Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 28.08.2015 – 10 Sa 176/15

Juni 19, 2020

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 28.08.2015 – 10 Sa 176/15

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 RSO zum BAT-KF sind Rationalisierungsmaßnahmen vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, wenn die Maßnahmen für die Angestellten zu einem Wechsel der Beschäftigung oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Die unter § 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 RSO aufgeführten Maßnahmen stellen nur dann eine Rationalisierungsmaßnahme dar, wenn damit die in Unterabsatz 1 genannten Ziele verfolgt werden.

2. Keine Rationalisierungsmaßnahmen in diesem Sinne sind personalwirtschaftliche Maßnahmen, die lediglich den Personalbedarf an geänderte Gegebenheiten anpassen.

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 21.11.2014, Az. 1 Ca 2851/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Zulage.

Die Beklagte ist Teil der Diakonie und Trägerin von Einrichtungen der Behinderten- und Jugendhilfe. Sie beschäftigt ca. 410 Arbeitnehmer. In der von ihr betriebenen Werkstatt für behinderte Menschen bietet sie Ausbildungsmöglichkeiten in verschiedenen Arbeitsfeldern an (z.B. Montage, Verpackung und Textilwerkstatt). Eine Mitarbeitervertretung ist gebildet.

Die 1956 geborene Klägerin ist Friseurmeisterin. Nachdem sie schon vom 01.03.2004 bis zum 31.03.2007 bei der Beklagten als Friseurmeisterin tätig war, wurde sie ab dem 01.10.2007 als Leiterin des Ausbildungssalons/ Förderwerkstatt mit mehr als 15 Arbeitnehmern beschäftigt. Gemäß § 2 des Dienstvertrages (Bl. 7 f. d.A.) sind auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF) anwendbar.

Die Klägerin wurde zum 1. Januar 2011 nicht gemäß den Übergangsregelungen für die Mitarbeitenden, die unter die Anlage 9 zum BAT-KF fallen, in den SD-Entgeltgruppenplan übergeleitet, sondern erhielt weiter eine sich bei einem Stellenanteil von 82 % auf ca. 2.681,00 Euro pro Monat belaufende Vergütung nach Entgeltgruppe 9 Stufe 5 des BAT-KF.

Am 28. Februar 2011 beschloss der Vorstand der Beklagten, den von der Klägerin geleiteten Ausbildungssalon zum 30. Juni 2011 zu schließen. Ab dem 24. Mai 2011 fand dort keine Ausbildung mehr statt. Die Beklagte sprach deshalb gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 27. Mai 2011 (Bl. 9 d.A.) eine betriebsbedingte Änderungskündigung aus, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis im Betreuungsdienst der stationären Behindertenhilfe im Wohnbereich der Einrichtung ” X” fortzusetzen. Weiter wies die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe SD 3 Fallgruppe 2 Stufe 3 eingruppiert werde und die monatliche Bruttovergütung sich bei einem Stellenanteil von 0,82% auf 1.798,62 € zzgl. Zulagen reduziere.

Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin mit Schreiben vom 04.06.2011 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Kündigung an und erhob gleichzeitig Klage gegen die ausgesprochene Kündigung. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die dagegen gerichtete Berufung mit am 12.04.2013 verkündeten Urteil (Az. 10 Sa 897/12) zurückgewiesen. Mit Erhebung der Kündigungsschutzklage machte die Klägerin die Zahlung der ungekürzten Vergütung geltend und mit Schreiben vom 07.06.2013 (Bl. 11 f. d.A.) forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte erfolglos auf, eine Ausgleichszulage nach § 7 der “Ordnung zur Sicherung von Mitarbeitern bei Rationalisierungsmaßnahmen” (RSO) bzw. das “Entgelt nach einer individuellen Endstufe nach den Bestimmungen des § 14 Abs. 4 BAT-KF unter Berücksichtigung der Übergangsregelungen zu Anlage 9 BAT-KF” zu zahlen.

Die RSO zum BAT-KF enthält – soweit vorliegend von Bedeutung – folgende Regelungen:

§ 1 Geltungsbereich

(1) Diese Ordnung gilt für unter BAT-KF und den MTArb-KF fallende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie gilt für Dienststellen, in denen in der Regel mehr als fünfzehn Mitarbeiter beschäftigt sind.

