Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 21.01.2016 – 11 Sa 297/15

Juni 16, 2020

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 21.01.2016 – 11 Sa 297/15

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des ArbG Herne vom 09.12.2014 – 3 Ca 1913/14 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechnung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld nach einem Gesamtsozialplan für die Monate März 2004 bis Februar 2009.

Der 1954 geborene Kläger wurde am 01.08.1969 auf der damaligen Schachtanlage H angelegt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Rheinisch/Westfälischen Steinkohlebergbaus Anwendung. Zuletzt war der Kläger als Vermessungssteiger auf dem Bergwerk P tätig.

Die Beklagte ist ein Bergbauunternehmen. Aufgrund berufsgenossenschaftlicher Vorgaben ist sie verpflichtet, auf ihren Bergwerken eine Grubenwehr vorzuhalten. Die Organisation der Grubenwehr ist bei der Beklagten durch den Plan für das Grubenrettungswesen der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen Herne geregelt. In diesem Plan heißt es u. a. wörtlich:

3 Grubenwehrmitgliedschaft

1.1. Aufnahme in die Grubenwehr

Der Beitritt zur Grubenwehr ist freiwillig. Bewerbungen um Aufnahme werden an den Oberführer gerichtet. In die Grubenwehr werden als Wehrmänner nur Personen aufgenommen, die

– Mindestens 18 und höchstens 40 Jahre alt sind,

– Unmittelbar vor der Aufnahme mindestens ein Jahr unter Tage gearbeitet haben,

– nach ärztlicher Bescheinigung für den Dienst in der Grubenwehr geeignet sind (Abschnitt 3.3),

– gem. Abschnitt 4.1 des Plans ausgebildet wurden.

Nach Abschluss der Grundausbildung sind die Anwärter mit der Eintragung in die Mitgliederkartei in die Grubenwehr aufgenommen. Als Eintrittsdatum gilt dann der Tag der ersten Einstundenübung. Bei der Aufnahme wird ihnen der Plan für das Grubenrettungswesen ausgehändigt, dessen Empfang sie durch Unterschrift bestätigen. Aus den “Pflichten der Grubenwehrmitglieder” (Kap. 5) ergibt sich die für die Grubenwehrmitglieder verbindliche Dienstanweisung.

Nach Aufnahme werden den Grubenwehrmitgliedern Mitgliederausweise ausgehändigt, in denen das Eintrittsdatum bescheinigt ist.

1.2. Ausscheiden aus der Grubenwehr

Die Mitgliedschaft endet

– durch Austritt,

– wenn der Arzt bescheinigt, dass ein Mitglied dauernd für den Dienst in der Grubenwehr nicht mehr geeignet ist,

– für Oberführer, Truppführer und Wehrmänner mit Vollendung des 50. Lebensjahres, für Sachverständige der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen mit Vollendung des 55. Lebensjahres,

– durch Ausschluss,

– durch Tod.

Der Ausschluss eines Grubenwehrmitgliedes ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Vor der Ausschließung wird dem Mitglied Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Ausschluss wird dem Betroffenen durch den Oberführer schriftlich mitgeteilt.

5 Pflichten der Grubenwehrmitglieder

5.1. Grubenwehrmitglieder

Jedes Grubenwehrmitglied hat sich auf Eignung für den Dienst in der Grubenwehr (Punkt 3.3) untersuchen zu lassen.

Die Grubenwehrmitglieder sind verpflichtet, vor Übungen und Einsätzen dem Truppführer bzw. dem Oberführer zu melden, wenn sie sich körperlich nicht voll leistungsfähig fühlen. Das Grubenwehrmitglied hat den Oberführer über Krankheiten und Unfälle zu unterrichten, die eine wesentliche Beeinträchtigung für den Dienst in der Grubenwehr verursachen können. Das Grubenwehrmitglied hat dafür Sorge zu tragen, dass es den Anforderungen der Übungen und Einsätze durch ausreichende Kondition gewachsen ist. In den vom Oberführer bestimmten Abständen – jedoch mindestens zweimal im Jahr – hat sich das Grubenwehrmitglied unter Aufsicht einer Konditionsprüfung zu unterziehen (Wertzahl mindestens75 beim Dynavittrainer).

