 17.02.2014 von der Arbeitsleistung frei.

Mit Schreiben vom 19.02.2014 hörte das beklagte Land den bei der Kreispolizeibehörde C bestehenden Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung und hilfsweisen außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist an. Für die Einzelheiten des Inhalts des Anhörungsschreibens wird verwiesen auf Bl. 74 bis 81 d. A. Der Personalrat teilte unter dem 20.02.2014 mit, dass er gegen die beabsichtigte Kündigung keine Einwände habe.

Das beklagte Land kündigte sodann zunächst mit Schreiben vom 24.02.2014 das Arbeitsverhältnis zu dem Kläger außerordentlich fristlos und hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2014.

Nach erneuter Anhörung des Personalrats unter dem 24.02.2014 zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers unter Berücksichtigung eines etwaig bestehenden Sonderkündigungsschutzes und nach Mitteilung des Integrationsamts mit Schreiben vom 07.03.2014, dass es innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Zwei-Wochen-Frist keine Entscheidung getroffen habe, kündigte das beklagte Land mit Schreiben vom 07.03.2014 das Arbeitsverhältnis des Klägers vorsorglich nochmals außerordentlich fristlos und hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2014.

Mit seiner am 13.03.2014 eingegangenen Feststellungsklage hat sich der Kläger gegen beide Kündigungen gewehrt.

Er hat die Kündigungen für rechtsunwirksam gehalten, da es bereits an einem arbeitsvertraglichen Bezug fehle; er habe eine außerdienstliche Straftat begangen. Die Kündigung sei unverhältnismäßig, da er seit 26 Jahren bei dem beklagten Land ohne jede Beanstandung beschäftigt sei. Der Sexualpsychotherapeut, in dessen Behandlung er sich zwischenzeitlich durchgängig befinde, schließe ausdrücklich eine Rückfallgefährdung aus. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass er jedenfalls als Mitarbeiter in der Materialausgabe und der Druckerei keinerlei Außenkontakte habe.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen des beklagten Landes vom 24.02.2014 und vom 07.03.2014 weder außerordentlich fristlos noch außerordentlich mit sozialer Auslauffrist aufgelöst worden ist.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, dass durch die außerdienstlich begangenen Straftaten des Klägers der Betriebsfrieden nachhaltig gestört sei. Allen im Polizeipräsidium beschäftigten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sei inzwischen aufgrund einschlägiger Presseartikel bekannt, dass der Kläger Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen habe, welche im Zusammenhang mit Kinderpornografie stehen. Die rechtskräftige Verurteilung des Klägers habe innerhalb der Dienststelle zu erheblicher Unruhe geführt. Einige Beschäftigte hätten angekündigt, sich nicht mehr in einem Raum mit dem Kläger aufhalten oder mit ihm weiter zusammen arbeiten zu wollen. Viele der Mitarbeiter würden insbesondere befürchten, dass der Kläger Informationen und Bilder ihrer eigenen Kinder schon missbraucht habe bzw. künftig missbrauchen könnte. So habe der Kläger beispielsweise die Regierungsbeschäftigte Q in der Vergangenheit wiederholt darum gebeten, ihm Bilder von ihrem Sohn in elektronischer Form zu schicken, was diese arglos und ohne jedes Misstrauen auch getan habe. Die Sachbearbeiterin H habe infolge der Vorwürfe gegen den Kläger Bilder ihrer Kinder von ihrem Schreibtisch entfernt aus Angst, der Kläger könne diese mit Hilfe seines Smartphones abfotografieren.

Das beklagte Land hat den Ausschluss einer Rückfallgefährdung bei dem Kläger bestritten. Es habe zudem inzwischen erfahren, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz regelmäßig sein Smartphone, einen privaten Tablet-PC mit Internetzugang und eigenem W-LAN sowie einen privaten USB-Stick bei sich geführt habe. Auf diese Weise habe er Zugriff auf seinen privaten Rechner gehabt. Es sei daher anzunehmen, dass der Kläger sich auch während seiner Arbeitszeit auf seinem privaten Rechner befindliches Bild- und Videomaterial angesehen habe. Bereits dadurch weise sein strafbares Verhalten einen direkten Bezug zu seiner arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber auf. Bei der Durchsuchung des Arbeitsplatzes des Klägers habe sich das Polizeipräsidium C staatlichen Ermittlungen ausgesetzt gesehen. Zudem sei das Polizeipräsidium in mehr als peinlicher und sein Ansehen schädigender Weise mit der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers in Verbindung gebracht worden.