(2)

§ 2 Begriffsbestimmung

(1) Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne dieser Ordnung sind vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik und wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, wenn diese Maßnahmen für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu einer Änderung des Arbeitsvertrages oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Unter den Voraussetzungen des Unterabsatzes 1 kommen als Maßnahmen z.B. in Betracht:

a) Stilllegung oder Auflösung einer Dienststelle bzw. eines Teils einer Dienststelle

b) Verlegung einer Dienststelle bzw. eines Teils einer Dienststelle

c) Zusammenlegung von Dienststellen bzw. von Teilen einer Dienststelle

d) Einführung anderer Arbeitsmethoden oder Fertigungsverfahren, auch soweit sie durch Nutzung technischer Veränderungen bedingt sind.

(2) …

Ist eine Änderung erheblich oder wesentlich, ist es nicht erforderlich, dass sie für mehrere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu einer Änderung des Arbeitsvertrages oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt.

(3) Keine Maßnahme im Sinne des Absatzes 1 sind Maßnahmen, die unmittelbar z.B. durch

– voraussichtlich nicht nur kurzfristigen Nachfragerückgang

– eine von Dritten (insbesondere durch gesetzgeberische Maßnahmen) verursachte Aufgabeneinschränkung

– Wegfall zweckgebundener Drittmittel

veranlasst sind.

§ 4 Arbeitsplatzsicherung

(1) Der Arbeitgeber ist den von einer Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des § 1 betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nach den Absätzen 2 bis 5 zur Arbeitsplatzsicherung verpflichtet. Die Sicherung setzt erforderlichenfalls eine Fortbildung oder Umschulung des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin voraus.

(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu sichern. Ein Arbeitsplatz ist gleichwertig im Sinne des Unterabsatzes 1, wenn sich durch die neue Tätigkeit die bisherige Eingruppierung nicht ändert….

(3) Kann den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kein Arbeitsplatz im Sinne des Absatzes 2 zur Verfügung gestellt werden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ihnen einen anderen Arbeitsplatz anzubieten.

….

§ 7 Ausgleichszulage

(1) Ergibt sich in den Fällen des § 4 Abs. 2 und 3 eine Minderung der Bezüge, erhalten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen, die ihnen für den ersten vollen Beschäftigungsmonat aus der neuen Tätigkeit zustehen, und den Bezügen, die ihnen aus der früheren Tätigkeit zuletzt zustanden.

Im Laufe des Verfahrens erhöhte die Klägerin ihren Stellenanteil und erhält dafür derzeit ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.300,00 Euro monatlich.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass ihr aufgrund der mit der Änderungskündigung verbundenen Herabgruppierung in die SD 3 Fallgruppe 2 Stufe 3 ein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage nach der RSO zustehe. Die Klägerin falle unter den persönlichen Anwendungsbereich der RSO, da sie unstreitig in einer Dienststelle mit mehr als 15 Mitarbeitern tätig sei. Es liege auch eine Rationalisierungsmaßnahme i.S.v. § 2 Abs. 1 RSO vor, denn in § 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 RSO sei ausdrücklich u.a. die Stilllegung oder Auflösung einer Dienststelle als Rationalisierungsmaßnahme genannt. Würde man § 2 Abs. 1 RSO dahingehend auslegen, dass eine unter § 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 RSO genannte Maßnahme nur bei Verfolgung eines der unter § 2 Abs. 1 S. 1 Unterabsatz 1 RSO genannten Ziele eine Rationalisierungsmaßnahme darstelle, so käme man nie zu dem Ergebnis, dass eine Stilllegung oder Auflösung unter die RSO falle. Denn eine Stilllegung oder Auflösung einer Dienststelle erschöpfe sich in eben diesem Ziel. Das weitergehende Ziel einer rationelleren Arbeitsweise sei hier nicht erkennbar; der Rationalisierungseffekt liege regelmäßig allein in der Kostenersparnis.

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Stilllegung schon deshalb nicht unter § 2 Abs. 1 RSO falle, da die Stilllegungsentscheidung auf einem Nachfragerückgang i.S.v. § 2 Abs. 3 RSO beruht habe. Vielmehr habe der Nachfragerückgang auf der Stilllegungsentscheidung beruht, denn nachdem die Beklagte entschieden habe, den Bereich Förderwerkstätten aus Kostengründen nicht mehr weiterzuführen, habe sie auch keine Auszubildenden mehr aufgenommen.

Aufgrund der ausgesprochenen Änderungskündigung, bei deren Durchführung die Beklagte die sich aus den §§ 3 ff. RSO ergebenden Vorgaben nicht beachtet habe, habe die Klägerin eine geringerwertige Stelle annehmen müssen. Ihr stehe deshalb eine Ausgleichszulage nach § 7 RSO in Höhe der Entgeltgruppendifferenz zwischen der vormaligen Vergütung nach EG 9 Stufe 5 sowie der jetzigen Vergütung nach SD Stufe 3 BAT-KF zu.