Die Mitglieder der Grubenwehr leisten bei der Ausbildung und im Einsatz den Anweisungen des Oberführers oder des von ihm beauftragten Grubenwehrführers Folge. Sie nehmen an den Übungen, Ausbildungen und Unterweisungen (Kapital 4) planmäßig teil.

Das Anlegen der Geräte hat nach den Anlegevorschriften (Anlage 2) zu erfolgen.

Werden als Atemanschluss Mundstück und Nasenklemme eingesetzt, so gilt ein striktes Sprechverbot. Bemerkt ein Mitglied der Grubenwehr bei der Benutzung von Atemschutzgeräten Unregelmäßigkeiten im eigenen Befinden oder am Atemschutzgerät, so ist die für den Ablauf des Einsatzes oder der Übung verantwortliche Person darauf hinzuweisen. Dies gilt insbesondere für Anzeichen einer Wärmestauung (Abschnitt 7.3.1).

Grubenwehrmitglieder, die direkt oder auf andere Weise alarmiert worden sind, begeben sich unverzüglich zur Grubenrettungsstelle (bzw. zu der bei der Alarmierung angegebenen Stelle) und halten sich für den Einsatz bereit.

…”

Der Kläger war Mitglied der Grubenwehr in der Funktion eines Truppführers, so der Kläger, oder als einfacher Wehrmann, so die Beklagte. In dem Zeitraum von März 2001 bis einschließlich Februar 2002, vor Eintritt in die Transferkurzarbeitszeit, nahm er mehrfach an Übungen der Grubenwehr außerhalb seiner Arbeitszeit teil, wofür er Zahlungen erhielt, die in den Entgeltabrechnungen unter der Lohn- und Gehaltsart “1015 Grubenwehr – Übung außerhalb” ausgewiesen waren. Wegen weiterer Einzelheiten zur Bezahlung von Tätigkeiten für die Grubenwehr wird auf die diesbezügliche Vorstandsrichtlinie DSK VR 02/07 Bezug genommen (Bl. 25 GA). Wegen der von dem Kläger erstellten Tabelle seiner Bezüge von März 2001 bis Februar 2002 wird auf S. 7 der Klageschrift verwiesen (Bl. 7 GA, Entgeltabrechnungen in Kopie Bl. 27 ff GA).

Zum 28.02.2003 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis aus und bezog vom 01.03.2004 bis zum 28.02.2009 Anpassungsgeld nach den gültigen Richtlinien über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlebergbaus des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zusätzlich zahlte die Beklagte an den Kläger einen Zuschuss zum Anpassungsgeld auf der Grundlage des Gesamtsozialplans zum Anpassungsprogramm der Deutschen Steinkohle AG (GSP 2003) vom 25.06.2003. In diesem Sozialplan heißt es u. a. wörtlich:
“… § 2 Arbeitnehmer, die mit Anspruch auf Anpassungsgeld oder Knappschaftsausgleichsleistungen ausscheiden … 7. Zuschuss zum Anpassungsgeld (1) DSK leistet einen Zuschuss zum Anpassungsgeld, wenn das Anpassungsgeld … das Garantieeinkommen nicht erreicht. … (3) Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze. Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsgrundvergütungen bleiben bei der Ermittlung außer Betracht. Weiterhin bleiben Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, bei der Ermittlung außer Betracht. Der so ermittelte Betrag wird durch die Anzahl der im 12-Monatszeitraum angefallenen Versicherungstage dividiert und mit dem Faktor 30 multipliziert. Bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 berücksichtigt. …”

Unter dem 27. Mai 2010 unterzeichneten die Parteien des Gesamtsozialplans eine “Protokollnotiz VII zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003”. Darin erklärten sie u.a., dass die Vertragsparteien bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplanes davon ausgegangen seien, dass bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens gem. § 2 Ziffer 7 Absatz 3 des GPS bestimmte Lohn- und Gehaltsarten, u.a. die Zulage “1015 Grubenwehr-Übung außerh.” nicht zu berücksichtigen seien (Bl. 133 ff GA)

Die Beklagte ließ bei der Berechnung des an den Kläger zu zahlenden Zuschusses die vom Kläger bezogenen Zulagen für die Teilnahme an Grubenwehrübungen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit unberücksichtigt. Der Kläger erhielt monatlich einen Zuschuss in Höhe von rund 350,00 €. Vor seinem Ausscheiden war der Kläger am 12.02.2004 beraten worden. Der für den Kläger bei dieser Gelegenheit erstellte und beidseitig unterschriebene Beratungsbogen weist einen “vorl. Zuschuß: 300,-€” aus (Bl. 75 GA).