Das strafbare außerdienstliche Verhalten stelle zudem einen Eignungsmangel des Klägers dar. Auch sei es geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizeibehörde zu erschüttern. Es sei dem beklagten Land daher unzumutbar, den Kläger weiter zu beschäftigen, denn bei strafbaren Handlungen der hier in Rede stehenden Art müsse in der Öffentlichkeit und insbesondere bei den Opfern der Eindruck entstehen, eine Polizeibehörde, deren originäre Aufgabe die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten sei, habe selbst kein Problem damit, einen rechtskräftig verurteilten Straftäter zu beschäftigen. Das Vertrauensverhältnis zu dem Kläger sei irreparabel zerstört.

Der Kläger hat behauptet, von seinem Arbeitsplatz aus keinen Zugang zu seinem privaten PC in seiner Wohnung zu haben. Er könne lediglich mit Hilfe seines Smartphones auf eine in seiner Wohnung installierte Überwachungskamera zugreifen, die er zum Zwecke der Einbruchssicherung dort vorhalte. Dieser Kamera sei jedoch nicht mit seinem PC verbunden. Auch habe er keine privaten USB-Sticks mit zur Arbeit gebracht. Ebenso wenig habe er Kollegen und Kolleginnen sowie deren Kinder belästigt; er habe Bilder von deren Kinder weder erbeten noch erhalten.

Der Personalrat sei nicht vollständig unterrichtet worden. Ihm seien die angebliche Störung des Betriebsfriedens sowie die angeblichen diesbezüglichen Äußerungen einzelner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht konkret mitgeteilt worden.

Das Arbeitsgericht Bochum hat mit Urteil vom 25.11.2014 der Feststellungsklage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Beide Kündigungen beruhten nicht auf einen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes. Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten hätten keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis der Parteien. Der Kläger habe weder eine individual- noch eine kollektivrechtliche Pflicht verletzt und auch nicht gegen die allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Die Straftaten hätten weder von der zeitlichen Fortdauer noch von den inhaltlichen Ausmaßen her trotz der zweifellos enormen Datenmenge das Gewicht des gesetzlichen wichtigen Kündigungsgrundes. Bei dem – streitigen – Umstand, dass der Kläger eine Regierungsbeschäftigte darum gebeten haben solle, ihm Bilder von ihrem Sohn in elektronischer Form zu schicken, handelte es sich um einen offensichtlich einmaligen Ausnahmefall, der nicht grundsätzlich jedes Vertrauen in die Person des Klägers an seinem Arbeitsplatz unwiederbringlich zu zerstören vermöge. Eine ernsthafte Wiederholungsgefahr bestehe zudem nicht mehr. Es fehle bei den Straftaten des Klägers an einer besonderen Nähe zum Arbeitsplatz, wenngleich das strafbare Verhalten zweifellos geeignet sei, eine spürbare Antipathie bis hin zu offen gezeigter Abneigung bei den Beschäftigten im Polizeipräsidium zu erzeugen.

Die Annahme des beklagten Landes, die von dem Kläger an seinen Arbeitsplatz mitgeführten Geräte ließen auf eine Nutzung mit pornografischem Bezug schließen, stelle sich offensichtlich als reine Spekulation dar. Zwar ständen die außerdienstlichen Straftaten des Klägers in unmittelbarem Widerspruch zur Aufgabe seiner Beschäftigungsbehörde. Gleichwohl habe dieser Widerspruch noch nicht das Gewicht eines wichtigen Kündigungsgrundes, da ansonsten jedwede außerdienstliche Straftat eines bei einer Polizeibehörde privatrechtlich Beschäftigten automatisch einen Kündigungsgrund darstellen würde. Dem könne in dieser Reichweite nicht gefolgt werden. Der Kläger habe zwar durch sein vorsätzliches strafbares Verhalten die Interessen des beklagten Landes klar beeinträchtigt. Letztlich fehle es jedoch an einem hinreichenden Bezug zu den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Klägers. Dieser sei kein exponierter Repräsentant des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Er nehme nicht an den hoheitlichen Aufgaben des Polizeipräsidiums unmittelbar teil. Es könne im konkreten Kontext dieses Einzelfalles nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass im Hinblick auf den Einsatzbereich des Klägers für andere Mitarbeiter die weitere Tätigkeit im Präsidium unzumutbar werde. Doch selbst wenn der Kläger mit seinen strafbaren Handlungen zugleich eine vertragliche Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt haben sollte, hätte dies das beklagte Land nicht von der Pflicht entbunden, ihn auf einem anderen, für beide Seiten zumutbaren Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, wenn dadurch künftige Störungen des Arbeitsverhältnisses hätten vermieden werden können. Könnte der Angestellte nämlich künftig mit nicht hoheitlichen Aufgaben betraut werden, könnte sich seine Weiterbeschäftigung als zumutbar erweisen. Vorliegend sei der Kläger nie mit hoheitlichen Aufgaben betraut gewesen, so dass das Maß der Beeinträchtigung der Interessen des beklagten Landes noch nicht ausreiche, dass sich die Weiterbeschäftigung des Klägers als unzumutbar erweise.