Jedenfalls stehe der Klägerin hilfsweise ein Anspruch auf die in § 14 Abs. 4 BAT-KF geregelte Ausgleichszulage zu wegen der Herabgruppierung in die SD 3 bei gleichzeitig unterbliebener Überleitung in die SD-Gruppen zum 01.01.2011. Denn hätte die Beklagte die Klägerin – wie tariflich vorgesehen – zum 01.01.2011 aus der EG 9 Stufe 5 BAT-KF in die SD-Gruppen übergeleitet und erst anschließend in die Entgeltgruppe SD 3 BAT-KF herabgruppiert, so hätte die Klägerin ihre individuelle Endstufe aus der Überleitung behalten müssen. Da die SD-Gruppen eine Stufe 5 nicht kennen, hätte sich für die Klägerin eine sog. individuelle Endstufe ergeben, die nach der Protokollerklärung zu § 14 Abs. 4 S. 7 BAT-KF auch nach Zuordnung zu einer niedrigeren Entgeltgruppe fortzuführen gewesen wäre. Aufgrund dessen stehe der Klägerin neben dem Entgelt aus der neuen Tätigkeit ein weiterer Betrag in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dieser Endstufe und des sich vor der Abgruppierung nach Überleitung in die SD-Gruppen als individuelle Endstufe ergebenden Entgelts zu. Ungeachtet dessen hätte aber eine Stufenzuordnung jedenfalls in die höchstmögliche Gruppe der SD-Gruppen erfolgen müssen. Auch dies habe die Beklagte unterlassen, da sie offenbar der Auffassung gewesen sei, die Klägerin wie eine Neueinstellung behandeln zu müssen.

Der Anspruch der Klägerin sei schließlich auch nicht verfallen, da sie bereits mit Erhebung der gegen die Änderungskündigung gerichteten Klage immer wieder auf ihren Anspruch auf Auszahlung einer ungekürzten Vergütung hingewiesen habe.

Die Klage sei als Feststellungsklage zulässig, da zu erwarten sei, dass die Beklagte als kirchlich-diakonische Einrichtung auch auf ein Feststellungsurteil hin leisten werde. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche könne die Klägerin im Wege eines Haupt- und eines Hilfsantrages geltend machen, da sie ihren Anspruch nicht nur auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen stütze, sondern es sich um unterschiedliche Formen von Zulagen handele.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin mit Wirkung ab 01.10.2011 eine Zulage nach § 7 Abs. 1 RSO-BAT-KF in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Vergütungen der Entgeltgruppen SD 3, Stufe 3 und EG 9 Stufe 5 des BAT-KF zu zahlen; hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Ausgleichszulage nach § 14 Abs. 4 BAT-KF in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen SD 3, Stufe 3 BAT-KF und EG 9 Stufe 5 BAT-KF zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Klage wegen des Vorranges der Leistungsklage als Feststellungsklage schon unzulässig sei. Zudem stünden der vermeintliche Haupt- und Hilfsantrag nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis, da die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage lediglich auf zwei unterschiedliche Anspruchsgrundlagen stütze.

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage nach § 7 Abs. 1 RSO auch in der Sache nicht zu, da keine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der RSO vorliege. § 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 RSO definiere Rationalisierungsmaßnahmen in diesem Sinne als “vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik und wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise”. Nur unter diesen Voraussetzungen stelle eine Stilllegung nach § 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 a) eine Rationalisierungsmaßnahme dar. Vorliegend sei die Stilllegung aber nicht aus den unter § 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 RSO genannten Gründen erfolgt, sondern weil schon seit längerem keine Nachfrage mehr herrschte nach der Ausbildung oder den Dienstleistungen der Förderwerkstatt. Insoweit stelle auch § 2 Abs. 3 RSO klar, dass Maßnahmen im Sinne des Abs. 1 nicht solche Maßnahmen seien, die unmittelbar z.B. durch einen voraussichtlich nicht nur kurzfristigen Nachfragerückgang veranlasst seien.

Die Beklagte habe auch das von den §§ 3 ff. RSO vorgeschriebene Verfahren eingehalten, habe der Klägerin aufgrund ihrer Qualifikation aber keinen gleichwertigen Arbeitsplatz anbieten können. Jedenfalls könne ein Unterlassen der dort genannten Bestrebungen aber nicht zu einem Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage führen.