Mit seiner am 30.07.2014 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Nachzahlung eines weiteren Zuschusses zum Anpassungsgeld für den Zeitraum vom 01.03.2004 bis 28.02.2009.

Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 09.10.2014 die Verjährungseinrede erhoben.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe bei der Berechnung des Zuschusses zum Anpassungsgeld auch die ihm gezahlte Grubenwehrzulage für die Teilnahme an Grubenwehrübungen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu berücksichtigen gehabt. § 2 Ziffer 7 des Gesamtsozialplanes folge dem Enumerationsprinzip: was nicht ausdrücklich als von der Berechnung auszunehmend benannt sei, sei einzubeziehen. Dies treffe für die “Grubenwehr- und Gasschutzwehrzulage” zu, denn diese sei komplett sozialversicherungspflichtig gewesen, eine Zulage und keine Mehrarbeitsvergütung sowie keine Einmalzahlung, sondern eine tarifdynamische wiederkehrende Gehaltsleistung. Seine Ansprüche seien auch weder verwirkt noch verjährt. Vor Klageerhebung habe er ohne grobe Fahrlässigkeit keine Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen gehabt. Der Sozialplan nehme von den zu berücksichtigenden Lohnarten nur die Mehrarbeitsvergütung und alle Lohnarten, welche Einmalzahlungen gewährten, aus. Abweichend davon habe die Beklagte aber auch die für die Tätigkeit in der Grubenwehr gezahlten Lohnarten ausgenommen. Davon habe er erst durch einen Zeitungsartikel in der WAZ vom 19.10.2013 erfahren. In den Personalgesprächen vor seiner Abkehr habe die Beklagte immer betont, dass sich für ihn ein betrieblicher Zuschuss in Höhe von 350,- € brutto ergebe und sie alle Leistungen nach dem Sozialplan berechne. Schließlich habe die Beklagte ihm auch keine nachvollziehbare Abrechnung erteilt. Durch das Handeln der Beklagten sei ihm jedenfalls ein entsprechender Schadensersatzanspruch entstanden (Bl. 69 ff GA). Wegen der Berechnung der Klageforderung wird auf S. 6 ff der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 6 ff GA).

Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.395,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 73,25 € erstmals ab dem 01. März 2004, letztmals ab dem 01.02.2009, zu zahlen; 2. die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Abrechnung zu erteilen, welche die bei der Berechnung des Bruttomonatseinkommen nach § 2 Ziffer 6 (3) des geltenden Gesamtsozialplans einzubeziehenden Lohnarten und Gehaltsteile benennt und betragsmäßig beziffert.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, Vergütungsbestandteile für die Teilnahme an Grubenwehrübungen seien bei der Berechnung des Garantieeinkommens nicht zu berücksichtigen gewesen. Der Kläger sei freiwilliges Mitglied der Grubenwehr gewesen. Dies bedeute, dass der Kläger während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bei ihr arbeitsvertraglich nicht die Tätigkeit eines Grubenwehrmitglieds geschuldet habe. Die Vergütung, die sie für Übungen außerhalb der Arbeitszeit im Hinblick auf die Teilnahme an Grubenwehrübungen geleistet habe, könne deshalb denklogisch nicht Bestandteil der arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütung sein. Es sei nicht ihre Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, ob und wie die freiwilligen Mitglieder der Grubenwehr ihre Übungen organisierten. Insofern käme ihr kein Direktions- oder Weisungsrecht zu, wonach die freiwilligen Mitglieder der Grubenwehr arbeitsvertraglich dazu verpflichtet werden könnten, Übungen durchzuführen. Sie habe auch keine Sanktionsmöglichkeiten gehabt, wenn ein Mitglied der Grubenwehr nicht an einer Übung außerhalb der Arbeitszeit teilgenommen habe. Damit sei die Grubenwehrzulage keine Gegenleistung für erbrachte Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis. Da der Kläger bereits vor mehr als zehn Jahren ausgeschieden sei, müsse er sich überdies den Einwand der Verwirkung entgegenhalten lassen. Jedenfalls seien die mit der Klage vom 28.07.2014 geltend gemachten Ansprüche verjährt. Der Kläger sei vor seiner Abkehr am 12.02.2004 beraten worden. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, dass das vorläufige Anpassungsgeld ca. 1.766,- € betragen werde und sich der betriebliche Zuschuss auf rund 300,- € belaufe (s.o. und Bl. 75 GA). Tatsächlich habe der Kläger ein vorläufiges Anpassungsgeld in Höhe von 1.823,14 € erhalten, endgültig dann in Höhe von 2.031,63 €. Der betriebliche Zuschuss habe tatsächlich rund 350,- € brutto pro Monat betragen. Der Kläger habe aus den Lohnabrechnungen ohne weiteres entnehmen können, dass es Diskrepanzen gebe. Er habe sich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren nicht darauf berufen, dass bestimmte Bestandteile seines Einkommens nicht berücksichtigt worden seien. Sie habe deshalb darauf vertrauen können, dass der Kläger nach so langer Zeit die Berechnung nicht beanstanden werde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.12.2014 abgewiesen. Dem Erfolg der Klage stehe die erhobene Verjährungseinrede entgegen. Die Verjährungsfrist von drei Jahren habe für die zuletzt fällig gewordenen Ansprüche mit Ende des Kalenderjahres 2009 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners gehabt. Verjährung sei mit dem 31.12.2012 eingetreten. Die Klage sei erst am 30.07.2014 bei Gericht eingegangen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Abrechnung, weder nach § 108 GewO noch nach § 242 BGB. Der Kläger habe über sämtliche Informationen verfügt, um etwaige Ansprüche geltend machen zu können.

Das Urteil ist dem Kläger am 04.02.2015 zugestellt worden. Der Kläger hat am 02.03.2015 Berufung eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Frist bis zum 04.05.2015 am 04.05.2015 begründet.

Der Kläger wendet ein, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht Verjährung angenommen. Zu berücksichtigen sei, dass er nicht Vergütung für geleistete Arbeit begehre sondern die Offenlegung, wie die Beklagte die ihm zustehende Übergangsversorgung berechnet habe. Hierzu bestehe eine Ungleichheit des Wissens. Der GSP 2003 sehe deshalb umfassende Beratungspflichten vor. Bei der Beratung habe die Beklagte nicht den Sozialplan sondern ihre langjährig geübte Praxis zugrunde gelegt. Die Beklagte habe nicht drei Lohnarten unberücksichtigt gelassen sondern 187 Lohnarten, nämlich die die später in der Protokollnotiz vom 27.05.2010 zum GSP 2003 aufgelistet seien (Kopie Bl. 133 ff GA). Er, der Kläger, habe die Berechnung der Übergangsversorgung “Betrieblicher Zuschuss” aus mehr als 1000 Lohnarten mit Hilfe der Unternehmenssoftware SAP nicht leisten können. Erst im Jahr 2014 habe er Kenntnis erlangt, als er Kenntnis vom Verfahren ArbG Herne 1 Ca 1892/09 erfahren habe. Am 31.01.2014 habe er seinen Prozessvertreter zur Beratung aufgesucht. Vor diesem Zeitpunkt habe die Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen. Die Beklagte schulde 60 Monatsbeträge zu je 73,25, insgesamt 4.395,00 €. Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts habe er Anspruch auf die Erteilung der geforderten Abrechnung. Zu beachten sei, dass der GSP 2003 detaillierte Informations- und Beratungsrechte vorsehe (I Ziffer 2 GSP 2003). Er müsse mit der Systematik der Unternehmenssoftware SAP R 3, die mehr als 1000 Lohnarten unterscheide nicht vertraut sein. Zu berücksichtigen sei, dass die einzelnen Lohnarten im SAP-System kryptisch verschlüsselt seien. Die Prognosewerte der Beklagten im Beratungsgespräch ließen nicht erkennen, welche Lohnarten in die Berechnung einbezogen worden seien.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils – AZ: 3 Ca 1913/14 vom 09.12.2014 – des Arbeitsgerichts Herne die Beklagte zu verurteilen, I. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.395,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz – aus monatlich jeweils € 73,25 ab dem ersten Kalendertag des Folgemonats, erstmals ab dem 01.03.2004, letztmals ab dem 01.02.2009, zu zahlen und II. dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen, welche die bei der Berechnung des Brutto-Monatseinkommens nach § 2 Ziffer 7 (3) des geltenden Gesamtsozialplanes einzubeziehenden Lohnarten und Gehaltsteile benennt und betragsmäßig beziffert.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Sie halte an ihrer Rechtsauffassung fest, dass im Fall des Klägers gewährte Grubenwehrzulagen bei der Berechnung des Garantieeinkommens nicht einzubeziehen seien. Der Zuschuss sei zutreffend berechnet. Zu Recht habe das Arbeitsgericht die Forderung als verjährt angesehen. Der Kläger habe Kenntnis von allen einen eventuellen Anspruch begründenden Tatsachen gehabt. Er habe seinen Entgeltabrechnungen entnehmen können, welche Entgeltarten er in welcher Höhe im Referenzzeitraum bezogen habe. Zutreffend habe das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Frage, ob ein bestimmter Lohnbestandteil bei der Berechnung des Garantieeinkommens zu berücksichtigen sei, keine Tatsache sondern eine Rechtsfrage sei. Entscheidend für den Beginn der Verjährung sei die Kenntnis von den den Anspruch begründenden Tatsachen. Dem Kläger seien die Entgeltabrechnungen der maßgebenden Monate bekannt gewesen. Anhand der Abrechnungen sei eine Berechnung der Sozialplanansprüche möglich. Auch ein Anspruch auf die begehrte Abrechnung bestehe nicht. Es fehle an einer Anspruchsgrundlage.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und weiterer Einzelheiten ihrer rechtlichen Argumentation wird ergänzend auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG. Die Berufung ist form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache bleibt die Berufung jedoch ohne Erfolg.