Das beklagte Land könne sich für die Kündigungen auch weder auf die Grundsätze einer sog. Druckkündigung berufen noch auf einen Eignungsmangel und damit auf einen in der Person des Klägers liegenden Kündigungsgrund.

Das beklagte Land hat gegen das ihm am 11.02.2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 24.02.2015 Berufung eingelegt und diese mit am 07.04.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Unter Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens behauptet das beklagte Land, das Ansehen des Polizeipräsidiums C habe durch die im Zuge der Ermittlungen erfolgte Presseberichterstattung nachhaltig Schaden genommen. Der Kläger habe zudem beispielsweise die Regierungsbeschäftigte Q in der Vergangenheit wiederholt darum gebeten, ihm Bilder von ihrem heute sechsjährigen Sohn in elektronischer Form zu schicken. Die Mitarbeiterin habe dem Kläger arglos ein Foto ihres Sohnes überlassen. Die Mitarbeiterin H habe infolge der Vorwürfe gegen den Kläger die Bilder ihrer Kinder von ihrem Schreibtisch entfernt aus Sorge, der Kläger könne diese mit seinem Smartphone abfotografieren. Es lägen dem beklagten Land allein 27 Stellungnahmen von Mitarbeitern aus den verschiedensten Abteilungen vor, für die eine auch nur entfernte weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger völlig unvorstellbar sei. Arbeitsplätze, auf welchen ein Kontakt des Klägers zu Kollegen vollkommen ausgeschlossen sei, gebe es nicht. Selbst in die Materialverwaltung müssten sich immer wieder Mitarbeiter begeben, etwa wenn sie Büromaterial benötigten.

Das Arbeitsgericht verkenne, dass es sich bei den vom Kläger begangenen Straftaten nicht um unbedeutende Straftaten handele, sondern der Kläger durch das Herunterladen und Anbieten von kinder- und jugendpornografischem Material die Rechtsordnung massiv verletzt habe. Der Kläger arbeite schließlich in einer Polizeibehörde, welche derartige Straftaten gerade verhindern und aufklären soll. Ein Bezug zum Arbeitsverhältnis des Klägers ergebe sich eben bereits daraus, dass der Kläger eine Mitarbeiterin wiederholt gebeten habe, ihm Bilder von ihrem Sohn in elektronischer Form zu schicken sowie daraus, dass die übrigen Mitarbeiter des beklagten Landes eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger ablehnten, wie die 27 vorliegenden Stellungnahmen zeigten. Der dienstliche Bezug ergebe sich auch daraus, dass der Kläger mit den von ihm stets zur Arbeit mitgeführten zahlreichen Geräten Zugriff auf seinen in seiner Wohnung befindlichen privaten Computer gehabt habe und damit auch jederzeit während der Arbeitszeit auf das dort gespeicherte Bild- und Videomaterial habe zugreifen können. Der Kläger habe nicht eine eher unbedeutende Straftat begangen, sondern eine solche von erheblichem Gewicht, auf welche die Öffentlichkeit zudem besonders sensibel reagiere. Zwar handele es sich bei dem beklagten Land nicht um ein Tendenzunternehmen, doch könnten die vom Bundesarbeitsgericht entsprechenden Ausführungen herangezogen werden. Auch die Durchsuchung der Büroräume des Klägers im Polizeipräsidium habe einen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis des Klägers. Gleiches gelte für die durch den Kläger verursachte Störung des Betriebsfriedens, die sich auf das gesamte Polizeipräsidium beziehe.

Ebenso sei die Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Druckkündigung gerechtfertigt. Es stehe zu Erwarten, dass eine nicht unbedeutende Anzahl von Mitarbeitern ihr Arbeitsverhältnis zum beklagten Land kündigen werde, da es für sie schlicht nicht vorstellbar sei, mit dem Kläger weiterhin zusammen zu arbeiten.

Schließlich sei zu sehen, dass der Kläger für eine weitere Tätigkeit in der Behörde auch zwingend ungeeignet sei. Begehe ein Bediensteter einer Polizeibehörde eine nicht unerhebliche und insbesondere in hohem Maße öffentlichkeitswirksame Straftat, sei er für jede weitere Tätigkeit ungeeignet.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.11.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.11.2014, Az. 2 Ca 482/14, zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und weist darauf hin, dass der ihn behandelnde Sexual- und Psychotherapeut bereits im Rahmen seiner Stellungnahme vom 05.02.2014 deutlich darauf hingewiesen habe, dass eine Rückfallgefährdung ausgeschlossen werden könne, da er – der Kläger – große Scham- und Schuldgefühle habe und ihm die Tragweite seines Handelns mittlerweile sehr klar sei. Der Arbeitsplatz in der Materialbestellung und -ausgabe, auf den er nach Bekanntwerden der polizeilichen Ermittlungen umgesetzt worden sei, sei von dem beklagten Land als ein für seine Arbeitskollegen und ihn selbst unkritischer Arbeitsplatz tituliert worden, wie sich dem Schriftsatz des beklagten Landes vom 20.02.2014 an das Integrationsamt entnehmen lasse. Auf diesem Arbeitsplatz habe er keinen Publikumskontakt und nur im Rahmen der Materialausgabe kurzfristige Kontakte zu anderen Kollegen des Polizeipräsidiums C (gehabt). Die Behauptung des beklagten Landes, er habe von seinem Arbeitsplatz Zugriff auf seinen privaten PC und dortigen Videodateien genommen, entspreche nicht den Tatsachen und sei eine Behauptung ins Blaue hinein. Allein die Tatsache, dass eine Person ein Handy und ein Tablet-PC mit sich führe, mache sie nicht verdächtig in diesem Sinne. Es habe überhaupt keine technische Möglichkeit für ihn gegeben, von seinen Diensträumen auf seinen privaten PC Zugriff zu nehmen.