Der Anspruch auf Ausgleichszulage sei ferner nach § 36 BAT-KF jedenfalls überwiegend verfallen, da die Klägerin diesen Anspruch erstmals Schreiben vom 07.06.2011 geltend gemacht habe. Ferner sei zweifelhaft, ob dieses Schreiben eine hinreichende Geltendmachung im Sinne des § 36 BAT-KF darstelle, da die Klägerin dazu ihren Zahlungsantrag hätte beziffern müssen.

Der als Hilfsantrag geltend gemachte, auf § 14 Abs. 4 BAT-KF gestützte Zahlungsanspruch sei unzulässig, da die Klägerin in der Sache eine andere Eingruppierung verlange, die sie mit einer Eingruppierungsklage geltend machen müsse.

Mit Urteil vom 04.11.2014, auf dessen Tatbestand zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klage als Feststellungsklage zulässig sei, da die Rechtsprechung u.a. im Bereich der kirchlich getragenen Arbeitgeber eine solche trotz der Subsidiarität der Feststellungsklage zulasse. Bei dem Hilfsantrag handele es sich nicht um einen echten Hilfsantrag, sondern nur um eine Hilfsbegründung für den der Höhe nach identischen Anspruch.

Die Klage sei jedoch unbegründet, da es an einer Anspruchsgrundlage fehle. Ein Anspruch gemäß §§ 2, 7 RSO scheide aus, da die Stilllegung, die zwar grundsätzlich unter § 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 RSO falle, vorliegend nicht durch einen nur kurzfristigen Nachfragerückgang veranlasst sei und deshalb nach der ausdrücklichen Regelung in § 2 Abs. 3 RSO keine Maßnahme nach § 2 Abs. 1 RSO darstelle. Die Klägerin könne sich zur Begründung ihres Anspruchs auch nicht auf § 14 Abs. 4 BAT-KF berufen, da diese Vorschrift keine eigenständige Anspruchsgrundlage darstelle. Wenn die Klägerin der Auffassung sei, nicht zutreffend eingruppiert zu sein, so müsse sie eine Eingruppierungsklage erheben. Wegen des weiteren Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 55 ff. d.A. Bezug genommen.

Gegen das klageabweisende, der Klägerin am 05.01.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.02.2015 eingelegte Berufung, die die Klägerin nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist fristgemäß am 07.04.2015 begründet hat.

Die Klägerin wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts und führt ergänzend aus: Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts lägen die Voraussetzungen des § 7 RSO vor. Schon nach der eigenen Definition des § 2 Abs. 1 2. Unterabsatz stelle insbesondere die Stilllegung eine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der RSO dar.

Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass mit der Aufgabe aller Förderwerkstätten ein kompletter Teil einer Dienststelle aufgelöst worden sei; es sei ferner zu Unrecht davon ausgegangen, dass langfristige Rationalisierungsmaßnahmen nicht unter die RSO fallen. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung, dass die RSO nur auf kurzfristige Rationalisierungsmaßnahmen anwendbar sei, sei weder dem Wortlaut, noch dem Sinn und Zweck der Regelung zu entnehmen, die letztlich- vergleichbar einem Sozialplan – wirtschaftliche Nachteile derartiger Maßnahmen abmildern solle. § 2 Abs. 3 RSO verhalte sich nur zur Frage der Gründe für die durchgeführte Stilllegung. Bei konsequenter Anwendung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung könnte eine Stilllegung oder Auflösung einer Dienststelle niemals eine Maßnahme im Sinne der RSO sein.

Jedenfalls habe das Arbeitsgericht nicht ohne Beweisaufnahme unterstellen dürfen, dass die Stilllegung nicht auf einem “voraussichtlich nicht nur kurzen Nachfragerückgang” beruht habe. Tatsächlich habe die Stilllegung nicht auf einem Rückgang der Nachfrage beruht, sondern darauf, dass die Beklagte entschieden habe, derartige Maßnahmen nicht mehr durchzuführen und sich für entsprechende Fördermittel nicht mehr zu bewerben. Den erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin, dass die Beklagte die Förderwerkstätten stillgelegt habe, da sie nicht lukrativ genug gewesen seien, und dass sie infolge dessen keine Auszubildenden mehr aufgenommen habe, habe das Arbeitsgericht unberücksichtigt gelassen, obwohl die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte zu den Hintergründen der Stilllegung nicht ausreichend vorgetragen habe.

Da die Beklagte die Vorgaben der RSO nicht eingehalten, insbesondere der Klägerin keinen gleichwertigen Arbeitsplatz angeboten habe, sondern stattdessen eine Änderungskündigung ausgesprochen habe, stehe der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung der Ausgleichszulage nach § 7 RSO zu.