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht den Zahlungsantrag für die Monate März 2004 bis Februar 2009 wegen Verjährung gemäß §§ 195, 199 Abs. 1, 214 Abs. 1 BGB abgewiesen. Nach § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entscheidend ist die Kenntnis von den Tatsachen, aufgrund derer eine Klage erhoben werden könnte. Die erforderliche Kenntnis bezieht sich allein auf die Tatsachen und nicht auf die zutreffende rechtliche Würdigung (BAG 13.03.2013 AP AÜG § 10 Nr. 27 Rn. 23 ff). Die Ansprüche des Zeitraums März 2004 bis Februar 2009 sind in den entsprechenden Monaten der Jahre 2004 bis 2009 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt waren dem Kläger die maßgeblichen Umstände bekannt. Insbesondere hatte er Kenntnis, wie hoch sein Verdienst im Arbeitsverhältnis im maßgeblichen Referenzzeitraum 2001/2002 gewesen war, aus welchen Entgeltbestandteilen es sich zusammengesetzt hatte und wie weit seine Bezüge im Anpassungszeitraum hinter den Bezügen in der Endphase des Arbeitsverhältnisses zurückblieben. Die Verjährung für die streitgegenständlichen Ansprüche bis einschließlich März 2009 ist sukzessive mit Ablauf der Jahre 2007 bis 2012 eingetreten. Bei Klageerhebung am 30.07.2014 waren alle Ansprüche verjährt. Am Ergebnis der Verjährung der Nachforderungsansprüche für die Monate bis März 2009 ändert der Umstand nichts, dass die Beklagte seinerzeit auf der Grundlage ihrer damaligen Rechtsauffassung einen niedrigeren Zuschussbetrag errechnet hatte als ihn der Kläger unter Einbeziehung insbesondere der Grubenwehrzulage für zutreffend erachtet. Da § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB für den Verjährungsbeginn – wie oben ausgeführt – auf die Kenntnis der Tatsachen abstellt, ändert die Argumentation des Klägers, er habe die zutreffende Rechtslage nicht erkannt / nicht erkennen können, nichts am Eintritt der Verjährung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung. Eine schuldhafte Verletzung von Beratungspflichten kann nach dem unterbreiteten Lebenssachverhalt nicht festgestellt werden. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass ein Schuldner bei schwieriger und zweifelhafter Rechtslage auf die ihm günstige Rechtslage vertrauen darf und ihm bei einem entschuldbaren Rechtsirrtum kein Verschuldensvorwurf zu machen ist ( BAG 11.06.1997 – 10 AZR 613/96 – AP BGB § 291 Nr. 1 Rn. 66 [iuris]). Der Kläger hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass die Beklagte ihn im Beratungsgespräch im Februar 2004 vorwerfbar und schuldhaft falsch beraten hätte. Die Beklagte hat in dem am 15.10.2013 vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Musterverfahren zur Berechnung des Zuschusses bis zuletzt an ihrer Rechtsauffassung festgehalten, die von ihr praktizierte Berechnung des Zuschusses des Anpassungsgeldes ohne die in der Protokollnotiz des Jahres 2010 ausgewiesenen Lohn- und Gehaltsarten entspreche den Vorgaben des Gesamtsozialplans (vgl. BAG 15.10.2013 – 1 AZR 544/12 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 223 [nur LS] Rn 8), eine Auffassung, die auch der Gesamtbetriebsrat RAG Deutsche Steinkohle ausweislich seiner Unterschrift unter der Protokollnotiz vom 27.05.2010 seinerzeit geteilt hat.