Zu keinem Zeitpunkt habe er sich Fotos von Kindern seiner Kollegen geben lassen oder Fotos von Kindern von Kollegen abfotografiert. Letztere Behauptung sei nicht einmal ansatzweise substantiiert dargestellt. Bei den von dem beklagten Land angeführten Zeitungsberichten handele es sich lediglich um zwei kurze Berichte, die nicht dahingehend eingestuft werden könnten, dass eine derart große Gefährdung des Ansehens der Behörde vorliege, dass ein Kündigungsgrund griffe. Auch habe das beklagte Land nicht dargelegt, dass es sich bei den 27 Stellungnahmen um einen relevanten Teil der Belegschaft des Polizeipräsidiums handele und ebenso wenig, welche Nachteile dem Arbeitgeber von diesen Mitarbeitern angedroht würden.

Es sei noch einmal hervorzuheben, dass er ausschließlich im Verwaltungsbereich (Personalverwaltung und Materialbeschaffung) eingesetzt worden sei, jedoch keinerlei hoheitliche Aufgaben übertragen bekommen habe. Ebenso wenig habe er Publikumsverkehr gehabt.

Schließlich meint der Kläger, dass auch keine ordnungsgemäße Personalratsbeteiligung vorgelegen habe. Dass das beklagte Land dem Personalrat die aus seiner subjektiven Sicht tragenden Umstände vollumfänglich dargelegt habe, habe das beklagte Land nicht vorgetragen.

Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen in erster und zweiter Instanz, die insgesamt Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.11.2014 ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 Buchst. c ArbGG an sich statt-haft. Sie ist auch gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung ist somit zulässig.

II. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage im Ergebnis zu Recht und auch mit wohl erwogener zutreffender Begründung in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sorgfältig und umfassend begründete erst- instanzliche Entscheidung und schließt sich ihr an, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Die streitgegenständlichen Kündigungen des beklagten Landes vom 24.02.2014 und 07.03.2014 haben das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis weder außerordentlich fristlos noch außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist aufgelöst.

1. Beiden Kündigungen ermangelt es des wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.

Die Ausführungen des beklagten Landes in der Berufungsbegründung geben zu folgenden ergänzenden Anmerkungen Anlass:

a) Mit dem Arbeitsgericht ist auch die Berufungskammer davon überzeugt, dass sich das beklagte Land zur Rechtfertigung der Kündigungen nicht auf die Straftaten, wegen derer der Kläger am 13.02.2014 rechtskräftig verurteilt worden ist, stützen kann.

aa) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Grundsätzlich liegt ein kündigungsrelevantes Verhalten nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer einer Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Ebenso kann die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht eine Kündigung rechtfertigen. Eine Nebenpflicht kann auch durch eine außerdienstliche Straftat verletzt werden (BAG, 10.04.2014 – 2 AZR 684/13 –, BAG, 20.06.2013 – 2 AZR 583/12 –, NZA 2014, 1197; BAG, 27.01.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798; BAG, 12.03.2009 – 2 ABR 24/08, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1).

Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung bezweckt den Schutz und die Förderung des Vertrags (BAG, 27.01.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798). Der Arbeitnehmer hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie ihm dies unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, aber auch seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise abverlangt werden kann. Auch außerhalb der Arbeitszeit ist der Arbeitnehmer verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Das bedeutet, dass die Pflicht zur Rücksichtnahme auch durch außerdienstliche Verhaltensweisen verletzt werden kann. Durch ein strafbares oder rechtswidriges außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden dann berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn das Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Bei einer außerdienstlichen begangenen Straftat verstößt der Arbeitnehmer gegen seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn die Tat einen Bezug zu seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder zu seiner Tätigkeit hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden (BAG, 10.04.2014, a.a.O.; BAG, 27.01.2011, a.a.O.; BAG, 10.09.2009 – 2 AZR 257/08; BAG, 27.11.2008 – 2 AZR 98/07). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (BAG, 28.10.2010 – 2 AZR 293/09, NZA 2011, 112).