Jedenfalls stehe der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage aus § 14 Abs. 4 BAT-KF auf Zahlung desjenigen Betrages zu, der sich ergeben hätte, wenn die Beklagte die Klägerin – wie tariflich vorgesehen – zum 01.11.2011 aus der EG 9 Stufe 5 BAT-KF in die SD-Gruppen übergeleitet und die Klägerin erst anschließend in die Entgeltgruppe SD 3 herabgruppiert hätte. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stelle § 14 Abs. 4 BAT-KF insoweit eine eigene Anspruchsgrundlage dar und die Klägerin müsse ihren Anspruch nicht im Wege einer Eingruppierungsklage geltend machen. Denn § 14 Abs. 4 BAT-KF formuliere ausdrücklich, dass “die oder der Mitarbeitende … den Unterschiedsbetrag als Ausgleichszulage” erhalte. Die Klägerin begehre gerade nicht die Eingruppierung in eine andere Vergütungsgruppe, sondern eine Ausgleichs – bzw. Besitzstandszulage im Hinblick darauf, dass die Beklagte die Klägerin zum 01.11.2011 zunächst nicht übergeleitet habe. Da die SD-Gruppen eine Stufe 5 nicht kennen, hätte sich allein aus diesem Umstand für die Klägerin eine individuelle Endstufe ergeben, die nach der Protokollerklärung zu § 14 Abs. 4 Nr. 7 BAT-KF fortzuführen sei. Der Klägerin stehe deshalb zusätzlich zu der aktuellen Endstufe der Entgeltgruppe SD 3 BAT-KF ein weiterer Betrag in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dieser Endstufe und des sich vor der Herabgruppierung nach Überleitung in die SD-Gruppen als individuelle Endstufe ergebenden Entgelts zu.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 21.11.2014, Az. 1 Ca 2851/13, abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin mit Wirkung ab 01.10.2011 eine Zulage nach § 7 Abs. 1 RSO-BAT-KF in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Vergütungen der Entgeltgruppen SD 3, Stufe 3 und EG 9 Stufe 5 des BAT-KF zu zahlen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Ausgleichszulage nach § 14 Abs. 4 BAT-KF in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen SD 3, Stufe 3 BAT-KF und EG 9 Stufe 5 BAT-KF zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor: Zu Recht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass zugunsten der Klägerin keine Anspruchsgrundlage streite. Im Hinblick auf § 7 RSO sei das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass keine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 RSO vorliege, da eine solche nach dem Wortlaut der Regelung erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik bzw. wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise und damit Maßnahmen verlange, die ohne äußere Einflüsse bzw. Notwendigkeiten veranlasst worden seien. Die Klägerin blende diese Voraussetzung – die vorliegend nicht erfüllt sei, da durch die Schließung gerade keine Änderung der Arbeitstechnik oder -organisation erfolgt sei – aus, indem sie allein auf die durchgeführte Stilllegung abstelle.

Tatsächlich habe die Stilllegung auf einem nicht nur kurzfristigen Nachfragerückgang beruht. Dazu habe die Beklagte erstinstanzlich im Kammertermin unbestritten vorgetragen, dass die Nachfrage an Dienstleistungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich rückläufig gewesen sei und zudem die drei bestehenden Ausbildungsplätze im Friseursalon nicht nachgefragt, sondern mit jeweils maximal einem Auszubildenden besetzt gewesen seien. Dies sei der Klägerin als Leiterin des Friseursalons auch bekannt. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch einen auf § 14 Abs. 4 BAT-KF gestützten Anspruch abgelehnt, da diese Regelung keine eigene Anspruchsgrundlage darstelle.

Schließlich sei die begehrte Zahlung jedenfalls ab dem 01.11.2011 teilweise verfallen und mittlerweile jedenfalls für das Jahr 2011 auch verjährt.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Protokollerklärungen der Parteien ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b ArbGG) und nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 05.02.2015 gegen das am 05.01.2015 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie wurde auch innerhalb der verlängerten Frist des § 66 Abs. 1 S. 1, S. 5 ArbGG ordnungsgemäß nach den §§ 520 Abs. 3 in Verbindung mit 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 07.04.2015 begründet und ist damit insgesamt zulässig.

II. Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Der Feststellungsantrag gem. § 256 Abs. 1 ZPO muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Er kann sich auf Teilrechtsverhältnisse, insbesondere auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Lediglich bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden (vgl. BAG, Urteil vom 27. Oktober 2005 – 6 AZR 123/05 – Rn. 12, BAGE 116, 160).