Da Zahlungsansprüche des Klägers bereits wegen Verjährung ausgeschlossen sind, muss nicht abschließend geklärt werden, ob der Kläger einen Nachforderungsanspruch auf Grundlage des GSP 2003 in der eingeforderten Höhe überhaupt schlüssig dargelegt hat.

2. Ebenfalls zutreffend hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erteilung einer Abrechnung als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung, welche die bei der Berechnung des Garantieeinkommens zu berücksichtigenden Lohnarten und Gehaltsbestandteile benennt und betragsmäßig beziffert. Ein Anspruch auf die eingeforderte Abrechnung folgt nicht aus § 108 GewO. Ein Anspruch auf Abrechnung nach § 108 GewO besteht nur hinsichtlich der vom Arbeitgeber ausgezahlten Beträge (BAG 07.09.2009 AP GewO § 109 Nr. 1). Beträge, die die Beklagte nicht ausgezahlt hat, muss sie nicht nach § 108 GewO abrechnen. Der verfolgte Anspruch ergibt sich auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB. Die Beklagte ist nicht aus arbeitsvertraglicher Nebenpflicht zu einer entsprechenden Auskunft verpflichtet, da der Kläger bereits seinerzeit über alle erforderlichen Informationen verfügte, um vermeintliche Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Die Beklagte hat die an den Kläger im Referenzzeitraum erbrachten Entgeltleistungen unstreitig umfangreich abgerechnet. Ausweislich der vom Kläger selbst mit der Klageschrift vorgelegten monatlichen Entgeltabrechnungen hat sie dabei die jeweiligen Lohnarten benannt und die entsprechenden Beträge beziffert. Damit verfügte der Kläger bereits vor Beginn der Anpassungsphase über sämtliche Informationen, um vermeintliche Ansprüche gegen die Beklagte auf Zahlung eines weiteren Zuschusses zum Anpassungsgeld geltend zu machen. Ein Anspruch folgt schließlich nicht aus § 1 Nr. 2 GSP 2003. Die Beklagte hat den Kläger beraten. Ergänzend hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit ihre Rechtsauffassung zur Zusammensetzung des Garantieeinkommens deutlich gemacht. Weitergehende Aufklärung schuldet die Beklagte nach § 1 Nr. 2 GSP 2003 nicht. Die Frage, ob eine bestimmte Lohnart zur Vergütung im Sinne des § 2 Nr. 7 Abs. 3 des Gesamtsozialplans zählt, ist keine Tatsachenfrage, die die Beklagte durch eine entsprechende Auskunft klären müsste, sondern eine Rechtsfrage, zu der die Parteien in legitimer Weise unterschiedliche Auffassungen vertreten können.

III.

Die Kostenentscheidung fußt auf § 97 Abs. 1 ZPO. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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