Diese Grundsätze gelten nach der Ablösung des BAT durch den TVöD bzw. den TV-L auch im öffentlichen Dienst (BAG, 20.06.2013 – 2 AZR 583/12, NZA 2013, 1345).

Daneben sind außerdienstlich begangene Straftaten zur Rechtfertigung einer Kündigung geeignet, wenn sie ein gewisses Gewicht haben (BAG, 20.11.1997 – 2 AZR 643/96, NZA 1998, 323) oder es sich um Straftaten handelt, die in unmittelbarem Widerspruch zu der Aufgabe der Beschäftigungsbehörde stehen (LAG Düsseldorf, 20.05.1980 – 19 Sa 624/79, LAGE § 626 BGB Nr. 7).

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis nicht. Dies hat zur Folge, dass der Kläger durch die Straftaten seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB nicht verletzt hat.

(1) Der Bezug besteht zunächst nicht darin, dass Opfer der Straftaten die Kinder eines Kollegen oder einer Kollegin des Klägers waren.

(2) Die von dem Kläger begangenen Sexualstraftaten hatten auch keine gravierenden negativen Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. Der Kläger hat auch kein ihm durch seine Kollegen entgegen gebrachtes Vertrauen missbraucht. Eine unmittelbare Nähe bzw. Betroffenheit der Kollegen ist vorliegend nicht gegeben.

(3) Zwar ist streitig geblieben, ob und wie häufig der Kläger die Regierungsbeschäftigte Q darum gebeten hat, ihm Bilder von ihrem Sohn in elektronischer Form zu übermitteln. Gleiches gilt für den Vortrag des beklagten Landes zu dem angeblichen Verhalten des Klägers gegenüber der Mitarbeiterin H. In keinem Fall kann das beklagte Land diese Umstände für die Kündigungen heranziehen, da eine Einbeziehung des Personalrats nicht erfolgte.

Auf nicht mitgeteilte Tatsachen, die dem Arbeitgeber bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bekannt waren, kann sich der Arbeitgeber im späteren Kündigungsschutzprozeß nicht stützen. Insoweit besteht ein betriebsverfassungsrechtliches bzw. personalvertretungsrechtliches Verwertungsverbot (BAG, 27.03.2003 – 2 AZR 699/01, PersR 2004, 322; BAG, 26.09.1991 – 2 AZR 132/91, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 28). Das gilt zwar dann nicht, wenn die betreffenden Tatsachen lediglich der Erläuterung der mitgeteilten Kündigungsgründe dienen, den Kündigungsgrund als solchen aber unberührt lassen.

Vorliegend stützt das beklagte Land die Kündigungen jedoch auch auf die beiden hier angesprochenen Sachverhalte und erläutert mit ihnen nicht lediglich seine Kündigungsgründe. Das beklagte Land misst ihnen vielmehr erkennbar einen Bezug zum Arbeitsverhältnis zu. Dem Vorbringen des Landes erschließt sich nicht, dass die entsprechenden Tatsachen betreffend die beiden Mitarbeiterinnen bei Einleitung des Anhörungsverfahrens nicht bekannt waren. Mangels deren Mitteilung gegenüber dem Personalrat hat daher eine kündigungsrechtliche Berücksichtigung zu unterbleiben.

(4) Mit dem beklagten Land geht zwar auch die Berufungskammer davon aus, dass es sich bei den Straftaten des Klägers nicht um solche wie einen einmaligen Dieb-stahl von geringem Umfang handelt. Auch mag es gerechtfertigt sein, hier von nicht unbedeutenden Straftaten zu sprechen. Gleichwohl ist zur Kenntnis zu nehmen, dass der Kläger (nur) zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe zur Bewährung verurteilt wurde. Eine mehrfache strafgerichtliche Verurteilung, wie sie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20.11.1997 (2 AZR 643/96) zu berücksichtigen hatte, liegt nicht vor.

Die Straftaten des Klägers berühren als außerdienstliches Verhalten das Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar. Das wäre dann der Fall, wenn der Kläger durch sein vorsätzlich strafbares Verhalten die spezifischen, gesetzlichen Aufgaben seiner Beschäftigungsbehörde unterminiert hätte (vgl. den Fall des Angestellten eines Finanzamtes, der fortgesetzt vorsätzliche Steuerverkürzungen unternahm, LAG Düsseldorf, 20.05.1980 – 19 Sa 624/79, EzA § 626 nF BGB Nr. 72). Diese Konstellation findet sich vorliegend nicht. Der Kläger hat sich zwar durch ein außerdienstliches Verhalten strafbar gemacht und sich dadurch grundsätzlich in einen Widerspruch zu den Aufgaben einer Polizeibehörde begeben. Gleichwohl muss ein solcher an sich gegebener Widerspruch nicht automatisch das Gewicht des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB haben. Es ist insoweit dem erstinstanzlichen Gericht darin zu folgen, dass nicht jede außerdienstlich begangene Straftat eines bei einer Polizeibehörde beschäftigten Mitarbeiters einen Kündigungsgrund darzustellen vermag. Um bei dem Beispiel vorsätzlicher Steuerverkürzungen zu bleiben: Eine einmalige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat setzte den Mitarbeiter eines Polizeipräsidiums auch in Widerspruch zu den Aufgaben seiner Beschäftigungsbehörde. Einen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes würde ein solcher Sachverhalt eher nicht abgeben.