Bei der von der Klägerin zur Entscheidung gestellten Vergütungspflicht handelt es sich nicht lediglich um eine Vorfrage oder abstrakte Rechtsfrage. Vielmehr geht es um die konkrete Ausgestaltung eines wesentlichen Teils des Arbeitsverhältnisses.

b) Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses. Ein solches Interesse ist anzunehmen, wenn das angestrebte Feststellungsurteil geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen (BAG, Urteile vom 23. September 2009 – 5 AZR 628/08 – […]; vom 13. Februar 2003 – 8 AZR 102/02 – AP BGB § 613a Nr. 245). Die Beklagte lehnt einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Ausgleichszulage generell ab. Die Feststellungsklage ist geeignet, den Streit der Parteien insgesamt beizulegen. Insbesondere ist zu erwarten, dass sich die Beklagte als kirchlich-diakonische Einrichtung bereits einer Feststellung ihrer rechtlichen Verpflichtung entsprechend verhalten wird (vgl. dazu BAG, Urteil vom 23. September 2009 – 5 AZR 628/08 – […]; BGH, Urteil vom 25. Oktober 2004 – II ZR 413/02 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 89).

Mit der begehrten Feststellung wird die Leistungspflicht der Beklagten auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstands auch in den zeitlichen Grenzen der Rechtskraft abschließend geklärt. Das Feststellungsbegehren ist dahin auszulegen, die Beklagte solle zur begehrten Leistung im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses verpflichtet sein. Das Feststellungsinteresse entfällt nicht deshalb, weil die Klägerin für den Zeitraum ab November 2011 ihren Anspruch im Wege der Leistungsklage geltend machen könnte. Sie begehrt Vergütung nicht nur für zurückliegende Zeiträume, sondern auch für die Zukunft. Deshalb kann aus prozessökonomischen Gründen der gesamte Streit zwischen den Parteien durch ein Feststellungsurteil beigelegt werden.

c) Der Antrag genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin nennt zwar keinen bestimmten Lohnbetrag. Jedoch genügt es bei der auf Zahlung gerichteten Feststellungsklage, dass die Grundlagen angeführt werden, nach denen sich ein konkreter Betrag ermitteln lässt. Die Ausgleichszulage, die sich aus der Entgeltdifferenz zwischen der Vergütung nach SD 3, Stufe 3 BAT-KF und EG 9 Stufe 5 BAT-KF ergibt, ist hinreichend bestimmbar.

III. Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage nach § 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit §§ 2, 7 RSO. Denn bei der Schließung des Ausbildungssalons/ Förderwerkstatt handelt es sich nicht um eine Rationalisierungsmaßnahme i.S. dieser Vorschriften.

a) Der Tarifvertrag ist gemäß § 2 des Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit.

b) Gemäß § 2 Absatz 1 RSO sind Rationalisierungsmaßnahmen “vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, wenn die Maßnahmen für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu einer Änderung des Arbeitsvertrages oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen”. In § 2 Absatz 1 Unterabsatz 2 RSO sind vom Tarifvertrag erfasste Maßnahmen – u.a. die Stilllegung oder Auflösung einer Dienststelle bzw. eines Teils einer Dienststelle – beispielhaft aufgeführt.

c) Vorliegend kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Stilllegung des Ausbildungssalons/ Förderwerkstatt durch eine Stilllegungsentscheidung der Beklagten oder aber durch einen “nicht nur kurzfristigen Nachfragerückgang” i.S.d. § 2 Abs. 3 RSO veranlasst worden ist, dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist die Stilllegung vorliegend nicht zur Änderung der Arbeitstechnik oder wesentlichen Änderung der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise erfolgt und stellt damit keine Rationalisierungsmaßnahme i.S.v. § 2 Abs. 1 RSO dar.

aa) Ob eine Stilllegung eines Betriebes den Begriff Rationalisierungsmaßnahme gemäß § 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 RSO erfüllt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist zunächst vom Wortlaut der Vorschrift auszugehen und der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG, Urteile vom29. August 2001 – 4 AZR 337/00 – BAGE 99, 24, 28 f. m.w.N.; vom 17. März 1988 – 6 AZR 634/86 -, BAGE 58, 31-37, Rn. 14). Außerdem ist der tarifliche Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Im Übrigen können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages und eine bereits existierende praktische Tarifübung ergänzend herangezogen werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 17. März 1988 – 6 AZR 634/86 -, a.a.O.).