Die Berufungskammer verkennt darüber hinaus nicht, dass durch das strafbare ausserdienstliche Verhalten des Klägers die Interessen des beklagten Landes ohne weiteres beeinträchtigt sind. Hierauf hat schon das Arbeitsgericht anschaulich und zutreffend hingewiesen. Tatsächlich sind in diesem Zusammenhang die Wirkung der außerdienstlichen Straftat auf die Öffentlichkeit sowie die Beeinträchtigung bzw. die Gefährdung des Ansehens der Behörde zu sehen.

(a) Öffentlich wahrgenommen wurde die Verurteilung des Klägers allein durch zwei kurze Zeitungsartikel. Vorgelegt hat das beklagte Land Presseartikel vom 14.02.2014 und 07.03.2014. Deren Inhalte hat es im Einzelnen nicht weiter vorgetragen. In den Pressemeldungen wird u.a. von der Verurteilung des Klägers auf Bewährung und seiner Freistellung berichtet. Es erschließt sich jedoch nicht ohne weiteres, dass allen bei dem Polizeipräsidium beschäftigten Mitarbeitern aufgrund dieser Zeitungsausschnitte bekannt war bzw. inzwischen bekannt ist, dass der Kläger Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die im Zusammenhang mit Kinderpornografie stehen, begangen hat. Dies zum einen wegen der personellen Größe des Polizeipräsidiums mit seinen insgesamt rund 2.000 Beschäftigten, zum anderen wegen der anzunehmenden Tatsache, dass nicht sämtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Behörde Leser oder Abonnenten (eines) der beiden Presseorgane sind.

Welche Art Wirkung die Veröffentlichung der beiden vorgelegten Presseartikel auf die Öffentlichkeit insgesamt hatte, hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Ein knapp gefasster Artikel in einer Tageszeitung, zumal wenn wenig reißerisch aufgemacht, vermag sich nicht ohne weiteres in einer tagtäglich mit mannigfachen Informationen aller Art überhäuften Öffentlichkeit in Richtung der von dem beklagten Land angenommen Gefährdung des Behördenansehens auszuwirken. Insbesondere vermochte das Land auch nichts zu Nachwirkungen der beiden Pressemeldungen vorzubringen, was ebenfalls nicht für eine besonders ausgeprägte öffentliche Wahrnehmung des Geschehenen spricht. Dass sich auch in größeren Behörden vereinzelt außerdienstlich begangene Straftaten ereignen, schädigt nicht per se das Ansehen dieser größeren Behörde.

(b) Letztlich ist das Ansehen der Polizeibehörde auch deshalb nicht durch die außerdienstlich begangenen Straftaten des Klägers gefährdet, weil der Kläger nicht als exponierter Repräsentant des Ansehens des öffentlichen Dienstes zu begreifen ist. Als Sachbearbeiter in der Personalverwaltung steht er in keiner Weise im Focus öffentlicher Wahrnehmung. Auch hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt unmittelbar an den hoheitlichen Aufgaben des Polizeipräsidiums teilgenommen. Dies bereits nicht als Personalsachbearbeiter und noch geringer ausgeprägt als Mitarbeiter in der Materialausgabe/Druckerei, wo er ohne Publikumsverkehr und mit nur geringen Kontakten zu seinen Kolleginnen und Kollegen seine Aufgaben verrichtete. Auch das beklagte Land spricht in seinem Schriftsatz vom 20.02.2014 an das Integrationsamt insoweit von einem unkritischeren Arbeitsplatz in dem Bereich Materialausgabe.

Da der Kläger weder hoheitliche Befugnisse hatte noch an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben im engeren Sinne beteiligt war, dürfen die Anforderungen in Bezug auf das Maß der notwendigen Rücksichtnahme auf die Interessen des öffentlichen Dienstes nicht überspannt werden (vgl. hierzu LAG Mecklenburg-Vorpommern, 10.12.2013 – 5 Sa 113/13, zitiert nach juris). Eine nachhaltige Beeinträchtigung des beklagten Landes durch das außerdienstliche Verhalten des Klägers ist insgesamt nicht ersichtlich.

Das Berufungsgericht sieht sehr wohl, dass die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung jederzeit eine integre und gewissenhafte Ausübung der Tätigkeit erfordert und dass außerdienstliches strafbares Verhalten die Besorgnis zu begründen vermag, der Arbeitnehmer könne auch im dienstlichen Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorgaben in Konflikt geraten. Denn dadurch wird das erforderliche Vertrauen der Bürger in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erschüttert BAG, 10.04.2014 – 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197). Der Kläger war indes weder in hoheitlicher Funktion tätig noch hatte er Publikumsverkehr oder kam in seinen dienstlichen Aufgaben mit Kindern oder Jugendlichen in Kontakt.

Der Hinweis des beklagten Landes auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.06.2015 (2 C 9.14; 2 C 25.14 und 2 C 19.14; Pressemitteilung Nr. 50/2015 des Bundesverwaltungsgerichts) verfängt nicht. In den dortigen Entscheidungen ist klargestellt, dass der Besitz von kinderpornografischen Bild- oder Videodateien zu einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis führen kann. Dabei stellt das Gericht darauf ab, dass Polizeibeamte wegen ihres Amtes (Statusamtes) eine besondere Stellung einnehmen und führt aus, dass gerade deshalb und wegen des in Polizeibeamte gesetzten besonderen Vertrauens der außerdienstliche (private) Besitz von entsprechenden Dateien stets einen Amtsbezug hat. Wie bereits dargelegt, waren dem Kläger keinerlei hoheitliche Funktionen zugewiesen, so dass die das (Polizei-)Beamtenrecht betreffende Rechtsprechung auf den Streitfall nicht übertragbar ist.

(5) Dass Beschäftigte des Polizeipräsidiums C sich bedenklich gegenüber den Straftaten des Klägers geäußert haben, kann nicht ernstlich verwundern. Hierauf hat das Arbeitsgericht anschaulich hingewiesen. Den insoweit möglicherweise entstandenen Befürchtungen aus dem Kollegenkreis hat das beklagte Land aus Gründen seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht dadurch angemessen entsprochen, dass es den Kläger schon frühzeitig, nämlich nach Anklageerhebung, auf einen anderen Arbeitsplatz in der Materialausgabe/Druckerei umgesetzt hatte. Eine gravierende Störung des Betriebsfriedens war daher wegen kritischer Äußerungen aus dem Kollegenkreis nicht anzunehmen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des beklagten Landes, es hätten insgesamt 27 Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Abteilungen, auch solche, mit denen der Kläger in der Vergangenheit nicht unmittelbar zusammenarbeitete, die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt. Etwaigen negativen Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander vermochte das beklagte Land durch die Umsetzung des Klägers angemessen zu begegnen.

Dass die Durchsuchung des Arbeitsplatzes des Klägers zu einer Beeinträchtigung des Betriebsfriedens führte, konnte das beklagte Land nicht substantiiert dartun. Eine derartige Beeinträchtigung dürfte auch unter Berücksichtigung der Größe der Beschäftigungsbehörde eher unwahrscheinlich sein, ist jedenfalls nicht erkennbar geworden.

(6) Es erschließt sich dem Berufungsgericht nicht, warum für den zu beurteilenden Sachverhalt auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Tendenzbetrieben (etwa 2 AZR 483/07) entsprechend zurückzugreifen sein soll.

Vielmehr besteht nach der Neuregelung des Tarifrechts für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht mehr die besondere Pflicht, ihr gesamtes privates Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird. Es ist nunmehr lediglich die im Rahmen des Arbeitsvertrags geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen. Die Beschäftigten der Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereich auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, müssen sich überdies durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen. Darüber hinausgehende Anforderungen an die private Lebensführung stellen der TVöD und auch der TV-L nicht mehr (BAG, 20.06.2013 – 2 AZR 583/12, NZA 2013, 1345; BAG, 28.10.2010 – 2 AZR 293/09, NZA 2011,112). Für einen Rückgriff auf die Rechtsprechung zu Tendenzbetrieben besteht somit kein Bedürfnis.

(7) Mit dem Kläger ist davon auszugehen, dass allein die (streitige) Tatsache, dass eine Person ein Handy und ein Tablet-PC am Arbeitsplatz mit sich führt, sie nicht verdächtig in dem Sinne macht, dass dies auf eine Nutzung der Geräte mit pornografischem Bezug schließen ließe. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des straf-rechtlich relevanten außerdienstlichen Verhaltens des Klägers. Die entsprechende Annahme des beklagten Landes stellt sich insoweit als reine Spekulation dar. Hierauf weist das Arbeitsgericht zutreffend hin. Zudem gab es erkennbar keine technische Möglichkeit für den Kläger, von seinen Diensträumen aus auf seinen privaten PC Zugriff zu nehmen.