bb) Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass § 2 Abs. 1 2. Unterabsatz die “Stilllegung oder Auflösung einer Dienststelle bzw. eines Teils der Dienststelle” ausdrücklich nennt. Die grammatikalische, am Wortlaut orientierte Auslegung dieser Vorschrift führt vorliegend dennoch zu dem Ergebnis, dass die Stilllegung der Dienststelle keine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 RSO darstellt. Denn nach § 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 kommen die dort beispielhaft aufgeführten Maßnahmen “unter den Voraussetzungen des Unterabsatzes 1” als Maßnahmen im Sinne dieser Vorschrift in Betracht. Diese Verknüpfung macht deutlich, dass nicht jede Verlegung, Zusammenlegung, Stilllegung oder Ausgliederung darunter fällt. Es bedarf somit schon bei grammatikalischer Auslegung des Hinzutretens weiterer tariflicher Merkmale, um den Begriff der Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des Tarifvertrages zu erfüllen. Aufgrund dessen stellt einerseits nicht jede Stilllegung eine Rationalisierungsmaßnahme dar, andererseits können nicht nur die in dem mit “z.B.” eingeleiteten Teilsatz genannten Möglichkeiten als Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne des Tarifvertrages bezeichnet werden. Hinzukommen muss vielmehr stets eine vom Arbeitgeber veranlasste, erhebliche oder wesentliche Änderung der Arbeitstechnik oder -organisation und eine damit bezweckte rationellere Arbeitsweise, um dem tarifvertraglichen Verständnis der Rationalisierungsmaßnahme gerecht zu werden (vgl. so BAG, Urteil vom 17. März 1988 – 6 AZR 634/86 -, BAGE 58, 31-37 zu der ähnlich lautenden Regelung in § 2 des Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 29. Oktober 1971 in der Fassung vom 18. Oktober 1973 (TV-Rat)). Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt damit die Stilllegung nicht allein deshalb eine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der RSO dar, weil die unter § 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 lit. a) beispielhaft aufgeführt worden ist.

cc) Vorliegend kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Schließung aufgrund eines Nachfragerückgangs erfolgt ist oder umgekehrt der Nachfragerückgang Folge der beabsichtigten und auch durchgeführten Stelllegung ist, dahinstehen. Denn auch den Vortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt, dass die Beklagte den Ausbildungssalon/ Förderwerkstatt zum Zwecke der Kostenersparnis geschlossen hat, stellt dies keine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der RSO dar. Denn eine Kostensenkung für sich allein bedeutet keine Änderung der Arbeitsorganisation, die eine rationellere Arbeitsweise bezweckt. Zwar stellt die ersatzlose und dauerhafte Stilllegung des Ausbildungssalons eine wesentliche Änderung der Arbeitsorganisation dar, denn eine Änderung setzt begrifflich nicht den Erhalt eines Teils der Arbeitsorganisation voraus und gerade die völlige Beendigung der betrieblichen Organisationsstruktur stellt die weitgehendste Erscheinungsform der Änderung der Arbeitsorganisation dar (vgl. BAG, Urteil vom 17. März 1988 – 6 AZR 634/86 -, BAGE 58, 31-37). Eine rationellere Arbeitsweise hat die Beklagte mit der wesentlichen Änderung der Arbeitsorganisation in Form der Stilllegung des Ausbildungssalons aber nicht bezweckt.

Zwar kann auch die Stilllegung eines Betriebs oder einer Verwaltung eine rationellere Arbeitsweise bezwecken, wenn durch sie die Leistung des Betriebes oder der Dienststelle infolge einer zweckmäßigeren Gestaltung von Arbeitsabläufen, von Kapazitätserweiterungen oder besserer Auslastung verbessert werden soll, indem der menschliche Aufwand an Arbeit oder auch an Zeit und Energie, Material und Kapital herabgesetzt wird (vergleiche auch BAG, Urteil vom 17. März 1988 – 6 AZR 634/86 – BAGE 58, 31-37; LAG Hamm, Urteil vom 31. Mai 2007 – 17 Sa 1857/06 – […]; BVerwG, Beschluss vom 17.06.1992 – 6 P 17.91 – AP Nr. 40 zu § 75 BPersVG). Dabei ist nicht zwingend erforderlich, dass sich die quantitative oder qualitative Steigerung gerade in dem Betrieb oder der Verwaltung oder der betroffenen Abteilung bemerkbar macht, sondern die rationellere Arbeitsweise kann auch in einem anderen Betrieb oder einer anderen Verwaltung zum Tragen komm (BAG, Urteil vom 17. März 1988 – 6 AZR 634/86 – BAGE 58, 31-37).