Schließlich gilt auch für diesen Vortrag des beklagten Landes, dass eine Einbeziehung des Personalrats insoweit nicht erfolgte.

b) Das beklagte Land kann sich für die Kündigungen nicht auf die Grundsätze einer sog. Druckkündigung berufen.

Eine Druckkündigung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen (vgl. nur BAG, 18.07.2013 – 6 AZR 420/12 m.w.N., NZA 2014, 109). Auf die in diesem Zusammenhang möglicherweise zu berücksichtigenden beiden alternativen Fallgestaltungen der Druckkündigung (s. BAG, 18.07.2013, a.a.O.) muss nicht weiter eingegangen werden. Denn die Voraussetzungen einer Druckkündigung sind nicht gegeben.

Zwar haben 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (von insgesamt rund 2.000 Beschäftigten) des Polizeipräsidiums C ihrem Arbeitgeber schriftlich im Wesentlichen mitgeteilt, dass sie die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger ablehnten. Keine dieser Missfallenskundgebungen enthielt jedoch eine Androhung von Nachteilen für die Behörde für den Fall der Nichtentlassung des Klägers; keine verlangte definitiv dessen Entlassung.

c) Das beklagte Land kann die Kündigungen auch nicht auf einen personenbedingten Kündigungsgrund stützen.

Die Kündigungen sind nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dem Kläger fehlt nicht die notwendige Eignung zur Ausübung seiner Tätigkeit.

Zwar kann ein strafbares außerdienstliches Verhalten Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beschäftigten begründen. Sie können dazu führen, dass es dem Arbeitnehmer – allerdings abhängig von seiner Funktion – an der Eignung für die künftige Erledigung seiner Aufgaben mangelt. Ob daraus ein in der Person liegender Kündigungsgrund folgt, hängt von der Art des Delikts, den konkreten Arbeitspflichten des Arbeitnehmers und seiner Stellung im Betrieb ab. So können außerdienstlich begangene Straftaten eines im öffentlichen Dienst mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers auch dann zu einem Eignungsmangel führen, wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt. Generelle Wertungen lassen sich nicht treffen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls (BAG, 10.04.2014 – 2 AZR 684/13, a.a.O.; BAG, 20.06 2013 – 2 AZR 583/12; BAG, 10.09.2009 – 2 AZR 257/08, BAGE 132, 72).

Der Kläger war, wie bereits mehrfach ausgeführt, als Sachbearbeiter in der Personalverwaltung und damit nicht in hoheitlicher Funktion (mit Publikumsverkehr) tätig. Auch bei seinen zuletzt in der Materialausgabe und Druckerei zu erfüllenden Aufgaben handelte es sich nicht um solche hoheitlicher Natur. Der Kläger hatte vielmehr zu keinem Zeitpunkt im Verlauf seines Arbeitsverhältnisses bei dem Polizeipräsidium C hoheitliche Aufgaben öffentlicher Verwaltung zu erledigen. Die Sorge, der Kläger könnte im dienstlichen Zusammenhang mit gesetzlichen Vorgaben kollidieren, bestand und besteht somit nicht.

2. Anhaltspunkte, wonach die Anhörung des Personalrats im Vorfeld der streitgegenständlichen Kündigungen nicht ordnungsgemäß gewesen ist, ergeben sich unter Berücksichtigung des Vorbringens des beklagten Landes hierzu nicht und sind von dem Kläger nicht substantiiert vorgetragen worden. Solche waren auch für die Berufungskammer nicht ersichtlich.

3. Da der Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 20 besteht, -zuletzt unstreitig- einen Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen gemäß § 68 Abs. 2 SGB IX nicht gestellt hat, steht fest, dass er den besonderen Kündigungsschutz nach dem Sozialgesetzbuch IX nicht in Anspruch nehmen kann. Eine Überprüfung der Kündigungen nach den Schutzbestimmungen des Sozialgesetzbuchs IX erübrigt sich somit, auch nachdem der Widerspruchsausschuss des LWL-Integrationsamts Westfalen mit Schreiben vom 27.05.2015 (Bl. 368 d. A.) den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass dieser einen sog. Gleichstellungsantrag nicht gestellt habe. Darüber hinaus hat der Kläger gemäß Schreiben des Widerspruchsauschusses vom 12.06.2015 seinen Widerspruch gegen die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts vom 07.03.2014 zurückgenommen mit der Folge, dass das Widerspruchsverfahren eingestellt wurde.

III. Die Kostenentscheidung zu Lasten des mit dem Rechtsmittel unterlegenen beklagten Landes beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die Zulassung erfolgte im Hinblick auf die Rechtsfrage, ob im Bereich des öffentlichen Dienstes die Annahme eines Bezuges zum Arbeitsverhältnis es voraussetzt bzw. erfordert, dass der Arbeitnehmer ein exponierter Repräsentant des öffentlichen Dienstes ist und/oder (unmittelbar) hoheitliche Aufgaben wahrnimmt.

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