Nicht erfasst werden hingegen personalwirtschaftliche Maßnahmen, die lediglich den Personalbedarf an geänderte Gegebenheiten anpassen. In diesen Fällen soll durch die Personalmaßnahme keine Leistungssteigerung der Dienststelle herbeigeführt werden. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass z.B. die Streichung eines Personalpostens zur Anpassung der Personalbestandes an den vorhandenen Arbeitsanfall (vgl. dazu BAG, Urteil vom 24.03.1994 – 6 AZR 712/93 – AP Nr. 3 zu § 29 TV Ang. Bundespost) oder die Schließung eines Kinderheimes mit dem Ziel einer Kostenersparnis (vgl. dazu BAG, Urteil vom 17. März 1988 – 6 AZR 634/86 – BAGE 58, 31-37) keine Rationalisierungsmaßnahmen darstellen.

So ist es vorliegend. Nach dem Vortrag der Klägerin ist die Stilllegung erfolgt, um die mit dem Betreiben des Ausbildungssalons verbundenen Kosten zu senken, nach dem Vortrag der Beklagte aufgrund des Nachfragerückgangs. Da in beiden Fällen die Rationalisierung nicht mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise erfolgt ist, liegt keine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der RSO vor. Damit steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage nach §§ 2, 7 RSO nicht zu.

2. Ein Anspruch auf Zahlung einer Zulage ergibt sich auch nicht aus § 14 Abs. 4 BAT-KF. Dabei kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob diese Regelung eine selbständige Anspruchsgrundlage darstellt, dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls greifen diese Regelungen vorliegend zugunsten der Klägerin nicht.

a) Die Klägerin begehrt ausdrücklich eine “Ausgleichszulage nach § 14 Abs. 4 BAT-KF”. Einen Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage sieht § 14 Abs. 4 BAT-KF nur in Satz 4 vor, der regelt:

Diese Voraussetzungen sind vorliegend unstreitig nicht erfüllt, denn die Klägerin ist nicht höher-, sondern herabgruppiert worden. Für eine analoge Anwendung dieser Regelung ist kein Raum, da eine planwidrige Regelungslücke nicht erkennbar ist. Denn § 14 Abs. 4 BAT-KF differenziert zwischen den Fällen der Höher- und Herabgruppierung und trifft für diese Fälle ausdrücklich unterschiedliche Regelungen.

b) In ihrer Klagebegründung führt die Klägerin aus, dass ihr ein Anspruch auf “eine Ausgleichszulage wegen der Herabgruppierung in SD 3 bei gleichzeitig unterlassener Überleitung in die SD-Gruppen zum 01.01.2011” zustehe nach § 14 Abs. 4 S. 7 BAT-KF. § 14 Abs. 4 S. 7 BAT-KF regelt:

§ 14 Abs. 4 Satz 5 BAT-KF enthält folgende Regelung:

Die Protokollerklärung zu Absatz 4 Satz 7 1. Halbsatz lautet:

Die ausdrücklich von der Klägerin in Bezug genommenen Vorschriften regeln damit die Stufenzuordnung von Beschäftigten bei Rückgruppierung im bestehenden Arbeitsverhältnis. Eine bestimmte Stufenzuordnung hat die Klägerin mit ihrem Klageantrag aber ebenso wenig geltend gemacht wie die Bildung einer neuen individuellen Endstufe mit einem bestimmten Inhalt.

Bei der Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichszulage und der Stufenzuordnung handelt es sich um zwei unterschiedliche Streitgegenstände. Die Feststellung, die Klägerin einer bestimmten Stufe zuzuordnen, ist auch nicht in dem Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichszulage enthalten. Es handelt sich insoweit nicht um eine “Minus”, sondern um ein “Aliud”. Ein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage steht der Klägerin auch nach § 14 Abs. 4 BAT-KF nicht zu.

c) Soweit die Klägerin vorträgt, dass die aktuell bestehenden Vergütungsdifferenzen darauf zurückzuführen seien, dass die Beklagte sie zum 01.01.2011 nicht ordnungsgemäß übergeleitet hat, mag dies unter Umständen einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß §§ 280, 249 ff. BGB begründen. Die Zahlung von Schadensersatz oder die Feststellung einer entsprechenden Schadensersatzpflicht hat die Klägerin aber weder geltend gemacht, noch zu den Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere einem Verschulden der Beklagten, vorgetragen.

3. Da der Kläger ein Anspruch schon dem Grunde nach nicht zusteht, kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang der Anspruch nicht ohnehin verfallen oder verjährt ist.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 66 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten der von ihr ohne Erfolg eingelegten Berufung zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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